Kongruenzabbildung

Ein Rechteck und ein rechtwinkliges Dreieck (1) mit drei zur Originalfigur kongruenten Figuren; die vermittelnden Kongruenzabbildungen sind
Achsenspiegelung (2)
Verschiebung (3)
Drehung (4)

Unter einer Kongruenzabbildung (von lateinisch congruens, deutsch‚ übereinstimmend, passend‘) versteht man in der Elementargeometrie, der synthetischen Geometrie und auch in der absoluten Geometrie eine geometrische Abbildung, bei der Form und Größe von beliebigen geometrischen Figuren nicht verändert werden, das heißt jede Figur wird dabei auf eine zu ihr kongruente abgebildet. Insbesondere lassen Kongruenzabbildungen den Abstand zwischen zwei beliebigen Punkten unverändert (invariant). Die Begriffe „Kongruenzabbildung“ und „Bewegung“ sind für die euklidische Geometrie gleichbedeutend, wobei meistens nur ebene Bewegungen als „Kongruenzabbildung“ bezeichnet werden. Auf die allgemeinere Bedeutung des Begriffs in der absoluten Geometrie wird im Abschnitt Synthetische und absolute Geometrie in diesem Artikel hingewiesen.

Darstellung und Eigenschaften

Kongruenzabbildungen in der Zeichenebene, also in der euklidischen Ebene, sind bijektive Abbildungen dieser Zeichenebene auf sich, die sich stets durch Hintereinanderausführung (Verkettung, Komposition) von Achsenspiegelungen zusammensetzen lassen.

Man unterscheidet eigentliche und uneigentliche Kongruenzabbildungen. Die eigentlichen Kongruenzabbildungen sind dadurch ausgezeichnet, dass sie durch Verkettung einer geraden Anzahl von Achsenspiegelungen darstellbar sind, während bei den uneigentlichen Kongruenzabbildungen dafür eine ungerade Anzahl benötigt wird. Es ist bewiesen, dass dabei eine Darstellung mit höchstens drei verketteten Achsenspiegelungen immer möglich ist. Besitzt eine Kongruenzabbildung einen Fixpunkt, so ist sie schon durch Verkettung (höchstens) zweier Achsenspiegelungen darstellbar.

Kongruenzabbildungen sind geraden-, längen- und winkeltreu. Sie bilden also Geraden auf Geraden ab und lassen Streckenlängen und Winkelgrößen unverändert. Sie sind auch bijektiv, das heißt umkehrbar, und ihre Umkehrabbildungen sind immer auch Kongruenzabbildungen.

Die Menge der ebenen Kongruenzabbildungen besteht aus

Algebraisch gesehen bilden die Kongruenzabbildungen der Zeichenebene eine Gruppe. Kongruenzabbildungen sind spezielle Ähnlichkeitsabbildungen, noch allgemeiner gehören sie zu den Affinitäten.

In der analytischen Geometrie werden Kongruenzabbildungen mit Hilfe orthogonaler Matrizen beschrieben.

Geometrische Konstruktion in der Zeichenebene

Der allgemeine Fall

Beispiel für die Konstruktion einer Kongruenzabbildung, hier eine Drehung

Zu zwei gegebenen, kongruenten Dreiecken A_{0}B_{0}C_{0} und A_{2}B_{2}C_{2} (bei der Kongruenz ist der Punkt A_{0} dem Punkt A_{2} zugeordnet usw.) lässt sich stets eine eindeutig bestimmte Kongruenzabbildung konstruieren. Vergleiche die Abbildung rechts: Gegeben sind die beiden Dreiecke, deren Eckpunkte durch rote bzw. grüne Strecken verbunden sind.

  1. Konstruiere die Mittelsenkrechte a_{1} der Strecke A_{0}A_{2}.
  2. Konstruiere die Spiegelpunkte von B_{0} und C_{0} (B_1 bzw. C_{1}) bei der Spiegelung \sigma _{1} an der Achse a_{1}. In dem Sonderfall, dass A_{0}=A_{2} ist, entfallen die ersten beiden Schritte, dann setzt man B_{1}=B_{0} und C_{1}=C_{0}.
  3. Konstruiere die Mittelsenkrechte a_2 der Strecke B_{1}B_{2}. Da das Dreieck A_{0}B_{0}C_{0} nach Konstruktion kongruent zu A_{2}B_{1}C_{1} und nach Voraussetzung zu A_{2}B_{2}C_{2} ist, sind die Strecken A_{2}B_{1} und A_{2}B_{2} gleich lang, das Dreieck A_{2}B_{1}B_{2} somit gleichschenklig und a_2 geht auch durch A_{2}.
  4. Konstruiere den Spiegelpunkt C_{1}' von C_{1} bei der Spiegelung \sigma _{2} an a_2. In dem Sonderfall, dass B_{1}=B_{2} ist, entfällt der 3. und 4. Schritt und man setzt C_{1}'=C_{1}.
  5. Nun können zwei Fälle auftreten: Entweder es gilt bereits C_{1}'=C_{2}, wie in dem abgebildeten Beispiel, dann ist die Kongruenzabbildung durch die Komposition der genannten Achsenspiegelungen darstellbar oder man muss noch eine Spiegelung an der Verbindungsgeraden A_{2}B_{2} durchführen die dann nach Voraussetzung C_{1}' auf C_{2} spiegelt. (Hier wird der Kongruenzsatz SSS in der Form verwendet: Sind zwei verschiedene Punkte A und B der Ebene vorgegeben, dann gibt es höchstens zwei Punkte C, so dass die Streckenlängen \overline {AC}=b und \overline {BC}=a mit fest vorgegebenen Zahlen a,b erfüllen. Gibt es zwei Punkte C,C' mit diesen Eigenschaften, dann geht das Dreieck ABC durch die Achsenspiegelung an der Verbindungsgeraden AB in das Dreieck ABC' über.)
Eine Verkettung von zwei Spiegelungen an parallelen Achsen ergibt eine Verschiebung; zusätzlich ist hier für die erste Spiegelung A_{0}\mapsto A_{1} dargestellt, wie das Spiegelbild mit Hilfe von zwei Kreisen um beliebige Hilfspunkte auf der Achse konstruiert werden kann

Abgesehen von den beiden in 2. und 4. genannten Sonderfällen, also in den Fällen, in denen \sigma _{1},\sigma _{2} zwei verschiedene Achsenspiegelungen sind, ist die folgende Fallunterscheidung interessant:

  1. Schneiden sich die beiden Achsen der Spiegelungen in einem Punkt Z, dann ist die Abbildung \sigma _{2}\circ \sigma _{1} eine Drehung um Z und der Drehwinkel der Drehung ist doppelt so groß wie ein orientierter Winkel \alpha =<\!\!\!)\,(a_{1},a_{2}) zwischen den beiden Achsen. Ein orientierter Winkel \alpha ist dabei Drehwinkel einer der beiden Drehungen um Z, die a_{1} auf a_2 abbilden, welche der Drehungen man wählt ist gleichgültig.
  2. Sind die beiden Achsen parallel, dann ist die Abbildung \sigma _{2}\circ \sigma _{1} eine Verschiebung um einen Verschiebungsvektor, dessen Länge das Doppelte des Abstands der beiden Achsen beträgt und hat dieselbe Richtung wie die zu den Achsen senkrechte Verschiebung {\vec {v}}, die a_{1} auf a_2 verschiebt, vergleiche die Abbildung rechts: Es gilt offenbar \overrightarrow {A_{0}A_{1}}/2+\overrightarrow {A_{1}A_{2}}/2={\vec  {v}}.

Außerdem ergibt sich aus dem Konstruktionstext, dass die Kongruenzabbildung zwischen zwei ebenen, kongruenten Figuren durch drei Punkt-Bildpunktpaare eindeutig festgelegt ist, sofern die drei gewählten Urbildpunkte nicht auf einer gemeinsamen Gerade liegen. Mit anderen Worten: Die Gruppe der Kongruenzabbildungen operiert scharf einfach transitiv auf jeder Kongruenzklasse von Dreiecken (aufgefasst als geordnete Punkttripel). Das ist der inhaltliche Grund dafür, dass in der Elementargeometrie die Kongruenzsätze für Dreiecke eine überragende Rolle spielen.

Gleitspiegelung und Spiegelung

Sind zwei Dreiecke gegensinnig kongruent, dann können sie stets durch eine Gleitspiegelung aufeinander abgebildet werden

Zwei gegebene, gegensinnig kongruente Dreiecke A_{0}B_{0}C_{0} und A_{2}B_{2}C_{2} (bei der Kongruenz ist der Punkt A_{0} dem Punkt A_{2} zugeordnet usw.) können stets durch eine Gleitspiegelung aufeinander abgebildet werden, vergleiche die Abbildung rechts:

  1. Verschiebe das Dreieck A_{0}B_{0}C_{0} (rot) mit der durch \overrightarrow {A_{0}A_{2}} definierten Verschiebung auf das (gleichsinnig kongruente) Dreieck A_{2}B_{1}C_{1}. Im Sonderfall A_{0}=A_{2} ist diese Verschiebung die identische Abbildung.
  2. Konstruiere die Mittelsenkrechte der Strecke B_{1}B_{2} (grün). Wie beim 3. Schritt der allgemeinen Konstruktion sieht man, dass diese Mittelsenkrechte auch durch A_{2} gehen muss.
  3. Spiegele das Dreieck A_{2}B_{1}C_{1} an der Mittelsenkrechten aus dem 2. Schritt, das ergibt ein Dreieck A_{2}B_{2}C_{1}'. Aus dem Kongruenzsatz SSS (siehe oben beim 5. Schritt der allgemeinen Konstruktion) und der Voraussetzung, dass die vorgegebenen Dreiecke gegensinnig kongruent sind, folgt C_{1}'=C_{2}. In dem Sonderfall, dass B_{1}=B_{2} ist, entfällt der 2. Schritt und im 3. Schritt wird an der Verbindungsgeraden A_{2}B_{2} gespiegelt. Dass damit C_{1} auf C_{2} abgebildet wird, folgt in diesem Sonderfall aus den gleichen Gründen wie bei der Spiegelung an der Mittelsenkrechten im allgemeinen Fall.

Aus diesem Konstruktionstext folgt:

  • Die Verschiebung dabei sicher dann die identische Abbildung, die Abbildung also eine reine Spiegelung, wenn mindestens ein Paar von zugeordneten Eckpunkten bei der Kongruenz einen Punkt der Ebene sich selbst zuordnet.
  • Genau dann, wenn eine der Strecken zwischen zugeordneten Punkten A_{0}A_{2}, B_{0}B_{2}, C_{0}C_{2} die Länge 0 hat oder die Mittelsenkrechten aller drei Strecken zusammenfallen, ist die Gleitspiegelung eine reine Spiegelung.

Zusammen mit dem allgemeinen Konstruktionstext ergibt sich:

Darüber hinaus gilt:

Abgrenzung zu den Bewegungen

Vom Standpunkt der analytischen Geometrie besteht kein Unterschied zwischen den Begriffen Kongruenzabbildung und Bewegung. In der Elementargeometrie nennt man aber in der Regel nur eine Bewegung der euklidischen Ebene Kongruenzabbildung, also nur Bewegungen im zweidimensionalen Fall.

Schulmathematik

Die Schulmathematik geht zunächst von der Zeichenebene aus. Der Begriff „Kongruenz“ wird für einfache Figuren (Dreiecke, Vierecke, Kreise, …) erfahrbar gemacht:

Darauf aufbauend wird später die Erfahrung gemacht, dass man „manchmal“ die Kongruenz von Figuren ohne Ausschneiden zeichnerisch einsehen kann.

  1. Manchmal kann man zwei Figuren, die auf dem gleichen durchscheinenden Blatt gezeichnet sind, ohne Ausschneiden durch Falten des Papiers zur Deckung bringen. Das Falten kann man dann zur Konstruktion einer Achsenspiegelung abstrahieren.
  2. Anstatt eine Figur wirklich auszuschneiden und „unverdreht“ zu verschieben, kann man die Verschiebung durch parallele und gleich lange Pfeile an den Eckpunkten einer Figur abstrakt darstellen.
  3. Ähnlich kann man auch eine wirkliche, physische Drehung einer ausgeschnittenen Figur, die an einem inneren Punkt mit einer Nadel festgepinnt ist, abstrakt zeichnerisch mit den Bewegungskreisen der Eckpunkte darstellen.

Die Tatsache, dass man mit diesen drei zeichnerischen Abstraktionen und ihren Kombinationen alle „experimentellen“ Kongruenzbeweise durch Ausschneiden und Übereinanderlegen ersetzen kann, sollte intuitiv erfasst werden. (Mathematisch ausgedrückt: Dass die Gruppe der Kongruenzabbildungen durch Achsenspiegelungen, Verschiebungen und Drehungen erzeugt wird.) Bewiesen wird dagegen, dass man jede Verschiebung und jede Drehung durch zwei geeignete Achsenspiegelungen ersetzen kann.

Ein Beispiel für die Probleme, die in der Schulmathematik auftreten, ist die Abgrenzung zwischen „Gleichheit“ von geometrischen Objekten und „Kongruenz“: Intuitiv und umgangssprachlich werden zwei gleich lange, also kongruente Strecken als „gleich“ angesehen und bezeichnet. Die Schülervorstellung, dass jedenfalls zwischen gleichsinniger Deckungsgleichheit und Identität von Figuren nicht unterschieden werden müsste, stellt ein didaktisches Problem dar.

Einigen Problemen kann dadurch begegnet werden, dass exemplarisch „echte Deduktionen“, also Beweise wirklich erarbeitet werden, bei denen die kongruenten Figuren aufgrund der Problemstellung nicht identisch sein können bzw. bei denen es auf die Reihenfolge der zugeordneten Punkte bei der Kongruenz ankommt.

Synthetische und absolute Geometrie

Beim axiomatischen Aufbau einer euklidischen Ebene in der synthetischen Geometrie und beim Aufbau der absoluten Geometrie gehören die Begriffe „Kongruenzabbildung“ und „ebene Bewegung“ zu unterschiedlichen deduktiven Ansätzen:

  1. Von der Kongruenz zur Kongruenzabbildung: Man beschreibt die Kongruenz als Grundbegriff axiomatisch. In Hilberts Axiomensystem der euklidischen Geometrie wird diese durch zwei Äquivalenzrelationen auf der Menge der Strecken und der Winkel der Ebene realisiert (Gruppe III, Axiome der Kongruenz). Dann ist eine Kongruenzabbildung eine bijektive Selbstabbildung der Ebene, bei der jede Kongruenzklasse auf sich abgebildet wird.
  2. Vom Spiegelungsbegriff oder der Bewegungsgruppe zur Kongruenz: Man stattet die Ebene mit einer axiomatisch definierten Orthogonalitätsrelation aus. Das ermöglicht dann die Definition von senkrechten Achsenspiegelungen, siehe dazu präeuklidische Ebene. Eine Bewegung der Ebene ist dann jede Abbildung, die sich als Komposition von endlich vielen solchen Achsenspiegelungen darstellen lässt. Ein anderer verwandter Ansatz, der auch in der absoluten Geometrie verwendet wird, fasst die Eigenschaften der Bewegungsgruppe selbst axiomatisch. Bei beiden Ansätzen ist die Bewegungsgruppe grundlegend und Kongruenz ein daraus abgeleiteter Begriff. Zwei Figuren sind kongruent, wenn sie zur gleichen Bahn der Gruppenoperation gehören, bei der die Bewegungsgruppe auf der Menge aller Teilmengen der Ebene (Potenzmenge) operiert.

Die Schulgeometrie in Deutschland orientiert sich in aller Regel an einem deduktiven Ansatz nach Hilbert, bei dem die Kongruenz ein Grundbegriff ist. Man spricht dann in der Ebene überhaupt nur von Kongruenzabbildungen und der Begriff Bewegung tritt, wenn überhaupt, erst in der dreidimensionalen Geometrie auf.

Trenner
Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de
Seitenende
Seite zurück
©  biancahoegel.de
Datum der letzten Änderung:  Jena, den: 20.02. 2021