Dualität von Lp-Räumen
Unter Dualität von Lp-Räumen, kurz
Lp-Dualität, versteht man eine Reihe von Sätzen aus dem
mathematischen Gebiet der Funktionalanalysis,
die sich mit den Dualräumen
von
Lp-Räumen beschäftigen, wobei
eine reelle Zahl ist. Die wesentliche Aussage lautet, dass Dualräume von
Lp-Räumen wieder von dieser Art sind, nämlich Lq-Räume,
wobei
sein muss. Das heißt, in einprägsamer Form gilt
.
Der Fall p > 1
Es sei
der sogenannte zu
konjugierte Exponent, das heißt diejenige Zahl
,
für die
gilt. Dies ist äquivalent mit
.
Ist weiter
ein Maßraum, dann kann man die
Banachräume
und
über dem Körper
bilden, wobei
für
oder
steht. Wie üblich werden fast
überall übereinstimmende Funktionen ohne weitere Hinweise identifiziert, um
eine umständliche Sprech- und Schreibweise über Äquivalenzklassen von Funktionen
zu vermeiden. Nach der Hölderschen
Ungleichung gilt
für alle
,
wobei
die Norm auf dem Lp-Raum bezeichnet und entsprechend
.
Diese Abschätzung zeigt, dass
ein beschränktes
lineares
Funktional auf ,
also ein Element des Dualraums
ist, mit
.
Mit Hilfe des Satzes
von Radon-Nikodým kann man zeigen, dass jedes beschränkte lineare Funktional
auf
von dieser Form ist und dass für die Normen sogar Gleichheit gilt. Man hat daher
folgenden Satz:
- Es seien
ein Maßraum und
. Dann ist die Abbildung
- ein isometrischer Isomorphismus.
Genau dieser Isomorphismus ist gemeint, wenn man kurz
schreibt.
Da
und
ja in einer symmetrischen Beziehung zueinander stehen, ergibt sich aus diesem
Satz sofort
.
Verwendet man die im Satz angegebenen Isomorphismen, so erkennt man, dass es
sich hier um die kanonische Einbettung von >
in seinen Bidualraum
handelt. Die Lp-Räume sind also reflexiv.
Obiger Satz, der manchmal nicht ganz korrekt als Satz von Riesz
zitiert wird, hat mehrere Väter. Der bereits 1907 bewiesene Hilbertraum-Fall
geht auf Maurice Fréchet zurück.
Das Einheitsintervall steht hier für den Maßraum [0,1] mit der Borelschen
σ-Algebra und dem auf [0,1] eingeschränkten Lebesgue-Maß.
Die Verallgemeinerung dieses Ergebnisses auf beliebige Hilberträume ist auch als
Darstellungssatz
von Fréchet-Riesz (oder Rieszscher Darstellungssatz) bekannt. Frigyes Riesz hat drei Jahre
später den Fall
für
bewiesen.
Das wurde dann von Otton Marcin Nikodým auf den Fall endlicher Maßräume verallgemeinert.
Der allgemeinste Fall eines beliebigen Maßraums wurde schließlich 1950 von Edward James McShane behandelt.
Ein sehr einfacher Spezialfall sind die Folgenräume
,
die man erhält, wenn man
und für
das Zählmaß
nimmt. Die Elemente aus
werden als Folgen
geschrieben, wobei eine solche Folge für die
-Funktion
steht. Für die Dualität zwischen
und
erhält man an Stelle obiger Integrale eine Summe:
für alle
und
.
Diese Aussage kann auch ohne maßtheoretischen Aufwand bewiesen werden.
Der Fall p = 1
Ein entsprechender Satz über den Dualraum von L1-Räumen gilt
nicht in voller Allgemeinheit. Bildet man den zu 1 konjugierten Exponenten, so
muss man
nehmen. Hugo Steinhaus konnte 1919 in der Tat
zeigen, wobei die isometrische Isomorphie durch den zum oben definierten
Operator
analogen Operator vermittelt wird.
Die zusätzliche Schwierigkeit besteht letztlich darin, dass die auftretenden
Räume, von trivialen Ausnahmen abgesehen, nicht mehr reflexiv sind. Es lässt
sich aber noch folgender Satz zeigen :
- Es sei
ein
-endlicher Maßraum. Dann ist die Abbildung
- ein isometrischer Isomorphismus.
Auf die zusätzliche Voraussetzung der -Endlichkeit
des Maßraums kann nicht verzichtet werden. Betrachtet man zum Beispiel auf
die
-Algebra
derjenigen Mengen, die abzählbar
sind oder deren Komplement abzählbar ist, und als Maß
das Zählmaß, so ist
der Raum aller Funktionen
,
die höchstens an abzählbar vielen Stellen von null verschieden sind und für die
gilt. Offenbar ist durch
ein beschränktes lineares Funktional auf
definiert. Wäre dieses von der Form
für ein
,
so müsste
konstant gleich 1 auf
und konstant gleich 0 auf
sein. Eine solche Funktion ist aber nicht
-messbar. Daher kann
in diesem Beispiel die im Satz beschriebene Isomorphie nicht bestehen.
Es gibt aber eine wichtige Situation, die auch gewisse nicht--endliche
Maßräume umfasst, in der man dennoch zu einem befriedigenden Resultat kommt,
nämlich die der lokalkompakten
Gruppen.
In der harmonischen
Analyse ist folgender Satz wichtig:
- Es seien
eine lokalkompakte Gruppe,
die Borelsche
-Algebra auf
und
ein reguläres Borelmaß auf
. Dann ist
- ein isometrischer Isomorphismus.
Dabei heißt das Maß
regulär, wenn folgende drei Bedingungen erfüllt sind:
für alle kompakten Teilmengen
,
für alle offenen Teilmengen
,
für alle Borelmengen
.
Der Satz gilt also insbesondere auch für das Haarsche
Maß auf ,
das heißt, man kann den Dualraum der Gruppenalgebra
auch für nicht-
-endliche
Gruppen durch obigen Satz beschreiben.
Der Fall 0 < p < 1
Für
ist Lp(X,A,μ)
zwar kein normierter
Raum, aber immerhin ein vollständiger
topologischer
Vektorraum
mit der Quasinorm
bzw. der Pseudonorm oder Fréchet-Metrik
Diese Räume sind im Allgemeinen nicht lokalkonvex,
der Satz
von Hahn-Banach also im Allgemeinen nicht anwendbar, sodass es
möglicherweise „sehr wenige“ lineare stetige Funktionale gibt. Insbesondere ist
nicht gesichert, dass die schwache
Topologie auf
Punkte trennen
kann.
Prototypisch ist das Beispiel
mit der Borel-Algebra
über dem Intervall
und dem Borel-Lebesgue-Maß
.
Hier sind die einzigen konvexen
offenen Mengen die leere Menge
und der gesamte Raum
selbst.
Da Urbilder
konvexer offener Mengen in
unter einem linearen stetigen Funktional konvexe offene Mengen in
sind, folgt, dass das Nullfunktional das einzige lineare stetige Funktional ist.
Der Dualraum ist somit trivial:
- IMG class="text" style="width: 18.95ex; height: 3.17ex; vertical-align: -0.83ex;" alt="\left(L^{p}\left(\left[0,\,1\right]\right)\right)'=\left\{0\right\}" src="/svg/b7ce71d9396f46969b804b0781be21929d6f0997.svg">.
Insbesondere ist in diesem Raum die Aussage des Trennungssatzes nicht
gültig, da sich keine zwei Punkte durch eine abgeschlossene Hyperebene trennen lassen.
Die schwache Topologie auf
ist indiskret.
Es gibt aber auch weniger extreme Beispiele, wie die Folgenräume
mit dem Zählmaß
.
Diese Räume besitzen zwar nichttriviale absolutkonvexe
offene Mengen, aber nicht genug um eine Nullumgebungsbasis
zu bilden: Da jede konvexe offene Menge in
unbeschränkt ist, sind auch die
nicht lokalkonvex.
Trotzdem gibt es „viele“ lineare stetige Funktionale. Es gilt nämlich für
:
Die Inklusion „“
sieht man leicht, denn für
und
gilt:
Für ,
und
das Zählmaß,
also
mit der
-Quasinorm,
ist die Topologie
auf diesem Raum sogar mit der üblichen Topologie des
identisch, da es auf jedem endlichdimensionalen reellen oder komplexen
Vektorraum genau eine Hausdorff-Topologie gibt, die den Raum zu einem
topologischen Vektorraum macht.
Obwohl die Kugeln in der erzeugenden Quasinorm nicht konvex sind,
erzeugt diese eine lokalkonvexe Topologie:
Der Satz
von Hahn-Banach ist anwendbar und der Dualraum wieder ,
wie im euklidischen
bzw. unitären
Fall. Die schwache Topologie ist aus den gleichen Gründen wie oben mit der
-Quasinormtopologie
sowie der üblichen Topologie identisch.
Banachraum-wertige Lp-Funktionen
Ist neben dem Maßraum
noch ein Banachraum
gegeben, so kann man den Raum
aller
-messbaren
Funktionen
,
für die das Integral
endlich ist, bilden, wobei wie üblich fast überall übereinstimmende Funktionen
identifiziert werden (siehe auch Bochner-Integral).
Die Norm
macht
zu einem Banachraum. Sind nun
und
,
so kann man
bilden, und es gilt:
.
Man erhält daher wieder eine Abbildung
und man kann folgenden Satz zeigen:
- Sind
ein Maßraum,
ein separabler, reflexiver Banachraum und
sowie
der zu
konjugierte Exponent, so ist
- ein isometrischer Isomorphismus.
Es gilt also die erwartete und leicht einprägsame Formel
.
Gewichtete lp-Räume
Es sei eine Folge
positiver Zahlen, sogenannter Gewichte, gegeben. Der zugehörige gewichtete
-Raum
ist der Folgenraum
mit der Norm
.
Dies ist nichts anderes als der Raum ,
wobei das Maß
durch
definiert ist. Wendet man darauf obigen Satz über die Lp-Dualität an,
erhält man einen isometrischen Isomorphismus
.
In der Theorie der Folgenräume betrachtet man aber lieber eine durch den
Ausdruck
gegebene Dualität, das heißt, man möchte die Faktoren
vermeiden. Dazu muss man von der Folge
zur Folge
übergehen. Da
,
gilt
,
wobei
für die aus den Kehrwerten der
gebildete Folge von Gewichten steht. Man erhält also einen isometrischen
Isomorphismus
.
Kombiniert man diesen mit obigem isometrischen Isomorphismus ,
so gelangt man zu:
- Es seien
eine Folge von Gewichten,
und
der zu
konjugierte Exponent. Dann ist
- ein isometrischer Isomorphismus.
Dieser isometrische Isomorphismus ist gemeint, wenn man
schreibt. Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass dieser nicht der isometrische Isomorphismus aus dem allgemeinen Satz über Lp-Dualität ist, außer wenn alle Gewichte gleich 1 sind.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 08.02. 2021