Topologischer Raum
![](bilder/topological_space_examples.png)
Ein topologischer Raum ist der grundlegende Gegenstand der Teildisziplin Topologie der Mathematik. Durch die Einführung einer topologischen Struktur auf einer Menge lassen sich intuitive Lagebeziehungen wie „Nähe“ und „Streben gegen“ aus dem Anschauungsraum auf sehr viele und sehr allgemeine Strukturen übertragen und mit präziser Bedeutung versehen.
Definition
Eine Topologie ist ein Mengensystem
bestehend aus Teilmengen einer Grundmenge
,
die offen oder offene
Mengen genannt werden, und die die folgenden Axiome
erfüllen:
- Die leere
Menge und die Grundmenge
sind offen.
- Der Durchschnitt endlich vieler offener Mengen ist offen. (Es genügt zu fordern, dass der Durchschnitt von zwei offenen Mengen offen ist.)
- Die Vereinigung beliebig vieler offener Mengen ist offen.
Man nennt dann
eine Topologie auf
,
und das Paar
einen topologischen Raum.
Grundbegriffe
Sprechweise: Elemente sind Punkte, die Menge ist ein Raum
Aus dem Anschauungsraum
hat sich die Bezeichnung „Punkt“ für die Elemente der Grundmenge und die
Bezeichnung „(topologischer) Raum“ für die Menge ,
die die topologische Struktur trägt, durchgesetzt. Formal korrekt ist ein
topologischer Raum aber das Paar
aus der strukturtragenden Menge
und dem strukturdefinierenden System
(der „Topologie“) von Teilmengen.
Dual: abgeschlossen
Eine Teilmenge des topologischen Raums ,
deren Komplement
eine offene Menge ist, heißt abgeschlossen. Wenn man die oben formulierte
Definition dualisiert
und das Wort „offen“ durch „abgeschlossen“ ersetzt (sowie Schnitt und
Vereinigung vertauscht), ergibt sich eine gleichwertige Definition des Begriffs
„topologischer Raum“ über dessen System abgeschlossener Mengen.
Umgebungen
In einem topologischen Raum hat jeder Punkt
einen Filter
von Umgebungen.
Damit lässt sich der intuitive Begriff von „Nähe“ mathematisch fassen. Auch
dieser Begriff kann einer Definition des Topologischen Raums zugrunde gelegt
werden.
Vergleich von Topologien: gröber und feiner
Auf einer festen Menge
kann man gewisse Topologien
und
miteinander vergleichen: Man nennt eine Topologie
feiner als eine Topologie
,
wenn
ist, wenn also jede in
offene Menge auch in
offen ist.
heißt dann gröber als
.
Sind die beiden Topologien verschieden, sagt man auch,
sei echt feiner als
,
und
sei echt gröber als
.
Es gibt im Allgemeinen auf
auch Topologien
und
,
die sich nicht in diesem Sinn vergleichen lassen. Für sie existiert eine
eindeutige gemeinsame Verfeinerung, das ist die gröbste Topologie auf
,
die beide Topologien umfasst. Dual zu dieser gemeinsamen Verfeinerung ist die
durch die Schnittmenge
gegebene Topologie. Sie ist die feinste Topologie, die in beiden Topologien
enthalten ist. Durch die Relation „ist feiner als“ werden die Topologien auf
einer Menge zu einem Verband.
Diese Sprechweise ist kompatibel mit der „feiner“-Ordnung der
Umgebungssysteme als Filter: Ist
ein fester Punkt des Raums, dann ist der von der feineren Topologie
erzeugte Umgebungsfilter
feiner als der von der gröberen Topologie
erzeugte
.
Morphismen: Stetige Abbildungen
Wie bei jeder mathematischen Struktur gibt es auch bei den topologischen
Räumen strukturerhaltende
Abbildungen (Morphismen).
Hier sind es die stetigen
Abbildungen: Eine Abbildung
ist (global) stetig, wenn das Urbild jeder offenen Teilmenge
von
eine offene Menge in
ist, formal:
.
Die Isomorphismen heißen hier Homöomorphismen, dies sind bijektive stetige Abbildungen, deren Umkehrung ebenfalls stetig ist. Strukturell gleichartige (isomorphe) topologische Räume nennt man homöomorph.
Beispiele
![](/png/220px-Beziehungen_zwischen_mathematischen_Raeumen.svg.png)
- Auf jeder Grundmenge
existieren als triviale Beispiele von Topologien:
- Die indiskrete
Topologie, die nur die leere Menge und die Grundmenge enthält. Sie ist
die gröbste Topologie auf
.
- Die diskrete
Topologie, die alle Teilmengen enthält. Sie ist die feinste Topologie
auf
.
- Die indiskrete
Topologie, die nur die leere Menge und die Grundmenge enthält. Sie ist
die gröbste Topologie auf
- Auf einer unendlichen Menge
(z.B. der Menge
der natürlichen Zahlen) kann man die kofinite Topologie einführen: Offen ist die leere Menge sowie jede Teilmenge von
, deren Komplement nur endlich viele Elemente enthält.
- Jede streng totalgeordnete Menge kann man in natürlicher Weise mit ihrer Ordnungstopologie versehen.
- Die offenen Kugeln in einem metrischen
Raum erzeugen (als Basis)
eine Topologie, die von der Metrik induzierte Topologie.
- Spezielle metrische Räume sind die normierten Räume, hier wird die Metrik und damit die natürliche Topologie (Normtopologie) von der Norm induziert.
- Einige konkrete topologische Räume mit speziell konstruierten Eigenschaften tragen die Namen ihrer Entdecker, z.B. Arens-Fort-Raum, Cantor-Raum, Hilbertwürfel, Michael-Gerade, Niemytzki-Raum, Sorgenfrey-Ebene, Tichonow-Planke etc.
Erzeugung topologischer Räume
- Man kann ein beliebiges System
von Teilmengen einer Menge
zu einer Topologie auf
erweitern, indem man fordert, dass (mindestens) alle Mengen aus
offen sind. Damit wird
zur Subbasis einer Topologie auf
.
- Jeder Teilmenge
eines topologischen Raums
kann eine Unterraumtopologie zugeordnet werden. Dabei sind die offenen Mengen gerade die Schnitte der in
offenen Mengen mit der Teilmenge
.
- Bei jeder Familie von topologischen Räumen kann das mengentheoretische
Produkt der Grundmengen mit der Produkttopologie
versehen werden:
- Bei endlichen Produkten bilden die Produkte der offenen Mengen aus den Faktorräumen eine Basis dieser Topologie.
- Bei unendlichen Produkten bilden diejenigen Produkte von offenen Mengen aus den Faktorräumen eine Basis, bei denen alle bis auf endlich viele Faktoren jeweils den ganzen betreffenden Raum umfassen.
- Wählt man in einem unendlichen Produkt als Basis die kartesischen Produkte von offenen Mengen aus den Faktorräumen, dann erhält man die Box-Topologie auf dem Produkt. Diese ist (i.A. echt) feiner als die Produkttopologie.
- Eine Verallgemeinerung der Beispiele Unterraum- und Produkttopologie ist
die Konstruktion einer Initialtopologie.
Hier wird die Topologie auf einer Menge
durch die Forderung definiert, dass bestimmte Abbildungen aus
in andere topologische Räume stetig sein sollen. Die Initialtopologie ist die gröbste Topologie auf
mit dieser Eigenschaft.
- Eine Quotiententopologie
entsteht, indem man in einem topologischen Raum
gewisse Punkte miteinander verklebt (identifiziert). Formal geschieht dies durch eine Äquivalenzrelation, die Punkte des Quotientenraums sind also Klassen von Punkten aus
.
- Eine Verallgemeinerung des Beispiels Quotiententopologie ist die
Konstruktion einer Finaltopologie.
Hier wird die Topologie auf einer Menge
durch die Forderung definiert, dass bestimmte Abbildungen aus anderen topologischen Räumen nach
stetig sein sollen. Die Finaltopologie ist die feinste Topologie auf
mit dieser Eigenschaft.
![Trenner](/button/corpdivider.gif)
![externer Link](/button/extern.png)
![Seitenende](/button/stonrul.gif)
© biancahoegel.de;
Datum der letzten Änderung: Jena, den: 28.11. 2023