Kettenbruch

In der Mathematik und insbesondere der Zahlentheorie ist ein Kettenbruch (fortgesetzter Bruch) ein Ausdruck der Form

a+{\cfrac  {b}{c+{\cfrac  {d}{e+{\cfrac  {f}{\ddots }}}}}}\quad .

Ein Kettenbruch ist also ein gemischter Bruch der Form a+{\tfrac  {b}{x}}, bei dem der Nenner x wieder die Form eines gemischten Bruchs besitzt, wobei sich dieser Aufbau weiter so fortsetzt.

Jede reelle Zahl kann als ein Kettenbruch mit ganzen Zahlen a,b,c,d,e,f,\ldots ausgedrückt werden. Kettenbrüche können daher als Zahlensystem bezeichnet werden, wie das Dezimalsystem. Sie dienen jedoch in erster Linie nicht zum Rechnen, sondern werden dazu verwendet, Approximationsaufgaben zu lösen: So liefern sie in der Zahlentheorie Näherungen für reelle Zahlen, indem diese durch einen Bruch aus ganzen Zahlen ausgedrückt werden, und in der numerischen Mathematik approximiert man durch sie Funktionen, ähnlich wie dies auch mittels Potenzreihen erreicht wird.

Von besonderer Bedeutung sind reguläre Kettenbrüche. Bei dieser Form haben alle Zähler {\displaystyle (b,d,f,\dotsc )} den Wert 1. Ein regulärer Kettenbruch ist also durch die Folge {\displaystyle a,c,e,\dotsc } bestimmt, und man schreibt ihn platzsparend als {\displaystyle [a;c,e,\dotsc ]}.

Kettenbrüche spielen zudem eine große Rolle in der Zahlentheorie. So zeigte zum Beispiel Joseph Liouville 1844 mit ihrer Hilfe, dass transzendente Zahlen existieren. Außer in der Zahlentheorie kommen Kettenbrüche in der Kryptographie, algebraischen Geometrie, Topologie, Funktionentheorie, numerischen Mathematik und bei der Analyse chaotischer Systeme zur Anwendung.

Joseph-Louis Lagrange gilt zusammen mit Leonhard Euler als der Begründer der Kettenbruchtheorie.

Geschichte

{\displaystyle {\sqrt {2}}=1+{\cfrac {1}{2+{\cfrac {1}{2+{\cfrac {1}{2+{\cfrac {1}{2+{\cfrac {1}{\ddots }}}}}}}}}}}
Regulärer Kettenbruch [1]
{\displaystyle {\cfrac {4}{\pi }}=1+{\cfrac {1^{2}}{3+{\cfrac {2^{2}}{5+{\cfrac {3^{2}}{7+{\cfrac {4^{2}}{9+{\cfrac {5^{2}}{\ddots }}}}}}}}}}}
Johann Heinrich Lambert Kettenbruch für 4/\pi
{\displaystyle \tan(z)={\cfrac {z}{1-{\cfrac {z^{2}}{3-{\cfrac {z^{2}}{5-{\cfrac {z^{2}}{7-{\cfrac {z^{2}}{\ddots }}}}}}}}}}}
Lamberts Kettenbruch für den Tangens

Kettenbrüche werden seit dem 16. Jahrhundert dazu verwendet, „gute Näherungsbrüche“ für irrationale Zahlen zu finden. Das bekannteste Beispiel ist die Näherung 22/7 für \pi .

Deliciae physico-mathematicae, 1636

Rafael Bombelli verwendete Kettenbrüche bereits 1579, um damit Quadratwurzeln zu berechnen. Im Jahr 1613 veröffentlichte Pietro Cataldi ein Buch, in dem unter anderem auch Kettenbrüche auftauchen. 1636 finden sich Kettenbrüche im Buch „Deliciae Physico-Mathematicae“ von Daniel Schwenter und ab 1655 in mehreren Büchern von John Wallis. Aus dem Bedürfnis, Brüche mit großen Nennern sowie natürliche Konstanten zu approximieren, beschäftigte sich zunächst Christiaan Huygens im 17. Jahrhundert mit Kettenbrüchen. Er berechnete damit aus den Umlaufzeiten der Planeten das Übersetzungsverhältnis der Zahnräder für sein Zahnradmodell des Sonnensystems. Huygens ermittelte für die Umlaufzeit um die Sonne das Verhältnis zwischen Saturn und Erde als

{\frac  {77\,708\,431}{2\,640\,858}}\approx 29{,}425448.

Der reguläre Kettenbruch hierfür beginnt mit {\displaystyle [29;2,2,1,5,1,4,\dotsc ]}. Approximiert man dieses Verhältnis mit dem Näherungsbruch, der entsteht, wenn man nur die ersten vier Einträge verwendet, dann beträgt der Fehler [2] nur 0{,}003123, da

29+{\cfrac  {1}{2+{\cfrac  {1}{2+{\cfrac  {1}{1}}}}}}={\cfrac  {206}{7}}\approx 29{,}428571.

In Leonhard Eulers Korrespondenz [3] treten Kettenbrüche hingegen zuerst in einem ganz anderen Zusammenhang auf, nämlich in Verbindung mit der Riccatischen Differentialgleichung. Bald jedoch interessierte sich Euler für Kettenbrüche um ihrer selbst willen. Er entdeckte nämlich die folgenden drei wichtigen Eigenschaften:

  1. Jede rationale Zahl kann durch einen endlichen regulären Kettenbruch dargestellt werden (der mit Hilfe des euklidischen Algorithmus berechnet werden kann).
  2. Periodische reguläre Kettenbrüche stellen quadratische Irrationalzahlen dar; diese Aussage bewies Euler als Erster.
  3. Die Entwicklung jeder reellen Zahl in einen regulären Kettenbruch liefert die besten rationalen Approximationen für diese Zahl.

Einige dieser Erkenntnisse hatte bereits Huygens gewonnen, dessen Arbeit Euler aber unbekannt war. Eulers Arbeiten – und darauf aufbauend die von Joseph-Louis Lagrange – begründeten die Theorie der Kettenbrüche.

Zur rationalen Approximation existiert neben dem Algorithmus von Euler auch ein Algorithmus von Lord William Brouncker. Euler zeigte um 1759, dass die beiden Algorithmen identisch sind. Johann Heinrich Lambert benutzte Kettenbrüche in seiner Arbeit von 1766 dazu, die Irrationalität von \pi zu zeigen. Seine Kettenbruchentwicklung der Tangensfunktion ist in der Abbildung rechts dargestellt.

Moritz Abraham Stern schuf 1832 die erste systematische Zusammenfassung der Theorie der Kettenbrüche. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Theorie rasch weiter und so veröffentlichte Oskar Perron im Jahre 1913 eine Zusammenfassung des Wissensstandes, die bis heute als ein Standardwerk gilt (Neuauflage 1954/57).

Weitere wichtige Anwendungen waren und sind: Beweise für die Irrationalität oder die Transzendenz spezieller Zahlen und die Ermittlung von Schaltjahren (da ein Jahr mit 365,24219 Tagen etwas kürzer als 365¼ Tage ist, bedarf es zusätzlich zum Schalttag alle vier Jahre einer weiteren Korrektur; die beste Wahl dafür lässt sich mit Kettenbrüchen begründen).

Definition

Begriff des Kettenbruchs

Ein (unendlicher) Kettenbruch ist ein fortgesetzter Bruch der Form

b_{0}+{\cfrac  {a_{1}}{b_{1}+{\cfrac  {a_{2}}{b_{2}+{\cfrac  {a_{3}}{b_{3}+{\cfrac  {a_{4}}{\;\,\ddots }}}}}}}}\quad oder (regulärer Fall) b_{0}+{\cfrac  {1}{b_{1}+{\cfrac  {1}{b_{2}+{\cfrac  {1}{b_{3}+{\cfrac  {1}{\;\,\ddots }}}}}}}}

mit b_{0}\in \mathbb{Z } und a_{i},b_{i}\in \mathbb{N} für i\in \mathbb{N} .

Die Brüche {\tfrac  {a_{i}}{b_{i}}} bzw. {\tfrac  {1}{b_{i}}} werden Teilbrüche genannt, a_{i} heißt der i-te Teilzähler und b_{i} der i-te Teilnenner. [4] Ein Kettenbruch, der sich nach einem Teilbruch {\tfrac  {a_{i}}{b_{i}}} nicht weiter fortsetzt, ist ein endlicher Kettenbruch.

Eine formalere Definition findet man im Abschnitt Darstellung als Komposition von Abbildungen.

Reguläre Kettenbrüche sind in der Zahlentheorie der bei weitem wichtigste Kettenbruch-Typ. Bei der Approximation von (reellen oder komplexen) Funktionen verwendet man auch Kettenbrüche mit Unbekannten, siehe zum Beispiel den Lambertschen Kettenbruch für die Tangensfunktion im Abschnitt „Geschichte“. Manchmal benötigt man einen endlichen regulären Kettenbruch, bei dem der letzte Eintrag b_{n} eine reelle (nicht-ganze) Zahl ist. Dies ermöglicht zum Beispiel die Schreibweise \textstyle \phi =[1;\phi ]=[1;1,\phi ] usw. für die goldene Zahl. Auch werden bisweilen allgemeine Kettenbrüche mit a_{i}\in \mathbb{Z } benutzt.

Notation

Die Kurzschreibweise für einen allgemeinen Kettenbruch ist

b_{0}+{\frac  {a_{1}|}{|b_{1}}}+{\frac  {a_{2}|}{|b_{2}}}+{\frac  {a_{3}|}{|b_{3}}}+\cdots

In Anlehnung an die Summen- und Produktzeichen \sum und \prod führte Gauß hierfür auch die folgende Schreibweise ein:

b_{0}+{\underset  {i=1}{{\overset  {\infty }{{\mathbf  {K}}}}}}{\frac  {a_{i}}{b_{i}}}\,.

Ein regulärer Kettenbruch wird oft in der folgenden Weise geschrieben:[5]

{\displaystyle [b_{0};b_{1},b_{2},\ldots ]}

b_{0} wird nur deshalb gesondert aufgeführt, weil es aus \mathbb {Z} ist, die nachfolgenden b_{i} aber immer nur aus \mathbb {N} sind.

Die Notation für endliche Kettenbrüche ist dementsprechend

b_{0}+{\frac  {a_{1}|}{|b_{1}}}+{\frac  {a_{2}|}{|b_{2}}}+\cdots +{\frac  {a_{n}|}{|b_{n}}}\,,\quad b_{0}+{\underset  {i=1}{{\overset  {n}{{\mathbf  {K}}}}}}{\frac  {a_{i}}{b_{i}}}\,,\quad [b_{0};b_{1},\ldots ,b_{n}]\,.

Darstellung als Komposition von Abbildungen

Man kann einen Kettenbruch auch als eine Komposition von Abbildungen {\displaystyle T_{i}\colon \mathbb {R} \to \mathbb {R} } darstellen. Dies liefert eine formalere Definition als die bisher gegebene.

Hierfür setzt man T_{i}(x)={\tfrac  {a_{i}}{b_{i}+x}} und erhält

b_{0}+{\underset  {i=1}{{\overset  {n}{{\mathbf  {K}}}}}}{\frac  {a_{i}}{b_{i}}}:=b_{0}+T_{1}\circ T_{2}\circ \cdots \circ T_{{n-1}}\circ T_{n}(0).

Die Definition unendlicher Kettenbrüche erfolgt durch eine Grenzwertbetrachtung im Abschnitt Unendliche Kettenbrüche.

Endliche Kettenbrüche

Endliche Kettenbrüche und ihre Näherungsbrüche

Von nun an betrachten wir ausschließlich reguläre Kettenbrüche. Bricht man den Kettenbruch [b_{0};b_{1},\ldots ,b_{N}] nach dem n-ten Glied ab n\leq N, so heißt

{\frac  {p_{n}}{q_{n}}}=[b_{0};b_{1},\ldots ,b_{n}]

sein n-ter Näherungsbruch (oder auch n-te Konvergente). Die ersten Näherungsbrüche lauten offenbar

{\displaystyle {\frac {p_{0}}{q_{0}}}={\frac {b_{0}}{1}},\quad {\frac {p_{1}}{q_{1}}}=b_{0}+{\cfrac {1}{b_{1}}}={\frac {b_{0}b_{1}+1}{b_{1}}},\quad {\frac {p_{2}}{q_{2}}}=b_{0}+{\cfrac {1}{b_{1}+{\cfrac {1}{b_{2}}}}}={\frac {b_{0}b_{1}b_{2}+b_{0}+b_{2}}{b_{1}b_{2}+1}}}.

Bei dem Beispiel 41/29 = [1;2,2,2,2] sind das die Brüche {\tfrac  {1}{1}},{\tfrac  {3}{2}},{\tfrac  {7}{5}}. Der dritte Näherungsbruch lautet {\tfrac  {17}{12}} und der vierte ist gleich {\tfrac  {41}{29}}, also identisch zum Ausgangsbruch.

Mit vollständiger Induktion beweist man das Bildungsgesetz für die Näherungsbrüche (p_{n} und q_{n} werden pro forma auch für n={-1},{-2} definiert, damit die Formeln ab n=0 stimmen):

p_{n}=b_{n}p_{{n-1}}+p_{{n-2}}\,     p_{{-1}}=1\,   p_{{-2}}=0\,
q_{{n}}=b_{n}q_{{n-1}}+q_{{n-2}}\,     q_{{-1}}=0\,   q_{{-2}}=1\,

sowie die Beziehung

q_{n}p_{{n-1}}-p_{n}q_{{n-1}}=(-1)^{n}\,.

Daraus folgt, dass Näherungsbrüche stets in gekürzter Form vorliegen (wenn p_{n} und q_{n} beide durch eine natürliche Zahl größer als 1 teilbar wären, dann müsste auch die rechte Seite durch diese Zahl teilbar sein, was aber nicht der Fall ist). Dividiert man durch q_{n}q_{{n-1}}, so folgt:

{\frac  {p_{{n-1}}}{q_{{n-1}}}}-{\frac  {p_{n}}{q_{n}}}={\frac  {(-1)^{n}}{q_{n}q_{{n-1}}}}. 
 
  (1)
 

Beispielsweise hat man für den zweiten und dritten Näherungsbruch von 41/29 die Beziehung

{\frac  {7}{5}}-{\frac  {17}{12}}={\frac  {(-1)^{3}}{60}}={\frac  {-1}{60}}.

Auf ähnliche Weise zeigt man

{\displaystyle q_{n}p_{n-2}-p_{n}q_{n-2}=(-1)^{n-1}b_{n}}

und

{\frac  {p_{{n-2}}}{q_{{n-2}}}}-{\frac  {p_{n}}{q_{n}}}={\frac  {(-1)^{{n-1}}b_{n}}{q_{n}q_{{n-2}}}}. 
 
  (2)
 

Diese Formeln sind grundlegend für die weiter unten besprochenen Konvergenzfragen bei unendlichen Kettenbrüchen.

Matrixdarstellung

Das Bildungsgesetz für die Näherungsbrüche lässt sich auch elegant in Matrixform schreiben. Man erhält dann (wieder mit vollständiger Induktion zu beweisen):

{\begin{pmatrix}b_{0}&1\\1&0\end{pmatrix}}{\begin{pmatrix}b_{1}&1\\1&0\end{pmatrix}}\cdots {\begin{pmatrix}b_{n}&1\\1&0\end{pmatrix}}={\begin{pmatrix}p_{n}&p_{{n-1}}\\q_{n}&q_{{n-1}}\end{pmatrix}}.

Da die Determinante jeder der Matrizen auf der linken Seite -1 beträgt, folgt sofort:

{\displaystyle p_{n}q_{n-1}-q_{n}p_{n-1}=(-1)^{n+1}}

und Multiplikation mit -1 zeigt erneut die oben angegebene Gleichung.

Durch Transposition der Matrizen folgt nun (da die Transposition die Reihenfolge der Matrizen umkehrt), dass [b_{n};b_{{n-1}},\ldots ,b_{0}]={\frac  {p_{n}}{p_{{n-1}}}} sowie [b_{n};b_{{n-1}},\ldots ,b_{1}]={\frac  {q_{n}}{q_{{n-1}}}} gelten.

Beispiel: Die Näherungsbrüche von [1;1,2,3]={\frac  {17}{10}} lauten 1/1, 2/1, 5/3 und 17/10. Es gilt

{\begin{pmatrix}1&1\\1&0\end{pmatrix}}{\begin{pmatrix}1&1\\1&0\end{pmatrix}}{\begin{pmatrix}2&1\\1&0\end{pmatrix}}{\begin{pmatrix}3&1\\1&0\end{pmatrix}}={\begin{pmatrix}17&5\\10&3\end{pmatrix}}

und man bekommt [3;2,1,1]={\frac  {17}{5}} sowie [3;2,1]={\frac  {10}{3}}.

Endliche Kettenbrüche und der euklidische Algorithmus

Umformung von 17/10 nach [1;1,2,3] geometrisch veranschaulicht

Die Umwandlung einer rationalen Zahl in einen Kettenbruch erfolgt mit Hilfe des euklidischen Algorithmus.

Als Beispiel rechnen wir für {\frac  {17}{10}}=[1;1,2,3] wie folgt:

{\begin{aligned}17&=1\cdot 10+7\\10&=1\cdot 7+3\\7&=2\cdot 3+1\\3&=3\cdot 1\end{aligned}}

Siehe dazu auch den Abschnitt Kettenbruchzerlegung im Artikel über den euklidischen Algorithmus. In der Abbildung ist dieses Verfahren veranschaulicht. Aus der folgenden Gleichungskette ist ersichtlich, dass die Kettenbruchentwicklung durch wiederholtes Einsetzen der Gleichungen des euklidischen Algorithmus entsteht:

{\frac  {17}{10}}=1+{\dfrac  {7}{10}}=1+{\dfrac  {\ \ 1\ \ }{{\dfrac  {10}{7}}}}=1+{\dfrac  {1}{1+{\dfrac  {3}{7}}}}=1+{\dfrac  {1}{1+{\dfrac  {1}{{\dfrac  {7}{3}}}}}}=1+{\dfrac  {1}{1+{\dfrac  {1}{2+{\dfrac  {1}{3}}}}}}

Das graphische Verfahren kann so erläutert werden: Man beginnt mit einem 17\times 10 großen Rechteck. Darin bringt man so viele Quadrate der Seitenlänge 10 unter, wie möglich (in diesem Beispiel geht das nur einmal). Es bleibt nun ein 10\times 7 großes Rechteck unbedeckt, auf das man die Überlegung weiter anwendet. Die Anzahl der jeweils verwendeten Quadrate sind dabei die Teilnenner des Kettenbruchs.

Unendliche Kettenbrüche

Unendliche Kettenbrüche: Konvergenz und Näherungsbrüche

Die Näherungsbrüche mit geradem Index bilden eine steigende Folge, solche mit ungeradem Index eine fallende Folge. Beide konvergieren gegen\alpha .

Für eine (unendliche) Folge b_{0},b_{1},\ldots ist der Kettenbruch [b_{0};b_{1},\ldots ] nur dann definiert, wenn die Folge der Näherungsbrüche (p_{n}/q_{n})_{n} konvergiert. In diesem Fall hat der unendliche Kettenbruch [b_{0};b_{1},\ldots ] den Wert \lim _{{n\to \infty }}[b_{0};b_{1},\ldots ,b_{n}].

Da hier nur reguläre Kettenbrüche behandelt werden, gilt: Jeder unendliche Kettenbruch konvergiert.[6]

Das erkennt man folgendermaßen: Die Folge der Näherungsbrüche mit geraden Indizes, also p_{0}/q_{0},p_{2}/q_{2},\ldots ist aufgrund Gleichung (2) monoton steigend, während die Folge mit ungeraden Indizes p_{1}/q_{1},p_{3}/q_{3},\ldots monoton fallend ist, siehe Abbildung. Da außerdem jeder ungerade Näherungsbruch größer ist als jeder gerade, sind beide Folgen monoton und beschränkt und konvergieren daher. Ihre beiden Grenzwerte sind aber aufgrund Gleichung (1) gleich (da die q_{n} beliebig groß werden, geht die Differenz gegen 0).

Nun betrachte man \alpha =[b_{0};b_{1},\ldots ].

Aus den oben angegebenen Formeln lässt sich die Differenz zwischen \alpha und dem n-ten Näherungsbruch abschätzen:

{\frac  {b_{{n+2}}}{q_{n}q_{{n+2}}}}<\left|\alpha -{\frac  {p_{n}}{q_{n}}}\right|<{\frac  {1}{q_{n}q_{{n+1}}}}. 
 
  (3)
 

Als Beispiel für Gleichung (3) betrachte man den Kettenbruch der Quadratwurzel von 2. Im Abschnitt Periodische Kettenbrüche wird gezeigt, dass {\sqrt  {2}}=[1;2,2,\ldots ].

Die ersten Näherungsbrüche dieses unendlichen Kettenbruchs sind 1/1, 3/2, 7/5, 17/12, 41/29 und Gleichung (3) besagt in diesem Fall für n=2:

{\frac  {2}{5\cdot 29}}<\left|{\sqrt  {2}}-{\frac  {7}{5}}\right|<{\frac  {1}{5\cdot 12}}.

Klar ist nun, dass jede rationale Zahl einen endlichen Kettenbruch hat und dass jeder endliche Kettenbruch eine rationale Zahl darstellt. Diese Darstellung ist nicht eindeutig, da man das Ende des Kettenbruchs auf zwei Arten schreiben kann, ohne den Wert zu verändern: Man kann zwischen den Darstellungen [\ldots ,b_{n}+1] und [\ldots ,b_{n},1] wechseln. Jede irrationale Zahl hat aber eine eindeutige Darstellung:

Satz (Rationale und irrationale Zahlen, Eindeutigkeit der Darstellung):

Jede reelle Zahl kann als (regulärer) Kettenbruch dargestellt werden. Für irrationale Zahlen ist die Kettenbruchdarstellung unendlich und eindeutig. Rationale Zahlen entsprechen endlichen Kettenbrüchen und jede rationale Zahl hat genau zwei Kettenbruchdarstellungen.

Für den Beweis der Aussage, dass jeder unendliche Kettenbruch eine irrationale Zahl darstellt, gilt: Betrachtet man \alpha =[b_{0};b_{1},\ldots ] und nimmt an, dass \alpha =c/d rational wäre, so ist

0<\left|{\frac  {c}{d}}-{\frac  {p_{n}}{q_{n}}}\right|<{\frac  {1}{q_{n}q_{{n+1}}}}

und Multiplikation mit d und q_{n} ergibt

0<|cq_{n}-dp_{n}|<{\frac  {d}{q_{{n+1}}}}.

Da die q_{{n+1}} für wachsendes n beliebig groß werden und die Zahl zwischen den Betragsstrichen stets eine ganze Zahl ist, liefert das einen Widerspruch. Somit ist \alpha nicht rational.

Unendliche Kettenbrüche und der verallgemeinerte euklidische Algorithmus

Für irrationale Zahlen \alpha wird eine Verallgemeinerung des euklidischen Algorithmus verwendet. Dieser funktioniert auch für rationale Zahlen; wir prüfen deshalb in jedem Schritt, ob der Algorithmus abbricht:

  1. Ist \alpha keine ganze Zahl, so setzt man b_{0}=\lfloor \alpha \rfloor (Ganzteil von \alpha ) und \alpha _{1} auf das Inverse des Rests, also \alpha _{1}=1/(\alpha -b_{0}).
  2. Falls \alpha _{1} nicht ganz ist, dann setzt man b_{1}=\lfloor \alpha _{1}\rfloor und \alpha _{2}=1/(\alpha _{1}-b_{1}).

Dieses Verfahren wird fortgesetzt, bis man ein ganzzahliges \alpha _{n} erhält (das geschieht natürlich nur dann, wenn der Startwert rational ist). Bei einem irrationalen \alpha bricht das Verfahren nicht ab. Die Zahlen \alpha _{n} werden vollständige Quotienten genannt. Es gilt

\alpha =[b_{0};b_{1},\ldots ,b_{n},\alpha _{{n+1}}].

Ähnlich wie das Bildungsgesetz für die Näherungsbrüche beweist man:

\alpha ={\frac  {p_{n}\cdot \alpha _{{n+1}}+p_{{n-1}}}{q_{n}\cdot \alpha _{{n+1}}+q_{{n-1}}}}. 
 
  (4)
 

Beispiele: Wir berechnen die Kettenbruchentwicklung von \pi bis zur zweiten Stelle:

\alpha _{0}=\pi \, also b_{0}=3\,,
\alpha _{1}=1/(\pi -3)=7{,}0625\ldots also b_{1}=7\,,
\alpha _{2}=1/0{,}0625\ldots =15{,}996\ldots also b_{2}=15\,.

Sie lautet also [3;7,15,\ldots ]. Weitere Stellen gibt es im Artikel Kreiszahl, ein Muster wurde jedoch bislang in der regulären Kettenbruchentwicklung von \pi nicht entdeckt.

Im Gegensatz dazu findet man ein klares Muster im Kettenbruch der eulerschen Zahl e:

e=[2;1,2,1,1,4,1,1,6,1,1,8,1,1,10,1,\ldots ].

Bei der dritten Wurzel von 2 gibt es wiederum kein Muster:

{\displaystyle {\sqrt[{3}]{2}}=[1;3,1,5,1,1,4,1,1,8,1,14,\ldots ]}

Als Beispiel für die Verwendung von Gleichung (4) betrachte man die aufeinanderfolgenden Näherungsbrüche 17/12 und 41/29 von {\sqrt  {2}}=[1;\overline {2}].

Da die vollständigen Quotienten für n>0 gleich [2;\overline {2}]=1+{\sqrt  {2}} sind, gilt:

{\displaystyle {\sqrt {2}}={\frac {41\cdot (1+{\sqrt {2}})+17}{29\cdot (1+{\sqrt {2}})+12}}}

Wie im Abschnitt „Geschichte“ erwähnt, fand Euler heraus, dass periodische Kettenbrüche (so wie bei der Quadratwurzel von 2 oder bei der goldenen Zahl) quadratischen Irrationalzahlen entsprechen, und Lagrange zeigte später, dass alle diese Zahlen periodische Kettenbrüche haben. Diesem Thema ist der übernächste Abschnitt gewidmet.

Äquivalente Zahlen

Zwei reelle Zahlen x,y heißen äquivalent, wenn es ganze Zahlen a,b,c,d mit ad-bc=\pm 1 gibt, sodass y={\tfrac  {ax+b}{cx+d}} gilt. Das heißt, sie sind durch eine ganzzahlige Möbiustransformation mit Determinante \pm 1 verbunden (Elementen der speziellen linearen Gruppe {\displaystyle SL(2,\mathbb {Z} )}). Man sieht leicht, dass diese Definition tatsächlich eine Äquivalenzrelation auf den reellen Zahlen liefert: Mit a=d=1,b=c=0 ist die Reflexivität gezeigt, mit x={\tfrac  {b-dy}{-a+cy}} folgt die Symmetrie, und die Transitivität kann man explizit nachrechnen.

Jede rationale Zahl ist äquivalent zu 0, alle rationalen Zahlen bilden also eine Äquivalenzklasse. Daher ist diese Einteilung der reellen Zahlen hauptsächlich für irrationale Zahlen interessant. Die Beziehung zu ihren regelmäßigen Kettenbruchentwicklungen ergibt sich durch folgenden Satz von Serret:

Satz: Zwei irrationale Zahlen x,y sind genau dann äquivalent, wenn ihre Kettenbruchdarstellungen x=[u_{0};u_{1},u_{2},\ldots ] und y=[v_{0};v_{1},v_{2},\ldots ] so beschaffen sind, dass es natürliche Zahlen h und k gibt, sodass für alle i\in \mathbb{N} u_{{h+i}}=v_{{k+i}} gilt.

Die Übereinstimmung in ihren Kettenbruchdarstellungen bis auf eine unterschiedliche Anfangssequenz führt bei äquivalenten Zahlen zu asymptotisch gleichen Approximationseigenschaften. Ein Beispiel ist im Abschnitt Sätze über quadratische Approximierbarkeit angeführt (Gleichung 5).

Periodische Kettenbrüche

Kettenbruch der Quadratwurzel von 13 in Eulers De usu novi algorithmi in problemate Pelliano solvendo von 1767

Bei der Dezimaldarstellung reeller Zahlen entsprechen periodische Darstellungen den rationalen Zahlen. Man unterscheidet rein-periodische Dezimalbrüche, z.B. 1/3=0,{\mathbf  {3}}3333\ldots , und solche mit einer Vorperiode, wie bei 1/6=0{,}1{\mathbf  {6}}666\ldots .

Bei Kettenbrüchen spielen periodische Darstellungen ebenfalls eine besondere Rolle. Wie Euler und Lagrange herausfanden, entsprechen sie den quadratischen Irrationalzahlen (irrationale Lösungen quadratischer Gleichungen mit rationalen Koeffizienten). Insbesondere sind die Kettenbrüche derjenigen reellen Zahlen, die weder rational noch quadratische Irrationalzahlen sind, nicht-periodisch.

Ein Kettenbruch wird periodisch genannt, wenn es Zahlen n,k gibt, so dass für die Teilnenner b_{{j+k}}=b_{j} für alle j\geq n+1 gilt. Das minimale k mit dieser Eigenschaft nennt man die Periode des Kettenbruchs, der dann in der Form

x=[b_{0};b_{1},\ldots ,b_{n},\overline {b_{{n+1}},\ldots ,b_{{n+k}}}]

geschrieben wird. Ist auch n minimal gewählt, heißt die Folge b_{0},\ldots ,b_{n} die Vorperiode und n+1 ihre Länge.

Satz von Euler-Lagrange

Satz: Jeder periodische Kettenbruch ist eine quadratische Irrationalzahl und umgekehrt.

Der erste Teil des Satzes ist einfacher zu beweisen und stammt von Euler, während die Umkehrung schwieriger ist und erst später von Lagrange bewiesen wurde.

Beispiele

  1. Sei x=[1;\overline {1}]. Dann gilt x=1+{\tfrac  {1}{x}}, also ist x Wurzel der quadratischen Gleichung {\displaystyle x^{2}-x-1=0}, woraus {\displaystyle x={\tfrac {1+{\sqrt {5}}}{2}}} folgt (da die andere Nullstelle negativ ist). Daher ist x die goldene Zahl (siehe auch den Artikel Goldener Schnitt).
  2. Sei x=[1;\overline {2}]. Wir betrachten {\displaystyle y=x-1}. Dann ist y={\tfrac  {1}{2+y}}, woraus {\displaystyle y^{2}+2y=1} und y+1=\pm {\sqrt  {2}} folgt. Da y>0 gilt, muss y+1={\sqrt  {2}} sein. Daher gilt x={\sqrt  {2}}.
  3. Sei x=[1;\overline {1,2}]. Wir betrachten {\displaystyle y=x-1}. Dann ist y={\tfrac  {1}{1+{\frac  {1}{2+y}}}}, also {\displaystyle y={\tfrac {2+y}{3+y}}}, woraus {\displaystyle y^{2}+2y+1=3} und y+1=\pm {\sqrt  {3}} folgt. Da y>0 gilt, muss {\displaystyle y+1={\sqrt {3}}} sein. Daher gilt {\displaystyle x={\sqrt {3}}}.
  4. Eine besondere Form periodischer unendlicher Kettenbrüche haben die sogenannten „noblen Zahlen“: Ihre Kettenbruchentwicklung endet stets mit [\ldots ,\overline {1}]. Die goldene Zahl ist das wohl prominenteste Beispiel einer noblen Zahl.
  5. Die Kettenbrüche irrationaler Quadratwurzeln rationaler Zahlen größer als 1 haben eine besondere Symmetrie: Für jede rationale Zahl r>1, die nicht Quadrat einer rationalen Zahl ist, gilt
{\displaystyle {\sqrt {r}}=[b_{0};{\overline {b_{1},b_{2},\dots ,b_{2},b_{1},2b_{0}}}]{\text{ mit }}b_{0}>0}
und umgekehrt ist das Quadrat jedes Kettenbruchs dieser Form eine rationale Zahl.
Die Vorperiode hat also stets Länge 1, der periodische Block ist symmetrisch und wird beendet mit 2b_{0}. Beispiele dafür sind außer den Wurzeln von 2 und 3:
{\displaystyle {\sqrt {7}}=[2;{\overline {1,1,1,4}}]}
{\displaystyle {\sqrt {14}}=[3;{\overline {1,2,1,6}}]}
Der Kettenbruch der Quadratwurzel von 13 in einem Werk von Euler über die Pellsche Gleichung ist rechts abgebildet.[7] Die goldene Zahl aus Beispiel 1 hat diese Form nicht. Ein weiteres „Gegen“-Beispiel dieser Art ist {\displaystyle {\sqrt {3}}+{\frac {1}{2}}=[2;{\overline {4,3}}]}.

Pellsche Gleichung

Periodische Kettenbrüche werden zur Lösung der Pellschen Gleichung x^{2}-d\cdot y^{2}=\pm 1 verwendet.

Beste Näherungen

Zwei Möglichkeiten bester Näherung

In der Einleitung wurde erwähnt, dass die Bestimmung von „guten Näherungsbrüchen“ eine wichtige Anwendung von Kettenbrüchen ist. Es gilt nämlich, dass jeder Näherungsbruch der Kettenbruchentwicklung einer reellen Zahl eine besonders gute rationale Näherung dieser Zahl ist.

Da man jede irrationale Zahl beliebig genau durch rationale Zahlen approximieren kann, gibt es keine absolute beste Näherung an eine irrationale Zahl. Man unterscheidet stattdessen zwei Arten von „Rekordnäherungen“:

Definition: Ein Bruch a/b ist eine beste Näherung 1. Art für die reelle Zahl \alpha , wenn für alle Brüche c/d mit d\leq b und a/b\neq c/d gilt:

\left|\alpha -{\frac  {a}{b}}\right|<\left|\alpha -{\frac  {c}{d}}\right|.

Einen besseren Näherungsbruch kann man also nur bekommen, wenn man größere Nenner als b erlaubt.

(Der Einfachheit halber beschränken wir uns auf positive reelle Zahlen und betrachten daher nur natürliche Zahlen a,b,c,d als Zähler und Nenner.) Weiter:

Ein Bruch a/b ist eine beste Näherung 2. Art für die reelle Zahl \alpha , wenn für alle Brüche c/d mit d\leq b und a/b\neq c/d gilt:

{\displaystyle \left|b\cdot \alpha -a\right|<\left|d\cdot \alpha -c\right|}

Beide Begriffe bester Näherung werden – je nach Anwendung – gebraucht.

Die stärkere Bedingung ist die zweite: Angenommen, es gibt einen Bruch c/d mit d\leq b und \left|\alpha -{\tfrac  {c}{d}}\right|\leq \left|\alpha -{\tfrac  {a}{b}}\right|, dann liefert die Multiplikation mit d\leq b die Ungleichung \left|d\cdot \alpha -c\right|\leq \left|b\cdot \alpha -a\right|. Das zeigt, dass ein Bruch, der nicht beste Näherung der 1. Art ist, auch keine beste Näherung 2. Art sein kann. Daraus folgt, dass jede beste Näherung 2. Art ebenso eine beste Näherung 1. Art ist.

Beispiel: Wir betrachten 17/10=[1;1,2,3]. Die Näherungsbrüche p_{1}/q_{1}, p_{2}/q_{2}, p_{3}/q_{3} lauten 2/1, 5/3 und 17/10 und sie bilden die vollständige Liste der besten Näherungen 2. Art. Es gibt jedoch weitere beste Näherungen 1. Art, nämlich 3/2 und 12/7. Dieses Thema wird in den nächsten beiden Abschnitten behandelt.

Näherungsbrüche sind beste Näherungen

Die Nützlichkeit der Näherungsbrüche zeigt sich in folgendem Satz:

Satz (Lagrange): Für jede reelle Zahl gilt: Jeder Näherungsbruch p_{n}/q_{n} mit n>0 ist eine beste Näherung 2. Art (und daher auch eine beste Näherung 1. Art).

Für einen 0-ten Näherungsbruch gilt dies nicht immer, da dieser beispielsweise bei 17/10 den Wert 1 hat, aber die ganze Zahl 2 eine bessere Näherung mit Nenner 1 darstellt. [8]

Man kann diesen Satz im Fall von besten Näherungen 2. Art umkehren:

Satz: Jede beste Näherung 2. Art einer reellen Zahl ist ein Näherungsbruch ihrer (regulären) Kettenbruchentwicklung.

Für Näherungen 1. Art gilt dies jedoch nicht, wie oben im Beispiel 17/10 dargestellt. Man kann jedoch die zusätzlich auftretenden Brüche charakterisieren: Sie entstehen als Medianten (Farey-Summen) von Näherungsbrüchen und werden Nebennäherungsbrüche genannt. Näheres dazu im nächsten Abschnitt.

Nebennäherungsbrüche in Lagranges Additions au mémoire sur la résolution des équations numériques aus dem Jahr 1770 (Seite 567)

Beispiel: Angenommen, man sucht die kleinste natürliche Zahl q, für die der Abstand von q\cdot {\sqrt  {2}} von der nächstgelegenen ganzen Zahl kleiner als 1/1000 ist. Aufgrund des letzten Satzes muss q in der Folge der Näherungsbruch-Nenner q_{n} von {\sqrt  {2}}=[1;2,2,\ldots ] enthalten sein. Die ersten Nenner lauten, wie schon oben ausgerechnet, 1,2,5,12,29. Sie genügen aufgrund der periodischen Teilnenner der Rekursion q_{n}=2\cdot q_{{n-1}}+q_{{n-2}} (eine Lucas-Folge). Der Näherungsbruch p_{7}/q_{7} ist gleich 577/408 und es gilt 408\cdot {\sqrt  {2}}=576{,}99913, sodass der Abstand zu 577 kleiner als die geforderte Genauigkeit ist. Das gesuchte q ist also gleich 408, da die Genauigkeit von 1/1000 für p_{6}/q_{6} nicht erreicht ist.

Die gleiche Frage für die goldene Zahl \phi führt zur Überprüfung von f_{n}\cdot \phi für Elemente f_{n} der Fibonacci-Folge und man erhält als Ergebnis q=610.

Approximation von oben und unten, Nebennäherungsbrüche

Schon 1770 hatte sich Lagrange mit dem Thema beschäftigt, welche Näherungen 1. Art zusätzlich zu den Näherungsbrüchen auftreten (siehe Abbildung rechts). Er wurde zu den „fractions secondaires“ geführt, die im Deutschen Nebennäherungsbrüche genannt werden.

Es handelt sich um Medianten benachbarter Näherungsbrüche:

Definition: Für zwei positive Brüche a/b, c/d mit a/b<c/d heißt (a+c)/(b+d) der Mediant (oder die Farey-Summe) der beiden Brüche. Der Mediant hat die einfach zu zeigende Eigenschaft, dass a/b<(a+c)/(b+d)<c/d.

Aufgrund dieser Eigenschaft kann man die Bildung des Medianten wiederholt ausführen (iterieren) und bekommt Brüche der Form

{\frac  {a+r\cdot c}{b+r\cdot d}},

die eine aufsteigende Folge bilden. Für die folgende Definition der Nebennäherungsbrüche werden also iterierte Medianten benachbarter Näherungsbrüche gebildet:

Definition: Die zu einem Kettenbruch gehörenden Brüche

{\frac  {p_{{n,r}}}{q_{{n,r}}}}={\frac  {r\cdot p_{{n+1}}+p_{n}}{r\cdot q_{{n+1}}+q_{n}}},\,r=1,\ldots ,b_{{n+2}}-1

heißen Nebennäherungsbrüche. Sie liegen zwischen dem n-ten und dem (n+2)-ten Näherungsbruch. Für gerades n bilden sie eine steigende Folge und für ungerades n eine fallende Folge.

Anmerkung: im besonderen Fall n={-1} verwendet man p_{{-1}}=1, q_{{-1}}=0 und erhält eine fallende Folge, die größer ist als p_{1}/q_{1}.

Satz (Lagrange 1798): Jede beste Näherung 1. Art einer reellen Zahl ist ein Näherungsbruch oder ein Nebennäherungsbruch ihrer Kettenbruchentwicklung.

Eine Charakterisierung der Menge der Näherungsbrüche und Nebennäherungsbrüche kann man wie folgt erhalten:

Satz (Lagrange 1798): Für jede reelle Zahl \alpha gilt:

a) Jeder Bruch, der zwischen \alpha und einem Näherungs- oder Nebennäherungsbruch liegt, hat einen größeren Nenner als dieser.

b) Ist umgekehrt ein Bruch a/b von der Art, dass jeder Bruch, der zwischen \alpha und a/b liegt, einen Nenner größer als b hat, dann ist a/b ein Näherungs- oder Nebennäherungsbruch.

In anderen Worten: Betrachtet man nur approximierende Brüche größer als \alpha (oder umgekehrt kleiner als \alpha ), so sind die Rekordnäherungen vollständig durch die Menge der Näherungs- oder Nebennäherungsbrüche beschrieben.

(Neben-) Näherungsbrüche von \pi (Erläuterung im Text)

In der Definition der besten Näherung 1. Art werden aber die Approximationen von oben und unten gleichzeitig betrachtet. Die Analyse dieser Situation (Verfeinerung des vorletzten Satzes) ergibt:

Satz: Es sei m=b_{{n+2}}-1 die Anzahl der Nebennäherungsbrüche zwischen dem n-ten und dem (n+2)-ten Näherungsbruch. Dann gilt: Ist m gerade, so ergibt die zweite Hälfte der Nebennäherungsbrüche beste Näherungen 1. Art, die erste Hälfte aber nicht. Das Gleiche gilt – mit Ausnahme des mittleren Elements –, wenn m ungerade ist. Für den mittleren Bruch gibt es eine kompliziertere Bedingung, die wir hier nicht angeben.

Beispiele:

a) Wir betrachten das einfache Beispiel [1;5,2]=13/11. Die Näherungsbrüche sind 1/1, 6/5 und 13/11. Die Nebennäherungsbrüche für n={-1} sind 2/1, 3/2, 4/3, 5/4 (größer als 6/5) und für n=0 ist es der Bruch 7/6 (zwischen 1/1 und 13/11).

b) Für die Kreiszahl \pi =[3;7,15,1,292,\ldots ] lauten die ersten Näherungsbrüche 3/1, 22/7, 333/106 und 355/113. Die Nebennäherungsbrüche sind für n={-1} die Brüche 4/1, 7/2, 10/3, 13/4, 16/5, 19/6. Sie bilden eine fallende Folge und die letzten drei sind beste Näherungen 1. Art. (Die ersten drei sind weiter entfernt von \pi als der Näherungsbruch p_{0}/q_{0}=3/1). Für n=0 findet man die Nebennäherungsbrüche 25/8, 47/15, 69/22, 91/29, 113/36, 135/43, 157/50, 179/57, 201/64, 223/71, 245/78, 267/85, 289/92, 311/99. Diese 14 Brüche bilden eine steigende Folge und die letzten sieben sind beste Näherungen 1. Art.

In der Abbildung rechts sind diese (Neben-) Näherungsbrüche illustriert: Auf der y-Achse ist \log _{{10}}|\pi -p/q| gegen q auf der x-Achse abgetragen. Außer den Näherungen von unten (rot) und von oben (blau) enthält die Graphik noch die Schranke 1/({\sqrt  {5}}\cdot q^{2}), deren Bedeutung im nächsten Abschnitt klar wird. [9] Gut zu sehen ist, dass nur die zweite Hälfte der Nebennäherungsbrüche für n = 0 eine bessere Näherung liefert als 22/7. Außerdem sieht man, dass die Näherung durch 355/113 außergewöhnlich gut ist (Grund dafür: Der nächste Teilnenner ist mit 292 sehr groß).

Sätze über quadratische Approximierbarkeit

In diesem Abschnitt stellen wir Ergebnisse vor, die zum Thema „Diophantische Approximation“ überleiten.

Aus Gleichung (3) folgt wegen q_{{n+1}}>q_{n}\colon Zu jeder irrationalen Zahl \alpha gibt es unendlich viele Brüche a/b mit [10]

\left|\alpha -{\frac  {a}{b}}\right|<{\frac  {1}{b^{2}}}.

Umgekehrt gilt für jede reelle Zahl \alpha :

Satz (Legendre): Erfüllt ein Bruch a/b die Ungleichung \left|\alpha -{\tfrac  {a}{b}}\right|<{\tfrac  {1}{2b^{2}}}, so ist a/b ein Näherungsbruch von \alpha .

Diese Ungleichung wird jedoch nicht von jedem Näherungsbruch erfüllt. Es gilt aber:

Satz (Theodor Vahlen, 1895): Von jeweils zwei aufeinanderfolgenden Näherungsbrüchen der reellen Zahl \alpha erfüllt mindestens einer die Ungleichung

\left|\alpha -{\frac  {p_{n}}{q_{n}}}\right|<{\frac  {1}{2\,q_{n}^{2}}}.

Insbesondere gibt es auch hier für irrationales \alpha unendlich viele Brüche mit dieser Eigenschaft.

Bezieht man drei Näherungsbrüche in die Auswahl ein, so gilt sogar:

Satz (Émile Borel, 1903): Von jeweils drei aufeinanderfolgenden Näherungsbrüchen der reellen Zahl \alpha erfüllt mindestens einer die Ungleichung

\left|\alpha -{\frac  {p_{n}}{q_{n}}}\right|<{\frac  {1}{{\sqrt  {5}}\,q_{n}^{2}}}.

Insbesondere gibt es für irrationales \alpha unendlich viele Brüche mit dieser Eigenschaft.

Man könnte angesichts dieser Ergebnisse vermuten, dass man die Bedingung durch Einbeziehen von vier oder mehr aufeinanderfolgenden Näherungsbrüche weiter verschärfen kann. Dies ist aber nicht der Fall:

Satz (Adolf Hurwitz, 1891, siehe auch Satz von Hurwitz): Sei \phi =[1;1,\ldots ] die goldene Zahl. Dann gibt es für jede reelle Zahl c mit c>{\sqrt  {5}} nur endliche viele Brüche a/b mit

\left|\phi -{\frac  {a}{b}}\right|<{\frac  {1}{c\ b^{2}}}.

Eine Verschärfung lässt sich nun nur erreichen, wenn man die zu \phi äquivalenten Zahlen ausschließt:

Satz (Hurwitz, 1891): Für alle irrationalen Zahlen \alpha , die nicht äquivalent zu \phi sind, gibt es unendlich viele Brüche a/b mit

\left|\alpha -{\frac  {a}{b}}\right|<{\frac  {1}{{\sqrt  {8}}b^{2}}}. 
 
  (5)
 

Durch weiteres Ausschließen von Äquivalenzklassen kann man die Konstante c weiter vergrößern. Die dabei auftretenden Werte c bilden das sogenannte Lagrange-Spektrum. Sie konvergieren gegen die Zahl 3 und sind mit den Markoff-Zahlen verwandt.

Eigenschaften fast aller irrationalen Zahlen

Beispiele für augenscheinliche, aber bislang nicht nachgewiesene Konvergenz gegen die Chintschin-Konstante,
Rot: \pi (Kreiszahl),
Blau: \gamma (Euler-Mascheroni-Konstante),
Grün: ∛2 (Kubikwurzel aus 2).
Schwarze Linie: Chintschin-Konstante
Nachweislich keine Konvergenz gegen die Chintschin-Konstante,
Rot: e (Eulersche Zahl),
Blau: √2 (Wurzel 2),
Grün: √3 Wurzel 3).
Schwarze Linie: Chintschin-Konstante

Chintschin-Konstante

Die sogenannte metrische Kettenbruchtheorie beschäftigt sich mit Eigenschaften, die typische reelle Zahlen haben. Sie geht auf den gleichnamigen Artikel von Alexander Chintschin in der Zeitschrift Compositio Mathematica aus dem Jahr 1935 zurück, aber auch Gauß beschäftigte sich schon mit ähnlichen Themen.[11] Typisch ist hier im maßtheoretischen Sinn zu verstehen: Man formuliert Eigenschaften, die, bis auf eine Nullmenge, alle reellen Zahlen besitzen. In diesem Fall sagt man, dass fast alle reellen Zahlen diese Eigenschaft haben.

Das Ergebnis von Chintschin lautet: Für fast alle reellen Zahlen konvergiert \textstyle {\sqrt[ {n}]{b_{1}b_{2}\cdots b_{n}}} für n\to \infty gegen die Konstante

\prod _{{r=1}}^{\infty }\left(1+{\frac  {1}{r(r+2)}}\right)^{{\log _{2}r}}=2{,}685452001\ \dots   (Folge A002210 in OEIS).

Das geometrische Mittel der Teilnenner fast jeder reellen Zahl konvergiert also gegen eine feste Konstante. Zu den Ausnahmen gehören alle rationalen Zahlen, da sie nur endlich viele Teilnenner besitzen – aber sie bilden eben auch nur eine Nullmenge der reellen Zahlen.

Es ist nicht bekannt, ob diese sogenannte Chintschin-Konstante rational, algebraisch irrational oder transzendent ist.

Die Kettenbruchentwicklungen von Zahlen, für die der Grenzwert nicht existiert oder ungleich der Chintschin-Konstante ist, sind meist besonders regelmäßig. Dies gilt für reelle Lösungen quadratischer Gleichungen (periodische Kettenbruchentwicklung, z.B. die Quadratwurzel von 2), die Eulersche Zahl e (Muster wurde weiter oben erwähnt) und beispielsweise alle Zahlen der Form {\displaystyle e^{1/n}} oder {\displaystyle e^{2/n}} (n\in \mathbb {N} ).

Rechts sind Diagramme zu den Graphen der Funktion \textstyle n\mapsto {\sqrt[ {n}]{b_{1}b_{2}\cdots b_{n}}} für je drei Beispiele zu sehen.

Vergleich von Kettenbruchdarstellung und Dezimaldarstellung

Der Satz von Lochs besagt folgendes: Für fast jede reelle Zahl zwischen {\displaystyle 0} und 1 bekommt man auf lange Sicht für jedes weitere Glied eines Kettenbruchs {\tfrac  {\pi ^{2}}{6\ln 2\ln 10}}\approx 1{,}03064-viele gültige Dezimalstellen. Damit ist die Darstellung mit Kettenbrüchen (für fast alle Zahlen) nur leicht effizienter als die Dezimaldarstellung. Die Lochs-Konstante ist mit der Lévy-Konstante \lim _{{n\to \infty }}{\sqrt[ {n}]{q_{n}}}=e^{{\frac  {\pi ^{2}}{12\ln 2}}} verwandt (sie ist das Doppelte des Zehner-Logarithmus der Lévy-Konstante).

Literatur

Anmerkungen

  1. Dass dieser Kettenbruch gleich der Quadratwurzel von 2 ist, wird im Abschnitt Periodische Kettenbrüche gezeigt.
  2. Die Angabe des relativen Fehlers ist hier nicht sinnvoll, da sich die Approximationseigenschaften einer Zahl nicht durch Addition von ganzen Zahlen ändern.
  3. Leonhard Euler und Chr. Goldbach, Briefwechsel.
  4. In der älteren Literatur werden a_{i} und b_{i} oft vertauscht, sodass die Teilnenner a_{i} heißen.
  5. Außer den hier angegebenen Schreibweisen gibt es noch b_{0}+{\tfrac  {1}{b_{1}+{}}}{\tfrac  {1}{b_{2}+{}}}{\tfrac  {1}{b_{3}+{}}}\cdots (zum Beispiel in Conway, Guy: The book of numbers. Springer, 1996), \langle b_{0},b_{1},b_{2},b_{3},\ldots \rangle (z.B. im Buch von Niven/Zuckerman) sowie b_{0}+/\!/b_{1},b_{2},b_{3},\ldots /\!/ (z.B. in Donald Knuth: >The Art of Computer Programming. (Band 2), Addison Wesley, 1997).
  6. Das wäre zum Beispiel nicht der Fall, wenn als Teilnenner beliebige positive reelle Zahlen zugelassen wären. In diesem Fall gilt: Der Kettenbruch [b_{0};b_{1},\ldots ] konvergiert genau dann, wenn die Summe \textstyle \sum _{{i=0}}^{\infty }b_{i} divergiert.
  7. Als Quelle siehe Eulers De usu novi algorithmi in problemate Pelliano solvendo. Ganz unten erkennt man auch die Zahl 61. Die Kettenbruchentwicklung ihrer Quadratwurzel hat Periode 11: {\sqrt  {61}}=[7;\overline {1,4,3,1,2,2,1,3,4,1,14}] und Euler rechnet sie als nächstes Beispiel aus. Einige Seiten später findet man eine komplette Liste der periodischen Kettenbrüche für d bis 120.
  8. Es gibt noch einen Ausnahmefall für rationale Zahlen \alpha , der aber vermieden werden kann, wenn man nur solche Kettenbrüche erlaubt, deren letzter Teilnenner größer als 1 ist. Es handelt sich um \alpha =b_{0}+1/2. Diese kann man als [b_{0};2] oder als [b_{0};1,1] schreiben. Im letzten Fall ist p_{1}/q_{1}=b_{0}+1 und dieser Näherungsbruch hat den gleichen Abstand zu \alpha wie der 0-te Näherungsbruch b_{0}. Siehe Hardy/Wright, Seite 194.
  9. Genauer formuliert müsste man natürlich sagen, dass die Graphik zusätzlich noch den Logarithmus dieser Schranke enthält.
  10. Siehe auch die ähnliche Aussage im Artikel Dirichletscher Approximationssatz.
  11. Der Satz von Gauß-Kusmin betrifft die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Teilnenner reeller Zahlen (R. O. Kusmin, 1928, außerdem Paul Lévy, 1929). Es gilt nämlich für alle natürlichen Zahlen k: Das Maß von {\displaystyle M_{n}(k)=\{x\in [0,1]\mid n{\text{-ter Teilnenner von }}x{\text{ ist gleich }}k\}} konvergiert für n\to \infty gegen -\log _{2}\left[1-{\tfrac  {1}{(k+1)^{2}}}\right]. Für k=1 beträgt der Grenzwert ungefähr 41 %, für k=2 ungefähr 17 %. Siehe hierzu das Buch von Chintschin.
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Basierend auf einem Artikel in: Extern Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung:  Jena, den: 31.07. 2022