Folgenraum
Ein Folgenraum ist ein in der Mathematik
betrachteter Vektorraum,
dessen Elemente Zahlenfolgen
sind. Viele in der Funktionalanalysis
auftretende Vektorräume sind Folgenräume oder können durch solche repräsentiert
werden. Zu den Beispielen zählen u.a. die wichtigen Räume wie
aller beschränkten Folgen oder
aller gegen 0 konvergenten Folgen. Die Folgenräume bieten vielfältige
Möglichkeiten zur Konstruktion von Beispielen und können daher auch als eine
Spielwiese für Funktionalanalytiker betrachtet werden.
Einführung
Mit
wird der Vektorraum aller Folgen in
(=
oder
)
bezeichnet. Folgen können komponentenweise addiert und mit reellen bzw.
komplexen Zahlen multipliziert werden. Sind etwa
und
solche Folgen und ist
,
so ist
.
Es ist klar, dass
mit diesen Operationen ein
-Vektorraum
ist. Folgenräume sind Unterräume dieses Vektorraums, die, um eine
Mindestreichhaltigkeit zu sichern, alle Folgen
,
die an der n-ten Stelle 1 und sonst überall 0 sind, enthalten.
Der kleinste Folgenraum ist damit der von den Folgen
erzeugte Unterraum. Dieser wird mit
bezeichnet und besteht aus allen Folgen, die nur an endlichen vielen Stellen von
0 verschieden sind. Man nennt ihn daher auch den Raum der endlichen Folgen,
wobei man sich jede endliche Folge durch Nullen zu einer unendlichen Folge
fortgesetzt denkt. Also sind Folgenräume Unterräume von
,
die
enthalten.
Der Umstand, dass die Elemente eines Folgenraums Folgen sind, die man als Elemente eines Vektorraums auch einfach Punkte oder Vektoren nennt, kann zu Missverständnissen führen. Insbesondere wenn man Folgen in solchen Räumen betrachtet, hat man es mit Folgen von Folgen zu tun.
Im Folgenden werden Normen bzw. Systeme von Normen oder Halbnormen auf Folgenräumen definiert. Dadurch erhält man normierte Räume bzw. lokalkonvexe Räume.
c0 und c
Die wohl bekanntesten Folgenräume sind der Raum
aller gegen
0 konvergenten Folgen und der Raum
aller konvergenten Folgen. Betrachtet man auf diesen Räumen die Supremumsnorm, d.h.
,
so erhält man Banachräume.
Der Raum
ist ein Unterraum von
der Kodimension 1. Bezeichnet
die konstante Folge, die an jeder Stelle gleich 1 ist, so gilt
.
Mit der komponentenweise erklärten Multiplikation sind
und
Banachalgebren, sogar
C*-Algebren.
Weiter kann man zeigen, dass
in
dicht liegt. Beide Räume sind damit separabel,
denn die Menge aller endlichen Folgen mit Werten aus
bzw.
ist abzählbar und dicht.
ℓ p
Es sei
der Raum der beschränkten
Folgen mit der Supremumsnorm. Für
sei
.
Ist ,
so erhält man durch die Definition
eine Metrik, die
zu einem vollständigen topologischen
Vektorraum macht, der kein normierter Raum ist. Für
wird durch
die ℓp-Norm
definiert (dazu benötigt man die Minkowski-Ungleichung),
die
zu einem Banachraum macht. Der Unterraum
liegt dicht und es folgt die Separabilität von
für
.
Der Raum
ist nicht separabel. Ist nämlich
,
so sei
die Folge, die an jeder Komponente aus
gleich 1 und sonst 0 ist. Dann haben die überabzählbar
vielen Folgen
paarweise den
-Abstand
1 voneinander, weshalb
nicht separabel sein kann.
Die -Räume
sind ein Spezialfall der allgemeineren Lp-Räume,
wenn man das Zählmaß
auf dem Raum
betrachtet.
Unter den -Räumen
befindet sich der Hilbertraum
;
nach dem Satz
von Fischer-Riesz ist das bis auf isometrische Isomorphie der einzige
unendlich-dimensionale separable Hilbertraum. Alle
-Räume
sind mit der komponentenweisen Multiplikation Banachalgebren,
ist eine H*-Algebra,
eine C*-Algebra, sogar eine von-Neumann-Algebra.
Dualität
Man sagt, der normierte Folgenraum
hat den normierten Folgenraum
als Dualraum, wenn folgendes gilt:
- Für alle
und
ist
.
- Jedes
definiert durch
ein stetiges lineares Funktional auf
.
- Die Abbildung
ist surjektiv und isometrisch.
Da Isometrie Injektivität impliziert, ist
insbesondere ein isometrischer Isomorphismus.
In diesem Sinne liegen folgende Dualitäten vor:
- Ist
und
, so ist
.
Lokalkonvexe Räume
Rein algebraisch hat man die Isomorphien
und
.
Damit kann man auf
die Summentopologie, das heißt die Finaltopologie
aller Inklusionen
,
definieren, was diesen Raum zu einem (LF)-Raum
macht.
wird durch die Produkttopologie, d.h. durch die Topologie der komponentenweisen
Konvergenz, zu einem lokalkonvexen Raum.
Die oben definierte Dualität für normierte Folgenräume lässt sich auf lokalkonvexe Räume verallgemeinern, wenn man Punkt 3 durch die folgende Forderung ersetzt:
- Die Abbildung
ist ein Homöomorphismus.
Dann gilt
und
.
Köthe-Räume
Die folgende auf Gottfried Köthe zurückgehende Konstruktion von lokalkonvexen Folgenräumen bietet ein reichhaltiges Arsenal an Beispielen.
Unter einer Köthe-Matrix versteht man eine unendliche Matrix
mit folgenden Eigenschaften:
für alle Matrixelemente und zu jedem
gibt es ein
mit
.
für alle Indizes
.
Mit diesen Daten werden nun die folgenden Räume definiert, wobei
sei:
.
Diese Räume heißen die durch die Köthe-Matrix definierten Köthe-Räume
(oder auch Köthesche Stufenräume), die Normen
heißen die zugehörigen kanonischen Normen. Jeder dieser Räume wird mit
dem System der kanonischen Normen ein lokalkonvexer Raum,
sogar ein Fréchet-Raum.
Wählt man als Köthe-Matrix die Matrix ,
die an jeder Komponente gleich 1 ist, so erhält man die oben definierten
normierten Räume zurück:
,
.
Indem man Köthe-Matrizen wählt, deren Matrix-Elemente ein bestimmtes
Wachstumsverhalten zeigen, kann man Beispiele für ganz andere Raumklassen
konstruieren.
So gilt z.B.:
Für eine Köthe-Matrix
sind folgende Aussagen äquivalent:
- Für jedes
ist
ein Montel-Raum.
ist eine Montel-Raum.
- Zu jeder unendlichen Teilmenge
und jedem
gibt es ein
, so dass
.
Für eine Köthe-Matrix
sind folgende Aussagen äquivalent:
- Für jedes
ist
ein Schwartz-Raum.
- Zu jedem
gibt es ein
, so dass
.
Für eine Köthe-Matrix
sind folgende Aussagen äquivalent:
- Für jedes
ist
ein nuklearer Raum.
ist eine nuklearer Raum.
- Zu jedem
gibt es ein
, so dass
.
Als Anwendung dieser Aussagen kann man durch Wahl einer geeigneten Köthe-Matrix Beispiele für Montel-Räume konstruieren, die keine Schwartz-Räume sind. Derartige Beispiele sind sehr wichtig, um etwas Ordnung in den Zoo der lokalkonvexen Räume zu bringen.
Für die Matrix
nennt man
den Raum der schnell fallenden Folgen. Dieser Raum
spielt eine wichtige Rolle in der Theorie der nuklearen Räume, denn nach dem Satz
von Kōmura-Kōmura ist dieser Raum ein Generator aller nuklearen
Räume.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 05.09. 2022