Kartesisches Produkt
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Das kartesische Produkt oder Mengenprodukt ist in der Mengenlehre eine grundlegende Konstruktion, aus gegebenen Mengen eine neue Menge zu erzeugen. Gelegentlich wird für das kartesische Produkt auch die mehrdeutige Bezeichnung „Kreuzprodukt“ verwendet. Das kartesische Produkt zweier Mengen ist die Menge aller geordneten Paare von Elementen der beiden Mengen, wobei die erste Komponente ein Element der ersten Menge und die zweite Komponente ein Element der zweiten Menge ist. Allgemeiner besteht das kartesische Produkt mehrerer Mengen aus der Menge aller Tupel von Elementen der Mengen, wobei die Reihenfolge der Mengen und damit der entsprechenden Elemente fest vorgegeben ist. Die Ergebnismenge des kartesischen Produkts wird auch Produktmenge, Kreuzmenge oder Verbindungsmenge genannt. Das kartesische Produkt ist nach dem französischen Mathematiker René Descartes benannt, der es zur Beschreibung des kartesischen Koordinatensystems verwendete und damit die analytische Geometrie begründete.
Produkt zweier Mengen
Definition
Das kartesische Produkt
(lies „A kreuz B“) zweier Mengen
und
ist definiert als die Menge aller geordneten
Paare
,
wobei
ein Element aus
und
ein Element aus IMG class="text"
style="width: 1.76ex; height: 2.17ex; vertical-align: -0.33ex;" alt="B" src="/svg/47136aad860d145f75f3eed3022df827cee94d7a.svg">
ist. Dabei wird jedes Element aus
mit jedem Element aus
kombiniert. Formal ist das kartesische Produkt durch
definiert. Insbesondere ist es auch möglich, das kartesische Produkt einer Menge mit sich selbst zu bilden und man schreibt dann
.
Gelegentlich wird für das kartesische Produkt auch der Begriff „Kreuzprodukt“ verwendet, der jedoch weitere Bedeutungen hat, siehe Kreuzprodukt.
Die obige Definition ist problemlos auf (echte) Klassen
und
erweiterbar. Insbesondere erfolgt die Paarbildung nur für Elemente von
und
;
diese können keine echten Klassen sein und stellen an die Paarbildung keine
besonderen Anforderungen.
Beispiele
Endliche Mengen
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Das kartesische Produkt
der beiden Mengen
und
ist
.
Das kartesische Produkt
ist hingegen eine andere Menge, und zwar
,
da bei geordneten Paaren die Reihenfolge der Elemente eine Rolle spielt. Das
kartesische Produkt von
mit sich selbst ist
.
Reelle Zahlen
Die reelle Zahlenebene entsteht aus dem kartesischen Produkt der reellen Zahlen
mit sich selbst:
.
Intervalle
Die Tupel
nennt man auch kartesische
Koordinaten. Das kartesische Produkt zweier reeller Intervalle
und
ergibt das Rechteck
.
Spielkarten
Spielkarten, wie sie zum Beispiel beim Texas Hold’em, beim Canasta, beim Doppelkopf und beim Skat verwendet werden, sind ein Beispiel für ein kartesisches Produkt. Die erste Menge ist in diesem Fall die Menge der Kartenwerte, zum Beispiel V = {A, K, Q, J, 10, 9, 8, 7, 6, 5, 4, 3, 2}, und die zweite Menge ist die Menge der Kartensymbole, zum Beispiel S = {♣, ♠, ♥, ♦}. Die Menge der Spielkarten ist dann das kartesische Produkt dieser beiden Mengen: V × S = {(A, ♣), (A, ♠), (A, ♥), (A, ♦), (K, ♣), ..., (3, ♦), (2, ♣), (2, ♠), (2, ♥), (2, ♦)}.
In diesem Beispiel hat die Menge
der Kartenwerte 13 Elemente, also
,
und die Menge
der Kartensymbole hat 4 Elemente, also
.
Daraus ergibt sich, dass die Menge
der Spielkarten
Elemente hat.
Dieses kartesische Produkt kann mit einer Tabelle dargestellt werden:
kartesisches Produkt aus Kartenwerten und Kartensymbolen | ||||
---|---|---|---|---|
♣ | ♠ | ♥ | ♦ | |
A | (A, ♣) | (A, ♠) | (A, ♥) | (A, ♦) |
K | (K, ♣) | (K, ♠) | (K, ♥) | (K, ♦) |
Q | (Q, ♣) | (Q, ♠) | (Q, ♥) | (Q, ♦) |
J | (J, ♣) | (J, ♠) | (J, ♥) | (J, ♦) |
10 | (10, ♣) | (10, ♠) | (10, ♥) | (10, ♦) |
... | ... | ... | ... | ... |
3 | (3, ♣) | (3, ♠) | (3, ♥) | (3, ♦) |
2 | (2, ♣) | (2, ♠) | (2, ♥) | (2, ♦) |
U-Bahnlinien oder S-Bahnlinien
Bei Verkehrsnetzen, die aus U-Bahnlinien
und S-Bahnlinien bestehen, ist die
Menge der Verkehrslinien ein kartesisches Produkt, das zum Beispiel aus der Menge
L = {U, S} der Linienarten und der Menge
N = {1, 2, 3, 4, 5, 6, 7} der Liniennummern gebildet werden kann. Hier
ist .
kartesisches Produkt aus Linienarten (U/S-Bahnlinien) und Liniennummern | |||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | |
![]() |
U1 | U2 | U3 | U4 | U5 | U6 | U7 |
![]() |
S1 | S2 | S3 | S4 | S5 | S6 | S7 |
Hinweise:
Es ergibt sich nur dann ein (vollständiges) kartesisches Produkt, wenn die Anzahl der U-Bahnlinien und S-Bahnlinien gleich ist. Ansonsten ergibt sich ein unvollständiges kartesisches Produkt, das grundsätzlich andere Eigenschaften hat. Im Bereich der Informatik und Programmierung ist dieses Thema zum Beispiel unter Array - Dimensionen zu finden.
Eigenschaften
Zahl der Elemente
a | b | c | d | e | f | g | h | ||
8 | ![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
8 |
7 | ![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
7 |
6 | ![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
6 |
5 | ![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
5 |
4 | ![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
4 |
3 | ![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
3 |
2 | ![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
2 |
1 | ![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
1 |
a | b | c | d | e | f | g | h |
Ein Schachbrett besitzt
Felder, die durch ein Paar aus Buchstaben der Linie und Zahl der Reihe
identifiziert werden.
Sind die Mengen
und
endlich, dann ist ihr
kartesisches Produkt
eine endliche Menge geordneter Paare. Die Anzahl der Paare entspricht dabei dem
Produkt
der Anzahlen der Elemente der Ausgangsmengen, das heißt
In dem Spezialfall, dass
ist, gilt
.
Enthält zumindest eine der beiden Mengen
und
unendlich viele Elemente und ist die andere nicht leer, dann besteht ihr
kartesisches Produkt
aus unendlich vielen Paaren. Das kartesische Produkt zweier abzählbar
unendlicher Mengen ist dabei nach Cantors
erstem Diagonalargument ebenfalls abzählbar. Ist zumindest eine der beiden
Mengen überabzählbar,
so ist auch ihre Produktmenge überabzählbar.
Leere Menge
Da aus der leeren Menge kein Element ausgewählt werden kann, ergibt das kartesische Produkt der leeren Menge mit einer beliebigen Menge wieder die leere Menge. Allgemeiner gilt
,
das heißt, das kartesische Produkt zweier Mengen ist genau dann leer, wenn zumindest eine der beiden Mengen leer ist.
Nichtkommutativität
Das kartesische Produkt ist nicht kommutativ,
das heißt, für nichtleere Mengen
und
mit
ist
,
denn in den Paaren der Menge
ist das erste Element aus
und das zweite aus
,
während in den Paaren der Menge
das erste Element aus
und das zweite aus
ist. Es gibt allerdings eine kanonische Bijektion zwischen den beiden
Mengen, nämlich
,
mit der die Mengen miteinander identifiziert werden können.
Nichtassoziativität
Das kartesische Produkt ist auch nicht assoziativ,
das heißt, für nichtleere Mengen ,
und
gilt im Allgemeinen
,
denn die Menge auf der linken Seite enthält Paare, deren erstes Element aus
und deren zweites Element ein Paar aus
ist, wohingegen die Menge auf der rechten Seite Paare enthält, deren erstes
Element ein Paar aus
und deren zweites Element aus
ist. Auch hier gibt es eine kanonische Bijektion zwischen diesen beiden Mengen,
nämlich
.
Manche Autoren identifizieren die Paare
und
mit dem geordneten Tripel
,
wodurch das kartesische Produkt auch assoziativ wird.
Distributivität
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Für das kartesische Produkt gelten die folgenden Distributivgesetze bezüglich Vereinigung, Schnitt und Differenzbildung von Mengen:
Das vierte Gesetz kann verwendet werden, um die Distributivität bei den Natürlichen Zahlen zu beweisen, wenn diese über Kardinalzahlen definiert sind.
Monotonie und Komplement
Das kartesische Produkt verhält sich monoton bezüglich Teilmengenbildung, das heißt,
sind die Mengen
und
nichtleer, dann gilt
.
Insbesondere gilt dabei Gleichheit
.
Betrachtet man die Menge
als Grundmenge von
und die Menge
als Grundmenge von
,
dann hat das Komplement
von
in
die Darstellung
.
Weitere Rechenregeln
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Es gilt zwar
,
aber im Allgemeinen ist
,
da die Menge auf der linken Seite Paare aus
und
enthält, die in der Menge auf der rechten Seite nicht enthalten sind.
Produkt endlich vieler Mengen
Definition
Allgemeiner ist das kartesische Produkt
von
Mengen
definiert als die Menge aller
-Tupel
,
wobei
für
jeweils ein Element aus der Menge
ist. Formal ist das mehrfache kartesische Produkt durch
definiert. Mit Hilfe des Produktzeichens wird das mehrfache kartesische Produkt auch durch
notiert. Das -fache
kartesische Produkt einer Menge
mit sich selbst schreibt man auch als
.
Leeres Produkt
Das kartesische Produkt von null Mengen ist die Menge, die als einziges Element das leere Tupel enthält, das heißt
Insbesondere ist für eine beliebige Menge
.
Davon wird Gebrauch gemacht, wenn Konstanten einer mathematischen Struktur als nullstellige Verknüpfungen betrachtet werden.
Vereinigung aller Produkte
Mit
bezeichnet man die Vereinigung aller
-fachen
kartesischen Produkte einer Menge
mit sich selbst (für alle
),
also die Menge aller Tupel mit Elementen aus A, einschließlich des leeren
Tupels:
.
Beispiele
Ist ,
dann ist
.

Der euklidische
Raum
besteht aus dem dreifachen kartesischen Produkt der reellen Zahlen
:
.
Die 3-Tupel
sind die dreidimensionalen kartesischen Koordinaten. Das kartesische Produkt
dreier reeller Intervalle
,
und
ergibt den Quader
.
Allgemein ergibt das -fache
kartesische Produkt der reellen Zahlen den Raum
und das kartesische Produkt von
reellen Intervallen ein Hyperrechteck.
Eigenschaften
Zahl der Elemente
Sind die Mengen
alle endlich, dann ist ihr kartesisches Produkt ebenfalls eine endliche Menge,
wobei die Anzahl der Elemente von
gleich dem Produkt der Elementzahlen der Ausgangsmengen ist, das heißt
bzw. in anderer Schreibweise
.
In dem Spezialfall, dass alle Mengen
gleich einer Menge
sind, gilt
.
Das kartesische Produkt endlich vieler abzählbar unendlicher Mengen ist ebenfalls abzählbar, wie sich durch Iteration des Arguments für das kartesische Produkt zweier Mengen mit Hilfe der Cantorschen Tupelfunktion zeigen lässt.
Monotonie
Sind die Mengen
und
nichtleer, dann gilt wie beim kartesischen Produkt zweier Mengen Monotonie
und Gleichheit
.
Produkt unendlich vieler Mengen
Definition
Es ist auch möglich, das kartesische Produkt unendlich vieler Mengen zu
definieren. Ist dazu
eine Indexmenge
und
eine Familie
von Mengen, dann definiert man das kartesische Produkt der Mengen
durch
.
Dies ist die Menge aller Abbildungen
von
in die Vereinigung der Mengen
,
für die das Bild
in
liegt. Sind alle
gleich einer Menge
,
dann ist das kartesische Produkt
die Menge aller Funktionen von
nach
.
Sind die Mengen
unterschiedlich, so ist das kartesische Produkt allerdings weit weniger
anschaulich. Bereits die Frage, ob ein beliebiges kartesisches Produkt
nichtleerer Mengen nichtleer ist, ist mit der Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre
ZF nicht entscheidbar; die Behauptung, dass es nichtleer ist, ist eine
Formulierung des Auswahlaxioms,
welches zu ZF hinzugefügt wird, um die Mengenlehre ZFC („Zermelo-Fraenkel +
Choice“) zu erhalten.
Spezialfälle
Ein wichtiger Spezialfall eines unendlichen kartesischen Produkts entsteht
durch die Wahl der natürlichen
Zahlen
als Indexmenge. Das kartesische Produkt einer Folge von Mengen
entspricht dann der Menge aller Folgen, deren -tes
Folgenglied in der Menge
liegt. Sind beispielsweise alle
,
dann ist
die Menge aller reeller Zahlenfolgen. Das abzählbare kartesische Produkt
lässt sich bijektiv auf das allgemein definierte kartesische Produkt abbilden,
denn jede Folge
definiert eine Funktion
mit
und umgekehrt lässt sich jede solche Funktion als Folge
schreiben. Auch das kartesische Produkt endlich vieler Mengen lässt sich unter
Verwendung endlicher Folgen als Spezialfall der allgemeinen Definition
auffassen.
Universelle Eigenschaft des kartesischen Produktes
Zu dem kartesischen Produkt
gehört die Familie der Projektionen
.
Das kartesische Produkt
zusammen mit der Familie
hat die folgende Eigenschaft: Ist
eine beliebige Menge und ist
eine Familie von Abbildungen, so gibt es genau eine Abbildung
mit
für alle
.
Das heißt, folgendes Diagramm ist kommutativ:
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Ist
zusammen mit der Familie
auch diese Eigenschaft, so gibt es eine bijektive Abbildung
.
Abgeleitete Begriffe
- Eine binäre Relation
zwischen zwei Mengen ist eine Teilmenge des kartesischen Produkts der beiden
Mengen. Insbesondere ist damit jede Abbildung
eine Teilmenge des kartesischen Produkts aus Definitions-
und Zielmenge der Abbildung.
Allgemeiner ist eine
-stellige Relation eine Teilmenge des kartesischen Produkts von
Mengen.
- Eine Projektion ist eine Abbildung von dem kartesischen Produkt zweier Mengen zurück in eine dieser Mengen. Allgemeiner ist eine Projektion eine Abbildung von dem kartesischen Produkt einer Familie von Mengen auf das kartesische Produkt einer Teilfamilie dieser Mengen, die Elemente mit bestimmten Indizes auswählt.
- Eine zweistellige
Verknüpfung ist eine Abbildung von dem kartesischen Produkt zweier Mengen
in eine weitere Menge. Allgemeiner ist eine
-stellige Verknüpfung eine Abbildung von dem kartesischen Produkt von
Mengen in eine weitere Menge. Jede
-stellige Verknüpfung kann somit auch als
-stellige Relation aufgefasst werden.
- Ein direktes Produkt ist ein Produkt algebraischer Strukturen, wie zum Beispiel von Gruppen oder Vektorräumen, das aus dem kartesischen Produkt der Trägermengen besteht und zusätzlich mit ein oder mehreren komponentenweisen Verknüpfungen versehen ist. Eine direkte Summe ist eine Teilmenge des direkten Produkts, die sich nur für Produkte unendlich vieler Mengen vom direkten Produkt unterscheidet; sie besteht aus allen Tupeln, die nur an endlich vielen Stellen von einem bestimmten Element (meist dem neutralen Element einer Verknüpfung) verschieden sind.
- Das kategorielle Produkt entspricht in der Kategorie der Mengen dem kartesischen Produkt und in der Kategorie der Gruppen sowie in anderen Kategorien algebraischer Strukturen dem direkten Produkt.
- In relationalen Datenbanken werden das kartesische Produkt von Tabellen und die darauf aufbauenden Join-Operationen zur Verknüpfung von Datenbanktabellen eingesetzt.
Literatur
- Oliver Deiser: Einführung in die Mengenlehre. Die Mengenlehre Georg Cantors und ihre Axiomatisierung durch Ernst Zermelo. 2. verbesserte und erweiterte Auflage. Springer, Berlin u.a. 2004, ISBN 3-540-20401-6.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 30.08. 2022