Ordnungstopologie
Auf einer streng total geordneten Menge kann man in natürlicher Weise eine Topologie einführen, die mit der Ordnung verträglich ist. Diese Topologie wird Ordnungstopologie genannt. Einige topologische Begriffe wie diskret und dicht lassen sich so auf Ordnungen übertragen. Der Begriff der Ordnungsvollständigkeit erweist sich in der Ordnungstopologie für nicht zu „große“ geordnete Mengen als verwandt mit dem Begriff der Vollständigkeit in metrischen Räumen.
Definition
Man verwendet die Symbole
und
zur Bezeichnung von Elementen außerhalb einer streng totalgeordneten Menge
X und setzt die Ordnung „<“ auf
fort, indem man für alle
festsetzt:
.
Die offenen Mengen der
Ordnungstopologie sind:
- die offenen
Intervalle
, dabei sind
,
- beliebige, auch unendliche Vereinigungen von diesen offenen Intervallen.
Andere, gleichwertige Formulierungen:
- Die Ordnungstopologie auf X ist die gröbste Topologie, in der die „offenen Intervalle“ im Sinn der Topologie offen sind.
- Die „offenen Intervalle“ bilden eine Basis der Ordnungstopologie.
Beachte: Manchmal enthält die Menge X bereits „unendliche“
Elemente, die mit „“
und „
“
bezeichnet sind. Die zusätzlichen Elemente aus der obigen Definition müssen dann
von den in X bereits vorhandenen unterschieden werden! Die Einführung der
zusätzlichen Elemente lässt sich im Prinzip – wegen der in Beweisen
erforderlichen Fallunterscheidungen allerdings auf Kosten der
Argumentationseleganz – vermeiden, indem man bei den offenen Intervallen
zusätzlich
selbst sowie Mengen der Form
oder
aufzählt.
Beispiele
- Die reellen Zahlen mit ihrer gewöhnlichen Anordnung „<“: Die Ordnungstopologie stimmt hier mit der gewohnten Topologie (der reellen Zahlen als metrischer Raum) überein.
- Die Ordnungstopologie auf der Menge der ganzen Zahlen ist die diskrete Topologie.
- Mengen von Ordinalzahlen werden – mit ihrer Ordnungstopologie versehen – in der Topologie oft als Gegenbeispiele verwendet.
Anwendungen
Durch die Ordnungstopologie kann man einige Eigenschaften von Ordnungen
topologisch beschreiben,
ist hier immer eine streng totalgeordnete Menge:
- Eine nichtleere, abgeschlossene, beschränkte Teilmenge enthält ihr Infimum
und ihr Supremum, sofern sie in
existieren.
- Die Ordnung < heißt diskret, wenn es ihre Ordnungstopologie ist. Ohne topologische Begriffe lässt sich eine diskrete Ordnung so charakterisieren:
-
- Jedes Element hat einen eindeutigen Vorgänger, es sei denn, es ist
Minimum von
.
- Jedes Element hat einen eindeutigen Nachfolger,
es sei denn, es ist Maximum von
.
- Jedes Element hat einen eindeutigen Vorgänger, es sei denn, es ist
Minimum von
- Anschaulich sind die Elemente durch die diskrete Ordnung wie an Perlenschnüren aufgereiht, beachte aber das 6. Beispiel unten.
- Eine Teilmenge
von
liegt dicht in
im Sinne der Ordnungstheorie, wenn zwischen zwei Elementen
aus
stets ein Element
aus
mit
liegt. Ist
in sich dicht im Sinne der Ordnungstheorie, so liegt
genau dann dicht in
im Sinne der Ordnungstheorie, wenn
dicht in
bezüglich der Ordnungstopologie ist.
- Eine diskret geordnete Menge ist (außer im Trivialfall einer einelementigen Menge) niemals dicht (in sich) geordnet und umgekehrt.
- Eine Ordnung auf
heißt ordnungsvollständig, falls eine der folgenden äquivalenten Bedingungen gilt:
- Ist die Ordnungstopologie auf
metrisierbar, dann ist die Ordnung
genau dann ordnungsvollständig, wenn
> vollständig metrisierbar ist, d.h. wenn es eine Metrik auf
gibt, die die Ordnungstopologie erzeugt und
zu einem vollständigen metrischen Raum macht.
- Jede in sich dichte, strenge Totalordnung
lässt sich mit der Methode der „Dedekindschen Schnitte“ in eine ordnungsvollständige Ordnung
einbetten. Im Artikel Dedekindscher Schnitt wird dies am Beispiel der rationalen Zahlen ausgeführt. Diese Konstruktion funktioniert auch in „großen“ Ordnungen, deren Ordnungstopologie sich nicht metrisieren lässt.
Beispiele
Die im Folgenden genannten Eigenschaften beziehen sich immer auf die in den Mengen übliche, natürliche Ordnung:
- Die natürlichen Zahlen sind diskret geordnet. Jede natürliche Zahl hat einen Nachfolger.
- Die ganzen Zahlen sind diskret geordnet. Jede ganze Zahl hat einen Vorgänger und einen Nachfolger.
- Die reellen Zahlen sind ordnungsvollständig.
- Die rationalen Zahlen sind nicht ordnungsvollständig, aber dicht (in sich) geordnet.
- Die rationalen Zahlen bilden eine dichte Teilmenge der Menge der reellen Zahlen.
- Die Menge der Stammbrüche
ist diskret geordnet. Anschaulich besteht die Ordnung hier aus zwei Perlenschnüren: Die Ordnung der negativen Stammbrüche entspricht der Ordnung der natürlichen Zahlen, die Ordnung der positiven Stammbrüche deren Umkehrung. Von einer der Perlenschnüre lässt sich die andere jedoch nie durch fortgesetzte Vorgänger- oder Nachfolgerbildung erreichen.
- Fügt man zu
aus dem vorigen Beispiel die Zahl 0 hinzu, dann ist die Ordnung nicht mehr diskret, denn 0 hat weder einen Vorgänger noch einen Nachfolger. Sie ist aber auch nicht dicht.
Die Ordinalzahl.
- Die Ordinalzahl
ist nicht diskret geordnet: Das Limeselement
hat keinen Vorgänger, jede seiner Umgebungen enthält unendlich viele natürliche Zahlen. (Als Ordinalzahl wird die Menge der natürlichen Zahlen üblicherweise mit
bezeichnet.)
Andere Topologien, die mit der Ordnung zusammenhängen
Auf einer streng totalgeordneten Menge (wie den reellen Zahlen) werden manchmal auch die „Halbgeraden“
oder
als Basis je einer Topologie, der Topologie der nach oben beschränkten (1.) bzw. der nach unten beschränkten Mengen (2.) zugrunde gelegt. Die beiden Topologien sind (für Mengen, die mehr als einen Punkt enthalten) voneinander verschieden und die Ordnungstopologie ist ihre kleinste gemeinsame Verfeinerung.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 01.11. 2019