Schnittkrümmung

Die Schnittkrümmung ist eine Größe der riemannschen Geometrie, eines Teilgebiets der Mathematik. Mit ihrer Hilfe kann man die Krümmung einer n-dimensionalen riemannschen Mannigfaltigkeit beschreiben. Dabei wird jeder (zweidimensionalen) Ebene im Tangentialraum an einem Punkt dieser Mannigfaltigkeit eine Zahl als Krümmung zugeordnet. Die Schnittkrümmung kann als Verallgemeinerung der gaußschen Krümmung verstanden werden. Der Name kommt daher, dass man sozusagen einen Schnitt durch die Mannigfaltigkeit in Richtung der gegebenen Ebene legt und die gaußsche Krümmung der so entstandenen Fläche bestimmt.

Definition

Gegeben seien eine riemannsche Mannigfaltigkeit (M,g), ein Punkt p in M und ein zweidimensionaler Unterraum (Ebene) \sigma des Tangentialraums T_{p}M von M im Punkt p. Seien v und w zwei Tangentialvektoren, die diese Ebene aufspannen. Mit

|v \wedge w| = \sqrt{g(v,v)g(w,w)-g(v,w)^2}

wird der Flächeninhalt des von v und w aufgespannten Parallelogramms bezeichnet, R bezeichnet den riemannschen Krümmungstensor.

Dann hängt die Größe

K(v,w) = \frac{g(R(v,w)w,v)}{|v \wedge w|^2} = \frac{g(R(v,w)w,v)}{g(v,v)g(w,w)-g(v,w)^2}

nur von der Ebene \sigma ab, aber nicht von der Wahl der sie aufspannenden Vektoren v und w. Man schreibt deshalb für K(v,w) auch K(\sigma) und nennt dies die Schnittkrümmung von \sigma .

Da unterschiedliche Vorzeichenkonventionen für den riemannschen Krümmungstensor existieren, wird die Schnittkrümmung je nach Kontext auch durch

K(v,w) = \frac{g(R(v,w)v,w)}{|v \wedge w|^2}

definiert. In diesem Artikel wird allerdings die erste Konvention verwendet.

In lokalen Koordinaten kann obige Formel für die Schnittkrümmung auch wie folgt geschrieben werden:

{\displaystyle K(v,w)={\frac {R_{\alpha \beta \gamma \delta }v^{\alpha }w^{\beta }v^{\gamma }w^{\delta }}{g_{\mu \nu }v^{\mu }v^{\nu }g_{\mu \nu }w^{\mu }w^{\nu }-(g_{\mu \nu }v^{\mu }w^{\nu })^{2}}}}

Beziehung zur gaußschen Krümmung

Sei M \subset \R^3 eine 2-dimensionale Untermannigfaltigkeit des euklidischen Raums und g die auf M induzierte Metrik. Für jeden Punkt p\in M und jede Basis \{v,w\} von \sigma = T_pM ist die Schnittkrümmung

K(\sigma) = K(v,w) = \frac{g(R(v,w)w,v)}{g(v,v)g(w,w) - g(v,w)^2}

gleich der gaußschen Krümmung K(p) von M im Punkt p. Dass man die gaußsche Krümmung so darstellen kann, ist eine Folgerung aus Gauß’ Theorema egregium.

Beziehungen zu weiteren Krümmungsgrößen

R_i(W,X,Y,Z) = - R_i(X,W,Y,Z), R_i(W,X,Y,Z) = - R_i(W,X,Z,Y), R_i(W,X,Y,Z) = R_i(Y,Z,W,X)
und die Bianchi-Identität
R_i(W,X,Y,Z) + R_i(X,Y,W,Z) + R_i(Y,W,X,Z) = 0
erfüllen. Gilt dann für jedes Paar linear unabhängiger Vektoren X,Y die Gleichung
\frac{R_1(X,Y,Y,X)}{|X|^2|Y|^2 - \langle X,Y \rangle^2} = \frac{R_2(X,Y,Y,X)}{|X|^2|Y|^2-\langle X,Y \rangle^2},
so folgt R_1 = R_2.
\operatorname{Ric}(E_1,E_1) = \sum_{k=1}^n g(R(E_k,E_1)E_1,E_k) = \sum_{k=2}^n K(E_1,E_k).
Die Ricci-Krümmung ist durch die Formel vollständig bestimmt, da der Ricci-Tensor symmetrisch ist. Hat die zugrundeliegende, riemannsche Mannigfaltigkeit (M,g) der Dimension n konstante Schnittkrümmung, so gilt die vereinfachte Formel
{\displaystyle \operatorname {Ric} (V,V)=(n-1)\,K\,g(V,V).}
S = \sum_{j, k=1}^n g(R(E_k,E_j)E_j,E_k) = \sum_{j \neq k}^n K(E_j,E_k),
wobei (E_1, \ldots , E_n) wieder eine Orthonormalbasis des Tangentialraums ist. Ist die Schnittkrümmung konstant, so gilt
{\displaystyle S=n(n-1)\,K.}

Beispiele

Anwendungen

Mannigfaltigkeiten mit konstanter Krümmung (von links nach rechts): Das Hyperboloid mit negativer Krümmung, der Zylinder mit Krümmung null und die Sphäre mit positiver Krümmung.

Mannigfaltigkeiten mit konstanter Krümmung

Wie auch in anderen Teilbereichen der Mathematik versucht man in der riemannschen Geometrie Objekte zu klassifizieren. In der riemannschen Geometrie werden die entsprechenden riemannschen Mannigfaltigkeiten klassifiziert. So versteht man zwei Mannigfaltigkeiten als gleich, wenn es eine isometrische Abbildung zwischen ihnen gibt. Die Schnittkrümmung ist, da sie von der riemannschen Metrik abhängt, eine wichtige Invariante riemannscher Mannigfaltigkeiten. Bei vollständigen, einfach zusammenhängenden riemannschen Mannigfaltigkeiten mit konstanter Schnittkrümmung ist die Klassifikation verhältnismäßig einfach, denn es gibt nur drei Fälle zu betrachten. Hat die riemannsche Mannigfaltigkeit die Dimension n und die konstante, positive Schnittkrümmung \textstyle \frac{1}{R^2}, so ist sie isometrisch (gleich) zur n-dimensionalen Sphäre \mathbb{S}^n_R mit Radius R. Ist die Schnittkrümmung konstant null so nennt man die Mannigfaltigkeit flach und sie ist isometrisch zum euklidischen Raum \mathbb {R} ^{n} und im Fall, dass die Mannigfaltigkeit die negative Schnittkrümmung \textstyle - \frac{1}{R^2} hat, so entspricht sie dem n-dimensionalen hyperbolischen Raum \mathbb{H}^n_R.

Betrachtet man nun nicht mehr nur die einfach zusammenhängenden Mannigfaltigkeiten, sondern alle vollständigen und zusammenhängenden Mannigfaltigkeiten M mit konstanter Schnittkrümmung, so ist deren Klassifikation schon komplizierter. Die Fundamentalgruppe dieser Mannigfaltigkeiten verschwindet nicht mehr. Es lässt sich nun zeigen, dass solche Mannigfaltigkeiten isometrisch zu N/\Gamma sind. Wobei N für einen der drei Räume aus dem obigen Abschnitt also für \mathbb {S} _{R}^{n},\,\mathbb {R} ^{n} oder \mathbb {H} _{R}^{n} steht und \Gamma eine diskrete Untergruppe der Isometriegruppe J(N) von N ist, welche frei und eigentlich diskontinuierlich auf N operiert. Diese Gruppe \Gamma ist isomorph zur Fundamentalgruppe \pi_1(M) von M.

Mannigfaltigkeiten mit negativer Krümmung

Élie Cartan verallgemeinerte 1928 ein Resultat von Jacques Hadamard, welches in moderner Formulierung besagt, dass die Exponentialabbildung bei nicht positiver Schnittkrümmung eine universelle Überlagerung ist. Diese Aussage wird heute Satz von Cartan-Hadamard genannt. Es gibt unterschiedliche Formulierungen des Satzes. Die Version für riemannsche Mannigfaltigkeiten lautet präzise:

Ist M eine vollständige, zusammenhängende riemannsche Mannigfaltigkeit, deren Schnittkrümmungen alle nicht positiv sind. Dann ist die Exponentialabbildung \operatorname{exp}_p : T_p M \to M für alle p\in M eine universelle Überlagerungsabbildung. Insbesondere ist also der Überlagerungsraum T_pM diffeomorph zu \mathbb {R} ^{n}. Ist M sogar einfach zusammenhängend, so ist M selbst diffeomorph zu \mathbb {R} ^{n}.

Dieser Satz ist unter anderem deshalb bemerkenswert, weil er einen Zusammenhang zwischen einer lokalen Größe und einer globalen Größe einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit liefert. Solche Aussagen werden auch lokal-global-Theoreme genannt. In diesem Fall ist die Schnittkrümmung der Mannigfaltigkeit die lokale Größe, denn die Schnittkrümmung wird für jedes p\in M definiert. Unter der Voraussetzung, dass die Mannigfaltigkeit M einfach zusammenhängend ist, ist sie nach dem Satz diffeomorph zu \mathbb {R} ^{n}, was eine globale, differentialtopologische Eigenschaft ist, die mit der riemannschen Metrik nichts zu tun hat. Aus dem Satz folgt nun, dass kompakte, vollständige, einfach zusammenhängende Mannigfaltigkeiten, wie zum Beispiel die Sphäre eine ist, immer eine irgendwo positive Schnittkrümmung haben müssen. Denn, weil die Sphäre kompakt ist, kann sie nicht diffeomorph zum \mathbb {R} ^{n} sein. Aus der Bedingung der nicht positiven Schnittkrümmung erhält man also starke Einschränkungen in Bezug auf die Topologie, welche die Mannigfaltigkeit tragen kann. Mit Hilfsmitteln der algebraischen Topologie lässt sich zeigen, dass die Homotopiegruppen \pi_k(M) der Mannigfaltigkeiten, welche die Voraussetzungen des Satzes erfüllen, für k>1 verschwinden.

Mannigfaltigkeiten mit positiver Krümmung

Ein Resultat aus dem Bereich Mannigfaltigkeiten mit positiver Schnittkrümmung ist der Satz von Bonnet. Dieses lokal-global-Theorem bringt die Schnittkrümmung mit den topologischen Eigenschaften Kompaktheit und endlicher Fundamentalgruppe in Verbindung. Präzise besagt der Satz:

Sei M eine vollständige, zusammenhängende riemannsche Mannigfaltigkeit. Alle Schnittkrümmungen seien durch \textstyle \frac{1}{R^2} nach unten beschränkt. Dann ist M ein kompakter Raum mit endlicher Fundamentalgruppe.
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Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 01.10. 2020