Ring (Algebra)
Ein Ring ist eine algebraische
Struktur, in der, ähnlich wie in den ganzen Zahlen ,
Addition
und Multiplikation
definiert und miteinander bezüglich Klammersetzung verträglich sind. Die
Ringtheorie ist ein Teilgebiet der Algebra,
das sich mit den Eigenschaften von Ringen beschäftigt.
Namensgebung
Der Name Ring bezieht sich nicht auf etwas anschaulich Ringförmiges, sondern auf einen organisierten Zusammenschluss von Elementen zu einem Ganzen. Diese Wortbedeutung ist in der deutschen Sprache ansonsten weitgehend verloren gegangen. Einige ältere Vereinsbezeichnungen (wie z.B. Deutscher Ring, Weißer Ring, Maschinenring) oder Ausdrücke wie „Verbrecherring“, „Tauschring“ oder auch „Ringvorlesung“ weisen noch auf diese Bedeutung hin. Das Konzept des Ringes geht auf Richard Dedekind zurück; die Bezeichnung Ring wurde allerdings von David Hilbert eingeführt. In speziellen Situationen ist neben der Bezeichnung Ring auch die Bezeichnung Bereich geläufig. So findet man in der Literatur eher den Begriff Integritätsbereich statt Integritätsring.
Definitionen
Je nach Teilgebiet und Lehrbuch (und zum Teil je nach Kapitel) wird unter einem Ring etwas Unterschiedliches verstanden. Ebenfalls leicht abweichend sind dann die Definitionen von Morphismen sowie Unter- und Oberstrukturen. Mathematisch ausgedrückt handelt es sich bei diesen unterschiedlichen Ringbegriffen um unterschiedliche Kategorien.
Ring
Ein Ring
ist eine Menge
mit zwei zweistelligen
Operationen
und
,
sodass
eine abelsche Gruppe ist,
eine Halbgruppe ist,
- die Distributivgesetze
-
und
- für alle
erfüllt sind.
Das neutrale Element
von
heißt Nullelement des Rings
.
Ein Ring heißt kommutativ, falls er bezüglich der Multiplikation kommutativ ist, ansonsten spricht man von einem nicht-kommutativen Ring.
Ring mit Eins (unitärer Ring)
Hat die Halbgruppe
ein (beidseitiges) neutrales
Element
,
ist also ein Monoid, dann nennt man
einen Ring mit Eins oder unitären Ring. Ringe mit nur links- oder
nur rechtsneutralem Element gelten in der Ringtheorie nicht als unitär.
Manche Autoren verstehen unter einem Ring grundsätzlich einen (kommutativen)
Ring mit Eins, und sprechen andernfalls von einem Pseudo-Ring, englisch
auch rng (sic!) oder non-unital ring.
In der Kategorie der Ringe
mit Eins muss die Eins auch bei Ringhomomorphismen erhalten bleiben.
Jeder Ring lässt sich in einen unitären Ring einbetten.
Kommutativer Ring mit Eins
In der kommutativen Algebra werden Ringe als kommutative Ringe mit Eins definiert.
Folgerungen
- Für alle
gilt:
-
- sowie „Minus mal Minus ergibt Plus“:
.
- Die Addition des additiven Inversen (mit dem unären Minus) zu einem Ringelement wird als Subtraktion (des zweiten vom ersten Ringelement) bezeichnet. Das Operationszeichen dafür ist das binäre Minuszeichen (im Gegensatz zum unären Minuszeichen für die Inversenbildung):
-
.
- Die Distributivgesetze gelten auch für die Subtraktion:
-
,
.
- Das neutrale Element
der Addition ist auch absorbierendes Element der Multiplikation:
(Neutralität der 0) | |||
(Eigenschaft des additiven Inversen) | |||
(Assoziativität der Addition) | |||
(Distributivgesetz) | |||
(Neutralität der 0) | |||
(Eigenschaft des additiven Inversen) |
- gespiegelt:
.
- Fällt das neutrale Element der Multiplikation mit dem der Addition zusammen, dann besteht der Ring nur aus einem einzigen Element. Ein solcher Ring wird „Nullring“ genannt. Er ist ein kommutativer Ring mit Eins.
Unter- und Oberstrukturen
Unter- und Oberring
Eine Untermenge
eines Ringes
heißt Unterring (oder Teilring) von
,
wenn
zusammen mit den beiden auf
eingeschränkten Verknüpfungen von
wieder ein Ring ist.
ist genau dann ein Unterring von
,
wenn
eine Untergruppe bezüglich der
Addition ist und
abgeschlossen bzgl. der Multiplikation ist, d.h.
, wenn
und
.
Auch wenn
ein Ring mit Eins ist, so muss die Eins nicht notwendigerweise in
enthalten sein.
kann auch ein Ring ohne Eins sein – etwa
– oder eine andere Eins haben. In der Kategorie der Ringe mit Eins wird von
einem Unterring verlangt, dass er dasselbe Einselement enthält (dafür ist es
zwar notwendig, aber nicht immer hinreichend, dass der Unterring ein auf diesen
bezogen multiplikativ neutrales Element enthält).
Der Durchschnitt von Unterringen ist wieder ein Unterring, und der von
erzeugte Unterring wird definiert als der Durchschnitt aller
umfassenden Unterringe von
.
Ein Ring
heißt Oberring oder Erweiterung eines Ringes
,
wenn
ein Unterring von
ist. Es ist auch üblich von einer Ringerweiterung zu sprechen, wenn man
einen Ring mit einem Oberring betrachtet. Dies ist analog zum Begriff der Körpererweiterung.
- Beispiel 1
Jeder Ring kann in einen Ring mit Einselement eingebettet werden.
- Beispiel 2
Folgende Ringerweiterung findet sich in E. Sernesi: Deformations of
algebraic schemes:
Sei
ein kommutativer Ring,
ein
-Modul
und
die direkte Summe der abelschen Gruppen. Eine
Multiplikation auf
sei definiert durch
(Die Identifikation von
mit
mit einem
,
für das
ist, und Ausrechnen von
ergibt die genannte Formel.)
erweist sich als Ring. Man hat die exakte
Sequenz
mit der Projektion .
Somit ist
eine Erweiterung von
um
.
Eine andere bemerkenswerte Eigenschaft dieser Konstruktion ist, dass der Modul
zum Ideal eines neuen Ringes
wird. Nagata nennt diesen Vorgang Prinzip der Idealisierung.
Ideal
Zu einem Ring
heißt eine Teilmenge
von
Linksideal (bzw. Rechtsideal), wenn gilt:
ist eine Untergruppe von
.
- Für alle
und
ist ebenfalls
(bzw.
).
Ist
sowohl Links- als auch Rechtsideal, so heißt
zweiseitiges Ideal oder auch nur Ideal.
Enthält in einem Ring mit Eins ein (Links-, Rechts-)Ideal die Eins, so
umfasst es ganz .
Da
auch ein Ideal ist, ist
das einzige (Links-, Rechts-)Ideal, das die Eins enthält.
und
sind die sogenannten trivialen Ideale.
Jedes Ideal
von
ist auch ein Unterring von
,
ggf. ohne Eins. In der Kategorie der Ringe mit 1 gilt
dann nicht als Unterring.
Faktorring
Ist
ein Ideal in einem Ring
,
dann kann man die Menge der Nebenklassen
bilden. Die Verknüpfung
lässt sich wegen ihrer Kommutativität
immer auf
fortsetzen; die Verknüpfung
jedoch nur, wenn
ein zweiseitiges Ideal in
ist. Ist dies der Fall, dann ist
mit den induzierten Verknüpfungen ein Ring. Er wird Faktorring
genannt – gesprochen:
modulo
.
,
der einem Element
seine Nebenklasse
zuordnet, hat
zum Kern.
Grundring
In einem Ring
mit Eins wird der von
erzeugte Unterring als der Grundring[5]
bezeichnet. Hat dieser endliche Mächtigkeit
so ist
die Charakteristik
von
abgekürzt:
und man sagt,
habe positive Charakteristik. Andernfalls wird
gesetzt. Damit ist im endlichen wie unendlichen Fall der unitäre
Ringhomomorphismus
injektiv.
Der Grundring ist das Bild
und jedes seiner Elemente ist mit jedem Ringelement vertauschbar.
Außerdem ist für jedes Ringelement
das additive Inverse von
Polynomring
Ist
ein kommutativer Ring mit Eins, so kann der Polynomring
gebildet werden. Dieser besteht aus Polynomen mit Koeffizienten aus
und der Variablen
zusammen mit der üblichen Addition und Multiplikation für Polynome.
Eigenschaften von
übertragen sich zum Teil auf den Polynomring. Ist
nullteilerfrei, faktoriell oder noethersch, so trifft dies auch auf
zu.
Matrizenring
Ist
ein Ring mit Eins, so kann zu gegebenem
der Matrizenring
gebildet werden. Dieser besteht aus den quadratischen Matrizen mit Einträgen aus
mit der üblichen Addition und Multiplikation für Matrizen. Der Matrizenring ist
wiederum ein Ring mit Eins. Jedoch ist der Matrizenring für
weder kommutativ noch nullteilerfrei, selbst wenn
diese Eigenschaften hat.
Direktes Produkt
Sind
und
Ringe, dann kann das Mengenprodukt
auf natürliche Weise mit einer Ringstruktur ausgestattet werden:
Denn die Gültigkeit des Distributivgesetzes in jeder Komponente überträgt sich unmittelbar auf das Mengenprodukt.
Sind beide Ringe
und
unitär, dann ist auch
unitär mit
als dem Einselement.
Dieselbe Konstruktion ist möglich mit einer beliebigen Familie von
Ringen: Sind
Ringe über einer Indexmenge
,
dann ist
ein Ring, genannt das direkte Produkt der
Ein Unterring des direkten Produkts ist die direkte
Summe, bei der nur endlich viele Komponenten von 0 verschieden sind.
Homomorphismus
Ringhomomorphismus
Für zwei Ringe
und
heißt eine Abbildung
Ringhomomorphismus (kurz Homomorphismus), falls für alle
gilt:
und
Der Kern
des Ringhomomorphismus
ist ein zweiseitiges Ideal in
.
Ein Morphismus
von Ringen mit Eins muss außerdem noch die Bedingung erfüllen, dass das
Einselement auf das Einselement abgebildet wird:
Isomorphismus
Ein Isomorphismus ist ein bijektiver Homomorphismus. Die Ringe
und
heißen isomorph, wenn es einen Isomorphismus von
nach
gibt. In diesem Fall ist auch die Umkehrabbildung ein Isomorphismus; die Ringe
haben dann dieselbe Struktur.
Beispiel
Ausgestattet mit der komponentenweisen Addition und Multiplikation ist das
direkte Produkt
ein Ring. Dann ist mit
die Abbildung
ein Homomorphismus von Ringen; ein Homomorphismus von Ringen mit Eins
aber nur, wenn
Spezielle Elemente in einem Ring
Teiler und Nullteiler
Von zwei Elementen
heißt
linker Teiler (Linksteiler) von
,
falls ein
mit
existiert. Dann ist auch
rechtes Vielfaches von
.
Entsprechend definiert man rechten Teiler (Rechtsteiler) und linkes
Vielfaches.
In kommutativen Ringen ist ein linker Teiler auch ein rechter und umgekehrt.
Man schreibt hier auch ,
falls
ein Teiler von
ist.
Alle Elemente von
sind (Rechts- bzw. Links-) Teiler der Null. Der Begriff des (Rechts- bzw.
Links-) Nullteilers hat eine andere
Definition. Wenn
nach dieser als Nullteiler zählt, gilt der Satz: Ein Element ist genau dann
(Rechts- bzw. Links-) Nullteiler, wenn es nicht (rechts- bzw. links-) kürzbar ist.
Invertierbarkeit, Einheit
Existiert in einem Ring
mit Eins zu einem Element
ein Element
,
so dass
(bzw.
)
gilt, so nennt man
ein Linksinverses (bzw. Rechtsinverses) von
.
Besitzt
sowohl Links- als auch Rechtsinverses, so nennt man
invertierbar oder Einheit des Ringes. Die Menge der Einheiten
eines Ringes
mit Eins wird gewöhnlich mit
oder
bezeichnet.
bildet bezüglich der Ringmultiplikation eine Gruppe – die Einheitengruppe des
Ringes. Ist
,
so ist
ein Schiefkörper,
ist
darüber hinaus kommutativ, so ist
ein Körper.
In kommutativen Ringen mit Eins (insbesondere Integritätsringen)
definiert man alternativ die Einheiten auch als diejenigen Elemente, die die
Eins teilen. Dass
die Eins teilt, heißt nämlich dass es
gibt mit
.
Assoziierte Elemente
Zwei Elemente
und
sind genau dann rechts assoziiert, wenn es eine Rechtseinheit
gibt, sodass
.
Links assoziiert bei
mit einer Linkseinheit
.
Wenn in einem kommutativen Ring mit Eins die Elemente
in der Beziehung
und
stehen, dann sind
und
zueinander assoziiert. Die Seitigkeit (links, rechts) kann also
weggelassen werden.
Assoziiertheit ist eine Äquivalenzrelation.
Irreduzibilität
Ein von 0 verschiedenes Element
heißt irreduzibel, wenn es weder Linkseinheit
noch Rechtseinheit ist und es keine Nicht-Linkseinheit
und keine Nicht-Rechtseinheit
mit
gibt, wenn also aus der Gleichung folgt, dass
Linkseinheit oder
Rechtseinheit ist.
In einem kommutativen Ring genügt es zu fordern, dass
von 0 verschieden ist, keine Einheit ist und aus
folgt, dass
oder
eine Einheit ist.
Primelement
Für kommutative unitäre Ringe definiert man: Ein Element
heißt prim oder Primelement, wenn es keine Einheit und ungleich 0
ist und aus
folgt
oder
(siehe auch Hauptartikel: Primelement).
In einem nullteilerfreien Ring ist jedes Primelement irreduzibel. In einem faktoriellen Ring ist umgekehrt auch jedes irreduzible Element ein Primelement.
Spezialfälle
- Körper
- Ein Körper
ist ein kommutativer Ring mit Eins, bei dem
eine Gruppe ist, also zu jedem von Null verschiedenen Element ein multiplikatives Inverses existiert.
- Einfacher Ring
- Ein Ring
, der nicht der Nullring ist, wird einfach genannt, wenn die trivialen Ideale
und
die einzigen zweiseitigen Ideale sind. Ein kommutativer einfacher Ring mit Eins ist ein Körper.
- Idempotenter Ring
- Ein idempotenter Ring ist ein
Ring, in dem zusätzlich das Idempotenzgesetz
für alle Elemente erfüllt ist. Jeder idempotente Ring ist kommutativ.
- Boolescher Ring
- Ein Boolescher Ring ist ein idempotenter Ring mit Eins.
- Lokaler Ring
- Ein lokaler Ring ist ein Ring, in dem es genau ein maximales Linksideal (oder Rechtsideal) gibt. Nicht wenige Autoren verlangen, dass ein lokaler, kommutativer Ring zusätzlich noethersch sein muss und nennen einen nichtnoetherschen Ring mit genau einem maximalen Ideal einen quasi-lokalen Ring. In der Wikipedia lassen wir diese Zusatzforderung weg und sprechen ggf. explizit von noetherschen lokalen Ringen.
- Integritätsring
- Ein Integritätsring oder Integritätsbereich ist ein nullteilerfreier, kommutativer Ring mit einer Eins, die verschieden ist von der Null. Jeder endliche Integritätsring ist ein Körper. Jedem Integritätsring lässt sich ein Körper zuordnen, der Quotientenkörper des Integritätsrings.
- Faktorieller Ring, ZPE-Ring
- Ein faktorieller Ring oder ZPE-Ring ist ein Integritätsring, in dem alle Elemente außer der Null eine im Wesentlichen eindeutige Zerlegung in Primfaktoren besitzen.
- Hauptidealring
- Ein Hauptidealring ist ein Integritätsring, in dem jedes Ideal ein Hauptideal ist. Jeder Hauptidealring ist ein ZPE-Ring.
- Euklidischer Ring
- In einem euklidischen Ring gibt es eine Division mit Rest. Dadurch kann der größte gemeinsame Teiler zweier Elemente mit Hilfe des euklidischen Algorithmus berechnet werden. Jeder euklidische Ring ist ein Hauptidealring.
- Noetherscher Ring
- In einem kommutativen noetherschen Ring sind alle Ideale endlich erzeugt.
Beispiele
- Der Nullring, der nur aus einem
Element besteht, ist ein kommutativer Ring mit Eins (
).
- Die ganzen Zahlen
mit der üblichen Addition und Multiplikation bilden einen euklidischen Ring.
- Die rationalen Zahlen
mit der üblichen Addition und Multiplikation bilden einen Körper.
- Der Ring der geraden Zahlen
ist ein kommutativer Ring ohne Eins.
- Polynomringe
über einem Körper sind euklidische Ringe.
- Der Matrizenring
ist für
ein nicht-kommutativer Ring mit Eins (der Einheitsmatrix).
- Faktorringe liefern
Beispiele für Ringe, die nicht nullteilerfrei sind. Genauer gilt für einen
kommutativen Ring mit Eins, dass
genau dann ein Integritätsring ist, wenn
ein Primideal ist.
- Die Menge
der natürlichen Zahlen mit der üblichen Addition und Multiplikation bildet keinen Ring, da die Addition über den natürlichen Zahlen nicht invertierbar ist.
Verallgemeinerungen
- Halbring
- Bei einem Halbring
ist
keine abelsche Gruppe, sondern nur eine Halbgruppe, die auch oft (je nach Definition) kommutativ und/oder ein Monoid
sein soll, für den nicht
für alle
gelten muss (die Definitionen sind nicht einheitlich).
- Fastring
- Bei einem Fastring wird nur eines der beiden Distributivgesetze gefordert und die Addition muss nicht kommutativ sein.
- Alternativring
- Bei den alternativen Ringen wird auf die Assoziativität der Multiplikation verzichtet und nur die Alternativität gefordert. Das bekannteste Beispiel sind die Oktonionen, die sogar ein Alternativkörper sind.
Siehe auch
Anmerkungen
- ↑ Bei einem Körper spricht man vom Primkörper.



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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 11.06. 2020