Riemannsche Mannigfaltigkeit
Eine riemannsche Mannigfaltigkeit oder ein riemannscher Raum ist ein Objekt aus dem mathematischen Teilgebiet der riemannschen Geometrie. Diese Mannigfaltigkeiten haben die zusätzliche Eigenschaft, dass sie eine Metrik ähnlich wie ein Prähilbertraum besitzen. Mit Hilfe dieser riemannschen Metrik lassen sich dann die wesentlichen geometrischen Eigenschaften der Mannigfaltigkeit beschreiben. So gelten auf jeder riemannschen Mannigfaltigkeit die folgenden, teilweise äquivalenten, Eigenschaften:
- Die kürzesten Strecken zwischen unterschiedlichen Punkten (die sogenannten Geodäten) sind nicht zwingend Geradenstücke, sondern können gekrümmte Kurven sein.
- Die Winkelsumme von Dreiecken kann, im Gegensatz zur Ebene, auch größer (z.B. Kugel) oder kleiner (hyperbolische Räume) als 180° sein.
- Die Parallelverschiebung von Tangentialvektoren entlang geschlossener Kurven kann die Richtung des Vektors ändern.
- Das Ergebnis einer Parallelverschiebung eines Tangentialvektors hängt auch vom Weg ab, entlang dessen der Tangentialvektor verschoben wird.
- Die Krümmung ist im Allgemeinen eine Funktion des Ortes auf der Mannigfaltigkeit.
- Abstandsmessungen zwischen unterschiedlichen Punkten sind nur mit Hilfe einer Metrik möglich, die vom Ort auf der Mannigfaltigkeit abhängen kann.
Der etwas allgemeinere Begriff der pseudo-riemannschen oder semi-riemannschen Mannigfaltigkeit ist in der allgemeinen Relativitätstheorie von entscheidender Bedeutung, da in dieser die Raumzeit als solche beschrieben wird.
Definition
Eine riemannsche Mannigfaltigkeit ist eine differenzierbare -dimensionale
Mannigfaltigkeit
mit einer Funktion
,
die jedem Punkt
ein Skalarprodukt des Tangentialraums
zuordnet, das heißt eine positiv
definite, symmetrische Bilinearform
,
die differenzierbar von
abhängt. Das heißt, bei gegebenen differenzierbaren Vektorfeldern
ist
eine differenzierbare Funktion. Die Funktion
heißt riemannsche Metrik oder auch metrischer
Tensor, ist aber keine Metrik im Sinne der metrischen Räume.
Beispiele
Euklidischer Vektorraum
Ein euklidischer
Vektorraum ist isometrisch
isomorph zum
mit dem Standardskalarprodukt
.
Der Vektorraum
kann als differenzierbare Mannigfaltigkeit verstanden werden und zusammen mit
dem Standardskalarprodukt wird er zu einer riemannschen Mannigfaltigkeit. In
diesem Fall ist der Tangentialraum
identisch mit dem Ausgangsraum, also wieder der
.
Induzierte Metrik
Da das Tangentialbündel
einer Untermannigfaltigkeit
einer riemannschen Mannigfaltigkeit
auch eine Teilmenge des Tangentialbündels
von
ist, kann die Metrik von
auch auf die Tangentialvektoren der Untermannigfaltigkeit
angewendet werden. Die so erhaltene Metrik der Untermannigfaltigkeit wird
deswegen auch induzierte Metrik genannt. Die Untermannigfaltigkeit
bildet zusammen mit der induzierten Metrik wieder eine riemannsche
Mannigfaltigkeit.
Induzierte Metriken finden insbesondere bei der geometrischen Untersuchung
von Kurven und Flächen als Untermannigfaltigkeit
des
Verwendung.
Riemannsche Mannigfaltigkeiten als metrische Räume
Die riemannsche Metrik ist keine Metrik im Sinne der Theorie der metrischen Räume, sondern ein Skalarprodukt. Man kann jedoch ähnlich wie in der Theorie der Skalarprodukträume aus dem Skalarprodukt eine Metrik gewinnen. Somit können riemannsche Mannigfaltigkeiten als metrische Räume verstanden werden. Auf riemannschen Mannigfaltigkeiten sind also im Gegensatz zu differenzierbaren Mannigfaltigen Begriffe wie Abstand, Durchmesser oder Vollständigkeit definiert.
Abstandsfunktion
Im Folgenden sei
eine riemannsche Mannigfaltigkeit. Die Abstandsfunktion auf einer (zusammenhängenden)
riemannschen Mannigfaltigkeit wird dann definiert durch
.
Dabei durchläuft
alle (stückweise) differenzierbaren Wege,
die
und
verbinden, und
bezeichnet die Länge von
,
die gemäß
definiert ist. Das Funktional
wird auch Längenfunktional genannt. Ein mit konstanter Geschwindigkeit
durchlaufener Weg, der lokal (das heißt für ausreichend nahe beieinander
liegende Punkte) die kürzeste Verbindung realisiert, heißt Geodätische.
Die so definierte Metrik
induziert wieder die ursprüngliche Topologie
von
.
Da man zeigen kann, dass jede differenzierbare
-dimensionale
Mannigfaltigkeit riemannsche Metriken besitzt, lässt sich so auch zeigen, dass
jede differenzierbare
-dimensionale
Mannigfaltigkeit metrisierbar
ist. Ähnlich wie bei metrischen Vektorräumen kann man auch von
vollständigen riemannschen Mannigfaltigkeiten sprechen. Der Satz von Hopf-Rinow
ist das zentrale Resultat bezüglich der Vollständigkeit riemannscher
Mannigfaltigkeiten.
Durchmesser
Genauso wie in der Theorie der metrischen Räume wird durch
der Durchmesser einer riemannschen Mannigfaltigkeiten
definiert.
Der Durchmesser ist eine Invariante einer riemannschen Mannigfaltigkeit unter globalen Isometrien. Außerdem gilt für (endlichdimensionale) riemannsche Mannigfaltigkeiten die Heine-Borel-Eigenschaft, das heißt, eine vollständige riemannsche Mannigfaltigkeit ist genau dann kompakt, wenn der Durchmesser endlich ist.
Geschichte
Gauß’ Theorie der gekrümmten Flächen verwendet eine extrinsische Beschreibung, das heißt, die gekrümmten Flächen werden mit Hilfe eines umgebenden, euklidischen Raumes beschrieben. Riemann vertritt dagegen einen abstrakteren Ansatz. Diesen Ansatz und die zugehörigen Definitionen führte Riemann in seinem Habilitationsvortrag Über die Hypothesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen vom 10. Juni 1854 an der Universität Göttingenein. Dort wurden auch viele Definitionen vorgestellt, die noch heute in der modernen Mathematik verwendet werden. Von parakompakten Räumen war damals jedoch noch nicht die Rede. Anstelle von Kurven und Tangentialvektoren verwendete Riemann damals infinitesimale Linienelemente.
Seit Anfang des 19. Jahrhunderts werden sogenannte nichteuklidische Geometrien diskutiert. Die riemannsche Geometrie hat dabei gerade die geeigneten Definitionen und die geeignete Sprache, um diese Geometrien von einem allgemeinen Standpunkt aus zu beschreiben. Der Begriff der riemannschen Mannigfaltigkeit bildete zum Anfang des 20. Jahrhunderts einen grundlegenden Ausgangspunkt für die Entwicklung der allgemeinen Relativitätstheorie.
Literatur
- Martin Schottenloher: Geometrie und Symmetrie in der Physik, vieweg Lehrbuch, 1995, ISBN 3-528-06565-6
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 20.03. 2021