Fläche (Mathematik)
![](bilder/220px-Sphere_wireframe.svg.png)
Eine Fläche im anschaulichen Sinn ist eine zweidimensionale Teilmenge des dreidimensionalen Raumes, beispielsweise eine Ebene, eine zweidimensionale geometrische Figur oder die Begrenzungsfläche eines dreidimensionalen Körpers. Eine Fläche kann somit sowohl flach als auch gekrümmt sein.
Ein Maß für die Größe einer Fläche ist der Flächeninhalt. Umgangssprachlich wird der Flächeninhalt oftmals ebenfalls als „Fläche“ bezeichnet. Dieser Artikel behandelt das mathematische Objekt „Fläche“, nicht den Flächeninhalt.
Je nach Teilgebiet der Mathematik unterscheiden sich die genauen Definitionen einer Fläche. Gemeinsam haben alle Definitionen, dass die Fläche ein zweidimensionales Objekt ist.
Elementargeometrie
![](bilder/220px-Prav4bokjeh.png)
Die Elementargeometrie betrachtet, in der Ebene, beispielsweise Vielecke oder das Innere eines Kreises, und nennt solche Objekte Flächen. Im dreidimensionalen Raum betrachtet die Elementargeometrie Objekte wie den Zylinder und den Kegel. Diese geometrischen Körper werden durch Flächen (auch Seitenflächen genannt) begrenzt. Zusammen bilden sie die Oberfläche des Körpers. In eine Ebene aufgefaltet bzw. abgewickelt ergeben sie das Netz des Körpers. In der Elementargeometrie wird der Begriff der Fläche erklärt, jedoch nicht in mathematischer Strenge definiert.
Flächen im Raum
Durch Gleichungen beschriebene Flächen
![](bilder/220px-Hyperboloid1.png)
Viele Flächen lassen sich durch Gleichungen beschreiben: Die Sphäre
(Kugelfläche) mit Mittelpunkt
und Radius
durch
oder das einschalige Hyperboloid
durch
.
Man kann jede solche Gleichung auf die Form
mit einer Funktion
bringen. Nicht jede solche Gleichung beschreibt eine Fläche, z.B. besteht
die Lösungsmenge von
aus dem einzelnen Punkt
.
Sei
eine glatte
Funktion mit der Eigenschaft, dass für jede Lösung
der Gleichung
der Gradient
nicht null ist. Dann nennt man
einen regulären
Wert von
,
und die Menge
eine reguläre
Fläche. In der allgemeinen Definition einer regulären Fläche
müssen zu jedem Punkt
eine Umgebung
und eine differenzierbare Funktion
existieren, so dass
ein regulärer Wert von
ist und
gilt.
![](bilder/220px-Whitney_unbrella.png)
Eine Fläche heißt reelle algebraische
Fläche, wenn sie sich durch eine Polynomfunktion
beschreiben lässt. Der genaue Flächenbegriff der reellen
algebraischen Geometrie entspricht nicht immer der elementaren Vorstellung:
Ein Beispiel ist der Whitney-Regenschirm
,
der neben der im Bild sichtbaren Fläche noch die
-Achse
als Stiel beinhaltet, aber diese beiden Teile lassen sich algebraisch nicht
voneinander trennen.
![](bilder/220px-Red_cylinder.svg.png)
![](bilder/220px-Doppelkegel.png)
Flächen
zweiter Ordnung sind algebraische Flächen, die durch ein Polynom vom Grad 2
gegeben sind. Beispiele sind der Zylinder,
der auch in der Elementargeometrie untersucht wird und als mögliche Gleichung
hat, oder der Doppelkegel
mit Gleichung
.
Der Doppelkegel ist keine reguläre Fläche, er hat im Nullpunkt eine Singularität.
Durch Parametrisierungen beschriebene Flächen
Eine Parametrisierung eines Flächenstücks ist eine auf einem Teil
der Ebene definierte, glatte Immersion
.
(Eine Abbildung heißt Immersion, wenn die Jacobi-Matrix
von
in jedem Punkt von
vollen Rang
hat, bzw. die Ableitung
als von ihr dargestellte lineare Abbildung injektiv ist.) Im einfachsten Fall
kann
der Graph
einer Funktion
sein. Erlaubt man noch einen Rollenwechsel bei
,
dann genügen Funktionsgraphen zur lokalen Beschreibung beliebiger Flächenstücke.
Eine reguläre
Fläche ist in diesem Kontext eine Teilmenge ,
so dass zu jedem Punkt
eine Umgebung
und eine Parametrisierung
existiert, so dass
einen Homöomorphismus
induziert. Diese Beschreibung ist zu der weiter oben gegebenen äquivalent.
Unter einer immersierten Fläche versteht man allerdings nicht die
offensichtliche Abschwächung der vorstehenden Definition, sondern eine abstrakte
Fläche
(s.u.) zusammen mit einer Immersion
.
Eine Regelfläche
ist eine Fläche, die für ein Intervall
eine Parametrisierung der Form
mit Funktionen
besitzt. An jeden Stützpunkt
ist also eine
-Gerade
mit Richtung
angeheftet. (Der Begriff „Regelfläche“ entstand aus einer Falschübersetzung des
englischen Begriffs „ruled surface“: So bedeutet „rule“ nicht nur „Regel“,
sondern auch „linieren“.) Falls
für alle
und
nicht im Erzeugnis von
und
liegt, handelt es sich um eine immersierte Fläche. Der Flächenanteil des
Whitney-Regenschirms ist eine mit Ausnahme der Spitze immersierte Regelfläche,
das einschalige Hyperboloid eine reguläre Regelfläche.
Eine Rotationsfläche
ist eine Fläche, die durch die Rotationsbewegung
eines Funktionsgraphen
um eine Koordinatenachse erzeugt wird. Ist
eine glatte Funktion, dann erhält man durch Rotation von
um die
-Achse
die Fläche
Wenn
für alle
,
erhält man eine reguläre Fläche. Hat
Nullstellen, handelt es sich nicht um eine immersierte Fläche.
Differentialgeometrie regulärer Flächen
Tangentialebene und Normalenvektor
Sei
eine reguläre Fläche und
ein Punkt auf
.
Ist
lokal bei
durch eine reguläre Parametrisierung
mit
und
gegeben, dann ist das Bild der Ableitung
ein zweidimensionaler Unterraum
,
den man die Tangentialebene
von
in
nennt. Die anschauliche Tangentialebene erhält man, indem man den Unterraum um
den Vektor
verschiebt. Ein Normalenvektor
ist ein Vektor, der orthogonal zur Tangentialebene ist.
In der Beschreibung durch lokale Gleichungen sei
eine offene Teilmenge und
eine Funktion mit regulärem Wert
,
so dass
gilt. Dann ist der Gradient
von
in allen Punkten von
jeweils ein Normalenvektor, und man kann die Tangentialebene als diejenige Ebene
verstehen, die senkrecht auf dem Gradienten steht.
Krümmung
![](bilder/220px-Minimal_surface_curvature_planes-en.svg.png)
Sei
eine reguläre Fläche,
ein Punkt auf
und
ein Normalenvektor der Länge
im Punkt
.
Für einen variablen Tangentialvektor
der Länge
im Punkt
spannen
und
eine (orientierte) Ebene
auf, und der Schnitt
ist lokal eine reguläre Kurve.
Sei
die Krümmung dieser Kurve, d.h., wenn
die nach Bogenlänge
parametrisierte Kurve mit
ist, dann ist
.
Die Zahl
heißt Krümmung von
in Richtung
.
Hat
nicht für alle
denselben Wert, dann gibt es zwei zueinander orthogonale Richtungen, in denen
das Maximum
bzw. das Minimum
annimmt.
und
heißen die Hauptkrümmungen
von
im Punkt
,
die zugehörigen Richtungen Hauptkrümmungsrichtungen. Aus ihnen definiert man die
gaußsche
Krümmung
und die mittlere
Krümmung
.
Wechselt man die Richtung des Normalenvektors, ändern die Hauptkrümmungen ihr Vorzeichen, so dass
die gaußsche Krümmung gleich bleibt und die mittlere Krümmung ebenfalls das
Vorzeichen wechselt. Die Sphäre mit Radius
hat Gaußkrümmung
und mittlere Krümmung
(für nach außen zeigende Normalenvektoren).
Setzt man
durch die Festlegung
für alle
zu einer auf der ganzen Tangentialebene definierten Funktion
fort, erhält man eine quadratische
Form. Die zugehörige Bilinearform
heißt zweite
Fundamentalform
und lässt sich auch als
mit der Weingartenabbildung
schreiben, die wiederum die Ableitung des Normalenvektors, aufgefasst als Gauß-Abbildung
,
ist. Die Hauptkrümmungen und Hauptkrümmungsrichtungen sind die Eigenwerte und Eigenvektoren der
Weingartenabbildung, der Zusammenhang zur ersten Beschreibung wird durch den Trägheitssatz
von Sylvester hergestellt.
Abwickelbare Flächen sind eine Klasse von Flächen, deren gaußsche Krümmung überall den Wert 0 hat. Wenn eine Fläche gaußsche Krümmung 0 hat und keine planaren Punkte besitzt, d.h. keine Punkte, in denen beide Hauptkrümmungen 0 sind, dann ist sie abwickelbar. Flächen mit gaußscher Krümmung 0 sind lokal isometrisch zur Ebene, d.h., sie lassen sich ohne innere Formverzerrung auf die Ebene abbilden. Beispiele sind Zylinder und Kegel, bei denen die Abbildung in die Ebene durch das Abwickeln des Mantels gegeben ist.
Krümmungslinie
Eine reguläre Kurve auf der Fläche heißt Krümmungslinie, falls ihre Tangentenrichtung in jedem Punkt eine Hauptkrümmungsrichtung ist. Eine wichtige Hilfe bei der Bestimmung von Krümmungslinien bietet der Satz von Dupin.
Beispiele:
- Die auf einem senkrechten Kreiszylinder liegenden Kreise und Geraden.
- Die auf einem einschaligen Rotationshyperboloid liegenden Kreise und dazu senkrechten Hyperbeln.
- Kreise auf einer Dupinschen Zyklide.
Asymptotenlinie
Eine reguläre Kurve auf einer Fläche mit negativer gaußscher Krümmung (die Indikatrix ist eine Hyperbel) heißt Asymptotenlinie, falls ihre Tangentenrichtung in jedem Punkt die Richtung einer Asymptote der Indikatrix des Punktes hat. Es gibt also in jedem Punkt zwei Asymptotenlinien. Der Winkel zwischen beiden wird von den Krümmungslinien halbiert. Z.B. sind die Geraden auf einem einschaligen Hyperboloid Asymptotenlinien.
Flächeninhalt und Minimalflächen
![](bilder/220px-Superficie_di_scherk.jpg)
Mit Hilfe der gramschen
Determinante kann man den Flächeninhalt eines Flächenstücks definieren und
allgemeiner eine Integrationstheorie für Flächen entwickeln: Ist
ein Flächenstück der Fläche
und
eine Funktion, dann ist das Integral von
definiert als
Für Integrale über ganz
muss man die Fläche evtl. unterteilen.
Eine Minimalfläche ist eine Fläche, die lokal minimalen Flächeninhalt hat, genauer deren Parametrisierung ein kritischer Punkt für das Flächeninhaltsfunktional ist. Derartige Formen nehmen beispielsweise Seifenhäute an, wenn sie über einen entsprechenden Rahmen (wie etwa einem Blasring) gespannt sind. Minimalflächen sind auch dadurch charakterisiert, dass ihre mittlere Krümmung überall den Wert 0 hat.
Die gaußsche Krümmung ist ein Maß für die Abweichung des lokalen
Flächeninhalts von den Werten der Ebene: Bezeichnet
den Flächeninhalt der Scheibe mit Radius
um einen Punkt, dann ist die gaußsche Krümmung in diesem Punkt:
Orientierbarkeit
![](bilder/220px-Moebius_strip.svg.png)
Der Begriff der Orientierbarkeit fasst die Situation, dass bei einer Fläche
global zwei Seiten unterschieden werden können. Das Paradebeispiel für eine
Fläche, bei der das nicht möglich ist, die also nicht orientierbar ist, ist das
Möbiusband. Für eine
reguläre Fläche kann man die zwei Seiten dadurch beschreiben, dass es in jedem
Punkt zwei Normalenvektoren
(d.h. senkrecht auf der Fläche stehend) der Länge 1 gibt, zu jeder Seite
hin einen. Kann man nun einheitlich (d.h. glatt) für jeden Punkt eine der
beiden Richtungen auswählen, nennt man die Fläche orientierbar. (Es gibt andere
Charakterisierungen von Orientierbarkeit, die keinen Gebrauch vom umgebenden
Raum oder der Differenzierbarkeit machen, s.u.) Ist
die Nullstellenmenge
der Funktion
mit regulärem Wert
,
dann ist
in jedem Punkt von
ein Normalenvektor der Länge 1, also ist eine solche Fläche orientierbar. Ebenso
ist jede kompakte reguläre Fläche ohne Rand orientierbar (nicht jedoch jede
kompakte abstrakte Fläche, wie z.B. die projektive
Ebene oder die kleinsche
Flasche).
Flächen im Bereich der Topologie
![](bilder/220px-Klein_bottle.svg.png)
In mathematischen Teilgebieten wie der Topologie, der Differentialtopologie, der riemannschen Geometrie oder der Funktionentheorie betrachtet man Flächen nicht mehr als Objekte, die in den dreidimensionalen Raum eingebettet sind, vielmehr verzichtet man auf den umgebenden Raum und betrachtet nur die Fläche für sich. Man spricht von abstrakten Flächen oder von 2-Mannigfaltigkeiten.
Motivation
Sei
eine offene Teilmenge und
eine reguläre Parametrisierung eines Flächenstücks
.
Man kann sich nun fragen, welche Daten man auf
vorgeben muss, um Aussagen über
zu treffen. Nach Definition ist für
die Ableitung
ein Isomorphismus
.
Die Länge von Tangentialvektoren kann man also in eine Bilinearform
übersetzen, die hier erste
Fundamentalform, im allgemeinen Kontext aber riemannsche Metrik
genannt wird. Die gramsche Determinante für
ist gleich der Determinante der Darstellungsmatrix von
,
also enthält die riemannsche Metrik bereits die Information über Flächeninhalte
und Integrale auf
.
Die zweite Fundamentalform und damit die Hauptkrümmungen kann man jedoch nicht
alleine an
ablesen, wie das folgende Beispiel eines Zylinderstücks zeigt:
Für jedes
ist
das Standardskalarprodukt,
also kann die riemannsche Metrik nicht zwischen einem Zylinder und einer Ebene
unterscheiden. Aber: Das Theorema
egregium von Carl
Friedrich Gauß besagt, dass die gaußsche Krümmung nur von der riemannschen
Metrik abhängt.
Damit lässt sich der gaußsche Krümmungsbegriff auf Flächen übertragen, für die keine Einbettung in den euklidischen Raum bekannt ist oder auch nur existiert. Ein Beispiel ist die hyperbolische Ebene, die über eine naheliegende riemannsche Metrik verfügt, mit der sie konstante negative Krümmung hat, aber nach einem Satz von David Hilbert keine isometrische Einbettung in den euklidischen Raum besitzt. (Isometrisch bedeutet hier, dass die Einbettung die vorgegebene Metrik induziert.)
Ein anderes Phänomen sind Flächen wie die reelle projektive Ebene, die überhaupt keine Einbettung in den euklidischen Raum erlauben, sondern lediglich Immersionen (z.B. als Boysche Fläche). Man kann sie zwar in höherdimensionale Räume einbetten, aber da man letztlich in Eigenschaften interessiert ist, die unabhängig von der Einbettung sind, ist es vorteilhaft, eine Sprache zu entwickeln, in der keine Einbettungen mehr vorkommen.
Definition
Im Bereich der Topologie wird der Begriff Fläche als Synonym für
2-dimensionale Mannigfaltigkeit verwendet. Das heißt, eine Fläche ist ein
besonderer topologischer
Raum, eine zweidimensionale topologische
Mannigfaltigkeit. Das ist per Definition ein Hausdorff-Raum,
der lokal homöomorph
zu
ist. Die lokalen Homöomorphismen werden Karten
genannt, ihre Gesamtheit bildet einen Atlas. Da die Fläche lokal homöomorph zum
zweidimensionalen Raum
ist, definiert man, dass die Dimension der Fläche gerade zwei ist.
Beispielsweise ist eine Kugeloberfläche
eine Fläche in Sinne der Topologie.
Eine kompakte Fläche wird auch geschlossen genannt, wenn betont werden soll, dass es sich um eine Fläche ohne Rand handelt. Flächen mit Rand als spezielle Mannigfaltigkeiten mit Rand werden im Abschnitt Verallgemeinerungen definiert.
Beispiele
![](bilder/Torus.svg.png)
Die einfachsten kompakten Flächen sind
![](bilder/220px-Connected_sum.svg.png)
Weitere kompakte, orientierbare Flächen erhält man als zusammenhängende Summe von g Tori. (Die zusammenhängende Summe zweier Flächen wird gebildet, indem man aus beiden Flächen jeweils einen 2-Ball herausschneidet und die beiden 1-dimensionalen Randsphären verklebt.) Die Zahl g heißt das Geschlecht der Fläche.
Eine explizite Beschreibung der Fläche vom Geschlecht g (als glatte algebraische Varietät und insbesondere 2-dimensionale Mannigfaltigkeit) ist zum Beispiel
.
Die Euler-Charakteristik der Fläche vom Geschlecht g ist 2 − 2g.
Die Sphäre trägt eine sphärische Metrik, der Torus flache Metriken, die Flächen vom Geschlecht mindestens 2 tragen hyperbolische Metriken. Der Modulraum hyperbolischer Metriken auf einer gegebenen Fläche heißt Teichmüller-Raum der Fläche.
Flächen mit zusätzlichen Strukturen
Die zuvor angeführten Flächen in der Topologie sind das Grundgerüst für die spezielleren Flächen, die in der Differentialtopologie, der riemannschen Geometrie oder der Funktionentheorie untersucht werden. In diesen mathematischen Teilgebieten wird die Fläche noch mit einer zusätzlichen Struktur ausgestattet.
Im Bereich der Differentialtopologie stattet man die topologische Fläche noch zusätzlich mit einer differenzierbaren Struktur aus, um Funktionen, die auf der Fläche definiert sind, differenzieren und um die Tangentialebene definieren zu können. Da die Fläche ja ohne umgebenden Raum definiert wurde, kann im Gegensatz zum vorigen Abschnitt die Orientierbarkeit der Fläche nicht mit Hilfe eines Normalenvektors definiert werden. Aus diesem Grund wird eine (äquivalente) Definition mittels Karten und Tangentialebene gewählt. Die Eigenschaft der Orientierbarkeit einer Fläche hängt also nicht vom umgebenden Raum ab.
In der Funktionentheorie ergänzt man die Fläche nicht um eine
differenzierbare Struktur, sondern um eine
komplexe Struktur.
Solche Flächen werden riemannsche
Flächen genannt, und die komplexe Struktur ermöglicht es auf ihnen den
Begriff der holomorphen
Funktion zu definieren. Im Bereich der riemannschen Flächen gibt zwei
unterschiedliche Dimensionsbegriffe. Zum einen ist sie wieder ein Spezialfall
der topologischen Fläche und hat damit die Dimension zwei, zum anderen
betrachtet man in der Funktionentheorie meistens die komplexe
Zahlenebene
und versteht die riemannschen Flächen als eine Verallgemeinerung dieser. In
diesem Kontext hat die riemannsche Fläche die (komplexe) Dimension eins und wird
daher auch als „komplexe Kurve“ interpretiert. Kompakte riemannsche Flächen sind
projektive
algebraische Kurven, das heißt, sie lassen sich in einen komplexen projektiven
Raum einbetten, so dass das Bild durch Polynomgleichungen beschrieben wird.
Auf einer differenzierbaren Fläche kann auch eine riemannsche Metrik
gegeben sein, das ist ein Skalarprodukt
auf jeder Tangentialebene, das differenzierbar vom Basispunkt abhängt. Jede
reguläre Fläche im
erhält über die Einschränkung des Standardskalarprodukts eine riemannsche
Metrik. Eine riemannsche Metrik induziert auf orientierbaren Flächen eine konforme
Struktur, in der die Längenmessung verlorengeht, aber die Information über
Winkel erhalten bleibt. Die 90°-Drehung auf den Tangentialräumen ist eine fastkomplexe
Struktur, und im Fall von Flächen ist jede fastkomplexe Struktur eine
komplexe Struktur, das heißt jede Fläche mit einer riemannschen Metrik ist auf
kanonische Weise eine riemannsche Fläche.
Klassifikation
![](bilder/220px-Triple_torus_array.png)
Der Klassifikationssatz gibt eine Liste von Flächen an, so dass jede geschlossene Fläche zu genau einer von ihnen homöomorph ist.
- Eine orientierbare Fläche ist homöomorph zur verbundenen Summe
von
Tori. Für
handelt es sich um die Sphäre, für
um den Torus. Die Zahl
ist das Geschlecht der Fläche.
- Eine nicht orientierbare Fläche ist homöomorph zu einer verbundenen Summe von projektiven Ebenen.
Für geschlossene differenzierbare Flächen ergibt sich dieselbe Klassifikation: jede Fläche ist diffeomorph zu genau einer der Flächen aus der Liste. Allgemein stimmen für geschlossene Flächen die Klassifikationen nach Homotopieäquivalenz, Homöomorphie, PL-Äquivalenz und Diffeomorphie alle überein.
Für riemannsche Flächen überträgt sich die Klassifikation nicht: Jede riemannsche Fläche ist orientierbar und eine orientierbare geschlossene Fläche kann wesentlich verschiedene komplexe Strukturen tragen.
- Für Geschlecht 0 gibt es nur eine riemannsche Fläche, die projektive Gerade oder riemannsche Zahlenkugel.
- Für Geschlecht 1 sind die riemannschen Flächen (bis auf die Wahl eines Basispunkts) elliptische Kurven und durch ihre j-Invariante klassifiziert.
- Für Geschlecht
werden die riemannschen Flächen durch den Teichmüller-Raum parametrisiert, der selbst eine
-dimensionale komplexe Mannigfaltigkeit ist.
Der Uniformisierungssatz
besagt, dass es für die (nicht notwendigerweise kompakte) universelle
Überlagerung einer riemannschen Fläche nur drei Möglichkeiten gibt
(entsprechend der Unterscheidung ):
- die riemannsche Zahlenkugel
- die komplexe Zahlenebene
- die obere Halbebene
Geschlossene Flächen mit riemannscher Metrik sind für eine Klassifikation zu
kompliziert. Einfach
zusammenhängende Flächen mit konstanter Krümmung, die nicht notwendigerweise
kompakt, aber vollständig sind, sind jedoch klassifizierbar: Durch Skalierung
kann man sich auf die Krümmungen
beschränken. Dann gibt jeweils bis auf Isometrie jeweils nur eine derartige
Fläche:
: die Einheitssphäre
: die euklidische Ebene
: die hyperbolische Ebene
Diese Aussage gilt analog für beliebige Dimensionen. Nach einem Satz von Jacques Hadamard ist auch jede einfach zusammenhängende vollständige Fläche nicht notwendigerweise konstanter, aber überall nichtpositiver Krümmung diffeomorph zur Ebene.
Verallgemeinerungen
- Nimmt man in der Definition topologischer oder differenzierbarer Flächen
noch die Halbebene
als Modell hinzu, erhält man den Begriff der Fläche mit Rand. Punkte der Fläche, die auf die Gerade
abgebildet werden, werden Randpunkt genannt. Die abgeschlossene Einheitskreisscheibe in der Ebene ist beispielsweise eine differenzierbare Fläche mit Rand, das abgeschlossene Einheitsquadrat ist eine topologische Fläche mit Rand.
- Teilmengen von
, die ähnliche Differenzierbarkeitseigenschaften wie reguläre Flächen haben, nennt man Untermannigfaltigkeiten. Untermannigfaltigkeiten der Dimension
nennt man Hyperflächen.
- Höherdimensionale Analoga der abstrakten Flächen sind topologische Mannigfaltigkeiten und differenzierbare Mannigfaltigkeiten.
- Höherdimensionale Analoga der riemannschen Flächen sind komplexe Mannigfaltigkeiten. Komplexe Mannigfaltigkeiten der Dimension 2 nennt man komplexe Flächen. Sie sind vierdimensionale reelle Mannigfaltigkeiten.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 01.02. 2022