Analytische Funktion
Als analytisch bezeichnet man in der Mathematik eine Funktion, die lokal durch eine konvergente Potenzreihe gegeben ist. Aufgrund der Unterschiede zwischen reeller und komplexer Analysis spricht man zur Verdeutlichung oft auch explizit von reell-analytischen oder komplex-analytischen Funktionen. Im Komplexen sind die Eigenschaften analytisch und holomorph äquivalent. Ist eine Funktion in der gesamten komplexen Ebene definiert und analytisch, nennt man sie ganz.
Definition
Es sei
oder
.
Es sei
eine offene Teilmenge. Eine
Funktion
heißt analytisch im Punkt
wenn es eine Potenzreihe
gibt, die auf einer Umgebung
von
gegen
konvergiert. Ist
in jedem Punkt von
analytisch, so heißt
analytisch.
Eigenschaften
- Eine analytische Funktion ist beliebig oft differenzierbar. Die Umkehrung gilt nicht, siehe Beispiele unten.
- Die lokale Potenzreihendarstellung einer analytischen Funktion
ist ihre Taylorreihe. Es gilt also
.
- Summen, Differenzen, Produkte, Quotienten (sofern der Nenner keine Nullstellen hat) und Verkettungen analytischer Funktionen sind analytisch.
- Ist
zusammenhängend und besitzt die Menge der Nullstellen einer analytischen Funktion
einen Häufungspunkt in
, so ist
die Nullfunktion. Sind entsprechend
zwei Funktionen, die auf einer Menge übereinstimmen, die einen Häufungspunkt in
besitzt, z.B. auf einer offenen Teilmenge, so sind sie identisch.
Reelle Funktionen
Beispiele analytischer Funktionen
Viele gängige Funktionen der reellen Analysis wie beispielsweise Polynome, Exponential- und Logarithmusfunktionen,
trigonometrische
Funktionen und rationale
Ausdrücke in diesen Funktionen sind analytisch. Die Menge aller auf einer
offenen Menge reell-analytischen Funktionen wird mit
bezeichnet.
Exponentialfunktion
Eine bekannte analytische Funktion ist die Exponentialfunktion
,
die auf ganz
konvergiert.
Trigonometrische Funktion
Auch die trigonometrischen Funktionen Sinus, Kosinus, Tangens, Kotangens und ihre Arkusfunktionen sind analytisch. Jedoch zeigt das Beispiel des Arkustangens
dass eine auf ganz
analytische Funktion eine Reihenentwicklung mit endlichem Konvergenzradius haben
kann.
Spezielle Funktionen
Viele Spezielle Funktionen wie beispielsweise die eulersche Gammafunktion, die eulersche Betafunktion oder die Riemannsche ζ-Funktion sind ebenfalls analytisch.
Beispiele nicht-analytischer Funktionen
Die folgenden Beispiele nicht-analytischer Funktionen zählen zu den glatten Funktionen: Sie sind auf ihrem Definitionsbereich unendlich oft differenzierbar, aber an einzelnen Punkten existiert keine Potenzreihenentwicklung. Die folgende Funktion
ist für alle ,
auch im Punkt 0, beliebig oft differenzierbar. Aus
für alle
folgt die Taylor-Reihe
von
,
,
die, außer im Punkt ,
nicht mit
übereinstimmt. Somit ist
im Punkt 0 nicht analytisch.
Auch die Funktion
ist beliebig oft differenzierbar. Alle Ableitungen der beiden Teilfunktionen im Nullpunkt sind 0, passen also zusammen.
Es gibt eine wichtige Klasse nicht-analytischer Funktionen, die Funktionen mit kompaktem Träger. Der Träger einer Funktion ist der Abschluss der Menge der Punkte, an denen eine Funktion nicht verschwindet:
.
Ist der Träger kompakt,
so spricht man von einer Funktion mit kompaktem Träger (oder von einer Testfunktion). Diese
Funktionen spielen in der Theorie der partiellen Differentialgleichungen eine
große Rolle. Für Funktionen, die auf ganz
definiert sind, ist diese Bedingung äquivalent dazu, dass es eine Zahl
gibt, so dass
für alle
mit
gilt. Eine Funktion mit kompaktem Träger stimmt somit für große
mit der Nullfunktion überein. Wäre die Funktion nun zusätzlich analytisch, so
würde sie nach den obigen Eigenschaften analytischer Funktionen bereits auf ganz
mit der Nullfunktion übereinstimmen. Anders ausgedrückt: Die einzige analytische
Funktion mit kompaktem Träger ist die Nullfunktion.
Die Funktion
ist eine beliebig oft differenzierbare Funktion mit kompaktem Träger
.
Bei den bisherigen Beispielen kann man beweisen, dass die Taylor-Reihe an jedem Punkt einen positiven Konvergenzradius hat, aber nicht überall gegen die Funktion konvergiert. Es gibt aber auch nichtanalytische Funktionen, bei denen die Taylor-Reihe Konvergenzradius Null hat, z.B.
Die Funktion
ist auf ganz
beliebig oft differenzierbar, aber ihre Taylorreihe in
ist
und somit nur für
konvergent.
Allgemeiner kann man zeigen, dass jede beliebige formale Potenzreihe als Taylor-Reihe einer glatten Funktion vorkommt.
Komplexe Funktionen
In der Funktionentheorie
wird gezeigt, dass eine Funktion
einer komplexen
Variablen, die in einer offenen Kreisscheibe
komplex
differenzierbar ist, in der gleichen offenen Umgebung
beliebig oft komplex differenzierbar ist, und dass die Potenzreihe um den
Mittelpunkt
der Kreisscheibe,
,
für jeden Punkt
aus
gegen
konvergiert. Dies ist ein wichtiger Aspekt, unter dem Funktionen in der
komplexen Ebene einfacher zu handhaben sind als Funktionen einer reellen
Variablen. Tatsächlich benutzt man in der Funktionentheorie die Attribute
analytisch, holomorph und regulär synonym. Aus den
ursprünglichen Definitionen dieser Begriffe ist ihre Äquivalenz nicht sofort
erkennbar; sie wurde erst später nachgewiesen. Komplex-Analytische Funktionen,
die nur reelle Werte annehmen, sind konstant. Eine Folgerung aus den Cauchy-Riemannschen
Differentialgleichungen ist, dass der Realteil einer analytischen
Funktion den Imaginärteil
bis auf eine Konstante bestimmt und umgekehrt.
Es gilt der folgende wichtige Zusammenhang zwischen reell-analytischen Funktionen und komplex-analytischen Funktionen:
Jede reell-analytische Funktion
kann zu einer komplex-analytischen, also holomorphen
Funktion auf einer Umgebung von
ausgedehnt werden.
Umgekehrt wird jede holomorphe Funktion zu einer reell-analytischen Funktion,
wenn man sie zuerst auf
einschränkt und anschließend nur den Realteil (oder nur den Imaginärteil)
betrachtet. Dies ist der Grund, warum viele Eigenschaften der reell-analytischen
Funktionen am einfachsten mit Hilfe der komplexen Funktionentheorie bewiesen
werden.
Mehrere Veränderliche
Auch bei Funktionen ,
die von mehreren Veränderlichen
abhängen, kann man wie folgt eine Taylorreihenentwicklung im Punkt
definieren:
Dabei wurde von der Multiindexschreibweise
Gebrauch gemacht, die Summe erstreckt sich über alle Multiindizes
der Länge
.
In Analogie zum oben besprochenen Fall einer Veränderlichen heißt eine Funktion
analytisch, wenn die Taylorreihenentwicklung für jeden Punkt des
Definitionsbereichs einen positiven Konvergenzradius hat und innerhalb des
Konvergenzbereichs die Funktion darstellt, das heißt, dass
für alle
aus einer Umgebung von
gilt. Im Falle komplexer Veränderlicher spricht man auch bei mehreren
Veränderlichen von holomorphen Funktionen. Solche Funktionen werden in der
Funktionentheorie
in mehreren komplexen Variablen behandelt.
Siehe auch
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 08.12. 2020