Konvergenzradius
Der Konvergenzradius ist in der Analysis eine Eigenschaft einer Potenzreihe der Form
,
die angibt, in welchem Bereich der reellen Gerade oder der komplexen Ebene für die Potenzreihe Konvergenz garantiert ist.
Definition
Der Konvergenzradius ist als das Supremum aller Zahlen
definiert, für welche die Potenzreihe für (mindestens) ein
mit
konvergiert:
Falls die Potenzreihe für alle reellen Zahlen bzw. auf der ganzen komplexen
Zahlenebene konvergiert, also diese Menge der
(nach
oben) unbeschränkt ist, sagt man, der Konvergenzradius ist unendlich:
.
Folgerungen aus dem Konvergenzradius
Für eine Potenzreihe mit Konvergenzradius
gilt:
- Ist
, so ist die Potenzreihe absolut konvergent.
- Ist
, so ist die Potenzreihe divergent.
- Ist
, so kann keine allgemeine Aussage getroffen werden, in manchen Situationen hilft aber der Abelsche Grenzwertsatz.
Wird eine reelle Potenzreihe betrachtet, deren Koeffizienten
reelle Zahlen sind, und sind auch
reell, so ist der Konvergenzbereich nach Auflösung der Betragsungleichungen das
Intervall
sowie möglicherweise einer der oder beide Randpunkte. Für Potenzreihen im
Komplexen, das heißt, alle diese Größen können komplexe Zahlen sein, besteht der
Konvergenzbereich
dieser Funktionenreihe
aus dem Inneren der Kreisscheibe um den Mittelpunkt
und mit Radius
,
dem Konvergenzkreis, sowie möglicherweise aus einigen seiner
Randpunkte.
Außerdem gilt für alle ,
dass die Potenzreihe gleichmäßig für alle
mit
konvergiert. Auf einem inneren Kreis oder Teilintervall liegt also auch stets
eine gleichmäßige
Konvergenz vor.
Bestimmung des Konvergenzradius
Der Konvergenzradius lässt sich mit der Formel von Cauchy-Hadamard berechnen: Es gilt
Dabei gilt ,
falls der Limes
superior im Nenner gleich
ist, und
,
falls er gleich
ist.
Wenn ab einem bestimmten Index alle
von 0 verschieden sind und der folgende Limes existiert, dann kann der
Konvergenzradius einfacher durch
berechnet werden. Diese Formel ist aber nicht immer anwendbar, zum Beispiel
bei der Koeffizientenfolge :
Die zugehörige Reihe hat den Konvergenzradius 1, aber der angegebene Limes
existiert nicht. Die Formel von Cauchy-Hadamard ist dagegen immer
anwendbar.
Beispiele für unterschiedliches Randverhalten
Die folgenden drei Beispiele reeller Potenzreihen haben jeweils
Konvergenzradius 1, konvergieren also für alle
im Intervall
;
das Verhalten an den Randpunkten ist jedoch unterschiedlich:
konvergiert an keinem der Randpunkte
.
konvergiert an beiden Randpunkten
und
.
konvergiert nicht am rechten Randpunkt
(harmonische Reihe), wohl aber am linken Randpunkt
(alternierende harmonische Reihe).
Einfluss des Entwicklungspunktes auf den Konvergenzradius
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Der Entwicklungspunkt
einer Potenzreihe hat einen direkten Einfluss auf die Koeffizientenfolge
und damit auch auf den Konvergenzradius. Betrachtet man beispielsweise die Analytische
Funktion
in ihrer Potenzreihendarstellung
-
.
Diese Umformungen folgen direkt mittels der geometrischen Reihe.
Diese Darstellung entspricht der Potenzreihe um den Entwicklungspunkt
und mit dem Wurzelkriterium folgt für den Konvergenzradius
.
Wählt man dagegen
als Entwicklungspunkt, so folgt mit einigen algebraischen Umformungen
-
.
Auch hier folgt mittels des Wurzelkriteriums der Konvergenzradius .
Ein dritter Entwicklungspunkt
liefert mit analogem Vorgehen
als Potenzreihendarstellung mit dem Konvergenzradius .
Zeichnet man diese drei Konvergenzradien um ihre Entwicklungspunkte, so
schneiden sie sich alle im Punkt
da hier die Funktion f eine Singularität besitzt und nicht definiert ist.
Anschaulich dehnt sich also der Konvergenzkreis um einen Entwicklungspunkt aus,
bis er an eine nicht definierte Stelle der Funktion stößt.
Herleitung
Die Formeln für den Konvergenzradius lassen sich aus den Konvergenzkriterien für Reihen herleiten.
Wurzelkriterium
Die Formel von Cauchy-Hadamard ergibt sich aus dem Wurzelkriterium. Nach diesem Kriterium konvergiert die Potenzreihe
absolut wenn
Auflösen nach
liefert den Konvergenzradius
Quotientenkriterium
Sofern fast alle
ungleich Null sind, konvergiert die Potenzreihe
nach dem Quotientenkriterium,
wenn folgende Bedingung erfüllt ist:
Auflösen nach
liefert:
Die Potenzreihe konvergiert also für .
Dies ist im Allgemeinen aber nicht der Konvergenzradius. Das liegt daran, dass
das Quotientenkriterium im folgenden Sinne echt schwächer ist als das
Wurzelkriterium: Ist
,
so kann im Allgemeinen nicht darauf geschlossen werden, dass die Reihe
divergiert. Die Divergenz erhält man aber aus
.
Ähnlich wie oben schließt man also, dass die Potenzreihe
für
divergiert, wobei
.
Man kann im Allgemeinen folglich nur aussagen, dass der Konvergenzradius
zwischen
und
liegt.
Daraus folgt aber insbesondere: Aus der Existenz von
folgt
und in diesem besonderen Falle ist
der gesuchte Konvergenzradius.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 03.06. 2019