Momenterzeugende Funktion
Die momenterzeugende Funktion ist eine Funktion, die in der Wahrscheinlichkeitstheorie einer Zufallsvariablen zugeordnet wird. In vielen Fällen ist diese Funktion in einer Umgebung des Nullpunktes in den reellen bzw. komplexen Zahlen definiert und kann dann mittels Ableitung zur Berechnung der Momente der Zufallsvariablen verwendet werden, woraus sich ihr Name erklärt.
Definition
Die momenterzeugende Funktion einer Zufallsvariablen
ist definiert durch
,
wobei für
reelle bzw. komplexe Zahlen eingesetzt werden können, sofern der Erwartungswert auf der
rechten Seite existiert. Dieser Ausdruck ist mindestens für
definiert. In vielen Fällen, siehe unten, ist diese Funktion in einer Umgebung
der 0 definiert, und kann dann wie folgt in eine Potenzreihe
entwickelt werden.
.
Dabei gilt
und die
sind die Momente von
.
Die momenterzeugende Funktion hängt nur von der Verteilung von
ab. Wenn die momenterzeugende Funktion einer Verteilung in einer Umgebung von 0
existiert, so sagt man, etwas unpräzise aber allgemein gebräuchlich, die
Verteilung habe eine momenterzeugende Funktion. Existiert
nur für
,
so sagt man entsprechend, dass die Verteilung keine momenterzeugende Funktion
habe.
Stetige Wahrscheinlichkeitsverteilungen
Falls
eine stetige Wahrscheinlichkeitsdichte
hat, kann man obigen Erwartungswert mittels dieser Dichte schreiben und erhält
für die momenterzeugende Funktion
gegeben, wobei
das
-te
Moment von
ist. Der Ausdruck
ist also gerade die zweiseitige
Laplacetransformation des durch
festgelegten Wahrscheinlichkeitsmaßes.
Bemerkungen
Ursprung des Begriffs der momenterzeugenden Funktion
Die Bezeichnung momenterzeugend bezieht sich darauf, dass die -te
Ableitung von
im Punkt 0 (Null) gleich dem
-ten
Moment der Zufallsvariablen
ist:
.
Das liest man direkt an der oben angegebenen Potenzreihe ab. Durch die Angabe
aller nicht verschwindenden Momente ist jede Wahrscheinlichkeitsverteilung
vollständig festgelegt, falls die momenterzeugende Funktion auf einem offenen
Intervall
existiert
.
Zusammenhang mit der charakteristischen Funktion
Die momenterzeugende Funktion steht in engem Zusammenhang mit der charakteristischen
Funktion .
Es gilt
,
falls die momenterzeugende Funktion existiert. Im Gegensatz zur
momenterzeugenden Funktion existiert die charakteristische Funktion für
beliebige Zufallsvariablen.
Zusammenhang mit der wahrscheinlichkeitserzeugenden Funktion
Des Weiteren besteht noch ein Zusammenhang zur
wahrscheinlichkeitserzeugenden
Funktion. Diese ist jedoch nur für -wertige
Zufallsvariablen definiert und zwar als
.
Damit gilt
für diskrete Zufallsvariablen.
Zusammenhang mit der kumulantenerzeugenden Funktion
Die kumulantenerzeugende Funktion wird als natürlicher Logarithmus der momenterzeugenden Funktion definiert. Aus ihr wird der Begriff der Kumulante abgeleitet.
Summen unabhängiger Zufallsvariablen
Die momenterzeugende Funktion einer Summe unabhängiger
Zufallsvariablen ist das Produkt ihrer momenterzeugenden Funktionen: Sind
unabhängig, dann gilt für
,
wobei beim vorletzten Gleichheitszeichen verwendet wurde, dass der Erwartungswert eines Produktes unabhängiger Zufallsvariablen gleich dem Produkt ihrer Erwartungswerte ist.
Eindeutigkeitseigenschaft
Ist die momenterzeugende Funktion einer Zufallsgröße
in einer Umgebung von
endlich, so bestimmt sie die Verteilung von
eindeutig.
Formal bedeutet das:
Seien
und
zwei Zufallsgrößen mit momenterzeugenden Funktionen
und
derart, dass es ein
gibt mit
für alle
.
Dann gilt
genau dann, wenn
für alle
gilt.
Beispiele
Für viele Verteilungen kann man die momenterzeugende Funktion direkt angeben:
Verteilung | Momenterzeugende Funktion MX(t) |
---|---|
Bernoulli-Verteilung
|
|
Betaverteilung
|
|
Binomialverteilung
|
|
Cauchy-Verteilung | Die Cauchy-Verteilung hat keine momenterzeugende Funktion. |
Chi-Quadrat-Verteilung
|
|
Erlang-Verteilung
|
|
Exponentialverteilung
|
|
Gammaverteilung
|
|
Geometrische
Verteilung mit Parameter |
|
Gleichverteilung
über |
|
Laplace-Verteilung
mit Parametern |
|
Negative
Binomialverteilung |
|
Normalverteilung
|
|
Poisson-Verteilung
mit Parameter |
Verallgemeinerung auf mehrdimensionale Zufallsvariablen
Die momenterzeugende Funktion lässt sich auf -dimensionale
reelle Zufallsvektoren
wie folgt erweitern:
,
wobei
das Standardskalarprodukt
bezeichnet.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 29.03. 2023