Cantor-Menge

Unter der Cantor-Menge, auch cantorsches Diskontinuum, Cantor-Staub oder Wischmenge genannt, versteht man in der Mathematik eine bestimmte Teilmenge der Menge der reellen Zahlen mit besonderen topologischen, maßtheoretischen, geometrischen und mengentheoretischen Eigenschaften: Sie ist

Die Cantormenge ist nach dem Mathematiker Georg Cantor benannt.

Für eine Definition und genauere Beschreibungen dieser Menge siehe unten.

Allgemeiner nennt man auch gewisse Mengen oder topologische Räume Cantormengen, wenn sie einen Teil dieser Eigenschaften besitzen. Welche dieser Eigenschaften gefordert werden, hängt dabei vom mathematischen Gebiet und oft auch vom Kontext ab. Ein topologischer Raum, der homöomorph zur Cantor-Menge ist, heißt Cantor-Raum.

Konstruktion

Die ersten fünf Iterationsschritte zur Konstruktion der Cantor-Menge

Schnitte von Intervallen

Die Cantor-Menge lässt sich mittels folgender Iteration konstruieren:

Man beginnt mit dem abgeschlossenen Intervall [0,1] der reellen Zahlen von 0 bis 1. Aus diesem Intervall wird das offene mittlere Drittel entfernt (weggewischt), also alle Zahlen, die strikt zwischen 1/3 und 2/3 liegen. Übrig bleiben die beiden Intervalle [0,{\tfrac  13}] und [{\tfrac  23},1]. Aus diesen beiden Intervallen wird wiederum jeweils das offene mittlere Drittel entfernt und man erhält nun vier Intervalle: [0,{\tfrac  19}], [{\tfrac  29},{\tfrac  13}], [{\tfrac  23},{\tfrac  79}] und [{\tfrac  89},1]. Von diesen Intervallen werden wiederum die offenen mittleren Drittel entfernt. Dieser Schritt wird unendlich oft wiederholt. Mathematisch lässt sich dies wie folgt präzisieren: Ausgehend von der Menge {\displaystyle  A_0=[0,1] } konstruiert man eine Funktion f, welche das „Wegwischen“ formalisiert, und setzt dann {\displaystyle  A_1=f(A_0)} beziehungsweise als iterative Abbildungsvorschrift {\displaystyle  f(A_{n})=A_{n+1}} oder in geschlossener Form

{\displaystyle A_{n}=f^{n}(A_{0})}

wobei {\displaystyle f^{n}} die n-fache Hintereinanderausführung der Funktion f ist. Die Funktion lässt sich durch eine beliebige Menge A beschreiben als

{\displaystyle  f(A)=\frac{1}{3}\left( A \cup (2+A)\right) },

wobei hier mit der Translation und Skalierung einer Menge die elementweise Translation und Skalierung gemeint ist. Der Schnitt all dieser Mengen ist dann die Cantormenge {\mathcal  {C}}

{\displaystyle  \mathcal{C}:=\bigcap_{n=0}^\infty A_n }

Die Cantormenge besteht nun aus allen Punkten, die jedes Wegwischen überlebt haben. Im Grenzfall (Schnitt über alle k-ten Wischmengen, k\in \mathbb {N} ) ist der Anteil am ursprünglichen Intervall Null, obwohl noch immer überabzählbar viele Elemente vorliegen. Dieses Konstruktionsverfahren ist verwandt mit dem für die Koch-Kurve.

Als triadische Entwicklung

Man kann die Cantormenge auch als die Menge aller Zahlen im Intervall [0,1] beschreiben, die eine Darstellung als Kommazahl zur Basis 3 besitzen, in der nur die Ziffern 0 und 2 vorkommen. Die Darstellung zur Basis Drei wird auch triadische Entwicklung genannt. Jede Zahl aus dem Intervall [0,1] lässt sich darstellen als

x=\sum _{{i=1}}^{\infty }{\frac  {x_{i}}{3^{i}}},

wobei x_{i}\in \{0,1,2\} ist. So ist zum Beispiel {\frac  {23}{27}}={\frac  {2}{3}}+{\frac  {1}{9}}+{\frac  {2}{27}}. Somit ist x_{1}=2,\,x_{2}=1,\,x_{3}=2 und x_{i}=0 wenn i>3. Es lässt sich zeigen, dass die oben konstruierte Menge A_{n} dann genau der Menge der Zahlen entspricht, bei denen bis zu der n-ten Stelle ihrer triadischen Entwicklung nur eine Null oder eine Zwei steht.

{\displaystyle  A_n=\{x \in [0,1]| \, x_i \in \{0,2\} \text{ für alle } i \leq n\} }

Der Schnitt all dieser Mengen ist wieder die Cantor-Menge und enthält damit alle Zahlen, deren triadsche Entwicklung keine eins enthält. Insbesondere enthält die Cantormenge mehr als nur die Randpunkte der entfernten Intervalle; diese Randpunkte sind genau die Zahlen in [0,1], welche sich mit einer 0-Periode oder mit einer 2-Periode schreiben lassen, zum Beispiel

1/3=2\cdot 3^{{-2}}+2\cdot 3^{{-3}}+2\cdot 3^{{-4}}+\cdots =0{,}0\overline {2}_{3}=0{,}1_{3}

ist der linke Randpunkt des im ersten Schritt entfernten Intervalls. Die Verwendung der Ziffer 1 wird durch die 2-Periode umgangen, welche dieselbe Zahl darstellt. (Dies ist nur für eine 1 direkt vor der 0-Periode möglich. An anderer Stelle kann aber keine 1 auftreten, da die Zahl sonst mitten in einem der gestrichenen Intervalle läge.) Darüber hinaus ist aber z.B. auch 1/4 in der Cantormenge, denn

1/4=2\cdot 3^{{-2}}+2\cdot 3^{{-4}}+2\cdot 3^{{-6}}+\cdots =0{,}\overline {02}_{3}

Eigenschaften

\lambda ^{1}({\mathcal  {C}})=\lim _{{n\to \infty }}\lambda ^{1}(A_{n})=\lim _{{n\to \infty }}{\frac  {2^{n}}{3^{n}}}=0.
Somit ist auch das Lebesgue-Maß der Cantor-Menge gleich Null, da die Borelsche σ-Algebra in der Lebesgueschen σ-Algebra enthalten ist und die Maße dort übereinstimmen.

0-1-Folgen

Das kartesische Produkt abzählbar unendlich vieler Kopien der zweielementigen Menge \{0, 1\} ist die Menge aller unendlichen Folgen, die nur die Werte 0 und 1 annehmen, d.h. die Menge aller Funktionen x\colon {\mathbb  N}\to \{0,1\}. Diese Menge wird mit 2^{\mathbb N} bezeichnet. Durch die oben genannte triadische Entwicklung lässt sich eine natürliche Bijektion zwischen der Cantormenge und der Menge 2^{\mathbb N} angeben: Die Zahl mit der triadischen Entwicklung 0,abc\ldots wird in die Folge (a/2,b/2,c/2,\ldots ) übersetzt; die Zahl 1/4 entspricht also der Folge (0,1,0,1,\ldots).

Die Menge 2^{\mathbb N} trägt auch eine natürliche Topologie (nämlich die Produkttopologie, die durch die diskrete Topologie auf der Menge \{0, 1\} induziert wird). Die gerade genannte Abbildung ist ein Homöomorphismus zwischen der Cantormenge und dem topologischen Raum 2^{\mathbb N}. Dieser wird daher als Cantor-Raum bezeichnet.

Cantor-Verteilung und Cantorfunktion

Eng verwandt mit der Cantormenge ist die Cantor-Verteilung. Sie wird ähnlich wie die Cantormenge konstruiert. Ihre Verteilungsfunktion wird auch Cantorfunktion bezeichnet.

Die Cantorverteilung dient häufig als Beispiel für die Existenz von stetigsingulären Verteilungen, welche singulär bezüglich des Lebesgue-Maßes sind, aber dennoch eine stetige Verteilungsfunktion besitzen (Funktionen mit sog. singulär-kontinuierlichem Verhalten).

Andere Cantormengen

Die Cantormenge (auch Mitteldrittel-Cantormenge, middle thirds Cantor set) wurde oben beschrieben. Unter einer Cantormenge versteht man eine Menge von reellen Zahlen, die man mit einer Variante des obigen Wischprozesses bekommt, wobei man nun die Längen und Anzahlen der weggewischten Intervalle variieren kann:

Man beginnt mit einem beliebigen Intervall [a, b] von reellen Zahlen. Im ersten Schritt entfernt man endlich viele offene disjunkte Unterintervalle (mindestens aber eines) und erhält so endlich viele abgeschlossene Intervalle (mindestens 2).

Im zweiten Schritt entfernt man aus jedem der enthaltenen Intervalle wiederum endlich viele Unterintervalle (jeweils mindestens eines).

Wiederum definiert dieser Prozess eine Menge von reellen Zahlen, nämlich jene Punkte, die niemals in eines der weggewischten Intervalle gefallen sind.

Man kann zeigen, dass alle so konstruierten Cantormengen zueinander homöomorph sind und dass sie insbesondere zur Menge aller reellen Zahlen gleichmächtig sind. Indem man die Proportion „Längen der weggewischten Intervalle: Längen der übrigbleibenden Intervalle“ geeignet variiert, kann man eine Cantormenge erzeugen, deren Hausdorff-Dimension eine beliebige vorgegebene Zahl im Intervall [0,1] ist.

Ein zweidimensionales Analogon der Cantor-Menge ist der Sierpinski-Teppich, ein dreidimensionales der Menger-Schwamm.

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Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung:  Jena, den: 10.01. 2021