Eulersche Zahl
Die Eulersche Zahl, mit dem Symbol bezeichnet, ist eine Konstante, die in der gesamten Analysis und allen damit verbundenen Teilgebieten der Mathematik, besonders in der Differential- und Integralrechnung, eine zentrale Rolle spielt. Ihr numerischer Wert beträgt (Folge 001113 in OEIS). Die Zahl ist eine transzendente und somit auch irrationale reelle Zahl. Sie ist die Basis des natürlichen Logarithmus und der (natürlichen) Exponentialfunktion. Es gibt zahlreiche äquivalente Definitionen von , die bekannteste lautet:
Sie wurde nach dem Schweizer Mathematiker Leonhard Euler [1] benannt, der zahlreiche Eigenschaften von beschrieb. Gelegentlich wird sie auch nach dem schottischen Mathematiker John Napier als Napiers Konstante bezeichnet. Sie gehört zu den wichtigsten Konstanten der Mathematik.
Definition
Die Zahl wurde von Leonhard Euler als der Grenzwert der folgenden unendlichen Reihe definiert:
Für ist dabei die Fakultät von , also im Falle das Produkt der natürlichen Zahlen von bis , während definiert ist.
Wie schon Euler bewies, erhält man die Eulersche Zahl ebenfalls als funktionalen Grenzwert:
- ,
was insbesondere bedeutet, dass er sich auch als Grenzwert der Folge mit ergibt:
- .
Dem liegt zugrunde, dass
gilt, also der Funktionswert der Exponentialfunktion (oder auch „-Funktion“) an der Stelle ist. Die obige Reihendarstellung von ergibt sich in diesem Zusammenhang dadurch, dass man die Taylorreihe der Exponentialfunktion um die Entwicklungsstelle an der Stelle auswertet.
Ein alternativer Zugang zur Definition der Eulerschen Zahl ist derjenige über Intervallschachtelungen, etwa in der Weise, wie es in Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen von Konrad Knopp dargestellt wird. Danach gilt für alle :
- .
Herkunft des Symbols e
Als frühestes Dokument, das die Verwendung des Buchstabens für diese Zahl durch Leonhard Euler aufweist, gilt ein Brief Eulers an Christian Goldbach vom 25. November 1731. Als nächste gesicherte Quelle für die Verwendung dieses Buchstabens gilt Eulers Werk Mechanica sive motus scientia analytice exposita, II aus dem Jahre 1736.
In der im Jahre 1748 erschienenen Introductio in Analysin Infinitorum greift Euler diese Bezeichnung wieder auf.
Es gibt keine Hinweise darauf, dass diese Wahl des Buchstabens in Anlehnung an seinen Namen geschah. Unklar ist auch, ob er dies in Anlehnung an die Exponentialfunktion oder aus praktischen Erwägungen der Abgrenzung zu den viel benutzten Buchstaben a, b, c oder d machte. Obwohl auch andere Bezeichnungen in Gebrauch waren, etwa c in Jean Baptiste le Rond d’Alemberts Histoire de l’Académie, hat sich durchgesetzt.
Im Formelsatz wird nach DIN 1338 und ISO 80000-2 nicht kursiv gesetzt, um die Zahl von einer Variablen zu unterscheiden. Allerdings ist auch die kursive Schreibweise verbreitet.
Eigenschaften
Die Eulersche Zahl ist eine transzendente und damit irrationale Zahl. Sie lässt sich also (wie auch die Kreiszahl nach Ferdinand von Lindemann 1882) weder als Bruch zweier natürlicher Zahlen noch als Lösung einer algebraischen Gleichung darstellen und besitzt folglich eine unendliche nichtperiodische Dezimalbruchentwicklung. Das Irrationalitätsmaß von ist 2 und somit so klein wie möglich für eine irrationale Zahl, insbesondere ist nicht liouvillesch. Es ist nicht bekannt, ob zu irgendeiner Basis normal ist.
In der Eulerschen Identität
werden fundamentale mathematische Konstanten in Zusammenhang gesetzt: Die ganze Zahl 1, die Eulersche Zahl , die imaginäre Einheit der komplexen Zahlen und die Kreiszahl .
Die Eulersche Zahl ist die durch
eindeutig bestimmte positive reelle Zahl .
Sie tritt auch in der asymptotischen Abschätzung der Fakultät auf (siehe Stirlingformel):
Es gilt mit der Cauchy-Produktformel der jeweils absolut konvergenten Reihen:
mit der Produktreihe .
Geometrische Interpretation
Eine geometrische Interpretation der Eulerschen Zahl liefert die Integralrechnung. Danach ist diejenige eindeutig bestimmte Zahl , für die der Inhalt der Fläche unterhalb des Funktionsgraphen der reellen Kehrwertfunktion im Intervall exakt gleich ist:
Weitere Darstellungen für die Eulersche Zahl
Die Eulersche Zahl lässt sich auch durch
oder durch den Grenzwert des Quotienten aus Fakultät und Subfakultät beschreiben:
Eine Verbindung zur Verteilung der Primzahlen wird über die Formeln
deutlich, wobei die Primzahlfunktion und das Symbol das Primorial der Zahl bedeutet.
Auch eher von exotischem Reiz als von praktischer Bedeutung ist die catalansche Darstellung
Kettenbruchentwicklungen
Im Zusammenhang mit der Zahl gibt es spätestens seit dem Erscheinen von Leonhard Eulers Introductio in Analysin Infinitorum im Jahre 1748 eine große Anzahl Kettenbruchentwicklungen für und aus ableitbare Größen.
So hat Euler die folgende klassische Identität für gefunden:
Die Identität (1) weist offenbar ein regelmäßiges Muster auf, das sich bis ins Unendliche fortsetzt. Sie gibt einen regulären Kettenbruch wieder, der von Euler aus dem folgenden abgeleitet wurde:
Letzterer Kettenbruch ist seinerseits ein Spezialfall des folgenden mit :
Eine andere klassische Kettenbruchentwicklung, die jedoch nicht regelmäßig ist, stammt ebenfalls von Euler:
Auf Euler und Ernesto Cesàro geht eine weitere Kettenbruchentwicklung der Eulerschen Zahl zurück, die von anderem Muster als in (1) ist:
Im Zusammenhang mit der Eulerschen Zahl existiert darüber hinaus eine große Anzahl von allgemeinen kettenbruchtheoretischen Funktionalgleichungen. So nennt Oskar Perron als eine von mehreren die folgende allgemein gültige Darstellung der -Funktion:
Ein weiteres Beispiel hierfür ist die von Johann Heinrich Lambert stammende Entwicklung des Tangens hyperbolicus, die zu den lambertschen Kettenbrüchen gerechnet wird:
Anschauliche Interpretationen der Eulerschen Zahl
Zinseszinsrechnung
Das folgende Beispiel macht die Berechnung der Eulerschen Zahl nicht nur anschaulicher, sondern es beschreibt auch die Geschichte der Entdeckung der Eulerschen Zahl: Ihre ersten Stellen wurden von Jakob I Bernoulli bei der Untersuchung der Zinseszinsrechnung gefunden.
Den Grenzwert der ersten Formel kann man folgendermaßen deuten: Jemand zahlt am 1. Januar einen Euro auf der Bank ein. Die Bank garantiert ihm eine momentane Verzinsung zu einem Zinssatz pro Jahr. Wie groß ist sein Guthaben am 1. Januar des nächsten Jahres, wenn er die Zinsen zu gleichen Bedingungen anlegt?
Nach der Zinseszinsformel wird aus dem Startkapital nach Verzinsungen mit Zinssatz das Kapital
In diesem Beispiel sind und , wenn der Zinszuschlag jährlich erfolgt, oder , wenn der Zinszuschlag -mal im Jahr erfolgt, also bei unterjähriger Verzinsung.
Bei jährlichem Zuschlag wäre
Bei halbjährlichem Zuschlag hat man ,
also schon etwas mehr. Bei täglicher Verzinsung erhält man
Wenn die Verzinsung kontinuierlich in jedem Augenblick erfolgt, wird unendlich groß, und man bekommt die oben angegebene erste Formel für .
Wahrscheinlichkeitsrechnung
ist auch häufig in der Wahrscheinlichkeitstheorie anzutreffen: Beispielsweise sei angenommen, dass ein Bäcker für jedes Brötchen eine Rosine in den Teig gibt und diesen gut durchknetet. Danach enthält statistisch gesehen jedes -te Brötchen keine Rosine. Die Wahrscheinlichkeit , dass bei Brötchen keine der Rosinen in einem fest gewählten ist, ergibt im Grenzwert für (37%-Regel):
Charakterisierung der Eulerschen Zahl nach Steiner
Im vierzigsten Band von Crelles Journal aus dem Jahre 1850 gibt der Schweizer Mathematiker Jakob Steiner eine Charakterisierung der Eulerschen Zahl , wonach als Lösung einer Extremwertaufgabe verstanden werden kann. Steiner zeigte nämlich, dass die Zahl charakterisierbar ist als diejenige eindeutig bestimmte positive reelle Zahl, die beim Wurzelziehen mit sich selbst die größte Wurzel liefert. Wörtlich schreibt Steiner: „Wird jede Zahl durch sich selbst radicirt, so gewährt die Zahl e die allergrößte Wurzel.“
Steiner behandelt hier die Frage, ob für die Funktion
das globale Maximum existiert und wie es zu bestimmen ist. Seine Aussage ist, dass es existiert und dass es angenommen wird in und nur in .
In seinem Buch Triumph der Mathematik gibt Heinrich Dörrie eine elementare Lösung dieser Extremwertaufgabe. Sein Ansatz geht von der folgenden wahren Aussage über die reelle Exponentialfunktion aus:
Nach der Substitution folgt für alle reellen Zahlen
mittels einfacher Umformungen weiter
und schließlich für alle positiven durch Radizieren
Bruchnäherungen
Für die Zahl und daraus abgeleitete Größen gibt es verschiedene näherungsweise Darstellungen mittels Brüchen. So fand Charles Hermite die folgenden Bruchnäherungen:
Hier weicht der erstgenannte Bruch um weniger als 0,0003 Prozent von ab.
Die optimale Bruchnäherung im dreistelligen Zahlenbereich, also die optimale Bruchnäherung mit , ist
- .
Diese Näherung ist jedoch nicht die beste Bruchnäherung im Sinne der Forderung, dass der Nenner höchstens dreistellig sein soll. Die in diesem Sinne beste Bruchnäherung ergibt sich als 9. Näherungsbruch der Kettenbruchentwicklung der Eulerschen Zahl:
Aus den Näherungsbrüchen der zu gehörenden Kettenbruchentwicklungen (s.o.) ergeben sich Bruchnäherungen beliebiger Genauigkeit für und daraus abgeleitete Größen. Mit diesen findet man sehr effizient beste Bruchnäherungen der Eulerschen Zahl in beliebigen Zahlenbereichen. So erhält etwa im fünfstelligen Zahlenbereich die beste Bruchnäherung
- ,
die zeigt, dass die von Charles Hermite für die Eulersche Zahl im fünfstelligen Zahlenbereich gefundene Bruchnäherung noch nicht optimal war.
In gleicher Weise hat etwa C. D. Olds gezeigt, dass durch die Näherung
für die Eulersche Zahl eine weitere Verbesserung, nämlich
- ,
zu erzielen ist.
Insgesamt beginnt die Folge der besten Näherungsbrüche der Eulerschen Zahl, die sich aus ihrer regelmäßigen Kettenbruchdarstellung ergeben, folgendermaßen:
Die ersten 1000 Nachkommastellen
Da die eulersche Zahl eine irrationale Zahl ist, lässt sich ihre Darstellung in keinem Stellenwertsystem vollständig angeben: Die Darstellung ist stets unendlich lang und nicht periodisch. Bei den ersten 1000 Nachkommastellen in der Dezimalbruchentwicklung ist keine Regelmäßigkeit ersichtlich.
2,
71828 18284 59045 23536 02874 71352 66249 77572 47093 69995 95749 66967 62772 40766 30353 54759 45713 82178 52516 64274
27466 39193 20030 59921 81741 35966 29043 57290 03342 95260 59563 07381 32328 62794 34907 63233 82988 07531 95251 01901
15738 34187 93070 21540 89149 93488 41675 09244 76146 06680 82264 80016 84774 11853 74234 54424 37107 53907 77449 92069
55170 27618 38606 26133 13845 83000 75204 49338 26560 29760 67371 13200 70932 87091 27443 74704 72306 96977 20931 01416
92836 81902 55151 08657 46377 21112 52389 78442 50569 53696 77078 54499 69967 94686 44549 05987 93163 68892 30098 79312
77361 78215 42499 92295 76351 48220 82698 95193 66803 31825 28869 39849 64651 05820 93923 98294 88793 32036 25094 43117
30123 81970 68416 14039 70198 37679 32068 32823 76464 80429 53118 02328 78250 98194 55815 30175 67173 61332 06981 12509
96181 88159 30416 90351 59888 85193 45807 27386 67385 89422 87922 84998 92086 80582 57492 79610 48419 84443 63463 24496
84875 60233 62482 70419 78623 20900 21609 90235 30436 99418 49146 31409 34317 38143 64054 62531 52096 18369 08887 07016
76839 64243 78140 59271 45635 49061 30310 72085 10383 75051 01157 47704 17189 86106 87396 96552 12671 54688 95703 50354...
Berechnung der Nachkommastellen
Zur Berechnung der Nachkommastellen wird meist die Reihendarstellung
ausgewertet, die schnell konvergiert. Wichtig bei der Implementierung ist dabei Langzahlarithmetik, damit die Rundungsfehler nicht das Ergebnis verfälschen. Ein Verfahren, das ebenfalls auf dieser Formel beruht, aber ohne aufwendige Implementierung auskommt, ist der Tröpfelalgorithmus zur Berechnung der Nachkommastellen von , den A. H. J. Sale fand.
Entwicklung der Anzahl der bekannten Nachkommastellen von e
Datum | Anzahl | Mathematiker |
---|---|---|
1748 | 23 | Leonhard Euler |
1853 | 137 | William Shanks |
1871 | 205 | William Shanks |
1884 | 346 | J. Marcus Boorman |
1946 | 808 | ? |
1949 | 2.010 | John von Neumann (berechnet auf dem ENIAC) |
1961 | 100.265 | Daniel Shanks und John Wrench |
1981 | 116.000 | Steve Wozniak (berechnet mithilfe eines Apple II) |
1994 | 10.000.000 | Robert Nemiroff und Jerry Bonnell |
Mai 1997 | 18.199.978 | Patrick Demichel |
August 1997 | 20.000.000 | Birger Seifert |
September 1997 | 50.000.817 | Patrick Demichel |
Februar 1999 | 200.000.579 | Sebastian Wedeniwski |
Oktober 1999 | 869.894.101 | Sebastian Wedeniwski |
21. November 1999 | 1.250.000.000 | Xavier Gourdon |
10. Juli 2000 | 2.147.483.648 | Shigeru Kondo und Xavier Gourdon |
16. Juli 2000 | 3.221.225.472 | Colin Martin und Xavier Gourdon |
2. August 2000 | 6.442.450.944 | Shigeru Kondo und Xavier Gourdon |
16. August 2000 | 12.884.901.000 | Shigeru Kondo und Xavier Gourdon |
21. August 2003 | 25.100.000.000 | Shigeru Kondo und Xavier Gourdon |
18. September 2003 | 50.100.000.000 | Shigeru Kondo und Xavier Gourdon |
27. April 2007 | 100.000.000.000 | Shigeru Kondo und Steve Pagliarulo |
6. Mai 2009 | 200.000.000.000 | Shigeru Kondo und Steve Pagliarulo |
20. Februar 2010 | 500.000.000.000 | Alexander Yee |
5. Juli 2010 | 1.000.000.000.000 | Shigeru Kondo |
24. Juni 2015 | 1.400.000.000.000 | Ellie Hebert |
14. Februar 2016 | 1.500.000.000.000 | Ron Watkins |
29. Mai 2016 | 2.500.000.000.000 | „yoyo“ – unverifizierte Kalkulation |
29. August 2016 | 5.000.000.000.000 | Ron Watkins |
4. August 2018 | 8.000.000.000.000 | Gerald Hofmann – unverifizierte Kalkulation |
8. Februar 2019 | 12.000.000.000.000 | Jochen Berg – unverifizierte Kalkulation |
Anmerkungen
- ↑ Man beachte: Die Eulersche Zahl ist nicht identisch mit der Euler-Mascheroni-Konstante , die in manchen Quellen den ähnlich klingenden Namen Eulersche Konstante hat.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 16.11. 2021