Quadratische Form

Eine quadratische Form ist in der Mathematik eine Funktion, die sich in einigen Aspekten wie die quadratische Funktion x\mapsto x^2 verhält. Das bekannteste Beispiel ist das Quadrat des Betrages eines Vektors. Quadratische Formen tauchen in vielen Bereichen der Mathematik auf. In der Geometrie dienen sie dazu, Metriken einzuführen, in der Elementargeometrie zur Beschreibung von Kegelschnitten. Sie sind aber, falls zum Beispiel über den rationalen oder ganzen Zahlen betrachtet, auch ein klassischer Gegenstand der Zahlentheorie, in der man etwa nach den Zahlen fragt, die sich durch eine quadratische Form darstellen lassen. Hier werden im Folgenden vor allem zahlentheoretische Aspekte betrachtet.

Motivation

Ein (reeller) Vektorraum V mit Skalarprodukt \langle \cdot ,\cdot \rangle lässt sich zu einem normierten Raum machen, indem man die Norm eines Vektors x als induzierte Norm \|x\|:=\sqrt{\langle x,x\rangle} definiert. Die hierbei verwendete Quadratwurzel stört insofern, als man, wenn man stattdessen die Abbildung q\colon x\mapsto \langle x,x\rangle betrachtet, auch auf allgemeinere Bilinearformen und andere Grundkörper K verallgemeinern kann. Da ein Vektorraum dadurch bestimmt ist, dass Vektoren addiert und mit Elementen des Grundkörpers skaliert werden können, ist zu untersuchen, wie die Abbildung q sich hierbei verhält. Man findet die folgenden Beziehungen:

{\begin{array}{ll}q(ax)=a^{2}q(x)&{\text{für alle}}\quad a\in K\quad {\text{und}}\quad x\in V\\q(x+y)+q(x-y)=2q(x)+2q(y)&{\text{für alle}}\quad x,y\in V\end{array}}

Abbildungen q\colon V\to K, die die obigen Bedingungen erfüllen, kann man auch betrachten, ohne dass sie von einer Bilinearform herstammen. Obendrein kann man von Vektorräumen über einem Körper zu Moduln über einem kommutativen Ring mit Einselement verallgemeinern. Häufig untersucht man hierbei den Ring \mathbb {Z} der ganzen Zahlen sowie den Modul \Z^n, insb. \Z^2.

Definitionen

Quadratische Form

Eine quadratische Form (in n Unbestimmten) über einem kommutativen Ring mit Einselement A ist ein homogenes Polynom vom Grad 2 in n Unbestimmten mit Koeffizienten in A.

Der Begriff Form wurde von Adrien-Marie Legendre geprägt.

Spezialfälle

Quadratischer Raum

Ein Quadratischer Raum ist ein Paar (V,q), bestehend aus einem A-Modul V und einer quadratischen Form q auf V.

Es bezeichne \Phi die zu q gehörige symmetrische Bilinearform. Dann heißen zwei Vektoren v,w\in V q-orthogonal beziehungsweise \Phi -orthogonal, falls \Phi(v,w)=0 gilt.

Algebraische Voraussetzungen

Im Folgenden sei angenommen, dass 2 in dem Ring A invertierbar ist. Dies gilt insbesondere für Körper der Charakteristik ungleich 2 wie den reellen oder komplexen Zahlen.

Ordnet man einer quadratischen Form \textstyle q(x) =  \sum_{1 \leqslant i \leqslant j \leqslant n} q_{ij}x_ix_j die Dreiecksmatrix Q=(q_{ij} mit i \leqslant j, sonst 0) zu, so kann man q(x) auch als x^TQx beziehungsweise als x^TQ^Tx auffassen. Hieraus ergibt sich zunächst:

Es gibt eine eineindeutige Entsprechung zwischen quadratischen Formen in n Unbestimmten und symmetrischen Bilinearformen auf A^{n}:
Zu einer quadratischen Form q erhält man eine symmetrische Bilinearform B durch Polarisierung
B(x,y)={\frac  {1}{2}}\left(q(x+y)-q(x)-q(y)\right).
Umgekehrt ist
q(x) = B(x,x).
Formal gesehen liefert diese Konstruktion zunächst nur eine Polynomfunktion; man erhält aber tatsächlich ein Polynom, indem man die Bilinearform durch eine Matrix darstellt oder sie auf beliebige A-Algebren ausdehnt.
Wenn S eine n-reihige Matrix ist, dann erhält man durch die Substitution y=Sx eine neue quadratische Form y^T(S^TQS)y. Wenn S invertierbar ist, kann man aus der neuen Form auch wieder die alte Form rückgewinnen. Insgesamt ermöglicht so eine Matrixgruppe \Gamma die Einführung einer Äquivalenzrelation auf der Menge aller quadratischen Formen. Wir sprechen hier von \Gamma -äquivalenten Formen (Beachte auch die Schlussbemerkung zu 4).
Für reelle oder rationale Formen kann man über die entsprechenden Matrixkriterien für Q+Q^T (Definitheit) Aussagen darüber gewinnen, ob der Wertebereich der Form über \mathbb {R} ^{n} nur positive oder nur negativen Werte annimmt, oder ob eine derartige Beschränkung nicht zutrifft. Entsprechend wird die Form positiv definit, negativ definit oder indefinit genannt.

Beispiele/Klassifikation

Quadratische Formen über R

Es sei V ein \mathbb {R} -Vektorraum. Nach dem Trägheitssatz von Sylvester ist jede quadratische Form q\colon V\to\R diagonalisierbar, d.h. es existiert eine Basis e_1,\dotsc,e_n von V, so dass

q(\lambda _{1}e_{1}+\dotsb +\lambda _{n}e_{n})=\lambda _{1}^{2}+\dotsb +\lambda _{a}^{2}-\lambda _{{a+1}}^{2}-\dotsb -\lambda _{{a+b}}^{2}

für gewisse a,b mit a+b\le n gilt. Die Isomorphieklasse einer quadratischen Form wird also bestimmt durch ihren Rang a+b und ihre Signatur a-b.

Quadratische Formen über Zahlkörpern

Quadratische Formen über \mathbb {Q} wurden von Hermann Minkowski klassifiziert. Helmut Hasse verallgemeinerte dies später auf eine Klassifikation von quadratischen Formen über Zahlkörpern. Insbesondere sind zwei quadratische Formen genau dann isomorph, wenn alle ihre Vervollständigungen (reell, komplex und p-adisch) jeweils isomorph sind, Satz von Hasse-Minkowski.

Quadratische Formen über Z

Man sagt, dass zwei positiv-definite quadratische Formen (V,q), (V^\prime,q^\prime) über \mathbb {Z} dasselbe Geschlecht haben, wenn man für alle n\in \mathbb {N} durch Erweiterung mit Skalaren zu \Z/n\Z (d.h. Tensorprodukt mit \Z/n\Z) isomorphe quadratische Formen über \Z/n\Z bekommt. Die Anzahl der Isomorphieklassen desselben Geschlechts kann mit der Massenformel von Smith-Minkowski-Siegel bestimmt werden.

Elementare Zahlentheorie

Zur Frage, ob eine vorgegebene ganzzahlige quadratische Form mit irgendwelchen ganzzahligen Argumenten einen vorgegebenen Wert annehmen kann („einen Wert darstellt bzw repräsentiert“), gibt es eine Vielzahl von Ergebnissen. Für sich betrachtet haben diese Ergebnisse naturgemäß oft anekdotischen Charakter. Beachtet man jedoch, dass

jeweils sowohl das Gitter \mathbb{Z}^n als auch die Menge der teilerfremden Zahlen in \mathbb{Z}^n bijektiv auf sich abbildet, so stehen die folgenden Ergebnisse jeweils für ganze Familien äquivalenter Formen.

Prominent sind beispielsweise die folgenden Themen

Die ganzzahligen Lösungen der Gleichung x^2+y^2=z^2 heißen Pythagoräische Zahlen. Die bekannteste Lösung dieser Aufgabe ist 3^2+4^2=5^2. Dies ist die kleinste einer unendlichen Anzahl von Lösungen.
Mehr als die übliche parametrische Beschreibung aller Lösungen (Pythagoreisches Tripel) findet sich in der Literatur.
Der erste bekannte Fall einer quadratischen Form, die alle natürlichen Zahlen darstellt. (Satz von Lagrange oder Vier-Quadrate-Satz)
Ein Beweis und weiterführende Informationen zum Thema quadratischer Formen, die alle natürlichen Zahlen darstellen, via 15 theorem.[1]
(a,b,c ganzzahlig, quadratfrei, paarweise teilerfremd, nicht alle vom gleichen Vorzeichen).
Es existiert genau dann eine nicht-triviale Lösung, wenn -ab\pmod c, -bc\pmod a und -ca\pmod b quadratische Reste im jeweiligen Modul sind. Ein Ergebnis von Legendre.
(für die Notation siehe Kongruenz (Zahlentheorie))
Dies sind genau 2 sowie die Primzahlen \equiv 1 \pmod4. Die Beobachtung ist historisch von besonderer Bedeutung, sie geht auf Fermat zurück.
Dies sind genau die 3 sowie die Primzahlen, die \equiv1\pmod3 sind.

Wenn zwei quadratische Formen durch Anwendung einer Matrix {\displaystyle A\in \operatorname {GL} _{n}(\mathbb {Z} )} auseinander hervorgehen, dann lässt sich eine ganze Zahl als Wert der einen quadratischen Form darstellen genau dann, wenn sie sich als Wert der anderen quadratischen Form darstellen lässt: dies folgt unmittelbar aus der Definition (A q)(x_1,\ldots,x_n)=q(A^{-1}x_1,\ldots,A^{-1}x_n). Aus Sicht der Zahlentheorie sind die Formen q und Aq also äquivalent und es stellt sich die Frage, ein möglichst einfaches Repräsentantensystem für die Menge der quadratischen Formen in n Variablen modulo der Wirkung von {\displaystyle \operatorname {GL} (n,\mathbb {Z} )} zu finden. Für quadratische Formen in 2 Variablen wurde dieses Problem von Gauß in Kapitel 5 von „Disquisitiones Arithmeticae“ (mit fast 260 Seiten der Hauptteil des Buches) diskutiert.

Im Fall positiv definiter quadratischer Formen handelt es sich dabei in heutiger Sprache um das Problem, einen Fundamentalbereich für die Wirkung von {\displaystyle \operatorname {GL} (n,\mathbb {Z} )} auf dem symmetrischen Raum {\displaystyle \operatorname {GL} (n,\mathbb {R} )/O(n)} (dem Raum der positiv definiten quadratischen Formen in n Variablen) zu finden.

Fundamentalbereich für die Wirkung von SL(2,ℤ) auf der hyperbolischen Ebene.

Für n=2 lässt sich der Raum {\displaystyle \operatorname {GL} (2,\mathbb {R} )/O(2)} der positiv definiten binären quadratischen Formen mit der hyperbolischen Ebene identifizieren. Nebenstehendes Bild zeigt eine Zerlegung der hyperbolischen Ebene in Fundamentalbereiche für die Wirkung von {\displaystyle \operatorname {GL} (2,\mathbb {Z} )}. Ein solcher Fundamentalbereich (z.B. der im Bild grau schraffierte) liefert also ein Repräsentantensystem von binären quadratischen Formen, so dass jede andere positiv definite binäre quadratische Form äquivalent zu einer Form aus dem Repräsentantensystem ist und insbesondere dieselben ganzen Zahlen darstellt.


Verwandte Fragestellungen, allerdings außerhalb des Bereichs der quadratischen Formen, sind Themen wie der Satz von Fermat und das Waring Problem.

Verwandte Begriffe

Die (projektive) Nullstellenmenge einer quadratischen Form wird als Quadrik bezeichnet.

Einzelnachweise

  1. externer Link 15 theorem in der englischsprachigen Wikipedia
Trenner
Basierend auf einem Artikel in: externer Link Wikipedia.de
Seitenende
Seite zurück
©  biancahoegel.de
Datum der letzten Änderung: Jena, den: 07.06. 2021