Konvergenzgeschwindigkeit
Unter Konvergenzgeschwindigkeit (auch Konvergenzordnung)
versteht man die Geschwindigkeit, mit der sich die Glieder einer konvergenten Folge
dem Grenzwert
nähern. In der numerischen
Mathematik ist die Konvergenzgeschwindigkeit ein wichtiges Qualitätsmerkmal
iterativer
Verfahren, neben dem Rechenaufwand pro Iteration und der numerischen
Stabilität.
Konvergenzordnung
Sei
eine Folge mit dem Grenzwert
.
Zur Vermeidung nebensächlicher Fallunterscheidungen seien Glieder mit
und andere Wiederholungen weggelassen.
Lineare Konvergenz liegt vor, falls
.
Manche Autoren bezeichnen
als die Konvergenzrate (engl. rate of convergence, franz. taux
de convergence). Je kleiner
,
desto schneller konvergiert die Folge, will sagen: desto weniger Glieder werden
– zumindest asymptotisch –
benötigt.
Unterlineare oder sublineare Konvergenz liegt vor bei .
Konvergiert die Folge unterlinear und gilt zusätzlich
,
dann spricht man von logarithmischer Konvergenz.
Superlineare Konvergenz liegt vor bei ,
z.B., wenn es eine gegen Null konvergente Zahlenfolge
gibt mit:
Eine Folge, die superlinear konvergiert, konvergiert schneller als linear.
Konvergenz der Ordnung q (oder Q-Konvergenzordnung (≥)
q) mit
liegt vor, wenn
konvergiert und ein
existiert, sodass
In der Literatur finden sich auch Formulierungen wie „konvergiert mit der
Q-Ordnung (wenigstens) “
(englisch converges with Q-order at least
q) für denselben Sachverhalt.
Das Q kommt von Quotient, weil die Q-Ordnung über den Quotienten zweier
aufeinanderfolgender Terme definiert ist. Konvergiert die Folge
mit einer Q-Ordnung
,
dann konvergiert sie auch mit der Q-Ordnung
für jedes
mit
.
Man sagt, die Folge
hat die exakte Q-Ordnung q, wenn es positive
mit
gibt. Die exakte Q-Ordnung
ist eindeutig, wenn sie existiert:
Für
spricht man von quadratischer Konvergenz. Konvergenz der Ordnung
impliziert superlineare Konvergenz (also Konvergenzrate
)
und superlineare Konvergenz impliziert lineare Konvergenz.
Konvergenz der Ordnung
bedeutet, dass in jedem Iterationsschritt die Anzahl der genauen Dezimalstellen (oder
die Anzahl der Stellen in einem beliebigen Stellenwertsystem)
in etwa ver-
-facht
wird, also beispielsweise bei quadratischer Konvergenz verdoppelt.
Konvergenzbeschleunigung
beschränkt sich meist auf Potenzreihen,
die linear konvergieren. Dabei wird i.d.R. nur die Konvergenzrate
(und nicht die Q-Ordnung
)
verbessert, was trotzdem eine wesentliche Verringerung des Gesamtaufwands (bei
ggf. größerem Aufwand pro Iteration) bedeuten kann. Verfahren der Ordnungen
> 1 gibt es nicht zu jeder Problemklasse. Bei Iterationsverfahren
müssen auch Stabilitätseigenschaften
beobachtet werden.
Beispiele
- Die Leibniz-Reihe
-
- konvergiert logarithmisch.
-
- konvergiert unterlinear.
- Die Machinsche Reihe
-
- konvergiert linear mit der Konvergenzrate
.
- Die Exponentialreihe
-
- hat Q-Konvergenzordnung
für alle
.
- Die Nullfolge
mit
-
, also
,
- konvergiert quadratisch.
- Das Newton-Verfahren konvergiert bei einer einfachen Nullstelle quadratisch. Vereinfachte Varianten des Newton-Verfahrens konvergieren langsamer, teilweise superlinear, teilweise mit erster Ordnung. Im Vergleich zum Newton-Verfahren ist ein Iterationsschritt aber möglicherweise deutlich günstiger.
- Fixpunktverfahren, deren Konvergenz mit dem Fixpunktsatz von Banach nachgewiesen ist (beispielsweise Splitting-Verfahren), haben mindestens lineare Konvergenzgeschwindigkeit.
- Das Sekantenverfahren
hat eine gebrochene Konvergenzordnung
(goldener Schnitt), es konvergiert insbesondere superlinear.
Vergleichende Konvergenzgeschwindigkeit
Um die Konvergenzgeschwindigkeit zu beschreiben, mit der eine Folge
gegen den Grenzwert
konvergiert, vergleicht man die Konvergenzgeschwindigkeit der Nullfolge
mit anderen Nullfolgen, deren Konvergenzgeschwindigkeit man kennt, wie
z.B.
,
für
,
für
oder
.
- Definition
Man sagt, eine Nullfolge
konvergiert mindestens so schnell wie eine Nullfolge
,
wenn gilt
.
Eine Folge
heißt schnell
fallend, wenn sie schneller als jede polynomische Folge
mit natürlichem
fällt, also
für jedes
(ein Beispiel ist etwa die Folge
.)
Von besonderem Interesse ist daher die Beschreibung der Konvergenzordnung
numerischer Verfahren in normierten
Räumen, wo also die Folgenglieder die Gestalt
haben.
Im Sinne dieser Definition nennt man ein Iterationsverfahren linear
konvergent, wenn es so schnell wie die Folge
für ein
konvergiert. Man nennt es quadratisch konvergent, wenn es so schnell wie die
Folge
konvergiert. Ebenso lassen sich auch höhere Konvergenzordnungen (kubisch,
superlinear) definieren.
Beliebig langsame Konvergenz
Viele wichtige numerische Verfahren sind beliebig langsam konvergent.
Sei beispielsweise
ein Banachraum,
eine Folge von
-dimensionalen
Teilräumen
und
ein Verfahren, das zu jeder Lösung einer Gleichung
eine angenäherte Lösung
in
liefert. Das Verfahren
heißt dann beliebig langsam konvergent, wenn es zu jeder positiven
Nullfolge
ein
gibt, sodass die Nullfolge
mit
und den zugehörigen angenäherten Lösungen
langsamer als die Folge
konvergiert.
Setzt man z.B. bei der numerischen
Integration nur die Stetigkeit
der zu integrierenden Funktion voraus, nicht aber eine gewisse Differenzierbarkeitsordnung,
so ist das Verfahren der numerischen Integration beliebig langsam konvergent,
z.B., zu jeder beliebig langsam gegen 0 konvergierenden monotonen Folge
positiver Zahlen gibt es eine stetige Funktion ,
sodass die Folge der Quadraturwerte
langsamer gegen das Integral
konvergiert als die gegebene Nullfolge. Andere Beispiele findet man bei der
Interpolation oder der Lösung inkorrekt
gestellter Probleme.
Umgekehrte Resultate
In etlichen Disziplinen der Analysis
lassen sich aus der Konvergenzgeschwindigkeit Erkenntnisse über die Struktur des
zu untersuchenden Problems gewinnen. Als Beispiel seien die Bernsteinsätze
aus der Approximationstheorie
erwähnt: Ist eine stetige Funktion durch Polynome
vom Grad
mit der Konvergenzgeschwindigkeit
für ein
approximierbar, so ist sie
-fach
differenzierbar.
Siehe auch
Literatur
- Martin Hanke-Bourgeois: Grundlagen der Numerischen Mathematik und des Wissenschaftlichen Rechnens. Teubner, Stuttgart 2002.
- Arnold Schönhage: Approximationstheorie. de Gruyter, Berlin 1971.
- Eberhard Schock: Arbitrarily Slow Convergence, Uniform Convergence and Superconvergence of Galerkin-like Methods. IMA J. Numer. Analysis 5 (1985), 153–160.
- Hans R. Schwarz, Norbert Köckler: Numerische Mathematik. 5. Auflage. Teubner, Stuttgart 2004.



© biancahoegel.de
Datum der letzten Änderung: Jena, den: 12.02. 2023