Symmetrischer Raum

In der Mathematik sind symmetrische Räume eine Klasse von Riemannschen Mannigfaltigkeiten mit einem besonders hohen Grad an Symmetrien.

Sie sind eine wichtige Klasse von Beispielen in Geometrie und Topologie und finden Anwendung unter anderem in Darstellungstheorie, harmonischer Analysis, Zahlentheorie, Modulformen und Physik.

Definition

Eine zusammenhängende Riemannsche Mannigfaltigkeit M ist ein symmetrischer Raum, wenn es zu jedem x\in M eine Spiegelung an x gibt, d.h. eine Isometrie

S_{x}:M\rightarrow M

mit

S_{x}(x)=x,

für deren Differential in x

{\displaystyle d_{x}S_{x}=-\mathrm {Id} }

gilt, also {\displaystyle d_{x}S_{x}(v)=-v} für alle {\displaystyle v\in T_{x}M}.

Beispiele

S_{x}(y)=2x-y.
{\displaystyle S_{g}(h)=gh^{-1}g}.

Geodätische Symmetrie

Sei \gamma :{\mathbb  R}\rightarrow M eine Geodäte mit \gamma (0)=x. Aus {\displaystyle d_{x}S_{x}=-\mathrm {Id} } folgt S_{x}(\gamma (t))=\gamma (-t) für alle t\in \mathbb {R} .

Umgekehrt kann man in jeder Riemannschen Mannigfaltigkeit lokal (in einer hinreichend kleinen Umgebung U eines Punktes x) eine geodätische Spiegelung S_{x}:U\rightarrow U durch S_{x}(\gamma (t))=\gamma (-t) definieren. Eine Riemannsche Mannigfaltigkeit heißt lokal symmetrisch, wenn S_{x} auf seinem Definitionsbereich eine Isometrie ist. Sie ist ein symmetrischer Raum, falls S_{x} eine Isometrie ist und sich auf ganz M definieren lässt.

Homogener Raum>

Jeder symmetrische Raum ist ein homogener Raum, d.h. von der Form G/H für eine zusammenhängende Lie-Gruppe G und eine kompakte Untergruppe H\subset G, so dass die Riemannsche Metrik unter der Links-Wirkung von G invariant ist. Élie Cartan charakterisiert symmetrische Räume wie folgt: Sei G eine zusammenhängende Liegruppe, H\subset G eine kompakte Untergruppe und \sigma :G\rightarrow G ein Liegruppenhomomorphismus mit \sigma ^{2}={\mathrm  {Id}} sowie (G^{\sigma })_{0}\subset H\subset G^{\sigma }. (Hier bezeichnet G^{\sigma } die Fixpunkte von \sigma und (G^{\sigma })_{0} die Zusammenhangskomponente des neutralen Elements. \sigma heißt Cartan-Involution.) Dann trägt M=G/H eine G-invariante Riemannsche Metrik g und (M, g) ist ein symmetrischer Raum.

Cartan-Zerlegung

Sei M=G/K ein symmetrischer Raum und \sigma :G\rightarrow G die Cartan-Involution. Seien {\mathfrak  g},{\mathfrak  k} die Lie-Algebren von G,K.

Sei {\displaystyle \theta =d_{0}\sigma :{\mathfrak {g}}\rightarrow {\mathfrak {g}}}. Wegen \theta ^{2}=1 sind \pm1 die einzigen Eigenwerte, {\mathfrak  k} ist der Eigenraum zum Eigenwert 1. Wir bezeichnen mit {\mathfrak {p}} den Eigenraum zum Eigenwert -1, er entspricht dem Tangentialraum an G/K in \left[e\right]. Dann ist {\mathfrak  {g}}={\mathfrak  {k}}+{\mathfrak  {p}} und

[{\mathfrak  {k}},{\mathfrak  {k}}]\subseteq {\mathfrak  {k}}, [{\mathfrak  {k}},{\mathfrak  {p}}]\subseteq {\mathfrak  {p}}, [{\mathfrak  {p}},{\mathfrak  {p}}]\subseteq {\mathfrak  {k}}.

Die mit Hilfe der Killing-Form B definierte Form

B_{\theta }(X,Y):=B(X,\theta Y)

ist positiv semidefinit.

Umgekehrt gibt es zu einer Zerlegung {\mathfrak  {g}}={\mathfrak  {k}}+{\mathfrak  {p}} mit diesen Eigenschaften immer eine Involution \theta auf \mathfrak{g}, die +1 auf {\mathfrak  {k}} und -1 auf {\mathfrak {p}} ist. Sei G die einfach zusammenhängende Lie-Gruppe mit Lie-Algebra {\mathfrak {g}}, dann gibt es zu \theta eine Involution \sigma :G\rightarrow G mit {\displaystyle \theta =d_{0}\sigma } und damit einen symmetrischen Raum M=G/K.

Beispiel

{\mathfrak  {sl}}(n,{\mathbb  C})={\mathfrak  {su}}(n)\oplus {\mathfrak  {p}}

mit {\displaystyle {\mathfrak {p}}=\left\{A\in {\mathfrak {sl}}(n,\mathbb {C} ):A={\overline {A}}^{t}\right\}} ist eine Cartan-Zerlegung.

Typen symmetrischer Räume

Definitionen

Ein symmetrischer Raum M=G/K ist von kompaktem Typ, wenn die Killing-Form auf {\mathfrak {g}} negativ semidefinit ist.

Ein symmetrischer Raum M=G/K ist von euklidischem Typ, wenn {\mathfrak  p} abelsch ist.

Ein symmetrischer Raum M=G/K ist von nichtkompaktem Typ, wenn die Killing-Form auf {\mathfrak {g}} nicht-ausgeartet, aber nicht negativ semidefinit und {\mathfrak  g}={\mathfrak  k}\oplus {\mathfrak  p} eine Cartan-Zerlegung ist. (In diesem Fall ist G halbeinfach und K\subset G eine maximal kompakte Untergruppe.)

Beispiele

Produkt-Zerlegung

Ein symmetrischer Raum heißt irreduzibel, wenn er sich nicht als Produkt zweier nichttrivialer symmetrischer Räume zerlegen lässt, reduzibel sonst. Jeder symmetrische Raum lässt sich als Produkt irreduzibler symmetrischer Räume von kompaktem, euklidischem und nichtkompaktem Typ zerlegen.

Schnittkrümmung

Symmetrische Räume von kompaktem Typ haben Schnittkrümmung \geq 0, symmetrische Räume von euklidischem Typ haben Schnittkrümmung {\displaystyle 0}, symmetrische Räume von nichtkompaktem Typ haben Schnittkrümmung \leq 0.

Symmetrische Räume von nichtkompaktem Typ sind CAT(0)-Räume und zusammenziehbar.

Dualität

Der symmetrische Raum M=G_{1}/K mit {\mathfrak  g}_{1}={\mathfrak  k}\oplus {\mathfrak  p} ist von kompaktem Typ genau dann, wenn der symmetrische Raum M=G_{2}/K mit {\mathfrak  g}_{2}={\mathfrak  k}\oplus i{\mathfrak  p}\subset {\mathfrak  g}\otimes {\mathbb  C} von nichtkompaktem Typ ist. Man bezeichnet diese beiden symmetrischen Räume als dual zueinander. Zu einem gegebenen symmetrischen Raum von nichtkompaktem Typ G/K wird das kompakte Dual mit G^{u}/K bezeichnet.

Beispiele:

Rang

Der Rang eines symmetrischen Raumes M ist definiert als

{\mathrm  {rk}}(M):=\max \left\{\dim(F):F\subset T_{x}M,x\in M,{\mathrm  {sec}}|_{F}\equiv 0\right\},

d.h. die Dimension eines maximalen Unterraumes, auf dem die Schnittkrümmung verschwindet.

Beispiel: {\mathrm  {rk}}(SL(n,{\mathbb  R})/SO(n))=n-1.

Symmetrische Räume vom Rang 1

Die einzigen nichtkompakten symmetrischen Räume mit {\mathrm  {rk}}(M)=1 sind

Die einzigen kompakten symmetrischen Räume vom Rang 1 sind die

Klassifikation

Es gibt eine vollständige Klassifikation symmetrischer Räume. Im Fall kompakter symmetrischer Räume ergibt sich folgende Tabelle (für die irreduziblen Faktoren, in die sich jeder symmetrische Raum zerlegen läßt)

Label G K Dimension Rang
AI {\mathrm  {SU}}(n)\, {\mathrm  {SO}}(n)\, (n-1)(n+2)/2 n-1
AII {\mathrm  {SU}}(2n)\, {\mathrm  {Sp}}(n)\, (n-1)(2n+1) n-1
AIII {\mathrm  {SU}}(p+q)\, {\mathrm  {S}}({\mathrm  {U}}(p)\times {\mathrm  {U}}(q))\, 2pq {\displaystyle min(p,q)}
BDI {\mathrm  {SO}}(p+q)\, {\mathrm  {SO}}(p)\times {\mathrm  {SO}}(q)\, pq {\displaystyle min(p,q)}
DIII {\mathrm  {SO}}(2n)\, {\mathrm  {U}}(n)\, n(n-1) {\displaystyle \left[n/2\right]}
CI {\mathrm  {Sp}}(n)\, {\mathrm  {U}}(n)\, n(n+1) n
CII {\mathrm  {Sp}}(p+q)\, {\mathrm  {Sp}}(p)\times {\mathrm  {Sp}}(q)\, 4pq {\displaystyle min(p,q)}
EI E_{6}\, {\mathrm  {Sp}}(4)/\{\pm I\}\, 42 6
EII E_{6}\, {\mathrm  {SU}}(6)\cdot {\mathrm  {SU}}(2)\, 40 4
EIII E_{6}\, {\mathrm  {SO}}(10)\cdot {\mathrm  {SO}}(2)\, 32 2
EIV E_{6}\, F_{4}\, 26 2
EV E_{7}\, {\mathrm  {SU}}(8)/\{\pm I\}\, 70 7
EVI E_{7}\, {\mathrm  {SO}}(12)\cdot {\mathrm  {SU}}(2)\, 64 4
EVII E_{7}\, E_{6}\cdot {\mathrm  {SO}}(2)\, 54 3
EVIII E_{8}\, {\mathrm  {Spin}}(16)/\{\pm vol\}\, 128 8
EIX E_{8}\, E_{7}\cdot {\mathrm  {SU}}(2)\, 112 4
FI F_{4}\, {\mathrm  {Sp}}(3)\cdot {\mathrm  {SU}}(2)\, 28 4
FII F_{4}\, {\mathrm  {Spin}}(9)\, 16 1
G G_{2}\, {\mathrm  {SO}}(4)\, 8 2

Die Klassifikation (irreduzibler) symmetrischer Räume von nichtkompaktem Typ ergibt sich aus der Klassifikation kompakter symmetrischer Räume mit dem Dualitätsprinzip.

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Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung:  Jena, den: 01.02. 2022