Kreisgruppe
![](bilder/Circle-group.png)
Die Kreisgruppe
oder Torusgruppe
ist in der Mathematik eine Gruppe, die die Drehungen um
einen festen Punkt im zweidimensionalen Raum (einer Ebene) zusammenfasst und die
Hintereinanderausführung dieser Drehungen beschreibt. Eine solche Drehung lässt
sich eindeutig durch einen Winkel
beschreiben, die Hintereinanderausführung zweier Drehungen entspricht gerade der
Drehung um die Summe der beiden Winkel der einzelnen Drehungen. Eine volle
Umdrehung wird dabei wiederum mit keiner Drehung identifiziert.
Definition über Winkel
Ausgehend von der Vorstellung als Gruppe der Winkel mit Addition, lässt sich
die Kreisgruppe als Faktorgruppe
definieren, das heißt, je zwei Elemente, die sich um eine ganze Zahl unterscheiden (in
der Anschauung eine ganzzahlige Anzahl voller Umdrehungen), werden miteinander
identifiziert. Möchte man einen direkten Bezug zu Winkelangaben im Bogenmaß ziehen, ist
ebenso die Definition
möglich.
Beispiel: Stellt man die Elemente der Kreisgruppe durch Repräsentanten dar, etwa als reelle Zahlen zwischen null (einschließlich) und eins (ausschließlich), so ergibt sich beispielsweise:
(der Vorkommateil entfällt).
Diese Konstruktion ist möglich, da
– wie jede Untergruppe,
da
abelsch ist – ein Normalteiler
von
ist. Da
zudem abgeschlossen
ist, ist
auch wiederum eine topologische
Gruppe, die Eigenschaften wie die Lokalkompaktheit und Metrisierbarkeit
von
erbt.
Als Lie-Gruppe
Die Kreisgruppe lässt sich äquivalent als spezielle
orthogonale Gruppe
definieren, d.h. als Menge der reellen Matrizen der Form
,
für die
gilt, mit der Matrizenmultiplikation
als Gruppenverknüpfung. Dies sind gerade die Drehmatrizen
im zweidimensionalen Raum (
im
-dimensionalen
Raum). Mittels der Koordinaten
lässt sich jedes solches Gruppenelement als Punkt auf dem Einheitskreis in der
zweidimensionalen Ebene auffassen – die Bedingung
besagt gerade, dass
auf diesem Kreis liegt. Der Kreis – auch genannt 1-Sphäre –
bildet eine eindimensionale differenzierbare
Mannigfaltigkeit, wie bei jeder solchen Matrix-Gruppe ist die Verknüpfung
mit der Struktur der Mannigfaltigkeit kompatibel, daher bildet die Kreisgruppe
eine Lie-Gruppe.
Man erkennt, dass die Gruppe sogar kompakt ist, da der Einheitskreis eine kompakte Teilmenge der Ebene ist.
Da der Einheitskreis als Teilraum der reellen Zahlen sogar als riemannsche
Untermannigfaltigkeit aufgefasst werden kann, erhält man eine Exponentialabbildung
vom Tangentialraum
im Punkt
in die Kreisgruppe. Identifiziert man bei dieser Wahl der riemannschen Metrik
die Elemente des Tangentialraums auf kanonische Weise mit den reellen Zahlen, so
ist
sogar ein surjektiver Homomorphismus,
wird also eine Einparameter-Gruppe.
Die Lie-Algebra besteht aus den Matrizen der Form
,
wobei die Lie-Klammer
durch den Kommutator
gegeben ist, also stets gleich
ist. Die Exponentialabbildung im Sinne der Theorie der Lie-Gruppen ist durch das
Matrixexponential
gegeben und entspricht genau der Exponentialabbildung im Sinne der riemannschen
Geometrie.
Mittels der Exponentialabbildung ist die Gruppe der reellen Zahlen mit der Addition gerade die universelle Überlagerungsgruppe der Kreisgruppe. Hieraus lässt sich schließen, dass die Fundamentalgruppe des Kreises die Gruppe der ganzen Zahlen mit der Addition ist.
Als unitäre Gruppe
Alternativ lässt sich die Kreisgruppe als die Gruppe
oder
der unitären
Transformationen auf dem eindimensionalen Vektorraum
der komplexen Zahlen
definieren. Diese Transformationen lassen sich konkret als Matrizen mit einem
Eintrag, d.h. durch komplexe Zahlen mit der üblichen Multiplikation
darstellen:
Mit der eulerschen Formel gilt
.
Die Abbildung ,
wobei die imaginäre Einheit
als Einheitstangentialvektor an der Stelle
interpretiert wird, ist gerade die Exponentialabbildung. In der Gaußschen
Zahlenebene kann die Multiplikation mit
gerade als Drehung um den Winkel
aufgefasst werden. Die Lie-Algebra besteht in dieser Beschreibung der Gruppe aus
den imaginären
Zahlen.
Charaktere
Begriff des Charakters
Die harmonische Analyse betrachtet unitäre Darstellungen von lokalkompakten topologischen Gruppen, d.h. stetige Homomorphismen von der Gruppe in die unitäre Gruppe über einem Hilbertraum versehen mit der starken Operatortopologie. Aufbauend darauf wird die verallgemeinerte Fourier-Transformation von Funktionen auf der Gruppe mittels der irreduziblen Darstellungen der Gruppe definiert. Eine besondere Rolle spielen die eindimensionalen Darstellungen, d.h. Darstellungen in die Kreisgruppe, genannt Charaktere. Diese sind stets irreduzibel. Aus dem Lemma von Schur folgt umgekehrt, dass jede irreduzible, stark-stetige unitäre Darstellung einer abelschen lokalkompakten topologischen Gruppe eindimensional, also ein Charakter ist. Für den abelschen Fall reduziert sich die Fourier-Transformation also auf ein Funktional auf den Charakteren.
Charaktere der Kreisgruppe
Einerseits wird die Kreisgruppe zur Definition des Charakters verwendet,
andererseits hat die Kreisgruppe auch Charaktere. Die Charaktere der Kreisgruppe
sind genau die stetigen Homomorphismen
,
und die kann man alle angeben. Jeder Charakter von
hat die Form
für ein
.
Daher kann man die Menge der Charaktere mit
identifizieren. Dass die Menge der Charaktere wieder eine Gruppenstruktur trägt,
ist kein Zufall; es handelt sich um einen Spezialfall der allgemeineren
Pontrjagin-Dualität.
Periodische Funktionen und Fourier-Reihe
Periodische Funktionen lassen sich als Funktionen auf der Kreislinie definieren. Beachtet man die topologische Struktur, erhält man einen natürlichen Stetigkeitsbegriff, beachtet man zudem die Gruppenstruktur, über das Haarmaß einen natürlichen Integrierbarkeitsbegriff (alternativ auch einfach über den Integralbegriff auf riemannschen Mannigfaltigkeiten oder das Lebesgue-Integral auf den reellen Zahlen eingeschränkt auf ein abgeschlossenes Intervall) und unter Beachtung der differenzierbaren Struktur auch einen natürlichen Differenzierbarkeitsbegriff.
Da die Kreisgruppe abelsch ist, ist die abstrakte Fourier-Transformation
allein durch Charaktere auf der Kreisgruppe selbst gegeben. Man kann zeigen,
dass jeder Charakter
auf der Kreisgruppe differenzierbar ist, somit folgt aus der
Homomorphieeigenschaft
,
wobei
die Argumentfunktion
bezeichne. Aus der Periodizität der Funktion folgt, dass die Ableitung beim
neutralen Element ein ganzzahliges Vielfaches von
sein muss, die Charaktere sind also gegeben durch
.
Diese bilden eine Orthonormalbasis
des Raumes
der quadratintegrablen
komplexwertigen Funktionen auf der Kreisgruppe (vorausgesetzt das Maß von
ganz
ist auf
normiert), d.h. jede quadratintegrable periodische Funktion lässt sich
durch ihre Fourier-Transformierte darstellen, die in diesem Fall Fourier-Entwicklung
genannt wird, die Rücktransformation lässt sich, da es nur abzählbar viele
Charaktere gibt, als Reihe, der sogenannten Fourier-Reihe darstellen. Elementar,
d.h. ohne Verwendung von Sätzen aus der harmonischen Analyse wie dem Satz
von Peter-Weyl oder der Pontrjagin-Dualität,
folgt die Vollständigkeit aus dem Satz
von Stone-Weierstraß.
Auftreten in der Physik
In der Quantenfeldtheorie
auftretende Lagrangedichten
enthalten oftmals eine globale Eichsymmetrie in Gestalt
der Kreisgruppe, d.h. multipliziert man ein Feld an jeder Stelle mit einem
Element der Kreisgruppe aufgefasst als komplexe Zahl, bleiben die Lagrangedichte
und damit auch die Wirkung
unverändert. Das Noethertheorem
liefert eine zu dieser Symmetrie zugehörige Erhaltungsgröße,
welche oft als (insbesondere elektrische)
Ladung aufgefasst werden kann, sowie einen lokal erhaltenen, das heißt der Kontinuitätsgleichung
genügenden Strom. Die Invarianz der Lagrangedichte heißt nichts anderes, als
dass sie nur von den Betragsquadraten
der jeweiligen komplexen Feldgrößen abhängt (in der Quantenfeldtheorie werden
die Felder schließlich als operatorwertige
Distributionen aufgefasst, in diesem Fall geht es um das Quadrat des Betrags
der jeweiligen Operatoren, d.h.
für einen Operator
).
Eine solche Eichsymmetrie tritt in der Quantenelektrodynamik
auf.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 08.11. 2020