Affine Abbildung

In der Geometrie und in der Linearen Algebra, Teilgebieten der Mathematik, ist eine affine Abbildung (auch affine Transformation genannt, insbesondere bei einer bijektiven Abbildung) eine Abbildung zwischen zwei affinen Räumen, bei der Kollinearität, Parallelität und Teilverhältnisse bewahrt bleiben oder gegenstandslos werden. Präziser formuliert:

  1. Die Bilder von Punkten, die auf einer Geraden liegen (d. h. kollinear sind), liegen wieder auf einer Geraden (Invarianz der Kollinearität). Dabei können auch alle - aber dann alle und nicht nur einige - Punkte einer Geraden auf einen Punkt abgebildet werden.
  2. Die Bilder zweier paralleler Geraden sind parallel, wenn keine der beiden Geraden auf einen Punkt abgebildet wird.
  3. Drei verschiedene Punkte, die auf einer Geraden liegen (kollineare Punkte), werden so abgebildet, dass das Teilverhältnis ihrer Bildpunkte mit dem der Urbildpunkte übereinstimmt - es sei denn, alle drei werden auf denselben Bildpunkt abgebildet.

Eine bijektive affine Abbildung eines affinen Raumes auf sich selbst wird Affinität genannt.

In der Schulmathematik und manchen Anwendungsgebieten (zum Beispiel in der Statistik, siehe unten) werden spezielle affine Abbildungen auch lineare Abbildung oder lineare Funktion genannt. Im allgemeinen mathematischen Sprachgebrauch ist eine lineare Abbildung jedoch ein Homomorphismus von Vektorräumen.

Definition

Eine Abbildung f\colon A\to B zwischen affinen Räumen (A,V_{A}) und (B,V_{B}) heißt affine Abbildung, wenn es eine lineare Abbildung \varphi \colon V_{A}\to V_{B} zwischen den zugehörigen Vektorräumen gibt, so dass

\overrightarrow {f(P)f(Q)}=\varphi (\overrightarrow {PQ})

für alle Punkte P, Q \in A gilt. Dabei bezeichnen \overrightarrow {PQ}\in V_{A} und \overrightarrow {f(P)f(Q)}\in V_{B} die Verbindungsvektoren der Urbild- bzw. der Bildpunkte.

Koordinatendarstellung

Siehe auch: Koordinatentransformation

Dieser Abschnitt befasst sich mit affinen Abbildungen zwischen endlichdimensionalen affinen Räumen.

Affine Koordinaten

Wenn sowohl im Urbildraum \mathcal{A}_1 als auch im Bildraum \mathcal{A}_2 ein affines Koordinatensystem fest gewählt worden ist, dann setzt sich bezüglich dieses Koordinatensystems eine affine Abbildung aus einer linearen Transformation und einer Parallelverschiebung zusammen. Die lineare Transformation lässt sich dann als Matrix-Vektor-Produkt schreiben und die affine Transformation f ergibt sich aus der Matrix A (der Abbildungsmatrix) und dem Verschiebungsvektor {\vec  {t}}:

f({\vec  {x}})=A\cdot {\vec  {x}}+{\vec  {t}}

Die Koordinatenvektoren {\vec {x}} und f({\vec  {x}}) sind in dieser Schreibweise Spaltenvektoren und stellen die affinen Koordinaten der Ortsvektoren eines Urbildpunktes bzw. eines Bildpunktes dar. Die Anzahl der Zeilen der Matrix A ist gleich der Dimension des Raumes \mathcal{A}_2, in den abgebildet wird (Wertevorrat), die Anzahl ihrer Spalten ist gleich der Dimension des abgebildeten Raumes \mathcal{A}_1.

Die Dimension des Bildraumes f({\mathcal  {A}}_{1}) der affinen Abbildung ist gleich dem Rang der Abbildungsmatrix A.

Bei einer affinen Selbstabbildung eines affinen Raumes wird nur ein affines Koordinatensystem gewählt, die Koordinatenvektoren {\vec {x}} und f({\vec  {x}}) beziehen sich also auf dasselbe Koordinatensystem, die Abbildungsmatrix A ist quadratisch, d.h. ihre Zeilen- und Spaltenzahl ist gleich. In diesem Zusammenhang ist es üblich, den affinen Raum mit dem zugehörigen Vektorraum der Verschiebungen zu identifizieren. In diesem Sinn umfassen die affinen Selbstabbildungen alle linearen Abbildungen (mit {\vec  {t}}=0) und ergänzen diese um einen Translationsanteil.

Eine affine Selbstabbildung ist genau dann eine Affinität, wenn die Determinante der Abbildungsmatrix A ungleich 0 ist.

Homogene Koordinaten und Erweiterte Abbildungsmatrix

Hauptartikel: Homogene Koordinaten

Wählt man zur Darstellung sowohl im Urbildraum \mathcal{A}_1 als auch im Bildraum \mathcal{A}_2 homogene affine Koordinaten, dann lässt sich der Verschiebungsvektor {\vec  {t}} mit der Abbildungsmatrix A zu einer erweiterten Abbildungsmatrix A_{{{\mathrm  {erw}}}}(A,{\vec  {t}}) zusammenfassen:

A_{{{\mathrm  {erw}}}}(A,{\vec  {t}})={\begin{pmatrix}A&{\vec  {t}}\\{{\vec  {o}}}^{{\,T}}&1\end{pmatrix}}, dabei ist {{\vec  {o}}}^{{\,T}} der transponierte Nullvektor im Vektorraum, der zu \mathcal{A}_1 gehört.

Die Abbildungsgleichung lautet dann für homogene Koordinatenvektoren

f_{h}({\vec  {x_{h}}})=A_{{{\mathrm  {erw}}}}(A,{\vec  {t}})\cdot {\vec  {x_{h}}}.

Bei dieser Darstellung der erweiterten Matrix wird als homogenisierende Koordinate eine zusätzliche Koordinate x_{n+1} an den Spaltenvektor {\vec {x}} angefügt:

{\vec  {x}}_{h}={\begin{pmatrix}{\vec  {x}}\\1\end{pmatrix}}.

Diese Darstellung durch homogene Koordinaten kann als eine Einbettung des affinen Raumes in einen projektiven Raum der gleichen Dimension interpretiert werden. Dann sind die homogenen Koordinaten als projektive Koordinaten zu verstehen.

Klassifikation der ebenen Affinitäten

Affinitäten werden generell zunächst danach unterschieden, wie viele Fixpunkte sie haben. Dies gilt auch, wenn der affine Raum mehr als zwei Dimensionen hat. Ein Punkt ist Fixpunkt, wenn er durch die Affinität auf sich selbst abgebildet wird. In der Koordinatendarstellung kann man den Koordinatenvektor {\vec  {x}}_{p} eines Fixpunkts bestimmen, indem man das Gleichungssystem {\vec  {x}}_{p}-A\cdot {\vec  {x}}_{p}={\vec  {t}} löst. Man beachte, dass auch für {\vec  {t}}\neq 0 Fixpunkte existieren können!

  1. Achsenaffinität: Eine ebene Affinität, bei der genau eine Gerade punktweise fix bleibt, sie wird Achse der Affinität genannt. Dazu zählen die Scherung, Schrägspiegelung (speziell die senkrechte Achsenspiegelung) und die Parallelstreckung.
  2. Affinität mit einem Zentrum (Zentrale Affinität): eine Affinität, bei der genau ein Punkt fix bleibt, das Zentrum Z der Affinität. Dazu zählen die Drehstreckung (mit den Spezialfällen zentrische Streckung, Drehung und Punktspiegelung), die Scherstreckung und die Euleraffinität.
  3. Affinitäten ohne Fixpunkt: Das sind die reinen Verschiebungen und Hintereinanderausführungen einer Achsenaffinität und einer Verschiebung (Scherung mit Verschiebung in eine von der Achsrichtung verschiedene Richtung oder Parallelstreckung/Schrägspiegelung mit einer Verschiebung in Richtung der Achse).

Ausführlicher und verallgemeinert auf höhere Dimensionen wird die Klassifikation im Hauptartikel Affinität (Mathematik) dargestellt.

Normalform der Koordinatendarstellung für ebene Affinitäten

Eine ebene Affinität wird auf Normalform gebracht, indem man für ihre Koordinatendarstellung eine geeignete affine Punktbasis wählt. Dazu wird, wo immer das möglich ist, der Ursprung des Koordinatensystems in einen Fixpunkt und die Achsen des Koordinatensystems in Richtung von Fixgeraden gelegt. Die folgenden Normalformen gelten für Affinitäten in der reellen affinen Ebene. Im Falle einer fixpunktfreien Affinität ist außer der Abbildungsmatrix A noch ein Verschiebungsvektor {\vec  {t}}\neq 0 zur Beschreibung der Affinität nötig.

  1. Achsenaffinitäten (Fixpunkt ist neben dem Ursprung O=E_{0} jeweils der erste Basispunkt E_{1}):
    1. Scherung A={\begin{pmatrix}1&1\\0&1\end{pmatrix}}
    2. Schrägspiegelung A={\begin{pmatrix}1&0\\0&-1\end{pmatrix}}
    3. Parallelstreckung A={\begin{pmatrix}1&0\\0&a\end{pmatrix}};\quad a>0
  2. Zentrale Affinitäten (Fixpunkt ist der Ursprung, als Koordinatenachsen werden womöglich die Richtungen der Eigenvektoren der Matrix A gewählt.)
    1. Drehstreckung A=r\cdot {\begin{pmatrix}\cos(\varphi )&-\sin(\varphi )\\\sin(\varphi )&\cos(\varphi )\end{pmatrix}},\quad dabei ist |r| der Streckfaktor und \varphi der Drehwinkel,
    2. Scherstreckung A={\begin{pmatrix}a&1\\0&a\end{pmatrix}};\quad a\in {\mathbb  {R}}\setminus \lbrace 0;1\rbrace
    3. Euleraffinität A={\begin{pmatrix}a&0\\0&b\end{pmatrix}};\quad a\neq b;\quad a,b\in {\mathbb  {R}}\setminus \lbrace 0;1\rbrace .

Diese Klassifikation der Affinitäten gilt auch allgemeiner bei einer affinen Ebene zum Vektorraum K^{2}, wenn K ein euklidischer Teilkörper der reellen Zahlen ist. Dabei gilt dann für die Matrixeinträge zusätzlich: a,b,r,\cos(\varphi ),\sin(\varphi )\in K. Bei Drehstreckungen ist im Allgemeinen – auch wenn die Ebene eine euklidische Ebene mit Bogenmaß ist – das Winkelmaß \varphi \in \mathbb {R} selbst kein Körperelement.

Spezialfälle

Anwendungen

Graphische Anwendungen, Computergraphik

Affine Abbildungen kommen z. B. in der Kartografie und der Bildbearbeitung zur Anwendung.

  • Hierzu gehört die Parallelprojektion mit den Parallelrissen (Grundriss, Aufriss, Kreuzriss) als Spezialfällen.
  • Die Zentralprojektion ist im Allgemeinen keine affine Abbildung. Sie gehört zu den Projektiven Abbildungen, einer Verallgemeinerung der affinen Abbildungen.
  • Daneben gibt es weitere graphische Darstellungen, denen keine affine Abbildung zugrunde liegt, zum Beispiel für Landkarten die Mercator-Projektionen.

Lineare Transformation in der Statistik

Als lineare Transformation werden affine Abbildungen beispielsweise in den statistischen Methoden eingesetzt.

Verteilungsparameter einer Zufallsvariablen

Betrachtet wird eine Zufallsvariable X mit dem Erwartungswert \operatorname {E} (X) und der Varianz {\displaystyle \operatorname {Var} (X)}. Es wird eine neue Zufallsvariable gebildet, die eine lineare Transformation von X ist,

Y=a+bX,

wobei a und b reelle Zahlen sind.

Die neue Zufallsvariable Y hat dann den Erwartungswert

{\displaystyle \operatorname {E} (Y)=a+b\operatorname {E} (X),}

und die Varianz

{\displaystyle \operatorname {Var} (Y)=b^{2}\operatorname {Var} (X).}

Speziell gilt: Ist X normalverteilt, so ist auch Y normalverteilt mit den obigen Parametern.

Beispiel

Sei X eine Zufallsvariable mit positiver Varianz. Nützlich ist dann eine lineare Transformation

{\displaystyle Y={\frac {X-\operatorname {E} (X)}{\sqrt {\operatorname {Var} (X)}}},}

denn nun ist Y mit {\displaystyle \operatorname {E} (Y)=0} und {\displaystyle \operatorname {Var} (Y)=1} eine sogenannte standardisierte Zufallsvariable.

Verteilungsparameter mehrerer gemeinsam verteilter Zufallsvariablen

Betrachtet werden p viele Zufallsvariablen X_{j}, j=1,\dots ,p. Man fasst diese Zufallsvariablen im Zufallsvektor {\displaystyle {\underline {X}}=(X_{1},\dots ,X_{p})^{T}} zusammen. Die Erwartungswerte werden im Erwartungswertvektor \underline \mu und die Varianzen und Kovarianzen in der Kovarianzmatrix \Sigma aufgeführt. Es wird ein Zufallsvektor {\underline {Y}} gebildet, der eine lineare Transformation von {\underline {X}} ist,

\underline Y=\underline a+\underline B\,\underline X,

wobei \underline a ein q-dimensionaler Spaltenvektor und \underline B eine (q\times p)-Matrix (q\leq p) sind.

{\underline {Y}} hat dann den Erwartungswertvektor

\underline \mu _{Y}=\underline a+\underline B\,\underline \mu

und die Kovarianzmatrix

\underline \Sigma _{Y}=\underline B\,\underline \Sigma \,\underline {B}^{T}.

Speziell gilt: Ist {\underline {X}} p-dimensional normalverteilt, so ist {\underline {Y}} q-dimensional normalverteilt mit den obigen Verteilungsparametern.

Siehe auch

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Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung:  Jena, den: 19.12. 2020