Normale Zahl
Als normale Zahl wird in der Mathematik
eine reelle Zahl bezeichnet,
unter deren Nachkommaziffern für jedes
alle möglichen
-stelligen
Ziffernblöcke mit gleichen asymptotischen relativen Häufigkeiten auftreten.
Eine Zahl heißt also normal, wenn in ihrer Ziffernfolge jeder Ziffernblock vorkommt und Ziffernblöcke gleicher Länge gleich häufig auftreten.
Definition
Sequenzen über einem Alphabet
Sei
ein endliches Alphabet
und
bezeichne die Menge aller Folgen
(= unendlichen Sequenzen) über diesem Alphabet. Sei
eine solche Folge. Für jedes Zeichen
sei mit
die Anzahl bezeichnet, wie oft
in den ersten
Gliedern der Folge
auftritt. Die Folge
heißt einfach normal genau dann, wenn für jedes
folgende Grenzwertbeziehung
erfüllt ist:
Sei
ein Wort
(= endliche Sequenz) über diesem Alphabet, also aus
,
und sei
die Anzahl, wie oft das Wort
als Teilwort in den ersten
Zeichen der Folge
auftritt. (Beispiel: Für
gilt
.)
Die Folge
heißt normal genau dann, wenn für alle endlichen
folgende Grenzwertbeziehung gilt:
wobei
die Länge des Worts
bezeichnet und
die Anzahl der Zeichen im Alphabet
.
Mit anderen Worten ist die Folge
genau dann normal, wenn alle Wörter gleicher Länge
mit der gleichen asymptotischen Häufigkeit auftreten. In einer normalen
Binärfolge (= Folge über dem Alphabet
)
kommen die Ziffern
und
im Grenzwert
mit der Häufigkeit
vor, außerdem die Paarungen
,
,
und
mit der Häufigkeit
,
die Dreierblocks
,
,
,
,
,
und
mit der Häufigkeit
usw.
Betrachten wir nun als Zeichenfolge eine Ziffernfolge
einer beliebigen reellen
Zahl
in der Darstellung in einem Stellenwertsystem
(als Zahlensystem) mit einer ganzzahligen Basis
(
-adische
Darstellung). Die Zeichen sind hier die Ziffern dieser Darstellung von
bis
,
das Alphabet ist also
.
Die Position des Dezimaltrenners (Komma) spielt keine Rolle.
Zu jedem -stelligen
Ziffernblock
dieser Darstellung (d.h. aus Ziffern zur Basis
und mit Länge
)
bezeichnet
die Anzahl, mit welcher der Ziffernblock
unter den ersten
Nachkommastellen von
auftritt.
Einfach normale Zahl
Die Zahl
heißt einfach normal zur Basis
,
wenn jede Ziffernfolge
in der
-adischen
Darstellung eine einfach normale Folge über dem Alphabet
ist. (Wenn das der Fall ist, ist die Wahl für die Ziffernfolge eindeutig;
allgemein ist diese Ziffernfolge nicht eindeutig)
Das ist genau dann der Fall, wenn für alle Ziffern
dieser Darstellung gilt:
Beispielsweise ist die Zahl
(periodischer Block von
in Basis
)
einfach normal in Basis
,
da die Ziffern
und
gleich häufig vorkommen.
Normale Zahl
Die Zahl
heißt normal zur Basis
genau dann, wenn die Ziffernfolge
in der
-adischen
Darstellung eine normale Folge über dem Alphabet
ist. Das ist genau dann der Fall, wenn für jede endliche Sequenz
von Ziffern dieser Darstellung gilt:
(Die Sequenz
bezeichnet man auch als
-stelligen
Ziffernblock)
Es lässt sich zeigen, dass eine Zahl
genau dann normal zur Basis
ist, wenn die Folge
Absolut normale Zahl
Die Zahl
heißt absolut normal, wenn sie zu jeder Basis
normal ist.
Es gilt folgende Äquivalenz: die Zahl
ist genau dann normal zur Basis
,
wenn sie einfach normal zu jeder der Basen
ist.
Anzahl normaler Zahlen
Der Begriff normale Zahl wurde 1909 von Émile Borel eingeführt. Er bewies auch gleich mit Hilfe des Borel-Cantelli-Lemmas, dass fast alle (im Lebesgue-Sinn) reellen Zahlen normal bzw. sogar absolut normal sind.
Die Menge der nicht-normalen Zahlen ist allerdings überabzählbar, wie sich leicht anhand einer dem Cantorschen Diskontinuum entsprechenden Konstruktion zeigen lässt.
Konstruktion normaler Zahlen
Wacław Sierpiński lieferte im Jahr 1917 die erste Konstruktion einer normalen Zahl. Verónica Becher und Santiago Figueira gaben 2002 einen Algorithmus zur Berechnung der von Sierpiński konstruierten Zahl an. Die Chaitinsche Konstante ist ein Beispiel einer nicht berechenbaren normalen Zahl.
David Gawen Champernowne gab im Jahr 1933 die erste explizite Konstruktion einer normalen Zahl an, die als Champernowne-Zahl bekannt ist. Im Dezimalsystem lauten die ersten Stellen:
Sie ist Folge A033307
in OEIS
und wird gebildet durch Aneinanderreihen der natürlichen
Zahlen zur Basis
.
Die Champernowne-Zahl ist nicht normal bezüglich einiger anderer Basen.
Die Copeland-Erdős-Zahl,
benannt nach Arthur
Herbert Copeland und Paul
Erdős, ist ein weiteres Beispiel einer zur Basis
normalen Zahl, Folge
A33308
in OEIS.
Die ersten Dezimalstellen lauten:
Sie wird durch Aneinanderreihen aller Primzahlen
zur Basis
gebildet.
Wolfgang
Schmidt untersuchte 1960, unter welchen Bedingungen an
und
Zahlen, die zur Basis
normal sind, auch zur Basis
normal sind, und zeigte: Wenn
eine rationale Zahl ist (äquivalent: wenn es positive natürliche Zahlen
und
mit
gibt), dann ist jede zur Basis
normale Zahl auch zur Basis
normal. Die Umkehrung gilt ebenfalls, und sogar: Wenn
irrational ist, dann hat die Menge der Zahlen, die zur Basis
normal und zur Basis
nicht normal sind, die Mächtigkeit des Kontinuums.
Nicht normale Zahlen
Eine rationale Zahl kann zu keiner Basis normal sein, da ihre Darstellung stets periodisch wird. Es gibt aber auch Konstruktionen irrationaler Zahlen, die zu keiner Basis normal sind (man nennt solche Zahlen absolut abnormal).
Kreiszahl π
Es ist von vielen irrationalen Zahlen nicht bekannt, ob sie zu irgendeiner
Basis normal sind oder nicht, unter ihnen sind die Kreiszahl
,
die Eulersche
Konstante
,
der natürliche Logarithmus
der Zahl 2 oder
.
Die meisten als normal erkannte Zahlen wurden mit dieser Eigenschaft als Ziel
konstruiert.
Die Mathematiker David H. Bailey und Richard E. Crandall stellten 2001 die bis heute nicht bewiesene Vermutung auf, dass jede irrationale algebraische Zahl normal ist.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 29.08. 2021