Wohldefiniertheit
Wohldefiniertheit bezeichnet in der Mathematik und Informatik die Eigenschaft eines Objekts, eindeutig definiert zu sein. Der Begriff findet vor allem dann Anwendung, wenn die Möglichkeit besteht, dass das Objekt ansonsten mehrdeutig ist.
Ein wohldefinierter Ausdruck liefert definitionsgemäß genau einen Wert, bzw. eine Interpretationsmöglichkeit.
In einem erweiternden Sinn wird dieser Begriff mitunter verwendet, um auszusagen, dass ein Objekt widerspruchsfrei, d.h. formal korrekt definiert ist.
Die Fragestellung, ob ein Objekt wohldefiniert ist, ergibt sich häufig in der Mathematik dadurch, dass ein Objekt nicht nur durch eine Definitionsgleichung (explizit), sondern auch durch eine charakteristische Eigenschaft (implizit) definiert werden kann. Insbesondere bei Funktionen oder Verknüpfungen kommt es vor, dass sie nur »implizit definiert« werden können. Dies geschieht dadurch, dass zunächst eine Relation (als Untermenge eines kartesischen Produkts) mit derselben Anzahl von Stellen (explizit) definiert wird. Von dieser Relation wird ausdrücklich behauptet, dass sie von einem spezifischen Typ, bspw. Funktion oder Verknüpfung, ist. Die gesamte »Definition« ist jedoch erst dann vollständig und gültig, wenn ein Beweis für die Behauptung erbracht ist. Man sagt dann: das Objekt oder der Begriff ist (als dieser spezifische Typ) wohldefiniert. Andernfalls spricht man von Mehrdeutigkeit u.Ä., und das mathematische Objekt bleibt undefiniert.
Einfache Beispiele
Analogie
1. Die Definition einer Ziegenart A laute:
"Säugetier mit Hörnern, mit Eigenschaft A".
Diese Ziegenart A ist als Ziegenart nicht wohldefiniert, weil es auch andere Säugetiere mit Hörnern gibt, die möglicherweise Eigenschaft A besitzen.
Wenn wir jedoch nachweisen, dass Eigenschaft A ausschließlich bei Ziegen auftritt, so ist die Ziegenart A wohldefiniert, weil es dann genau eine Art von Säugetieren geben kann, die Eigenschaft A erfüllen und die Definition damit eindeutig ist.
Mathematik
- „Für alle ist »definiert« als diejenige Zahl , für die gilt .“ 
- „Für alle ist »definiert« als diejenige Zahl , für die gilt .“ 
- „Für alle ist »definiert« als diejenige Zahl , für die gilt .“ 
Dabei soll es sich um die »Definition« von Funktionen 
 
handeln mit angegebener Definitions- 
und Wertemenge. 
| Zu 1: | Zu jeder Zahl | 
| Zu 2: | Die zweistellige Relation | 
| Zu 3: | Die zweistellige Relation | 
Definition ohne Vorgriff
Die Anführungszeichen bei »definiert« und »Definition« lassen sich vermeiden, wenn man darauf verzichtet, sofort eine Funktion zu definieren. Stattdessen definiert man in einem ersten Schritt nur eine zweistellige Relation – was immer geht. (So geschehen in den Bemerkungen zu den einfachen Beispielen 2 und 3.)
In einem zweiten Schritt weist man nach, dass die so definierte zweistellige Relation die Eigenschaften Linkstotalität und Rechtseindeutigkeit hat, also eine Funktion ist.[1] Dieser zweite Schritt entspricht genau dem üblichen Überprüfen der Wohldefiniertheit.
Dieselben mathematischen Objekte können also auch ohne den Begriff »wohldefiniert« gebildet werden, womit dieser Begriff sich als in der Mathematik entbehrlich herausstellt.
Gleichwohl ist die Vorwegnahme der Funktionseigenschaft in der »Definition« gängige Praxis, vor allem, weil damit das Objekt der Definition sofort als Funktion bekannt gemacht wird. Und da der Zweck einer »Definition« nicht ihr Misslingen ist, kommt in mathematischen Texten eine Nicht-Wohldefiniertheit nicht vor.
Repräsentantenunabhängigkeit
In der Literatur findet sich häufig die Definition von Wohldefiniertheit als Repräsentantenunabhängigkeit. Vereinzelt wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es keine darüber hinausgehende Bedeutung gibt.
Typischerweise ist die Frage nach der Wohldefiniertheit einer Funktion dann zu stellen, wenn die die Funktion definierende Gleichung nicht (nur) auf die Argumente selbst, sondern (auch) auf Elemente der Argumente Bezug nimmt. Dies ist gelegentlich unvermeidlich, wenn die Argumente Äquivalenzklassen sind. Ein Element einer Äquivalenzklasse wird Repräsentant genannt, und auf einen solchen wird Bezug genommen.
Dies soll an einem Beispiel erläutert werden. Jede rationale Zahl lässt 
sich als Bruch aus zwei ganzen Zahlen, dem Zähler und dem Nenner, schreiben. 
»Definieren« wir also  
als »Funktion«, die jeder rationalen Zahl ihren Zähler zuordnet. 
Nun gilt , 
also hätte zu gelten 
, 
ein Widerspruch! Die »Definition« von 
 
kann also nicht in Ordnung sein. Die »Definition« von 
 
ist nicht wohldefiniert. Sehen wir uns dazu die »Definition« von 
 
genauer an: Der Bruch 
 
steht für die Äquivalenzklasse 
 
aller Paare 
, 
für die 
 
gilt. Die Definition von 
 
müsste also genauer lauten: Für alle rationalen Zahlen 
 
ist 
 
»definiert« als derjenige Wert 
 
für den es ein 
 
gibt mit 
. 
Die Äquivalenzklasse 
 
ist Argument von 
 
Bezug genommen wird auf den Repräsentanten 
 
Nun stellt sich heraus, dass es mehrere solcher 
 
gibt – für 
 
sind dies zum Beispiel 
 
oder 
 
 
ist nicht wohldefiniert und die »Definition« ist keine. 
Hat ein Element  
also mehrere Darstellungen (im Beispiel: 
, 
, 
, 
…), dann muss eine Funktion 
 
diesem Element einen Wert 
 
zuordnen, der von der Darstellung von 
 
unabhängig ist. Die »Definition« 
 
zum Beispiel erfüllt diese Bedingung. 
Für die folgenden zwei mathematischen Konzepte muss die Repräsentantenunabhängigkeit nachgewiesen werden:
Induzierte Abbildungen
Definition der induzierten Abbildung
Gegeben seien zwei Mengen 
 
und 
 
sowie Äquivalenzrelationen 
 
auf 
 
und 
 
auf 
. 
Mit 
 
sei die Äquivalenzklasse 
 
des Elements 
 
bezüglich 
 
bezeichnet und entsprechend mit 
 
die Äquivalenzklasse des Elements 
 
bezüglich 
. 
Die Menge der Äquivalenzklassen 
 
heißt Faktormenge von 
 
(nach der Äquivalenzrelation 
). 
Hat man nun eine Funktion (oder Abbildung)  
gegeben, so lässt sich stets eine (zweistellige) Relation 
 
auf dem Paar 
| der Faktormengen gemäß der Vorschrift | ||||
|  |  | |||
definieren. Diese Definition ist als Definition einer Relation gültig 
und vollwertig. Ihr Zweck ist aber (meist) die Definition einer 
Abbildung. So wird  
auch schon die von 
 
induzierte Abbildung genannt, obwohl die Verwendung des Begriffs Abbildung 
genaugenommen einen Vorgriff auf die noch unbewiesene Wohldefiniertheit 
darstellt. 
Wohldefiniertheit einer induzierten Abbildung
Zunächst ist  
nämlich nur eine zweistellige 
Relation 
, 
die genau dann die (restlichen) Forderungen an die (ebenfalls zweistellige 
Relation der) Funktion 
oder Abbildung erfüllt, wenn es zu jedem Argumentwert 
 
nur einen (einzigen) Funktionswert 
 
gibt. Hierfür muss gelten: 
- . 
Genau dann, wenn diese (Repräsentantenunabhängigkeit genannte) 
Forderung erfüllt ist, wird die induzierte „Abbildung“  
wohldefiniert genannt und ist nicht nur eine Relation, sondern wirklich 
eine Abbildung. 
Beispiele für induzierte Abbildungen
- Sei und . Als Äquivalenzrelation wählen wir die „Äquivalenz modulo 3“, d.h., es gelte 
- 
  
- Die Äquivalenzrelation sei die gewöhnliche Gleichheit, also , falls . (Eine Äquivalenzklasse besteht somit aus genau einem Element.) 
- Als Funktion wählen wir 
  
- Die induzierte »Abbildung« ist dann 
  
- Es gilt nun , obwohl . In diesem Fall ist also die »induzierte Abbildung« nicht wohldefiniert und keine Abbildung. 
- Sei . Die Äquivalenzrelation sei erklärt durch 
- 
  
- und sei wieder die gewöhnliche Gleichheit. Der reelle Kosinus induziert nun die Abbildung - . 
 
- Diese Abbildung ist wohldefiniert, wie man folgendermaßen zeigt: Seien 
  mit der Eigenschaft . Gemäß der Definition von existiert nun ein mit , und deshalb folgt , wobei wir die Tatsache verwendet haben, dass der Kosinus eine Periode von besitzt. 
Induzierte Verknüpfung
Definition der induzierten Verknüpfung
Sei  
eine nichtleere Menge mit einer Äquivalenzrelation 
 
und einer inneren Verknüpfung 
 . 
Mithilfe 
 
kann man auf der zugehörigen Faktorstruktur die dreistellige Relation 
definieren. Im Vorgriff auf die noch zu beweisende Wohldefiniertheit wird 
 
die durch 
 
auf der Faktorstruktur induzierte Verknüpfung genannt. 
Wohldefiniertheit für induzierte Verknüpfungen
Damit diese Relation wirklich eine Verknüpfung ist, darf das Ergebnis nicht 
von der Wahl des Repräsentanten in einer Klasse abhängen. Das heißt, es muss für 
alle  
mit der Eigenschaft 
 
gelten: 
Ist dies der Fall, ist die induzierte Verknüpfung  
eine (wirkliche) Verknüpfung (der man die Eigenschaft der Wohldefiniertheit 
zuspricht). 
Beispiele für induzierte Verknüpfungen
- Die Verknüpfung , gegeben durch , ist nicht wohldefiniert: Es gilt [5] = [2] und [3] = [6], aber 
- . 
- Betrachte die symmetrische 
  Gruppe und darin die Untergruppe . Die auf der Faktormenge induzierte Verknüpfung ist nicht wohldefiniert. Es ist und selbstverständlich aber 
- Die Addition und die Multiplikation in einem Restklassenring sind wohldefiniert. Die Restklassen-Addition ist gerade die von der Addition in und dem Normalteiler induzierte Verknüpfung. 
- Ist ein Normalteiler der Gruppe , dann ist die auf induzierte Verknüpfung wohldefiniert, und heißt Faktorgruppe von nach . Die Eigenschaft, Normalteiler zu sein, ist sogar äquivalent dazu, dass die induzierte Verknüpfung auf der Faktormenge wohldefiniert ist. Denn seien und beliebig. Für die Wohldefiniertheit der induzierten Gruppenverknüpfung auf den Linksnebenklassen muss gelten: 
- 
  
- also . Dies entspricht aber der Definition 2 des Normalteilers. Dasselbe Ergebnis erhält man bei den Rechtsnebenklassen. 
Wohldefiniertheit in der mathematischen Notation
Für reelle Zahlen gilt die Schreibweise  
für das Produkt 
 
als wohldefiniert, da die Multiplikation das Assoziativgesetz 
erfüllt. Im Einklang mit der restlichen mathematischen Notation ist sie 
eindeutig, weil das Produkt 
 
für drei reelle Zahlen 
 
immer einen eindeutigen Wert liefert. 
Dies gilt auch für die in der Multiplikation nicht kommutativen Quaternionen.
Die Subtraktion ist nicht 
assoziativ. Dennoch gilt  
mithilfe der Darstellung 
 
als wohldefiniert. 
Für reelle Zahlen  
und 
 
ist die Schreibweise 
 
für den Quotienten 
 
wohldefiniert. Für die in der Multiplikation nicht kommutativen Quaternionen gilt diese 
Notation als nicht wohldefiniert. 
Programmiersprachen
Bei Notationen mit Operatoren in Mathematik und Informatik lässt sich jedoch durch zusätzliche Regeln für Operatorrangfolge- und Assoziativität auch ohne Klammerung meistens Eindeutigkeit erzielen.
In der Programmiersprache C 
ist beispielsweise der Subtraktionsoperator -  linksassoziativ, 
d.h. er wird von links nach rechts ausgewertet: a-b-c = 
(a-b)-c. Der Zuweisungsoperator =  ist jedoch 
rechtsassoziativ, d.h. a=b=c = a=(b=c). 
In der Programmiersprache APL gibt es nur eine Rangfolgeregel: Zuerst werden die Klammern, dann der Rest von rechts nach links abgearbeitet.
Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit
In einem weiteren Sinn wird Wohldefiniertheit auch auf andere Bereiche ausgedehnt. Sie bezeichnet dann eine sinnvolle und widerspruchsfreie Definition. Synonym für „nicht wohldefiniert“ in diesem Sinn werden auch „nicht definiert“ oder „nicht vollständig definiert“ gebraucht.
Definitionsbereich einer Funktion
Im Definitionsbereich  
der Abbildung 
 
darf die Null nicht enthalten sein, da 
 
für 
 
den „Wert“ 
 
liefern würde, der auf keinen Fall reell ist. Durch Null zu teilen ist in den 
reellen Zahlen nicht erklärt, d.h. es gibt keine reelle Zahl, die mit Null 
multipliziert Eins ergeben würde.[2]
 Mit der Setzung 
 
ist aber 
 
wohldefiniert. 
Ebenso ist es in den reellen Zahlen nicht erklärt, die Quadratwurzel aus 
negativen Zahlen zu ziehen. Anders gesagt ist die „Funktion“  
nicht wohldefiniert, die Funktion 
 
hingegen schon. 
Wertebereich einer Funktion
Schreibt man die Formel  
als „Funktion“ 
 
so wird dem Wert 
 
zwar der Wert 
 
zugeordnet. Das ist in diesem Fall aber nicht zulässig, da 
 
keine natürliche Zahl ist und somit nicht im Wertebereich liegt. 
Andererseits kann durch Einschränkung des Wertebereichs eine implizit gegebene Funktion eindeutig gemacht werden. Als Beispiel sei die zweistellige Relation
gegeben. Wegen der Periodizität 
der Tangensfunktion 
 
gibt es zu einem 
 
unendlich viele 
-Werte. 
 
wird jedoch rechtseindeutig, wenn der Wertebereich eingeschränkt wird, so in 
wonach  
der Hauptwert der Arkustangens-Funktion 
ist. 
Verknüpfungen bei Gruppen
Innere Verknüpfungen einer algebraischen Struktur  
(z.B. einer Gruppe) 
sind ebenfalls Funktionen (meist mit zwei Argumenten). Für sie gelten also 
dieselben Bedingungen: Die Verknüpfung von Elementen der Struktur 
 
muss ein eindeutig bestimmtes Element von 
 
ergeben. Hier wird oft fälschlicherweise der Ausdruck Abgeschlossenheit 
benutzt, welcher sich aber auf die Definition von Unterstrukturen bezieht. 
Wohldefiniertheit von Mengen
Eine Menge ist wohldefiniert, wenn das Definiens für jedes beliebige Objekt eindeutig festlegt, dass es entweder Element der Menge ist oder nicht Element der Menge ist. Insbesondere werden so gewisse Formen imprädikativer Definitionen ausgeschlossen.
Anmerkungen
- ↑ 
  Analog definiert man eine Funktion mit Argumenten zunächst als -stellige Relation und bezieht Linkstotalität und Rechtseindeutigkeit auf das Paar . 
- ↑ 
  In einem erweiterten Sinne könnte man zwar setzen. Das tut dem Beispiel aber nichts, da für gegen divergiert. 

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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 04.08. 2021