Matrixnorm
Eine Matrixnorm ist in der Mathematik eine Norm auf dem Vektorraum der reellen oder komplexen Matrizen. Neben den drei Normaxiomen Definitheit, absolute Homogenität und Subadditivität wird bei Matrixnormen teilweise die Submultiplikativität als vierte definierende Eigenschaft gefordert. Submultiplikative Matrixnormen besitzen einige nützliche Eigenschaften, so ist beispielsweise der Spektralradius einer quadratischen Matrix, also der Betrag des betragsgrößten Eigenwerts, niemals größer als ihre Matrixnorm. Es gibt mehrere Möglichkeiten, Matrixnormen zu definieren, unter anderem direkt über eine Vektornorm, als Operatornorm oder über die Singulärwerte der Matrix. Matrixnormen werden insbesondere in der linearen Algebra und der numerischen Mathematik verwendet.
Grundbegriffe
Definition
Ist
der Körper
der reellen oder komplexen Zahlen, so wird
mit
die Menge der reellen oder komplexen (m × n)-Matrizen
bezeichnet, die mit der Matrizenaddition
und der Skalarmultiplikation
einen Vektorraum bildet. Eine
Matrixnorm
ist nun eine Norm
auf dem Matrizenraum,
das heißt eine Abbildung
,
die einer Matrix eine nichtnegative reelle Zahl zuordnet und die für alle
Matrizen
und Skalare
die folgenden drei Eigenschaften erfüllt:
Zusammen mit einer Matrixnorm ist der Raum der Matrizen ein normierter Vektorraum
.
Da der Raum der Matrizen eine endliche Dimension
besitzt, ist dieser normierte Raum auch vollständig
und somit ein Banachraum.
Submultiplikativität
Teilweise wird als vierte definierende Eigenschaft gefordert, dass eine
Matrixnorm submultiplikativ
ist, das heißt, dass für zwei Matrizen
und
gilt. Bei nicht-quadratischen Matrizen ist diese Ungleichung genau genommen
aus drei verschiedenen Normen zusammengesetzt. Der Raum der quadratischen
Matrizen
ist mit der Matrizenaddition
und der Matrizenmultiplikation
sowie einer submultiplikativen Matrixnorm eine normierte Algebra,
insbesondere eine Banachalgebra.
Es gibt aber auch Matrixnormen, die nicht submultiplikativ sind.
Verträglichkeit mit einer Vektornorm
Eine Matrixnorm
heißt verträglich oder kompatibel mit einer Vektornorm
,
wenn für eine Matrix
und einen Vektor
die Ungleichung
gilt. Auch diese Ungleichung ist bei nicht-quadratischen Matrizen genau genommen aus drei verschiedenen Normen zusammengesetzt. Verträglichkeit ist immer dann von Bedeutung, wenn Vektoren und Matrizen gemeinsam in Abschätzungen auftreten. Jede submultiplikative Matrixnorm ist zumindest mit sich selbst als Vektornorm verträglich, da jede Matrixnorm für eine Matrix bestehend aus nur einer Spalte auch eine Vektornorm ist.
Eigenschaften
Äquivalenz
Alle Matrixnormen sind zueinander äquivalent,
das heißt, zu zwei beliebigen Matrixnormen
und
gibt es zwei positive Konstanten
und
,
sodass für alle Matrizen
gilt. Diese Äquivalenz ist eine Folgerung daraus, dass in endlichdimensionalen Vektorräumen Normkugeln immer kompakt sind. Eine Matrixnorm kann also durch eine andere Matrixnorm nach oben und nach unten abgeschätzt werden. Über die Größe der Konstanten wird dabei zunächst nichts ausgesagt, für viele Paare von Normen lassen sich die Konstanten aber explizit angeben.
Abschätzung der Eigenwerte
Ist eine Matrixnorm mit irgendeiner Vektornorm verträglich (also
beispielsweise submultiplikativ), dann gilt für jeden Eigenwert
einer quadratischen Matrix
,
da dann ein zu diesem Eigenwert zugehöriger Eigenvektor
mit
existiert, für den
gilt, womit nach Division durch
die Abschätzung folgt. Insbesondere gilt damit für jede submultiplikative
Matrixnorm, dass der Spektralradius
(der Betrag des betragsgrößten Eigenwerts)
einer quadratischen Matrix niemals größer als ihre Norm ist.
Unitäre Invarianz
Eine Matrixnorm heißt unitär invariant, wenn sie invariant unter
unitären
Transformationen (im reellen Fall orthogonalen
Transformationen) ist, das heißt, wenn für alle Matrizen
und alle unitären
Matrizen (im reellen Fall orthogonale
Matrizen)
und
.
gilt. Eine Matrixnorm ist genau dann unitär invariant, wenn sie sich als betrags- und permutationsinvariante
Vektornorm
(symmetrisches Eichfunktional)
des Vektors der Singulärwerte
der Matrix
durch
darstellen lässt.
Selbstadjungiertheit
Die zu einer Matrixnorm adjungierte Norm
ist für quadratische Matrizen
definiert als die Norm der adjungierten
(im reellen Fall transponierten)
Matrix
,
also
.
Eine Matrixnorm heißt selbstadjungiert, wenn sie invariant unter Adjungierung ist, das heißt, wenn
gilt. Alle unitär invarianten Matrixnormen sind auch selbstadjungiert.
Wichtige Matrixnormen
Über Vektornormen definierte Matrixnormen
Indem alle Einträge einer Matrix untereinander geschrieben werden, kann eine
Matrix
auch als entsprechend langer Vektor aus
angesehen werden. Damit können Matrixnormen direkt über Vektornormen definiert
werden, insbesondere über die p-Normen
.
Da die Summe zweier Matrizen und die Multiplikation einer Matrix mit einem Skalar komponentenweise definiert sind, folgen die Normeigenschaften der Matrixnorm direkt aus den entsprechenden Eigenschaften der zugrundeliegenden Vektornorm. Zwei dieser so definierten Matrixnormen haben eine besondere Bedeutung und Namen.
Gesamtnorm
Die Gesamtnorm einer Matrix basiert auf der Maximumsnorm im (m · n)-dimensionalen Raum und ist definiert als
,
wobei im Gegensatz zur Maximumsnorm von Vektoren das betragsmaximale
Matrixelement mit dem geometrischen
Mittel aus Anzahl der Zeilen und Spalten der Matrix
multipliziert wird. Durch diese Skalierung ist die Gesamtnorm submultiplikativ
und für quadratische Matrizen mit allen p-Normen inklusive der
Maximumsnorm verträglich. Die lediglich über das betragsmaximale Element
definierte Norm
ist ein Beispiel für eine nicht submultiplikative Matrixnorm.
Frobeniusnorm
Die Frobeniusnorm einer Matrix entspricht der euklidischen Norm im (m · n)-dimensionalen Raum und ist definiert als
.
Die Frobeniusnorm ist submultiplikativ, mit der euklidischen Norm verträglich, unitär invariant und selbstadjungiert.
Über Operatornormen definierte Matrixnormen
Eine Matrixnorm heißt von einer Vektornorm induziert oder natürliche Matrixnorm, wenn sie als Operatornorm abgeleitet ist, falls also
gilt. Anschaulich entspricht eine so definierte Matrixnorm dem größtmöglichen Streckungsfaktor nach Anwendung der Matrix auf einen Vektor. Als Operatornormen sind solche Matrixnormen stets submultiplikativ und mit der Vektornorm, aus der sie abgeleitet wurden, verträglich. Die Operatornormen sind sogar unter allen mit einer Vektornorm verträglichen Matrixnormen jeweils die kleinsten.
Zeilensummennorm

Die Zeilensummennorm ist die durch die Maximumsnorm induzierte Norm einer Matrix und durch
definiert. Die Berechnung der Zeilensummennorm erfolgt also durch die Ermittlung der Betragssumme jeder Zeile und dann durch Auswahl des Maximums dieser Werte.
Spektralnorm
Die Spektralnorm ist die durch die euklidische Norm induzierte Norm einer Matrix und durch
definiert. Dabei ist
die zu
adjungierte
Matrix (im reellen Fall transponierte
Matrix) und
der betragsmäßig größte Eigenwert des Matrixprodukts
.
Die Spektralnorm ist unitär invariant und selbstadjungiert.
Spaltensummennorm
Die Spaltensummennorm ist die durch die Summennorm induzierte Norm einer Matrix und durch
definiert. Die Berechnung der Spaltensummennorm erfolgt also durch die Ermittlung der Betragssumme jeder Spalte und dann durch Auswahl des Maximums dieser Werte.
Über Singulärwerte definierte Matrixnormen
Eine weitere Möglichkeit, Matrixnormen über Vektornormen abzuleiten, ist es
eine Singulärwertzerlegung
einer Matrix
in eine unitäre
Matrix
,
eine Diagonalmatrix
und eine adjungierte unitäre Matrix
zu betrachten. Die nichtnegativen, reellen Einträge
,
,
der Diagonalmatrix
sind dann die Singulärwerte von
und gleich den Quadratwurzeln der Eigenwerte von
.
Die Singulärwerte werden dann in einen Vektor
notiert und die Norm der Matrix
über die Norm ihres Singulärwertvektors definiert.
Schatten-Normen
Die Schatten-Normen, genauer
Schatten- p -Normen, einer Matrix sind die
p-Normen des Vektors der Singulärwerte
der Matrix und definiert als
.
Die Schatten-∞-Norm entspricht damit der Spektralnorm, die Schatten-2-Norm
der Frobeniusnorm und die Schatten-1-Norm nennt man auch Spurnorm. Alle
Schatten-Normen sind submultiplikativ, unitär invariant und selbstadjungiert.
Die zu einer Schatten-p-Norm duale
Norm ist die Schatten-q-Norm mit
für
.
Ky-Fan-Normen
Die Ky-Fan-Norm der Ordnung
einer Matrix ist die Summe ihrer ersten
Singulärwerte und definiert als
,
wobei die Singulärwerte der Größe nach fallend geordnet sind. Die erste Ky-Fan-Norm entspricht damit der Spektralnorm und die r-te Ky-Fan-Norm der Schatten-1-Norm. Alle Ky-Fan-Normen sind unitär invariant und selbstadjungiert.
Anwendungen
Potenzreihen von Matrizen
Matrixnormen werden unter anderem eingesetzt, um die Konvergenz von Potenzreihen von Matrizen
zu untersuchen. Beispielsweise konvergiert die Potenzreihe zur Ermittlung der
Inverse der quadratischen Matrix
mit
als der Einheitsmatrix
wenn
für eine beliebige submultiplikative Matrixnorm gilt. Diese Aussage gilt sogar
für beliebige stetige Operatoren auf normierten Räumen und ist
als Neumann-Reihe bekannt.
Mit Hilfe von Matrixnormen kann auch gezeigt werden, dass das Matrixexponential
als Funktion auf dem Raum der quadratischen Matrizen immer konvergent und wohldefiniert ist. Weiterhin sind Matrixnormen nützlich, um die Zahl der Terme in einer Potenzreihe zu ermitteln, die nötig ist, um eine Matrixfunktion bis auf eine bestimmte Genauigkeit zu berechnen.
Störungsrechnung und Kondition
Ein weiteres wichtiges Anwendungsfeld von Matrixnormen liegt in der numerischen
Fehleranalyse. Hierbei wird die Sensitivität einer numerischen Berechnung,
beispielsweise der Lösung eines linearen
Gleichungssystems, bezüglich kleinen Änderungen in den Eingabedaten, etwa
den Einträgen der Matrix, untersucht. Das Störungslemma
liefert hier eine Abschätzung für die Inverse einer um
gestörten Matrix
in einer submultiplikativen Matrixnorm. Über den Satz von Bauer-Fike kann mit Hilfe einer submultiplikativen Matrixnorm auch eine Abschätzung der Veränderung der Eigenwerte einer Matrix auf Grund von Störungen in den Matrixeinträgen hergeleitet werden. Diese Abschätzungen führen zu dem zentralen numerischen Begriff der Kondition einer (regulären) Matrix
,
welcher die Verstärkung beschreibt, mit der sich Fehler in den Eingabedaten auf die numerische Lösung auswirken.



© biancahoegel.de
Datum der letzten Änderung: Jena, den: 08.10. 2019