Infimum und Supremum
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In der Mathematik treten die Begriffe Supremum und Infimum sowie kleinste obere Schranke bzw. größte untere Schranke bei der Untersuchung halbgeordneter Mengen auf. Anschaulich ist das Supremum eine obere Schranke, die kleiner als alle anderen oberen Schranken ist. Entsprechend ist das Infimum eine untere Schranke, die größer als alle anderen unteren Schranken ist. Wenn ein Supremum oder Infimum existiert, ist es eindeutig bestimmt. Das Konzept wird in unterschiedlichen Abwandlungen in fast allen mathematischen Teilgebieten verwendet.
Definitionen
Suprema (und Infima) von Mengen
Anschauung
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Das Supremum (auf deutsch „Oberstes“) einer Menge ist verwandt mit dem Maximum einer Menge und ist – anschaulich gesprochen – ein Element, welches „über“ allen oder „jenseits“ (oberhalb) aller anderen Elemente liegt. Der Ausdruck „über den anderen“ soll andeuten, dass das Supremum nicht das größte Element „unter den anderen“ sein muss, sondern durchaus auch außerhalb („jenseits“) der Menge liegen kann. Und weil es mehrere Elemente geben kann, die dieser Anschauung entsprechen, wird aus Eindeutigkeitsgründen das kleinste Element gewählt, welches diese Eigenschaft hat; sozusagen das Element, das am „nächsten“ oder „unmittelbar“ über allen anderen liegt – das Supremum bezeichnet also ein „unmittelbar Darüberliegendes“. Elemente, die zwar über allen Elementen einer Menge liegen, aber nicht zwingend in unmittelbarer Weise, heißen obere Schranken. Damit ergibt sich dann die Definition des Supremums als kleinste obere Schranke einer Menge.
Das Infimum (deutsch „untere Grenze“) einer Menge ist analog definiert, als „unmittelbar Darunterliegendes“ bzw. größte untere Schranke.
Im Reellen
Diese Anschauung lässt sich leicht auf Mengen von reellen Zahlen (als Untermengen der reellen Zahlen) übertragen: Sei
die Menge der reellen Zahlen kleiner als 2. Dann ist 2 das Supremum von
X (in ).
Denn 2 ist eine obere Schranke von X, da sie größer oder gleich
(tatsächlich sogar echt größer) als jedes Element von X ist – also
„darüberliegt“. Aber im Gegensatz etwa zu der Zahl 4, die auch eine obere
Schranke ist, gibt es keine Zahl kleiner als 2, die auch obere Schranke von
X ist. Daher ist 2 kleinste obere Schranke von X, mithin
Supremum.
Durch eine kleine Abänderung wird sodann die Verwandtschaft von Supremum und Maximum deutlich. Das Maximum ist nämlich das größte Element „unter allen Elementen“ einer Menge:
Offenbar hat X kein Maximum, da es zu jeder reellen Zahl
wieder eine reelle Zahl
gibt, die größer als
ist, z.B. mit der Wahl
.
Die Zahl 2 ist als Supremum zwar größer als alle Elemente von X, liegt
aber nicht in X, da sie nicht echt kleiner als sie selbst ist.
Betrachten wir nun die Menge
,
so ist 2 Maximum von Xʹ, da sie kleiner-gleich als sie selbst ist und es auch keine größere Zahl als 2 gibt, die kleiner-gleich 2 ist. Gleichfalls ist 2 aber auch Supremum von Xʹ wie schon von X, da dieselben Bedingungen wie dort erfüllt sind.
Tatsächlich ist jedes Maximum immer auch Supremum. Daher ist es auch üblich, den Begriff Maximum gar nicht elementar zu definieren, sondern ihn als Sonderfall des Supremums zu benennen, wenn dieses selbst Element der Menge ist, dessen Supremum es darstellt. – Analog gilt das für das Minimum.
Im Allgemeinen
Obere und untere Schranken sowie Suprema und Infima können jedoch nicht nur auf den reellen Zahlen, sondern allgemein auf halbgeordneten Mengen betrachtet werden. Die formalen Definitionen lauten wie folgt:
Ist M eine halbgeordnete Menge mit Halbordnung
und T eine Teilmenge von M so gilt:
- Obere Schranke
- Ein Element
heißt obere Schranke von T, wenn
für alle
gilt.
- Untere Schranke
- Analog heißt b untere Schranke von T, wenn
für alle
gilt.
- nach oben bzw. unten beschränkte Menge
- Existiert eine obere (untere) Schranke von T, so heißt T nach oben (unten) beschränkt.
- nach oben bzw. unten unbeschränkte Menge
- Ist T nicht nach oben (unten) beschränkt, so heißt T nach oben (unten) unbeschränkt.
- beschränkte Menge
- T heißt beschränkt, falls T nach oben und unten beschränkt ist, andernfalls unbeschränkt oder nicht-beschränkt. Das heißt: T ist unbeschränkt (oder nicht-beschränkt), wenn T entweder nach oben oder nach unten oder nach oben und unten unbeschränkt ist. Soll ausgedrückt werden, dass eine Menge sowohl nach oben als auch nach unten unbeschränkt ist, so muss die Menge ausdrücklich als nach oben und unten unbeschränkt beschrieben werden.
- Supremum
- Ein Element b ∈ M heißt Supremum von T, wenn b eine kleinste obere Schranke von T ist.
- Infimum
- Es heißt Infimum von T, wenn es eine größte untere Schranke von T ist.
Ist M die Menge der reellen Zahlen, so gilt:
- Ist T nach oben beschränkt und nicht leer, dann besitzt T
eine kleinste obere Schranke (Beweisidee unten) und man nennt sie obere
Grenze oder Supremum von T – in Zeichen
.
- Ist T nach unten beschränkt und nicht leer, dann besitzt T
eine größte untere Schranke (Beweis analog) und man nennt sie untere
Grenze oder Infimum von T – in Zeichen
.
- Falls T nach oben beschränkt und das Supremum von T in
T enthalten ist, bezeichnet man das Supremum auch als Maximum
von T, in Zeichen
.
- Falls T nach unten beschränkt und das Infimum von T in
T enthalten ist, bezeichnet man das Infimum auch als Minimum von
T, in Zeichen
.
- Ist T nach oben unbeschränkt, schreibt man:
(siehe Unendlichkeit).
Das Symbol +∞ ist dabei aber keine reelle Zahl und auch nicht das Supremum von T im hier definierten Sinne: +∞ als Supremumswert ist gerade die formale Schreibweise dafür, dass kein Supremum vorhanden ist, siehe auch bei erweiterte reelle Zahlen. Gelegentlich wird in diesem Zusammenhang +∞ auch als „uneigentliches Supremum“ bezeichnet. - Ist T nach unten unbeschränkt, schreibt man analog:
.
Suprema (und Infima) von Abbildungen
Abbildungen allgemein
Der Begriff des Supremums auf Mengen wird sinngemäß auch auf Abbildungen (Funktionen) angewendet. Denn das Bild einer Abbildung ist ja immer auch eine Menge. Nämlich für eine Abbildung
die Menge
der sogenannten Elementbilder, d.h. der Bilder der einzelnen Elemente
von X unter der Abbildung f.
wird auch Bild
der Funktion f genannt.
Ist nun Y eine halbgeordnete Menge, so definiert man
als das Supremum von f auf X – sofern es in Y existiert.
Analog wird das Infimum von f auf X definiert.
Die definierende Eigenschaft des Supremums kann als Galois-Verbindung
zwischen
und
formuliert werden: für alle
und
gilt
.
Hierbei ist
mit der punktweisen Ordnung ausgestattet und
.
Folgen als Abbildungen
Fasst man eine Folge a1, a2, a3, … von Elementen aus Y als Abbildung
auf – also gemäß
– so ergibt sich aus der Definition des Supremums (Infimums) von Abbildungen sofort die Definition des Supremums (Infimums) einer Folge (an) – sofern es in Y existiert.
Eigenschaften
Eindeutigkeit und Existenz
Ist b eine obere Schranke von T und c > b, so ist auch c eine obere Schranke von T. Ist umgekehrt c keine obere Schranke von T und b < c, so ist auch b keine obere Schranke von T. Analoges gilt für untere Schranken.
Das Supremum von T ist (im Falle seiner Existenz) eindeutig bestimmt. Dasselbe gilt für das Infimum von T.
Es ist möglich, dass eine Teilmenge T einer halbgeordneten Menge
M mehrere minimale
obere Schranken hat, d.h. obere Schranken, so dass jedes kleinere Element keine
obere Schranke ist. Sobald T jedoch mehr als eine minimale obere Schranke
hat, gibt es keine kleinste
obere Schranke, d.h. kein Supremum, von T. Ein Beispiel ist die Menge
mit der Halbordnung
.
Hier hat
die beiden minimalen oberen Schranken c und d.
Eigenschaften in Bezug auf eine Epsilon-Umgebung
Sei
eine nichtleere Teilmenge der reellen Zahlen, dann gilt außerdem für das
- Supremum von
:
-
- Wenn
, so existiert für alle
ein
, so dass
ist.
- Wenn
, so existiert für alle
ein
, so dass
.
- Wenn
- Infimum von
:
-
- Wenn
, so existiert für alle
ein
, so dass
ist.
- Wenn
, so existiert für alle
ein
, so dass
.
- Wenn
Existenz des Supremums für beschränkte Teilmengen der reellen Zahlen
Die Existenz des Supremums für eine beschränkte Teilmenge
der reellen Zahlen kann auf mehrere Arten gezeigt werden:
Zum einen kann man die Existenz von Supremum und Infimum für beschränkte Teilmengen der reellen Zahlen einfach als Axiom festlegen. Diese Forderung wird oft Supremumsaxiom oder Vollständigkeitsaxiom genannt.
Geht man von dem Axiom aus, dass jede Intervallschachtelung
genau eine reelle Zahl definiert, kann man wie folgt vorgehen: Man konstruiert
eine Intervallschachtelung, die das Supremum einschließt. Dazu konstruiert man
zwei Folgen, von denen die erste, ,
monoton wachsend ist und nicht aus oberen Schranken von
besteht, die zweite,
,
monoton fallend ist und aus oberen Schranken von
besteht, so dass noch gilt, dass die Abstände entsprechender Folgeglieder gegen
0 gehen (indem man jeweils die Intervallmitte betrachtet und entscheidet, ob sie
eine obere Schranke ist oder nicht). Damit erhält man den gemeinsamen Grenzwert
der beiden Folgen als kleinste obere Schranke von
,
denn:
Jedes Element von
ist kleiner oder gleich jedem Element
der oberen Folge, also kleiner oder gleich
,
somit ist
eine obere Schranke von
.
Und jede reelle Zahl, die kleiner ist als
,
ist kleiner als wenigstens ein Element
(für ein gewisses
)
der unteren Folge, also keine obere Schranke.
Eine äquivalente Formulierung zur Existenz des Supremums ist das Schnittaxiom, nachdem jeder Dedekindsche Schnitt von einer reellen Zahl erzeugt wird.
Beispiele
Reelle Zahlen
Folgende Beispiele beziehen sich auf Teilmengen der reellen Zahlen.
bzw.
, wobei
Andere halbgeordnete Mengen
Auf
hat jede nicht-leere nach oben bzw. unten beschränkte Teilmenge ein Supremum
bzw. Infimum. Betrachtet man andere Mengen, auf denen Ordnungsrelationen
definiert sind, so ist dies nicht zwingend:
- Die Menge
der rationalen Zahlen ist bezüglich der natürlichen Ordnung total geordnet. Die Menge
ist beispielsweise durch die Zahl
nach oben beschränkt, hat aber kein Supremum in
.
- In der Menge
der natürlichen Zahlen mit ihrer natürlichen Ordnung ist jede Zahl sowohl untere als auch obere Schranke der leeren Menge
. Daher hat
kein Infimum, wohl aber gilt
.
- In der bezüglich Inklusion
partiell geordneten Menge
ist die Menge
sowohl durch das Element
als auch durch
nach oben beschränkt. Ein Supremum, also eine kleinste obere Schranke von
, existiert in
jedoch nicht.
Siehe auch
- Aus dem Begriff Supremum wird in der Maßtheorie
der Begriff des wesentlichen
Supremums abgeleitet, der zum Beispiel in der Theorie der
-Räume eine wichtige Rolle spielt.
- Die Untersuchung von partiell geordneten Mengen, in denen zu jeder zweielementigen Teilmenge ein Supremum und ein Infimum existiert, ist Gegenstand der Verbandstheorie.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 17.04. 2020