Quaternion
Die Quaternionen (Singular: die Quaternion, von lat. quaternio, -ionis f. „Vierheit“) sind ein Zahlbereich, der den Zahlbereich der reellen Zahlen erweitert – ähnlich den komplexen Zahlen und über diese hinaus. Beschrieben (und systematisch fortentwickelt) wurden sie seit 1843 von Sir William Rowan Hamilton; sie werden deshalb auch hamiltonsche Quaternionen oder Hamilton-Zahlen genannt. Olinde Rodrigues entdeckte sie bereits 1840 unabhängig von Hamilton.[2] Trotzdem wird die Menge der Quaternionen meistens mit bezeichnet.
Die Quaternionen bilden einen Schiefkörper (oder Divisionsring), bei dem die Multiplikation nicht kommutativ ist. Das heißt, es gibt Quaternionen und , bei denen die beiden Produkte und von der Reihenfolge der Faktoren abhängen, also
ist. Einige aus dem Reellen bekannte Rechenregeln gelten deshalb für Quaternionen nicht, jedoch Assoziativ- und Distributivgesetz, sowie multiplikative Invertierbarkeit, d.h. die Existenz des Inversen zu jedem .
Die Quaternionen waren der erste derartige Gegenstand in der Geschichte der Mathematik.
Quaternionen erlauben in vielen Fällen eine rechnerisch elegante Beschreibung des dreidimensionalen euklidischen Raumes und anderer Räume, insbesondere im Kontext von Drehungen. Daher verwendet man sie unter anderem in Berechnungs- und Darstellungsalgorithmen für Simulationen, sowie zur Auswertung kristallographischer Texturen. Sie sind aber auch als eigenständiges mathematisches Objekt von Interesse und dienen so zum Beispiel im Beweis des Vier-Quadrate-Satzes.
Inhaltsverzeichnis
- 2 Schreibweise
- 3 Grundrechenarten
- 4 Grundlegende Begriffe
- 5 Polardarstellung
- 6 Funktionentheorie
- 7 Beschreibung anderer Konstrukte mit Hilfe von Quaternionen
- 8 Die endlichen Untergruppen
- 9 Automorphismen
- 10 Andere Konstruktionen
- 11 Die Quaternionen als Algebra
- 12 Andere Grundkörper
- 13 Anwendungen
- 14 Geschichte
- 15 Verwandte Themen
- 16 Siehe auch
- 17 Literatur
- 18 Quellen
- 20 Anmerkungen
Konstruktion
Die Quaternionen entstehen aus den reellen Zahlen durch Hinzufügen (Adjunktion) dreier neuer Zahlen, denen in Anlehnung an die komplex-imaginäre Einheit die Namen , und gegeben werden. So ergibt sich ein vierdimensionales Zahlensystem (mathematisch: ein Vektorraum) mit einem Realteil, der aus einer reellen Komponente besteht, und einem Imaginärteil aus drei Komponenten, der auch Vektorteil genannt wird.
Jede Quaternion lässt sich eindeutig in der Form
mit reellen Zahlen , , , schreiben. Damit sind die Elemente eine Basis, die Standardbasis der Quaternionen über . Die Addition ist komponentenweise und wird vom Vektorraum geerbt. Multiplikativ werden die neuen Zahlen , , gemäß den Hamilton-Regeln
verknüpft. Die Skalarmultiplikation , die ebenfalls vom Vektorraum geerbt wird[2] und bei der die Skalare als mit jedem Element vertauschbar angesehen werden, zusammen mit der Addition, dem Rechtsdistributivgesetz und den Hamilton-Regeln erlauben es, die Multiplikation von der Basis auf alle Quaternionen zu erweitern. Da so auch jeder Skalar als in eingebettet wird, kann als Unterring von aufgefasst werden.
Die so definierte Multiplikation ist assoziativ, erfüllt die beiden Distributivgesetze [3] und macht so die Quaternionen zu einem Ring. Sie ist allerdings nicht kommutativ, d.h. für zwei Quaternionen und sind die beiden Produkte und im Allgemeinen verschieden (s.u.). Das Zentrum von , also die Menge derjenigen Elemente der multiplikativen Gruppe von , die mit allen Elementen kommutieren, ist .
Die Quaternionen bilden einen Schiefkörper (Divisionsring), da es zu jeder Quaternion eine inverse Quaternion gibt mit
- .
Wegen der fehlenden Kommutativität werden Notationen mit Bruchstrich, wie z.B. , vermieden.
Des Weiteren sind die Quaternionen eine vierdimensionale Divisionsalgebra über – und bis auf Isomorphie die einzige.
Schreibweise
Im weiteren Text werden folgende Schreibweisen benutzt:
Ist eine Quaternion, dann werden ihre (reellen) Komponenten mit bezeichnet, und diese sind folgendermaßen zugeordnet
- .
Gelegentlich wird eine vektorielle Schreibweise benötigt. Dabei werden bspw. die Komponenten zu einem 3-dimensionalen Vektor zusammengefasst, so dass man mit dem 4-dimensionalen Vektor identifizieren kann. [4]
Analoge Abmachungen sollen für andere Buchstaben wie etc. gelten.
In mancher älteren Literatur wurden Quaternionen mit großen Frakturbuchstaben und die imaginären Einheiten als Einheitsvektoren mit kleinen in Fraktur bezeichnet, z.B. so:
mit .
Grundrechenarten
Die Konstruktion der Quaternionen ist der der komplexen Zahlen analog, allerdings wird nicht nur eine neue Zahl hinzugefügt, sondern deren drei, die mit , und bezeichnet werden.
über der Basis spannen mit reellen Komponenten den 4-dimensionalen Vektorraum der Quaternionen auf. (Das Basiselement , das zugleich das neutrale Element der Multiplikation darstellt und welches die reellen Zahlen injektiv einbettet, wird in der Linearkombination meist weggelassen.) Die Addition und Subtraktion geschieht komponentenweise wie in jedem Vektorraum. Vom Vektorraum wird auch die Skalarmultiplikation übernommen, also die linke und rechte Multiplikation mit einer reellen Zahl, die distributiv zu jeder Komponente multipliziert wird.
Diese Skalarmultiplikation ist eine Einschränkung der Hamilton-Multiplikation, die auf ganz definiert ist. Die Hamilton-Multiplikation der Basiselemente untereinander oder etwas umfassender innerhalb der Menge
geschieht nach den Hamilton-Regeln
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die zusammen mit der Vertauschbarkeit von mit jedem anderen Element eine vollständige Tafel für eine Verknüpfung ausmachen, die sich als assoziativ erweist und zu einer Gruppe macht – der Quaternionengruppe.
Unter Voraussetzung der Regel (und der Gruppenaxiome) sind die anderen beiden und, in denen sich u.a. das zyklische bzw. anti-zyklische Verhalten der drei nicht-reellen Quaternionen-Einheiten ausdrückt, äquivalent zu der Kurzform
|
[5] |
Mithilfe dieser Ersetzungsregeln, dem Assoziativgesetz und (linkem wie rechtem) Distributivgesetz lässt sich die Multiplikation auf ganz fortsetzen. Die kann man wie anti-kommutierende Variablen behandeln. Treten Produkte von zweien von ihnen auf, so darf man sie nach den Hamilton-Regeln ersetzen.
Die ausgearbeiteten Formeln für die 2 Verknüpfungen von zwei Quaternionen
- und
lauten
|
(Addition) | ||
|
|||
(Multiplikation)[6] |
Hiermit sind die für einen Ring erforderlichen 2 Verknüpfungen definiert. Es ist leicht nachgerechnet, dass alle Ring-Axiome erfüllt sind.
Das additive Inverse ist (wie in jedem Vektorraum) das Produkt mit dem Skalar –1. Die Subtraktion ist die Addition dieses Inversen.
Die für einen Schiefkörper erforderliche Division muss wegen der fehlenden Kommutativität durch eine Multiplikation mit dem (multiplikativen) Inversen ersetzt werden (siehe Inverses und Division).[7]
Grundlegende Begriffe
Skalarteil und Vektorteil
Aufgrund der besonderen Stellung der Komponente einer Quaternion
bezeichnet man sie – wie bei den komplexen Zahlen – als Realteil oder Skalarteil
- ,
während die Komponenten zusammen den Imaginärteil oder Vektorteil
bilden. Häufig identifiziert man den Vektorteil auch mit dem Vektor .
Konjugation
Zu jeder Quaternion
ist die konjugierte Quaternion definiert als
- .
Da hier der Imaginärteil mit seinen Einheitsvektoren verknüpft bleibt und der Realteil als reelle Zahl eindeutig in die Quaternionen einzubetten ist, ergeben sich die einfachen Beziehungen
und
- ,
aus denen sich unmittelbar
und
ausrechnet.[8]
Ist eine Quaternion gleich ihrer Konjugierten, so ist sie reell, d.h. der Vektorteil ist null. Ist eine Quaternion gleich dem Negativen ihrer Konjugierten, so ist sie eine reine Quaternion, d.h. der Skalarteil ist null.
Weitere wichtige Eigenschaften der Konjugation sind:
|
Die Konjugation ist eine Involution. |
|
Die Konjugation ist -linear. |
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Die Konjugation ist ein involutiver Antiautomorphismus. |
|
Die Konjugation lässt sich „mit arithmetischen Mitteln“ darstellen.[9] |
Skalarprodukt
Das Skalarprodukt zweier Quaternionen, aufgefasst als Vektoren im , ist definiert durch:
- .
Es ist eine positiv definite symmetrische Bilinearform, über die sich Norm und Betrag definieren lassen und mit der Winkel und Orthogonalität bestimmt werden können.
Ferner kann man damit die einzelnen Komponenten einer Quaternion isolieren:
- .
Im Folgenden sei das Skalarprodukt, und zwar sowohl das 4- wie das 3-dimensionale – wie in der Physik üblich – mit dem Mittepunkt notiert.
Kreuzprodukt
Das Kreuzprodukt zweier Quaternionen ist das Kreuzprodukt (Vektorprodukt) ihrer Vektorteile und bis auf den Faktor 2 ihr Kommutator. Ist und , so ist
Quaternionenmultiplikation als Skalar- und Kreuzprodukt
Identifiziert man Quaternionen
|
und |
mit Paaren aus einem Skalar und einem Vektor
|
bzw. |
mit , |
so lässt sich die Multiplikation mithilfe des (dreidimensionalen) Skalarprodukts und Kreuzprodukts beschreiben:
- .
Zwei Quaternionen sind demnach genau dann miteinander vertauschbar, wenn ihr Kreuzprodukt 0 ist, wenn also ihre Vektorteile als reelle Vektoren linear abhängig sind (s.a. Einbettung der komplexen Zahlen).
Norm und Betrag
Das Skalarprodukt einer Quaternion mit sich selbst, welches gleich dem Quaternionenprodukt mit der Konjugierten ist, wird Norm genannt:
- .[10]
Insbesondere ist dieser Wert reell und nichtnegativ.
Die Quadratwurzel hieraus
wird Betrag oder Länge der Quaternion genannt und stimmt überein mit Betrag oder euklidischer Länge des Vektors . Er erfüllt die wichtige Eigenschaft
- ,
die Multiplikativität des Betrags. Mit dem Betrag werden die Quaternionen zu einer reellen Banachalgebra.
Inverses und Division
Bei einer nicht-kommutativen Multiplikation muss man die Gleichungen
|
und |
unterscheiden. Wenn das Inverse existiert, dann sind
|
bzw. |
respektive Lösungen, die nur dann übereinstimmen, wenn und kommutieren, insbesondere wenn der Divisor reell ist. In solch einem Fall kann die Schreibweise verwendet werden – bei allgemeinen Divisionen wäre sie nicht eindeutig.
Wenn zusätzlich existiert, gilt die Formel
- ,
denn
- und .
Für
ist die Norm
reell und positiv. Die Quaternion
erfüllt dann die Bedingungen des Rechts-
und des Links-Inversen
und kann deshalb als das Inverse schlechthin von bezeichnet werden.
Reine Quaternion
Eine Quaternion, deren Vektorteil 0 ist, wird mit der ihrem Skalarteil entsprechenden reellen Zahl identifiziert.
Eine Quaternion, deren Realteil 0 ist, nennt man reine Quaternion (auch: rein imaginär oder vektoriell). Reine Quaternionen lassen sich auch als diejenigen Quaternionen charakterisieren, deren Quadrat reell und nichtpositiv ist. Für die Menge der reinen Quaternionen schreibt man
- .
Sie ist ein dreidimensionaler reeller Vektorraum mit Basis .
Für reine Quaternionen nimmt die Multiplikation eine besonders einfache Form an:
- .
Einheitsquaternion
Eine Einheitsquaternion (auch: normierte Quaternion, Quaternion der Länge 1) ist eine Quaternion, deren Betrag gleich 1 ist. Für sie gilt (analog zu den komplexen Zahlen)
- .
Für eine beliebige Quaternion ist
eine Einheitsquaternion, die man manchmal auch als das Signum von bezeichnet.
Das Produkt zweier Einheitsquaternionen und die Inverse einer Einheitsquaternion sind wieder Einheitsquaternionen. Die Einheitsquaternionen bilden also eine Gruppe.
Geometrisch kann man die Menge der Einheitsquaternionen als die Einheits-3-Sphäre im vierdimensionalen euklidischen Raum und damit als Lie-Gruppe interpretieren, mit dem Raum der reinen Quaternionen als zugehöriger Lie-Algebra. Die Darstellung als komplexe Matrizen verdeutlicht die umkehrbar eindeutige Entsprechung der Einheitsquaternionen mit der speziellen unitären Gruppe .
Die einzigen reellen Einheitsquaternionen sind . Sie machen auch das Zentrum von aus.
Reine Einheitsquaternion
Einheitsquaternionen, die auch reine Quaternionen sind, lassen sich als diejenigen Quaternionen charakterisieren, deren Quadrate ergeben:
- .[11]
Sie liegen auf dem Rand und in der Äquatorhyperebene der 3-Sphäre und machen die Einheits-2-Sphäre des dreidimensionalen Raums aus.
Einbettung der komplexen Zahlen
Jede Quaternion mit Quadrat definiert einen Einbettungsisomorphismus der komplexen Zahlen in die Quaternionen
mit und als imaginärer Einheit der komplexen Zahlen. Dabei sind die Bildmengen der und entsprechenden Einbettungen identisch: .
Eine jede solche Quaternion darf genannt werden, eine senkrechte dazu und ihr Produkt .[12] Jede nicht-reelle Quaternion liegt in genau einer solchen Einbettung von . Zwei Quaternionen sind genau dann vertauschbar, wenn es eine gemeinsame Einbettung gibt.
Zwei verschiedene Bilder haben die reelle Achse zum Durchschnitt.
So betrachtet, sind die Quaternionen eine Vereinigung komplexer Ebenen.
Polardarstellung
Jede Einheitsquaternion kann auf eindeutige Weise in der Form
-
- mit dem Polarwinkel[13]
von
- und der reinen Einheitsquaternion
- mit dem Polarwinkel[13]
von
dargestellt werden.
Mit der verallgemeinerten Exponentialfunktion lässt sich dies wegen auch schreiben als
mit der reinen Quaternion . Will man also eine reine Quaternion exponentiieren, so ist und die reine Einheitsquaternion zu bilden, und es ergibt sich die Einheitsquaternion
- .
Der Fall lässt sich stetig ergänzen. Damit ist die Exponentialabbildung surjektiv – und bijektiv bei Einschränkung auf , denn es ist für unendlich viele mit . Sie ist stetig, wegen der Nicht-Kommutativität der Multiplikation aber kein Homomorphismus[14].
Allgemein lässt sich jede nicht-reelle Quaternion eindeutig in der Form
-
- mit dem Polarwinkel von
- und der reinen Einheitsquaternion (der reinen und normierten
Quaternion von )
- mit dem Polarwinkel von
schreiben. Durch die Festlegung ist , so dass in dieselbe Richtung wie der Vektorteil zeigt.
Jede nicht reell-negative Quaternion schreibt sich eindeutig als
mit einer reinen Quaternion mit .
Diese Darstellungen sind der Polarform komplexer Zahlen
(mit als imaginärer Einheit) analog. Für die Funktionalgleichung
müssen allerdings kommutieren [14]. [15]
Funktionentheorie
Exponentialfunktion, Logarithmus
Das Exponential einer nicht-reellen Quaternion ist:
mit .
Der (natürliche) Logarithmus einer nicht-reellen Quaternion ist:
- .
Für nicht-reelles sind sie Umkehrfunktionen voneinander
und, falls ,
- .
Für nicht-reelles, mit kommutierendes gelten die Funktionalgleichungen
und
- ,
letzteres für mit hinreichend kleinem Imaginärteil.
Fortsetzungen komplexer Funktionen
Da als eine Vereinigung von Einbettungen komplexer Ebenen aufgefasst werden kann (s. Abschnitt #Einbettung der komplexen Zahlen), kann man versuchen, Funktionen [16] mithilfe der genannten Einbettungsisomorphismen vom Komplexen ins Quaternionische zu liften. Dabei ist zu fordern, dass die so gewonnenen Funktionen mit bei Überschneidungen der Definitionsbereiche dasselbe Ergebnis liefern, so dass die vereinigte Funktion auf der Vereinigungsmenge vermöge als in wohldefinierter Weise gebildet werden kann.
Sei
eine komplexwertige Funktion
einer komplexen Variablen
mit reellen
und reellen .
Einbettbarkeit:
ist genau dann einbettbar in die Quaternionen, wenn
eine gerade
und
eine ungerade
Funktion von
ist.>
Beweis: Ist
eine beliebige nicht-reelle Quaternion, dann ist
eine reine und
normierte Quaternion mit .
Seien ferner
und ,
die beide reell sind. Sowohl
wie
ist ein Einbettungsisomorphismus für das Bild .
Im ersteren Fall ist
das Urbild von ,
im zweiten Fall haben wir wegen
das Urbild ;
jeweils mit
als der imaginären Einheit von .
Die Urbilder sind verschieden, das Bild, das bei der zu bildenden Funktion
als Argument fungieren soll, ist aber beidesmal .
Das „Liften“ wird durch die Einbettung der Funktionswerte als
und
vervollständigt (s. Diagramm). Nun ist nach Voraussetzung
- ,
so dass sich
ergibt und nicht von der Wahl des Einbettungsisomorphismus abhängt.
Die Bedingung ist auch notwendig. Denn lässt umgekehrt die Funktion eine Einbettung in die Quaternionen zu, so haben wir zu jedem eine geeignete reine Einheitsquaternion mit und
- .
Nun hat die konjugierte Einbettung dasselbe Bild wie , somit dieselbe Definitionsmenge wie . Der Funktionswert
muss also mit dem vorigen für alle übereinstimmen. ■
Die eingebettete Funktion stimmt auf allen Teilmengen mit überein, kann also als Fortsetzung von angesehen werden und, wenn Verwechslungen nicht zu befürchten sind, wird auch der Funktionsname beibehalten.
Ist eine einbettbare Funktion, so ist wegen der Ungeradheit von in der zweiten Variablen, also und für . Somit folgt aus der Einbettbarkeit, dass die Einschränkung aufs Reelle reell ist.[17] Zu dieser Klasse von komplexen Funktionen gehören Norm und Betrag, aber auch alle Laurent-Reihen mit reellen Koeffizienten , so die Exponential- und Logarithmusfunktion.
Nicht zu dieser Klasse gehört bspw. die Funktion , bei der nicht ungerade ist in . Gleichwohl ist eine wohldefinierte Funktion und eine Fortsetzung von , denn es besteht Übereinstimmung auf der Teilmenge .
Analysis
Schwieriger ist es, eine allgemeine quaternionische Analysis mit Differential- und/oder Integralrechnung aufzustellen. Ein Problem springt unmittelbar ins Auge: der Begriff des Differenzenquotienten , der in der reellen wie der komplexen Analysis so erfolgreich ist, muss wegen der Nicht-Kommutativität als linke und rechte Version definiert werden. Legt man dann genauso strenge Maßstäbe wie bei der komplexen Differenzierbarkeit an, dann stellt sich heraus, dass bestenfalls lineare Funktionen, und zwar links und rechts, differenzierbar sind. Immer definieren lässt sich aber eine Richtungsableitung und das Gâteaux-Differential.
Ausgehend von den Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen und dem Satz von Morera wurde folgender Regularitätsbegriff gefunden: Eine quaternionische Funktion ist regulär an der Stelle , wenn ihr Integral über jeder hinreichend kleinen umschließenden Hyperfläche verschwindet.
Beschreibung anderer Konstrukte mit Hilfe von Quaternionen
Minkowski-Skalarprodukt
Das Minkowski-Skalarprodukt zweier Quaternionen, aufgefasst als Vektoren im Minkowski-Raum, ist der Skalarteil von :
Vektoranalysis
Im Folgenden werden Vektoren im dreidimensionalen Raum mit reinen Quaternionen , also die üblichen -Koordinaten mit den -Komponenten identifiziert. Definiert man den Nabla-Operator (wie Hamilton) als
und wendet ihn auf eine skalare Funktion als (formale) Skalarmultiplikation an, erhält man den Gradienten
Die Anwendung auf ein Vektorfeld
als (formales) Skalarprodukt ergibt die Divergenz
- .
Die Anwendung auf ein Vektorfeld als (formales) Kreuzprodukt ergibt die Rotation
- .
Die Anwendung auf ein Vektorfeld als (formales) Produkt zweier reiner Quaternionen ergibt
mit als Skalarteil und als Vektorteil der Quaternion.
Zweimalige Anwendung auf eine Funktion ergibt den Laplace-Operator
d.h. wirkt wie ein Dirac-Operator als (formale) „Quadratwurzel“ des (negativen) Laplace-Operators.
Drehungen im dreidimensionalen Raum
Einheitsquaternionen können für eine elegante Beschreibung von Drehungen im dreidimensionalen Raum verwendet werden: Für eine feste Einheitsquaternion ist die Abbildung
- bzw.
auf eine Drehung. (Hier, wie im Folgenden, ist nur von Drehungen die Rede, die den Ursprung festlassen, d.h. deren Drehachse durch den Ursprung verläuft.)
Die Polardarstellung stellt die Einheitsquaternion durch einen Winkel und eine reine Einheitsquaternion eindeutig dar als
- .
Dann ist eine Drehung des um die Achse mit Drehwinkel .
Für jede Einheitsquaternion definieren und dieselbe Drehung; insbesondere entsprechen und beide der identischen Abbildung (Drehung mit Drehwinkel 0). Im Unterschied zur Beschreibung von Drehungen durch orthogonale Matrizen handelt es sich also um keine 1:1-Entsprechung, zu jeder Drehung gibt es genau zwei Einheitsquaternionen mit .
Die Hintereinanderausführung von Drehungen entspricht der Multiplikation der Quaternionen, d.h.
Die Umkehrung der Drehrichtung entspricht dem Inversen:
Damit ist die Abbildung
ein Homomorphismus der Gruppe der Einheitsquaternionen in die Drehgruppe . Sie ist eine Überlagerung der , und, da ein Bildelement genau die zwei Urbilder hat, zweiblättrig, weshalb der Homomorphismus auch 2:1-Überlagerung(shomomorphismus)[12] genannt wird. Ferner ist sie universell, da einfach zusammenhängend ist.
Bezug zu orthogonalen Matrizen
Explizit entspricht der Einheitsquaternion ,
mit und die Drehmatrix
- .[13]
Sie bildet eine reine Quaternion auf ab.
Ist umgekehrt die Drehmatrix
gegeben und ist die Spur
- mit ,
dann bewerkstelligt die Quaternion
die Drehung , denn es ist für jede reine Quaternion .
Wenn man die homogen formulierte Version von als Eingabematrix nimmt, produziert die gezeigte Lösung mit die Quaternion . Wegen kann die Homogenität in den durch die Setzung aufrechterhalten werden.
Die hat wie die über die Dimension 3. Die 9 Komponenten von können also nicht alle frei wählbar sein. Da einer jeden Matrix eine Quaternion entspricht, decken die Drehmatrizen die ganze ab. Bei ist . Falls also wirklich , ist auch die Einheitsquaternion zu .
Bezug zu Eulerwinkeln
Für Eulerwinkel gibt es verschiedene Konventionen; die folgende Darlegung bezieht sich auf die Drehung, die man erhält, wenn man zuerst um die -Achse um den Winkel , dann um die neue -Achse um den Winkel und schließlich um die neue -Achse um den Winkel dreht, d.i. die sog. „x-Konvention“ (z, x’, z’’) mit allen Winkeln doppelt. Die Einzeldrehungen entsprechen den Einheitsquaternionen
und da jeweils um die mitgedrehten Achsen gedreht wird, ist die Reihenfolge der Komposition umgekehrt. Die Gesamtdrehung entspricht also
Für andere Konventionen ergeben sich ähnliche Formeln.
Die Eulerwinkel zu einer gegebenen Quaternion lassen sich an der zugehörigen Drehmatrix ablesen.
Universelle Überlagerung der Drehgruppe; Spingruppe
Wie im Abschnitt Einheitsquaternionen gezeigt, gibt es einen durch die Hamiltonschen Zahlen vermittelten Isomorphismus zwischen der Gruppe der Einheitsquaternionen und der speziellen unitären Gruppe . Diese beiden Gruppen sind isomorph zur Spingruppe (zur Physik: siehe Spin).
Die 2:1-Überlagerung liefert also einen Homomorphismus der Spingruppe in die Drehgruppe . Diese Überlagerung ist zweiblättrig und universell, da im Gegensatz zur einfach zusammenhängend ist. Die natürliche Operation von auf ist eine sog. Spinordarstellung.
Die aus der Quantenmechanik bekannten sog. Pauli-Matrizen stehen in einfacher Beziehung zu den drei Erzeugenden der . Dies wird besonders deutlich in der Darstellung als komplexe Matrizen:
- ,
dabei ist die imaginäre Einheit der komplexen Zahlen.
Die Pauli-Matrizen haben –1 zur Determinante (sind also keine Quaternionen), sind spurfrei und hermitesch und kommen daher in der Quantenmechanik als messbare Größen in Frage, was sich für die Anwendungen (s. mathematische Struktur der Quantenmechanik) als wichtig erwiesen hat. Einzelheiten sind im Artikel SU(2) dargestellt.
Orthogonale Abbildungen des vierdimensionalen Raumes
Analog zum dreidimensionalen Fall kann man jede orientierungserhaltende orthogonale Abbildung von in sich selbst in der Form
für Einheitsquaternionen beschreiben. Es gilt
Diese Konstruktion liefert eine Überlagerung
mit Kern .
Die endlichen Untergruppen
Der 2:1-Überlagerungshomomorphismus
- ,
der einer Einheitsquaternion die 3D-Drehung
zuordnet, muss eine endliche Gruppe von Quaternionen in eine endliche Gruppe überführen, die dann eine endliche Drehgruppe im ist. Man findet zyklische Gruppen und Polyedergruppen, also die Diedergruppen (Zählweise der n-Ecke), die Tetraedergruppe , die Oktaedergruppe und die Ikosaedergruppe .
Die Erzeugenden der zyklischen Gruppen sind Einbettungen von Einheitswurzeln . Die Urbilder der , , , unter werden als , , , bezeichnet und heißen binäre Diedergruppe etc. Für eine Polyedergruppe also .
Die endlichen Gruppen von Quaternionen sind demnach :
Gruppe | erzeugt von |
Ordnung | konvexe Hülle im bzw. |
reguläres n-Eck | |||
, bei n=2 zugleich: regulärer 16-Zeller | |||
regulärer 24-Zeller | |||
= Dihektaoktokontaoktochor (288-Zeller) | |||
regulärer 600-Zeller |
mit
- , , , .
Die zyklischen Gruppen sind in naheliegender Weise Untergruppen von anderen Gruppen. Die Quaternionengruppe = ist eine Untergruppe der binären Tetraedergruppe . Die Automorphismengruppe von ist isomorph zur Oktaedergruppe (Symmetrische Gruppe). Ihre Elemente sind ebenfalls Automorphismen von , , und .
Die konvexen Hüllen sind (bis auf die Fälle , bei denen man mit 2 Dimensionen auskommt) 4-Polytope und haben, da alle Gruppenelemente von der Länge 1 sind, die Einheits-3-Sphäre als Um-3-Sphäre. Die Ränder dieser 4-Polytope, also die Zellen, sind Ansammlungen von Tetraedern – bis auf den Fall , bei dem es Oktaeder sind. Bei den regulären unter den konvexen Hüllen ist es klar, dass die Zellen ebenfalls regulär und zueinander kongruent sind und es eine In-3-Sphäre gibt, die alle Zellen (an ihrem Mittelpunkt) berührt. Die übrigen, nämlich und , spannen sog. perfekte 4-Polytope auf. Hier sind die Zellen tetragonale Disphenoide, welche ebenfalls alle zueinander kongruent sind und an ihrem Mittelpunkt von der In-3-Sphäre berührt werden.
Automorphismen
Ein jeder Ring-Automorphismus von ist ein innerer, d.h. es gibt eine Quaternion , so dass . Daraus folgt:
- Das Zentrum bleibt fest, d.h. für alle .
- Man kann sich auf die Einheitsquaternionen beschränken.
- Ein Automorphismus ändert nicht das Skalarprodukt, d.h. .
- Die Automorphismen sind genau die winkel- und längentreuen Drehungen von aus dem Abschnitt Drehungen im dreidimensionalen Raum.
- Wegen der Längentreue sind die Automorphismen stetig, somit zusätzlich topologisch.
- hat das Zentrum . Folglich ist die Automorphismengruppe .
Die Konjugation als Spiegelung an der reellen Achse ist antihomomorph in der Multiplikation, d.h. , und wird als involutiver Antiautomorphismus bezeichnet, weil sie zudem eine Involution ist.
Andere Konstruktionen
Matrixdarstellungen
Komplexe Matrizen
Im Ring der komplexen 2×2-Matrizen bildet man den von den Elementen
erzeugten Unterring [20], wobei die imaginäre Einheit der komplexen Zahlen als kenntlich gemacht ist.[21] Eine Matrix
mit reellen und komplexen hat die Determinante , die nur dann 0 ist, wenn . Somit sind alle von der Nullmatrix verschiedenen Matrizen invertierbar – und der Ring ist ein Schiefkörper.[22]
Der so konstruierte Schiefkörper erweist sich als isomorph zu den Quaternionen. Denn die Abbildung mit den Zuordnungen
ist homomorph in den Verknüpfungen Addition und Multiplikation, wobei letztere der Matrizenmultiplikation zuzuordnen ist. Die konjugierte Quaternion geht auf die adjungierte Matrix und die Norm auf die Determinante. Darüber hinaus ist die Abbildung injektiv und stetig, also topologisch.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten für die Einbettung , die alle zueinander konjugiert und homöomorph sind.[23]
Reelle Matrizen
Ganz analog kann man die Quaternion auch als reelle 4×4-Matrix
schreiben. Die Konjugation der Quaternion entspricht der Transposition der Matrix und der Betrag der vierten Wurzel aus der Determinante.
Das Modell der reellen Matrizen ist bspw. dann vorteilhaft, wenn man eine Software für lineare Algebra mit Schwächen bei den komplexen Zahlen hat.
Quotientenalgebra
Eine elegante, aber zugleich abstrakte Konstruktion stellt der Weg über den Quotienten des nichtkommutativen Polynomrings in drei Unbestimmten dar, deren Bilder sind, modulo dem Ideal, das von den Hamilton-Regeln erzeugt wird. Alternativ kommt man auch mit nur zwei Unbestimmten aus.
Auf diese Weise ergibt sich die Quaternionen-Algebra als Clifford-Algebra der zweidimensionalen, euklidischen Ebene mit Erzeugern . Im Zusammenhang mit dreidimensionalen Drehungen ist auch die Interpretation als der gerade Anteil der Clifford-Algebra des dreidimensionalen, euklidischen Raumes wichtig. Die Erzeuger werden dann mit identifiziert.
Die Quaternionen als Algebra
Es gibt bis auf Isomorphie genau vier endlichdimensionale -Algebren, deren Multiplikation ohne Nullteiler ist, nämlich den Körper der reellen Zahlen selbst, den Körper der komplexen Zahlen, den Schiefkörper der Quaternionen und den Alternativkörper der Cayleyschen Oktaven. [24][25]-->[41]
Das Zentrum von ist ; die Quaternionen sind also eine zentraleinfache Algebra über . Reduzierte Norm und Spur sind durch
- bzw.
gegeben.
Beim Basiswechsel von zum algebraischen Abschluss werden die Quaternionen zu einer Matrizenalgebra:
Die komplexe Konjugation auf dem Faktor des Tensorproduktes entspricht einer Involution der Matrizenalgebra. Die Invarianten von , d.s. die von fix gelassenen Elemente mit , bilden eine zu isomorphe Algebra. Zur oben angegebenen Matrixdarstellung der Quaternionen als komplexe Matrizen passt die Involution
- mit .
Die Tatsache, dass die Brauergruppe von nur aus zwei Elementen besteht, spiegelt sich auch darin wider, dass
ist.
Allgemein bezeichnet man jede vierdimensionale zentraleinfache Algebra über einem Körper als eine Quaternionenalgebra.
Die Quaternionen sind die Clifford-Algebra zum Raum mit einer negativ-definiten symmetrischen Bilinearform.
Andere Grundkörper
Quaternionen über den rationalen Zahlen
Bei allen obigen Arten der Konstruktion spielt die Vollständigkeit des Koeffizientenvorrats keine Rolle. Deshalb kann man (anstatt von den reellen Zahlen über zu ) auch von anderen Grundkörpern, z.B. den rationalen Zahlen , ausgehen, um via gaußsche Zahlen bei den Quaternionen mit rationalen Koeffizienten
anzukommen – mit formal denselben Rechenregeln. Danach kann, falls überhaupt erforderlich, die Vervollständigung für die Betragsmetrik durchgeführt werden mit einem Endergebnis isomorph zu .
Insofern kann bei vielen Aussagen durch , durch und durch ersetzt werden.
Da es nach dem Satz von Wedderburn keinen endlichen Schiefkörper mit nicht-kommutativer Multiplikation gibt und die Dimension des Vektorraums über seinem Primkörper und Zentrum mit minimal ist, gehört als abzählbare Menge zu den „kleinsten“ Schiefkörpern mit nicht-kommutativer Multiplikation – auf jeden Fall enthält keinen kleineren.
Der Schiefkörper besitzt einen sog. Ganzheitsring d.h. eine Untermenge von Zahlen, genannt Hurwitzquaternionen, die einen Ring bilden und zum Quotientenkörper haben, – ganz ähnlich, wie es sich bei den ganzen Zahlen und ihrem Quotientenkörper verhält. In einem solchen Ring lassen sich bspw. Approximationsfragen, Teilbarkeitsfragen u.Ä. untersuchen.
Weitere Grundkörper
Auch Körper eignen sich als Ausgangspunkt zur Bildung nicht-kommutativer Erweiterungskörper nach Art der Quaternionen. Wichtig ist, dass in die Summe aus 4 Quadraten nur für verschwindet. Dann gibt es auch kein mit und ist eine echte quadratische Erweiterung, die eine Konjugation definiert. Diese Bedingungen sind z.B. bei allen formal reellen Körpern erfüllt.
Aber auch bei Körpern, die nicht angeordnet werden können, kann die obige Bedingung betreffend die Summe aus 4 Quadraten erfüllt sein, bspw. im Körper der 2-adischen Zahlen. Der so über gebildete Quaternionenkörper ist isomorph zur Vervollständigung des (oben beschriebenen) Körpers der Quaternionen mit rationalen Koeffizienten für die folgende (nichtarchimedische diskrete) Bewertung , dem 2-Exponenten der Norm,
mit . Die Primzahl ist die einzige, für die die Quaternionen-Algebra über nullteilerfrei und ein Schiefkörper ist.
Anwendungen
Eulerscher Vier-Quadrate-Satz
Die Identität, die aus dem Produkt zweier Summen von vier Quadraten
wieder eine Summe von vier Quadraten macht, gilt universell – einschließlich aller Varianten, die durch Vorzeichenspiel und Permutation entstehen, – in jedem Polynomring über einem kommutativen unitären Ring und kann im Nachhinein als „Abfallprodukt“ der Multiplikativität des quaternionischen Betrags angesehen werden. Ihre Entdeckung 1748, also lange vor der Quaternionenzeit, geht jedoch auf Leonhard Euler zurück, der mit ihrer Hilfe den 1770 erstmals erbrachten Beweis von Joseph Louis Lagrange für den lange vermuteten Vier-Quadrate-Satz wesentlich vereinfachen konnte.
Informatik und Ingenieurwissenschaften
Die Darstellung von Drehungen mithilfe von Quaternionen wird heutzutage im Bereich der interaktiven Computergrafik genutzt, insbesondere bei Computerspielen, sowie bei der Steuerung und Regelung von Satelliten. Bei Verwendung von Quaternionen an Stelle von Drehmatrizen werden etwas weniger Rechenoperationen benötigt. Insbesondere, wenn viele Drehungen miteinander kombiniert (multipliziert) werden, steigt die Verarbeitungsgeschwindigkeit. Des Weiteren werden Quaternionen, neben den Eulerwinkeln, zur Programmierung von Industrierobotern (z.B. ABB) genutzt.
Physik
Durch die Verwendung der Quaternionen kann man in vielen Fällen auf getrennte Gleichungen zur Berechnung von Zeit und Raum verzichten. Dies bietet Vorteile in der Physik, unter anderem in den Gebieten Mechanik, Wellengleichungen, Spezielle Relativitätstheorie und Gravitation, Elektromagnetismus sowie der Quantenmechanik.
Wie im Abschnitt Vektoranalysis werden Vektoren im dreidimensionalen Raum mit reinen Quaternionen identifiziert.
Elektromagnetismus
Die Maxwell-Gleichungen zur Beschreibung des Elektromagnetismus sind der bekannteste Anwendungsfall für Quaternionen. Die Maxwellgleichungen werden durch eine Gruppe von Kommutatoren und Antikommutatoren des Differenzoperators, des elektrischen Feldes E und dem magnetischen Feld B im Vakuum definiert. Im Wesentlichen sind dieses die homogene Maxwellgleichung und das gaußsche Gesetz.
Im Folgenden werden modifizierte Kommutatoren bzw. Antikommutatoren verwendet:
bzw.
und
mit als (formalen) Quaternionen und diversen formalen Produkten.
Die homogene Maxwellgleichung ist definiert durch:
- .
Hierbei besagt , dass keine magnetischen Monopole existieren. ist das Faradaysche Induktionsgesetz.
Das gaußsche Gesetz definiert sich umgekehrt aus:
- .
Hierbei ergibt das gaußsche Gesetz und das von Maxwell korrigierte Ampèresche Durchflutungsgesetz.
Elektromagnetisches Viererpotential
Die elektrischen und magnetischen Felder werden häufig als elektromagnetisches Viererpotential (d.h. als 4-wertiger Vektor) ausgedrückt. Dieser Vektor kann auch als Quaternion umformuliert werden.
Das elektrische Feld E ist der Antikommutator des konjugierten, differenzierten Vierpotenzials. Das magnetische Feld B verwendet den Kommutator. Durch diese Darstellungsform kann man direkt in die Maxwellgleichungen einsetzen:
sowie
- .
Hierbei sind die Ausdrücke und die beiden Quellenfelder, die durch die Differenz aus zwei Kommutatoren und zwei Antikommutatoren gebildet werden.
Das Induktionsgesetz und das Durchflutungsgesetz werden durch die Summe aus den zwei ineinanderliegenden Kommutatoren und Antikommutatoren gebildet.
Lorentzkraft
Die Lorentzkraft wird auf ähnliche Weise aus den Maxwellgleichungen abgeleitet. Allerdings müssen die Vorzeichen korrigiert werden.
Erhaltungssatz
Der Erhaltungssatz der elektrischen Ladung wird durch die Anwendung des konjugierten Differenzoperators auf die Quellen der Maxwellgleichung gebildet. Mit sei hier der Real- oder Skalarteil der Quaternion bezeichnet. In den Beispielen ist ein Quaternionenprodukt.
Diese Gleichung zeigt, dass das Skalarprodukt des elektrischen Feldes plus dem Kreuzprodukt des magnetischen Feldes auf der einen Seite, sowie der Stromdichte plus der Frequenz der Ladungsdichte auf der anderen Seite, gleich ist. Dieses bedeutet, dass die Ladung bei der Umformung erhalten bleibt.
Poyntings Energieerhaltungssatz wird in auf dieselbe Weise abgeleitet, mit dem Unterschied, dass statt des Differentials das konjugierte elektrische Feld verwendet wird.
Mit den Vektoridentitäten
kann man diese Gleichung nach
umformen, was der Poynting-Gleichung entspricht. Der Ausdruck entspricht hierbei dem Poynting-Vektor.
Geschichte
William Rowan Hamilton hatte 1835 die Konstruktion der komplexen Zahlen als Zahlenpaare angegeben. Dadurch motiviert, suchte er lange nach einer entsprechenden Struktur auf dem Raum der Zahlentripel; heute weiß man, dass keine derartige Struktur existiert. 1843 schließlich gelangte er zu der Erkenntnis, dass es möglich ist, eine Multiplikation auf der Menge der 4-Tupel zu konstruieren, wenn man dazu bereit ist, die Kommutativität aufzugeben. In einem Brief an seinen Sohn gibt er als Datum den 16. Oktober 1843 an und berichtet, er habe sich spontan dazu hinreißen lassen, die Multiplikationsregeln in einen Stein an der Brougham Bridge (heute Broombridge Road) in Dublin zu ritzen; später wurde dort eine Gedenktafel angebracht. Die Rechenregeln für Quaternionen waren in Ansätzen schon früher bekannt, so findet sich die Formel für den Vier-Quadrate-Satz bereits bei Leonhard Euler (1748). Andere, auch allgemeinere Multiplikationsregeln wurden von Hermann Graßmann untersucht (1855).
Schon kurz nach der Entdeckung der Quaternionen fand Hamilton die Darstellung von Drehungen des Raumes mithilfe von Quaternionen und damit eine erste Bestätigung der Bedeutung der neuen Struktur; Arthur Cayley entdeckte 1855 die entsprechenden Aussagen über orthogonale Abbildungen des vierdimensionalen Raumes. Die bloße Parametrisierung der -Drehmatrizen war hingegen schon Euler bekannt. Cayley gab 1858 in der Arbeit, in der er Matrizen einführte, auch die Möglichkeit der Darstellung von Quaternionen durch komplexe -Matrizen an.
Hamilton widmete sich fortan ausschließlich dem Studium der Quaternionen; sie wurden in Dublin ein eigenes Examensfach. In seiner Nachfolge wurde 1895 sogar ein „Weltbund zur Förderung der Quaternionen“ gegründet. Der deutsche Mathematiker Felix Klein schreibt rückblickend über diese anfängliche Euphorie:
„Wie ich schon andeutete, schloß sich Hamilton eine Schule an, die ihren Meister an Starrheit und Intoleranz noch überbot. […] Die Quaternionen sind gut und brauchbar an ihrem Platze; sie reichen aber in ihrer Bedeutung an die gewöhnlichen komplexen Zahlen nicht heran. […] Die Leichtigkeit und Eleganz, mit der sich hier die weittragendsten Theoreme ergeben, ist in der Tat überraschend, und es läßt sich wohl von hier aus die alles andere ablehnende Begeisterung der Quaternionisten für ihr System begreifen, die […] nun bald über vernünftige Grenzen hinauswuchs, in einer weder der Mathematik als Ganzem noch der Quaternionentheorie selbst förderlichen Weise. […] Die Verfolgung des angegebenen Weges – der neu sein will, obwohl er tatsächlich nur eine peinlich genaue Übertragung längst bekannter Gedanken auf ein einziges neues Objekt, also durchaus keine geniale Konzeption bedeutet – führt zu allerhand Erweiterungen der bekannten Sätze, die in ihrer Allgemeinheit das Hauptcharakteristikum verlieren und gegenstandslos werden, allenfalls zu Besonderheiten, die ein gewisses Vergnügen gewähren mögen.“
Verwandte Themen
Ähnliche Konstruktionen wie die Quaternionen werden manchmal unter dem Namen „hyperkomplexe Zahlen“ zusammengefasst. Beispielsweise sind die Cayley-Zahlen oder Oktaven ein achtdimensionales Analogon zu den Quaternionen; ihre Multiplikation ist allerdings weder kommutativ noch assoziativ.
Siehe auch
Literatur
- Max Koecher, Reinhold Remmert: Hamiltonsche Quaternionen. In: H.-D. Ebbinghaus et al.: Zahlen. Springer-Verlag, Berlin 1983. ISBN 3-540-12666-X
- John H. Conway, Derek A. Smith: On Quaternios and Octonions, A K Peters Ltd, 2003, ISBN 1-56881-134-9 (englisch)
- Jack B. Kuipers: Quaternions and Rotation Sequences, Princeton University Press, 2002, ISBN 0-691-10298-8 (englisch)
- W. Bolton: Complex Numbers (Mathematics for Engineers), Addison-Wesley, 1996, ISBN 0-582-23741-6 (englisch)
- Andrew J. Hanson: Visualizing Quaternions, Morgan Kaufmann Publishers, 2006, ISBN 0-12-088400-3 (englisch)
- Lew Semjonowitsch Pontrjagin: Verallgemeinerungen der Zahlen, Verlag Harri Deutsch, 1995
- S. Eilenberg and I. Niven: The „fundamental theorem of algebra“ for quaternions. Bull. Amer. Soc. 50(1944), 246-248.
Anmerkungen
- ↑ Bei Gauß findet sich eine Notiz über die Multiplikation und Konjugation von Quadrupeln im Kapitel Mutation des Raumes Carl Friedrich Gauß Werke, Achter Band, Seiten 357-361, König. Gesell. Wissen. Göttingen, 1900, die auf das Jahr 1819 datiert wird. Die Unterschiede zu Hamilton gehen nicht über notationelle Konventionen hinaus.
- ↑ Sie ist nicht mit dem Skalarprodukt zu verwechseln.
- ↑ die wegen der fehlenden Kommutativität in der Multiplikation nicht automatisch auf eines reduziert werden können
- ↑ NB: wird bei Bedarf genauso als Spaltenvektor eingesetzt.
- ↑
Dasselbe leistet eine jede der 5 alternativen
Kurzformen
- .
- ↑
In Gauß' Text aus dem Jahr 1819 a. a. O. sind die
Vorzeichen zwischen rot und grün vertauscht, was der Kurzform
und einer gespiegelten Orientierung
des Dreibeins
,
d.h. der Multiplikation
im Gegenring
entspricht. Die Identität
auf der Grundmenge
ist ein Antiisomorphismus und die Konjugation
ein Isomorphismus
.
Die Nichtkommutativität ist gleichbedeutend mit der Verschiedenheit von und . Da beide Ringe die Ringaxiome der Quaternionen erfüllen, müssen diese „unvollständig“ sein im Sinne Hölders. - ↑
Reelle Faktoren kommutieren mit
und damit mit allen Quaternionen, d.h. es gilt beispielsweise
- ↑
Im Komplexen gilt dagegen
- ↑ und damit auch Betrag und die Teilmenge der reellen Zahlen. Bei den komplexen Zahlen gilt dies nicht (s.a. Komplexe Zahl#Körpertheorie und algebraische Geometrie).
- ↑ Viele Autoren setzen jedoch Norm dem Betrag gleich.
- ↑ Den unendlich vielen Nullstellen des Polynoms steht das Fehlen einer Nullstelle beim Polynom vom Grad 1 gegenüber. Letzteres besitzt 2 Monome vom Grad 1, dem höchsten Grad seiner Monome. In nicht-kommutativen Ringen wird der Grad des Monoms mit zu definiert, und ein Monom dominiert ein Polynom, wenn es unter allen Monomen den höchsten Grad hat. Dann ist der Grad des Polynoms auch gleich dem Grad der dominierenden Monome. Hat ein Polynom über ein einziges dominierendes Monom von einem Grad > 0, dann hat es immer eine Nullstelle in .
- ↑ Conway a. a. O., Seite 40. Und: Ein Automorphismus definiert eine solche Einbettung (durch Einschränkung), die nur eine Einbettung von -Algebren ist. ist keine Algebra über .
- ↑ Der Polarwinkel ist das Analogon zum komplexen Argument , allerdings ist bei dessen Hauptwert das Signum des Imaginärteils mit hinein genommen, was sich bei den Quaternionen nicht machen lässt, so dass nicht eine einfache Einschränkung des Polarwinkels ist.
- ↑
a
b
Für
und
ist
- .
- ↑ Laut Lam a. a. O. Seite 22 mag das Scheitern dieser Funktionalgleichung das größte Hindernis für eine quaternionische Funktionentheorie gewesen sein.
- ↑ Die Überlegungen gelten schon, wenn der Definitionsbereich von ein Gebiet ist.
- ↑ Letzteres ist aber nicht hinreichend, denn die Funktion ist trotz nicht einbettbar. Sind allerdings die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen erfüllt, folgt aus der Ungeradheit von die Geradheit von , jeweils in der zweiten Variablen.
- ↑ Conway a. a. O., Seite 33
- ↑ zu siehe Orthogonale Gruppe#Dreidimensionale Drehungen
- ↑ ein -Vektorraum, der aber weder -Ideal noch -Vektorraum ist, da
- ↑ Die Matrizen sind spurfrei und schiefhermitesch.
- ↑ Nur Matrixringe der Dimensionen 1, 2 und 4 über sind nullteilerfrei (siehe auch #Die Quaternionen als Algebra).
- ↑ Diese Möglichkeiten entsprechen der Vorschaltung eines Automorphismus.
- ↑ Satz von Frobenius (reelle Divisionsalgebren) ( Corollary 6.8 in Chapter iX von Hungerford: Algebra (Springer 1974)
- ↑ Satz von Hurwitz (normierte Divisionsalgebren)
- ↑ Satz von Pontrjagin (1931) in Pontrjagin: Jeder lokalkompakte, zusammenhängende topologische Schiefkörper ist entweder der Körper der reellen Zahlen oder der Körper der komplexen Zahlen oder der Schiefkörper der Quaternionen.
- ↑ a b Die Beispiele haben als ersten Operanden alle einen Differentialoperator, der auf den zweiten Operanden wirkt. Die Brüche enthalten jedoch mit eine unbrauchbare Reihenfolge. Bei den Ausrechnungen ganz rechts kommt immer vor .
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 03.10. 2022