Gruppe SU(2)
In der Mathematik ist
die spezielle
unitäre Gruppe der Ordnung 2, d.h. die lineare
Gruppe der unitären
-Matrizen
mit Determinante 1. Sie
ist (zusammen mit der Drehgruppe
,
deren zweifache Überlagerung
sie ist) die kleinste nichtabelsche
Lie-Gruppe.
Die Gruppe
spielt eine wichtige Rolle in der Physik,
unter anderem im Standardmodell
der Elementarteilchenphysik
und in der Quantenmechanik,
wo sie auch als komplexe Dreh-Gruppe (Gruppe der „komplexen Drehungen“
des zweidimensionalen komplexen Raumes
)
oder Spin-Gruppe bezeichnet wird. Bündel mit Strukturgruppe
werden in der Theorie der 4-Mannigfaltigkeiten
zur Definition der Donaldson-Invarianten
und in der Theorie der 3-Mannigfaltigkeiten
zur Definition der Casson-Invariante
und der Instanton-Floer-Homologie
verwendet.
Definition
Die
ist die Gruppe der unitären
-Matrizen
mit Determinante 1:
.
Alle Matrizen aus
sind von der Form
mit
.
ist eine Lie-Gruppe. Sie ist die einfachste nichtabelsche Lie-Gruppe.
Die Lie-Algebra
der Lie-Gruppe
ist die Lie-Algebra der schiefhermiteschen
-Matrizen
.
Alle Matrizen aus
sind von der Form
mit
.
Topologie
- Die Lie-Gruppe
ist eine kompakte Lie-Gruppe.
- Sie ist zusammenhängend und einfach zusammenhängend.
- Wie jede Lie-Gruppe ist sie parallelisierbar.
- Sie ist diffeomorph zur 3-Sphäre
, der Diffeomorphismus ist gegeben durch
-
.
SU(2) als Spin-Gruppe
ist eine 2-fache Überlagerung
der Drehgruppe
,
sie realisiert also die Spin-Gruppe
.
Die natürliche Operation von
auf
ist eine sog. Spinordarstellung.
Explizit wird die Überlagerung gegeben durch die adjungierte
Darstellung von
auf ihrer 3-dimensionalen Lie-Algebra
.
Diese lässt die Killing-Form
und damit auch
invariant. Weil
positiv definit ist, ist die Gruppe der
erhaltenden linearen Abbildungen isomorph zu
.
Man kann zeigen, dass die so definierte Abbildung eine 2-fache Überlagerung
definiert.
Pauli-Matrizen und Komplexe Drehungen
Die Pauli-Matrizen lauten
Die imaginären Vielfachen
sind Elemente der Lie-Algebra
.
Es gilt
mit reellen Vektorkomponenten
und
,
den „Drehwinkeln“ (
durchläuft beispielsweise das Intervall
),
und mit den in die drei Pauli-Matrizen umgewandelten Basiselementen der Quaternionen, also dem aus
den drei 2x2-Pauli-Matrizen gebildeten formalen Drei-Vektor
(in der Sprache der Physik: „dem doppelten(!) [1]
Spindrehimpuls-Operator“). Der Punkt bedeutet das formale Skalarprodukt,
.
Der scheinbar nur physikalisch motivierte Faktor 1/2 hat mathematisch u.a.
zur Folge, dass sich die Spinoren
im Gegensatz zu Vektoren nicht schon bei
Drehungen um 2π (=360 o), sondern erst bei dem
doppelten Wert reproduzieren. Dagegen erhält man die gewöhnliche
Drehgruppe im dreidimensionalen reellen Raum, die SO(3), indem man
durch den Ortsdrehimpuls-Operator
ersetzt (ausgedrückt durch Differentialquotienten, z.B.
).
Dabei wurde
,
die reduzierte Plancksche
Konstante, wie üblich durch Eins ersetzt, und
ist der Azimutalwinkel (Drehung um die z-Achse). Jetzt reicht die Drehung um
360 o aus, um eine gewöhnliche Funktion – statt eines Spinors –
zu reproduzieren.
In diesem Sinne wird die Gruppe der komplexen Drehungen
also von den Pauli-Matrizen "erzeugt", was in der Quantenmechanik
speziell in der Theorie des Spindrehimpulses
Anwendung findet.
SU(2) als Gruppe der Einheitsquaternionen
Jede Quaternion
lässt sich eindeutig in der Form
mit reellen Zahlen ,
,
,
schreiben. Der Betrag einer Quaternion ist definiert durch
.
Die Gruppe der Einheitsquaternionen
ist isomorph zu ,
unter dem Isomorphismus entsprechen sich
.
Endliche Untergruppen der SU(2)
Die endlichen Untergruppen wurden von Felix Klein klassifiziert.
Jede endliche Untergruppe ist isomorph
zu einer der folgenden Untergruppen der :
- der zyklischen Gruppe erzeugt von der Diagonalmatrix
,
- der Diedergruppe erzeugt von
und
,
- dem Urbild der Symmetriegruppe
eines der regelmäßigen platonischen Körper (also bis auf Dualität entweder des
regelmäßigen Tetraeders,
Oktaeders oder Ikosaeders) unter der
Überlagerung
.
Diese Untergruppen entsprechen den Dynkindiagrammen .
Siehe auch Quaternion#Die_endlichen_Untergruppen.
Differentialgeometrie
Das negative der Killing-Form definiert
eine bi-invariante Riemannsche Metrik
auf ,
ihre Schnittkrümmung
ist konstant
.
Die
ist also isometrisch zur 3-dimensionalen Einheitssphäre.
Darstellungstheorie
Die Lie-Algebra
ist eine reelle Form der Lie-Algebra
,
d.h.
ist die Komplexifizierung
von
.
Alle Darstellungen
von
erhält man also durch Einschränkung von Darstellungen von
.
Insbesondere folgt aus der Klassifikation
der Darstellungen von
,
dass es zu jeder natürlichen Zahl
eine bis auf Isomorphie eindeutige
-dimensionale
irreduzible Darstellung der
gibt.
Nach dem Zweiten
Lie'schen Satz entsprechen die Lie-Algebren-Darstellungen von
genau den Lie-Gruppen-Darstellungen von
.
Es gibt also zu jeder natürlichen Zahl
eine bis auf Isomorphie eindeutige
-dimensionale
irreduzible Darstellung von
.
In der Physik wird diese als Spin-
-Darstellung
bezeichnet.
Eine explizite Realisierung der -dimensionalen
Darstellung von
geht wie folgt. Es sei
der Vektorraum der komplexwertigen homogenen
Polynome vom Grad
in zwei Variablen, also der von
aufgespannte komplexe Vektorraum. Dann wirkt
auf
durch
.
Physik
Die Drehimpulsalgebra
ist isomorph zur Komplexifizierung
der Lie-Algebra
der .
Viele physikalische Situationen sind rotations-invariant und lassen sich also
als Darstellungen der
beschreiben, welche in der Regel unendlich-dimensional sind und sich aber in
endlich-dimensionale irreduzible Darstellungen zerlegen lassen. Im Falle des
Wasserstoffatoms entsprechen die Anzahlen der Zustände gleicher Energie gerade
den Dimensionen dieser irreduziblen Darstellungen. Gewisse Effekte lassen sich
aber nur erklären, wenn man die Dimensionen verdoppelt, also statt der
SO(3)-Darstellungen die durch Tensorieren mit der Standarddarstellung
entstehenden SU(2)-Darstellungen betrachtet.
Die starke
Wechselwirkung und damit das Standardmodell
der Elementarteilchenphysik ist -invariant.
Siehe auch
Anmerkungen
- ↑
Dass nicht
, sondern
der Spindrehimpuls-Operator ist, ergibt sich u.a. aus der zugehörigen Lie-Algebra, der Drehimpulsalgebra.



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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 06.11. 2022