Lokaler Ring
Ein lokaler Ring ist im mathematischen Gebiet der Ringtheorie ein Ring, in dem es genau ein maximales Links- oder Rechtsideal gibt. Lokale Ringe spielen in der algebraischen Geometrie eine wichtige Rolle, um das „lokale Verhalten“ von Funktionen auf algebraischen Varietäten und Mannigfaltigkeiten zu beschreiben.
Das Konzept des lokalen Ringes wurde 1938 von Wolfgang Krull unter dem Namen „Stellenringe“ eingeführt.
Definition
Ein Ring
mit
heißt lokal, wenn er eine der folgenden äquivalenten Bedingungen erfüllt:
besitzt genau ein maximales Linksideal.
besitzt genau ein maximales Rechtsideal.
und jede Summe zweier Nichteinheiten ist eine Nichteinheit.
und für jede Nichteinheit
ist
eine Einheit.
- Wenn eine endliche Summe von Ringelementen eine Einheit ist, dann ist
wenigstens ein Summand eine Einheit (insbesondere ist die leere Summe keine
Einheit, also folgt daraus
).
Einige Autoren verlangen, dass ein lokaler Ring zusätzlich noethersch sein muss, und nennen einen nichtnoetherschen Ring mit genau einem maximalen Linksideal quasilokal. Hier lassen wir diese Zusatzforderung weg und sprechen ggf. explizit von noetherschen lokalen Ringen.
Eigenschaften
Ist
lokal, dann
- stimmt das maximale Linksideal mit dem maximalen Rechtsideal und mit dem
Jacobson-Radikal
überein.
- ist
ein Schiefkörper (der als der Restklassenkörper bezeichnet wird),
- besitzt R nur die trivialen Idempotente
und
. Damit ist
als
-Modul unzerlegbar.
- ist
auch semiperfekt.
Kommutativer Fall
Ist der Ring
kommutativ mit 1, dann sind zusätzlich die folgenden Bedingungen äquivalent zur
Lokalität:
besitzt genau ein maximales (beidseitiges) Ideal.
- Das Komplement
der Einheitengruppe
ist ein Ideal.
Für die Äquivalenz der beiden letztgenannten Bedingungen wird hier ein Beweis gegeben:
- Besitze der kommutative Ring mit
genau ein maximales Ideal
, und sei
ein Ringelement, welches nicht in
liegt. Angenommen,
wäre nicht invertierbar. Dann ist das von
erzeugte Hauptideal ein echtes Ideal. Als echtes Ideal ist
eine Teilmenge des (einzigen) maximalen Ideals
. Somit wäre
ein Element von
, im Widerspruch zur Wahl von
. Also ist
invertierbar, und damit ist jedes Element des Komplements von
invertierbar. Da kein Element von
invertierbar ist, ist
genau das Komplement der Einheitengruppe.
- Sei nun das Komplement der Einheitengruppe ein Ideal
. Da jedes Ideal, das über
liegt, eine Einheit enthält und damit bereits der ganze Ring ist, ist
ein maximales Ideal.
Beispiele
Lokale Ringe in der Algebra
- Jeder Körper
und jeder Schiefkörper
ist ein lokaler Ring, da
das einzige maximale Ideal darin ist.
- Bewertungsringe sind lokale Ringe.
- Der Ring
der ganzen Zahlen ist nicht lokal. Zum Beispiel sind
und
keine Einheiten, wohl aber ihre Summe
.
- Die maximalen Ideale des Restklassenrings
sind die von den Restklassen von Primteilern von
erzeugten Ideale. Der Ring ist also genau dann lokal, wenn
eine Primzahlpotenz ist.
- Die Menge aller rationalen
Zahlen, welche bei gekürzter
Bruchdarstellung im
Nenner eine ungerade Zahl stehen haben, bildet einen Unterring der rationalen
Zahlen, der ein lokaler Ring ist. Sein maximales Ideal besteht aus allen
Brüchen, deren Zähler gerade ist. Diesen Ring schreibt man als:
und nennt ihn die „Lokalisierung vonbei
“. Er entsteht aus
durch einen Vorgang, den man Lokalisierung eines Ringes nennt.
- Der Ring der formalen Potenzreihen mit Koeffizienten in einem Körper ist ein lokaler Ring. Sein maximales Ideal besteht aus den Potenzreihen, welche mit dem linearen Glied beginnen. Das konstante Glied verschwindet immer.
- Der Faktorring
des Polynomrings über einem Körper
modulo dem von
erzeugten Ideal ist lokal. Sein maximales Ideal besteht aus den Restklassen der Polynome ohne Absolutglied. In diesem Ring ist jedes Element entweder invertierbar oder nilpotent. Einen Spezialfall davon bilden die dualen Zahlen, die Elemente des Faktorrings
. Diese Algebra ist als Vektorraum zweidimensional über
.
Keime stetiger Funktionen
Sei
ein Punkt in einer Mannigfaltigkeit
,
z.B.
.
Auf der Menge der auf (beliebigen) Umgebungen
von
definierten stetigen
Funktionen definieren wir eine Äquivalenzrelation
dadurch, dass zwei auf (evtl. unterschiedlichen) Umgebungen definierte
Funktionen äquivalent sein sollen, wenn es eine Umgebung von
gibt, auf der beide Funktionen definiert sind und übereinstimmen. Die
Äquivalenzklassen dieser Relation heißen Keime. Addition und
Multiplikation von Keimen sind wohldefiniert. Die Menge der Keime stetiger
Funktionen in
bildet einen lokalen Ring, dessen Maximalideal die Keime der
in
verschwindenden stetigen Funktionen bilden.
Lokale Ringe einer algebraischen Varietät
Sei
eine algebraische
Varietät und
.
Der lokale
Ring
ist definiert als die Menge der Keime regulärer
Funktionen in
.
Er ist ein lokaler Ring, dessen Maximalideal die Keime der in
verschwindenden regulären Funktionen bilden. Man erhält ihn als Lokalisierung
des Koordinatenrings
am zu
gehörenden Maximalideal
:
.
Die lokale Dimension von
in
ist definiert als die Krull-Dimension
des lokalen Ringes
:
.
Lokalisierung von Ringen
Sei
ein beliebiger kommutativer Ring mit
und
eine unter Multiplikation abgeschlossene Teilmenge mit
,
dann heißt
die Lokalisierung von
in
.
Wenn
das Komplement eines Primideals
ist, dann ist
ein lokaler Ring und wird mit
notiert.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 17.08. 2022