Affinität (Mathematik)

In der Geometrie bezeichnet man als Affinität eine strukturerhaltende bijektive Abbildung eines affinen Raumes (häufig der Zeichenebene oder des dreidimensionalen Anschauungsraums) auf sich selbst. Der Begriff umfasst und verallgemeinert den Begriff der Ähnlichkeit, bei der zusätzlich die Verhältnisse beliebiger Streckenlängen und die Maße von Winkeln (→ siehe Winkeltreue) erhalten bleiben.

  1. die Punkte und Geraden des Raumes auf Punkte bzw. Geraden unter Erhaltung der Kollinearität abgebildet werden: Punkte auf einer Geraden werden auf Punkte der zugehörigen Bildgeraden abgebildet,
  2. das Teilverhältnis von beliebigen drei Punkten auf einer beliebigen Geraden erhalten bleibt (Teilverhältnistreue) und
  3. jedes Paar paralleler Geraden auf ein Paar paralleler Geraden abgebildet wird (Parallelentreue).[1]

In der synthetischen Geometrie wird der Begriff Affinität für zweidimensionale affine Räume, also Ebenen verallgemeinert: Eine Kollineation auf einer affinen Ebene ist genau dann eine Affinität, wenn jede ihrer Einschränkungen auf eine Gerade durch eine Komposition von Parallelprojektionen dargestellt werden kann. Für desarguesche Ebenen ist diese Definition äquivalent zu der Definition „Eine Affinität ist eine teilverhältnistreue Kollineation.“, die in der analytischen Geometrie verwendet wird. Für mindestens dreidimensionale affine Räume erübrigt sich eine Verallgemeinerung, da diese stets desarguesch sind, eindimensionale Räume werden für sich genommen in der synthetischen Geometrie nicht betrachtet.

Koordinatendarstellung

Man kann die Abbildungsvorschrift nach Wahl einer affinen Punktbasis für die Ortsvektoren {\vec  {x}};\;{\vec  {x}}' in der Form

\alpha \colon {\vec  x}'={A_{n}}\cdot {\vec  x}+{\vec  t}

angeben. Der Vektor {\vec {t}} heißt Verschiebungsvektor, A_{n} ist eine quadratische n\times n Matrix, die sogenannte Abbildungsmatrix. Für ihre Determinante ist stets \det(A_{{n}})\neq 0, d.h. die Abbildung ist bijektiv.

Hier wird der affine Raum als ein Vektorraum V über einem Körper K (in der Geometrie meist K=\mathbb {R} ) aufgefasst. Die Punkte des affinen Raumes sind die Vektoren aus V (Ortsvektoren), und affine Unterräume sind die additiven Nebenklassen der linearen Unterräume dieses Vektorraums V. Von dem Vektorraum V wird dabei in der Geometrie stets und auch in der Linearen Algebra überwiegend vorausgesetzt, dass seine Dimension endlich ist.

Klassifizierung von Affinitäten

Radiale Affinitäten

Eine Affinität heißt radiale/zentrische Affinität, wenn sie genau einen Fixpunkt besitzt, dies ist äquivalent zu {\displaystyle \mathrm {rang} (A_{n}-E_{n})=n}.

(Der Rang {\mathrm  {rang}}(f) wird in Rang erläutert.)

Perspektive Affinitäten

Eine Affinität heißt perspektive Affinität, wenn sie genau eine Fixpunkthyperebene (das heißt eine ausschließlich aus Fixpunkten bestehende Hyperebene) besitzt, was äquivalent zu {\displaystyle \mathrm {rang} (A_{n}-E_{n})=\mathrm {rang} (A_{n}-E_{n}\mid {\vec {t}})=1} ist.

Eine perspektive Affinität heißt Parallelstreckung, wenn sie neben dem Eigenwert \lambda _{1}=1 (das heißt einem Eigenwert von A_{n}) noch einen Eigenwert {\displaystyle \lambda _{2}\in K\setminus \lbrace 0,1\rbrace } besitzt.

Eine Parallelstreckung mit \lambda _{2}=-1 heißt Affinspiegelung. Sie heißt Scherung, wenn sie nur den Eigenwert \lambda _{1}=1 besitzt.

Eine perspektive Affinität besitzt ein Invariantes Rechtwinkelpaar.

Homothetien

Eine Affinität mit

A_{n}=k\cdot E_{n} mit k\in K\setminus \lbrace 0\rbrace heißt Homothetie oder Dilatation.

Falls außerdem

Unimodularität

Eine Affinität heißt unimodular, wenn \det(A_{n})=\pm 1.

Sie ist eigentlich unimodular, wenn \det(A_{n})=1.

Inhaltstreue

Ist der zugrunde liegende Körper angeordnet, so ist eine Affinität inhaltstreu, wenn \det(A_{n})=\pm 1.

Sie ist gleichsinnig, wenn \det(A_{n})>0.

Eigenschaften allgemeiner Affinitäten

Affinitäten besitzen eine Reihe von Eigenschaften, die bei Konstruktionen ausgenutzt werden können.

Bijektivität

Eine Affinität ist sowohl injektiv als auch surjektiv, also bijektiv.

Geradentreue

Das Bild einer Geraden unter einer Affinität ist wieder eine Gerade.

Parallelentreue

Die Bilder paralleler Geraden unter einer Affinität sind wieder parallel.[1]

Teilverhältnistreue

Ist T ein Punkt der Strecke [AB] und sind A',B',T' die Bilder von A,B und T unter einer Affinität, so ist das Teilverhältnis von (A';T';B') gleich dem Teilverhältnis von (A;T;B). Speziell gilt: Ist M Mittelpunkt von [AB], so ist der Bildpunkt von M unter einer Affinität der Mittelpunkt der Strecke [A'B'].

Eigenschaften ebener perspektiver Affinitäten

Bei einer perspektiven Affinität in einem zweidimensionalen affinen Raum, der Ebene, ist die Fixpunkthyperebene eine Gerade, die auch als Achse der Affinität bezeichnet wird. Man spricht hier auch von Achsenaffinitäten.

Geraden durch Punkt und Bildpunkt sind Fixgeraden

Eine Gerade {\overline {PP'}}, durch einen Punkt P und seinen Bildpunkt P' ist eine Fixgerade. Dies lässt sich mit Hilfe der Fixpunktgerade a der perspektiven Affinität zeigen:

Parallelen von Fixgeraden sind wieder Fixgeraden

Parallelen von Fixgeraden sind wieder Fixgeraden

Das Bild p zu einer Fixgeraden f ist selbst wieder eine Fixgerade. Die Aussage folgt aus der Parallelen- und Teilverhältnistreue:

Konstruktionen

Bildpunkt unter einer perspektiven Affinität

Konstruktion des Bildpunktes Q' von Q unter einer perspektiven Affinität.

Gegeben sei eine perspektive Affinität über ihre Fixpunktgerade a und das Punkt/Bildpunkt-Paar P, P'. Das Bild eines beliebigen Punktes Q lässt sich damit wie folgt konstruieren:

Eine andere Möglichkeit der Konstruktion spart den Hilfspunkt A ein und nutzt die Eigenschaft aus, dass Geraden durch Punkt und Bildpunkt Fixgeraden sind:

Gruppenstruktur

Die Menge der Affinitäten über einem affinen Raum A bilden bezüglich der Hintereinanderausführung eine Gruppe. Ist dem affinen Raum A der n-dimensionale Vektorraum V=K^{n} zugeordnet, dann lässt sich diese Gruppe (hier abkürzend als {\mathcal  {A}}(K^{n}) geschrieben) in die Allgemeinen linearen Gruppen als Untergruppe einordnen.

Die Gruppe der Affinitäten ist auch eine Untergruppe der Gruppe der (ebenentreuen) Kollineationen.

Gruppenoperationen

Durch die von einer Affinität geforderten Eigenschaften ergeben sich in natürlicher Weise verschiedene Gruppenoperationen:

  1. auf der Punktmenge A,
  2. auf der Menge der affinen Teilräume von A einer festen Dimension m mit 0\leq m\leq n,
  3. auf Mengen von Richtungen im affinen Raum, zum Beispiel der Menge aller Scharen paralleler Geraden.

Gruppenstruktur

Die Gruppe {\mathcal  {A}}(K^{n})

  1. ist für n>1 stets nichtkommutativ,
  2. enthält die allgemeine lineare Gruppe \mathrm {GL} (n,K) als Untergruppe – die Affinitäten, bei denen der fest gewählte Ursprung O Fixpunkt ist, deren Translationsanteil oder Verschiebungsvektor also der Nullvektor ist,
  3. kann als Untergruppe der allgemeinen linearen Gruppe {\mathrm  {GL}}(n+1,K) aufgefasst werden,
  4. kann als Untergruppe der Projektiven linearen Gruppe {\mathrm  {PGL}}(n,K) aufgefasst werden – hier gehören jene Projektivitäten zu {\mathcal  {A}}(K^{n}), die eine feste Hyperebene des projektiven Raumes, die Fernhyperebene als Fixhyperebene auf sich selbst abbilden,
  5. enthält die kommutative Untergruppe der Translationen (reine Verschiebungen, deren Abbildungsmatrix A_{n} die Einheitsmatrix ist) {\mathcal  {T}}(K^{n}) als Normalteiler,
  6. ist inneres semidirektes Produkt von {\mathcal  {T}}(K^{n}) und {\mathrm  {GL}}(n,K).
  7. Der Normalteiler {\mathcal  {T}}(K^{n}) der Translationen ist isomorph zur additiven Gruppe (K^{n},+) des zugrundeliegenden Vektorraums.
  8. {\mathcal  {T}}(K^{n}) operiert durch Konjugation scharf einfach transitiv auf der Menge von Untergruppen \lbrace A_{Z}<{\mathcal  {A}}(K^{n}):Z\in A\left(\forall \alpha \in A_{Z}:\;\alpha (Z)=Z\right)\rbrace . Dabei ist A_Z diejenige Untergruppe von {\mathcal  {A}}(K^{n}), die einen bestimmten Punkt Z des affinen Raumes auf sich abbildet. Jede dieser Untergruppen ist zu \mathrm {GL} (n,K) isomorph.

Gruppenordnung

Ist der Körper K ein endlicher Körper mit q Elementen, dann ist die Gruppe der Affinitäten {\mathcal  {A}}(K^{n}) endlich und ihre Ordnung ist

\left|{\mathcal  {A}}(K^{n})\right|=q^{n}\cdot \prod _{{i=0}}^{{n-1}}\left(q^{n}-q^{i}\right)=q^{n}\cdot \left(q^{n}-1\right)\cdot \left(q^{n}-q\right)\cdot \left(q^{n}-q^{2}\right)\cdots \left(q^{n}-q^{{n-1}}\right).

Dabei ist der Faktor q^n die Ordnung der Translationsgruppe {\mathcal  {T}}(K^{n})\cong (K^{n},+), er ist zugleich der Index \left[{\mathcal  {A}}(K^{n}):A_{O}\right]=q^{n} der Untergruppe A_{O}\cong {\mathrm  {GL}}(n,k), die den Ursprung auf sich abbildet. Die Ordnung dieser Untergruppe liefert die übrigen Faktoren (→siehe Allgemeine lineare Gruppe#Über endlichen Körpern).

Literatur

Anmerkungen

  1. a b Die Parallelentreue folgt aus der ersten Forderung an eine Affinität, der Erhaltung der Kollinearität, außer im Falle von affinen Räumen mit genau zwei Punkten auf jeder Geraden, die mindestens dreidimensional sind. In allen Fällen ist sie, wenn die Geradentreue vorausgesetzt wird, äquivalent zur Ebenentreue (Scheja und Storch §43 und V.I). Vergleiche hierzu auch die ausführlichen Erläuterungen in Kollineation.
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Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 01.12. 2021