Kontinuitätsgleichung
Eine Kontinuitätsgleichung ist eine bestimmte partielle
Differentialgleichung, die zu einer Erhaltungsgröße
(s.u.) gehört. Sie verknüpft die zeitliche
Änderung
der zu dieser Erhaltungsgröße gehörigen Dichte
mit der räumlichen Änderung ihrer Stromdichte
:
Zur mathematischen Definition von
siehe Divergenz
eines Vektorfeldes.
Die Kontinuitätsgleichung tritt in allen Feldtheorien der Physik auf. Die erhaltenen Größen können sein:
- die Masse,
- die elektrische Ladung,
- die Energie,
- die Wahrscheinlichkeit und
- einige Teilchenzahlen (Leptonenzahl, Baryonenzahl).
Die Verallgemeinerung der Kontinuitätsgleichung auf physikalische Größen, die keine Erhaltungsgrößen sind, ist die Bilanzgleichung. In ihr tritt auf der rechten Seite der Gleichung ein zusätzlicher Quellterm auf.
Zusammenhang mit einer Erhaltungsgröße
Die in einem Volumen V enthaltene „Ladung“ (das Volumenintegral über
die Dichte) kann sich aufgrund der Kontinuitätsgleichung nur dadurch ändern,
dass unausgeglichene Ströme aus der Oberfläche des Volumens
hinausfließen. Demnach ändert sich die Gesamtladung für
zeitlich nicht und ist eine Erhaltungsgröße, wenn keine (Netto-)Ströme
durch die Oberfläche des betrachteten Volumens fließen.
Denn die zeitliche Änderung der Ladung ,
gegeben durch
in einem zeitlich unveränderlichen Volumen ,
ist wegen der Kontinuitätsgleichung nach dem Integralsatz
von Gauß
gleich dem Flächenintegral über die Randfläche
des Volumens über den Anteil der Stromdichte
,
der in Richtung der Flächennormalen
nach außen fließt. Die Ladung im Volumen ändert sich nur, sofern unausgeglichene
Ströme in der angegebenen Weise durch die Randfläche fließen.
Spezielle Kontinuitätsgleichungen
Hydrodynamik
Verändert sich in der Hydrodynamik
die Massendichte
,
weil die Flüssigkeit mit der Geschwindigkeit
längs der Bahnkurven
strömt, so ist die zugehörige Stromdichte
und die Kontinuitätsgleichung lautet
(Begründung: Produktregel)
Für die zeitliche Änderung der Dichte bei einem Teilchen, das die Bahn
durchläuft, besagt dies:
(Begründung: totales Differential).
Entlang einer Trajektorie ändert sich also die Dichte mit der Divergenz der
Strömung
Die Strömung ist inkompressibel, wenn die Dichte entlang einer Trajektorie konstant bleibt:
Daraus folgt, dass in diesem Fall die Divergenz der Strömung Null ist:
Elektrodynamik
In der Elektrodynamik
ergibt sich die Kontinuitätsgleichung für die elektrische Ladungsdichte
und die elektrische
Stromdichte
mithilfe der Identität
und den beiden inhomogenen Maxwellgleichungen
d.h. es folgt mit der anderen inhomogenen Maxwell-Gleichung[1]
In Halbleitern beschreibt die Verletzung der Kontinuitätsgleichung
die Änderung der Raumladungsdichte
durch die Rekombinationsrate
pro Volumen,
,
und die Generationsrate
.
Aus den Maxwellgleichungen der Elektrodynamik folgt (in CGS-Einheiten) für die Energiedichte
und die Energiestromdichte (auch Poynting-Vektor)
nahezu eine Kontinuitätsgleichung:
Die Kontinuitätsgleichung für die Energie im elektromagnetischen Feld ist
dort erfüllt, wo die elektrische Stromdichte
verschwindet, beispielsweise im Vakuum. Dort kann sich Energiedichte nur durch
Energieströme ändern. Wo die elektrische Stromdichte
nicht verschwindet, leistet das elektrische Feld
Arbeit und tauscht Energie mit den Ladungsträgern aus.
Die Kontinuitätsgleichung für die elektromagnetische Feldenergie ist der Satz von Poynting.
In der relativistischen Formulierung der Elektrodynamik mit Minkowski-Vektoren fasst
man cρ und j zu einem Vierervektor zusammen .
Wie oben, folgt aus den Maxwellgleichungen, dass dessen Viererdivergenz
verschwindet
Diese Formulierung ist unabhängig von der gewählten Minkowski-Signatur,
äquivalent zur Kontinuitätsgleichung und kann auf relativistische Feldtheorien
verallgemeinert werden.
Quantenmechanik
In der nichtrelativistischen Quantenmechanik wird der Zustand eines
Teilchens, etwa eines einzelnen Elektrons,
durch eine Wellenfunktion
beschrieben.
Das Betragsquadrat
gibt die Wahrscheinlichkeitsdichte
dafür an, ein Teilchen zur Zeit
am Ort
vorzufinden. Mit der zugehörigen Wahrscheinlichkeitsstromdichte
gilt ohne äußeres Magnetfeld als Folge der Schrödingergleichung die Kontinuitätsgleichung
.
Ist ein äußeres Magnetfeld vorhanden, muss auf die Pauli-Gleichung zurückgegriffen werden und es ergibt sich
wobei
für die Pauli-Matrizen
stehen. Der letzte Term verschwindet zwar bei der Divergenzbildung und ist nicht
direkt aus der Pauli-Gleichung ableitbar, ergibt sich aber aus dem
nichtrelativistischen Grenzfall der Dirac-Gleichung.
Im Rahmen der relativistischen Quantenmechanik gehorchen Teilchen der Klein-Gordon-Gleichung (für Skalarbosonen) beziehungsweise der Dirac-Gleichung (für Fermionen). Da die Gleichungen der Speziellen Relativitätstheorie gehorchen, können die Kontinuitätsgleichungen für diese Fälle in manifest kovarianter Form
geschrieben werden und es ergibt sich
wobei
beziehungsweise
für die skalare bosonische/vektorwertige fermionische Wellenfunktion stehen und
die Dirac-Matrizen
sind.
Im Rahmen der Klein-Gordon-Kontinuitätsgleichung kann – im Gegensatz zum
nichtrelativistischen oder fermionen Fall – die Größe
nicht als Wahrscheinlichkeitsdichte gedeutet werden, da diese Größe nicht
positiv semidefinit ist.
Weitere Anwendungen: Allgemeine Erhaltungsgrößen
Man erkennt an der Analogie zum „elektrischen“ Fall, dass Kontinuitätsgleichungen immer dann gelten müssen, wenn eine ladungsartige Größe und eine stromartige Größe wie oben angegeben zusammenhängen. Als weiteres konkretes Beispiel könnte man etwa den in der Thermodynamik wichtigen Wärmestrom angeben. Die „Ladungsdichte“ muss bei Integration über den Gesamtraum eine Erhaltungsgröße ergeben, z.B. die elektrische Gesamtladung, bzw. – im Falle der Quantenmechanik – die Gesamtwahrscheinlichkeit, 1, oder im dritten Fall, die gesamte zugeführte Wärme, bei Systemen, deren Wärmeinhalt als „erhalten“ angesehen werden kann (z.B. Wärmediffusion).
In der Strömungsmechanik folgt aus der Kontinuitätsgleichung das Kontinuitätsgesetz für (inkompressible) Fluide.
Anmerkungen
- ↑
Bei der Herleitung wird u.a. die Divergenz
der sog. Maxwellschen Ergänzung
gebildet und die Vertauschbarkeit der partiellen Ableitung
mit dem Divergenzoperator benutzt.



© biancahoegel.de
Datum der letzten Änderung: Jena, den: 26.07. 2020