Landau-Symbole
Landau-Symbole (auch O-Notation, englisch big O notation) werden in der Mathematik und in der Informatik verwendet, um das asymptotische Verhalten von Funktionen und Folgen zu beschreiben. In der Informatik werden sie bei der Analyse von Algorithmen verwendet und geben ein Maß für die Anzahl der Elementarschritte oder der Speichereinheiten in Abhängigkeit von der Größe des gegebenen Problems an. Die Komplexitätstheorie verwendet sie, um Probleme danach zu klassifizieren, wie „schwierig“ oder aufwändig sie zu lösen sind. Zu „leichten“ Problemen existiert ein Algorithmus, dessen Laufzeit sich durch ein Polynom beschränken lässt; als „schwer“ gelten Probleme, für die man keinen Algorithmus gefunden hat, der weniger schnell als exponentiell wächst. Man nennt sie (nicht) polynomiell lösbar.
Notation | Anschauliche Bedeutung |
---|---|
oder |
|
oder |
|
Geschichte des O-Symbols
Erstmals drückte der deutsche Zahlentheoretiker Paul
Bachmann 1894 „durch das Zeichen
eine Grösse aus […], deren Ordnung in Bezug auf
die Ordnung von
nicht überschreitet […].“
Der ebenfalls deutsche Zahlentheoretiker Edmund
Landau, durch den die
-
und
-Symbolik
bekannt wurde und mit dessen Namen sie insbesondere im deutschen Sprachraum
heute verbunden ist, übernahm Bachmanns Bezeichnung und führte zudem die
-Bezeichnung
für „von kleiner Ordnung“ ein.
Sonderfall: Omega-Symbol
Zwei unvereinbare Definitionen
Es gibt in der Mathematik zwei sehr häufige und inkonsistente Definitionen für
wobei
eine reelle Zahl,
oder
ist, wo die reellen Funktionen
und
auf einer Umgebung von
definiert sind und
in dieser Umgebung positiv ist.
Die erste wird in der analytischen Zahlentheorie benutzt und die andere in der Komplexitätstheorie. Diese Situation kann zu Verwechslungen führen.
Die Hardy-Littlewoodsche Definition
Im Jahr 1914 führten Godfrey
Harold Hardy und John
Edensor Littlewood das Symbol
mit der Bedeutung
ein.
Also ist
die Negation von
.
Im Jahr 1916 führten dieselben Verfasser zwei neue Symbole
und
mit den Bedeutungen
;
ein.
Also ist
die Negation von
und
die Negation von
.
Im Gegensatz zu einer späteren Aussage von Donald Ervin Knuth verwendete Landau diese drei Symbole im Jahre 1924 mit den gleichen Bedeutungen.
Diese Hardy-Littlewood-Symbole sind Prototypen, sie werden nie genau so
verwendet.
ist zu
und
zu
geworden.
Diese drei Symbole
sowie
(dies bedeutet, dass die beiden Eigenschaften
und
erfüllt sind) werden heute noch systematisch in der analytischen
Zahlentheorie verwendet.
Einfache Beispiele
Wir haben
und speziell
Wir haben
und speziell
aber
Zahlentheoretische Notation
Die strenge Notation
wird in der Zahlentheorie nie benutzt und man schreibt weniger streng immer
.
Dies bedeutet hier „
ist ein Omega von
“.
Die Knuthsche Definition
Im Jahr 1976 veröffentlichte D. E. Knuth einen
Artikel,
dessen Hauptziel es ist, eine andere Verwendung des -Symbols
zu rechtfertigen. Er bemüht sich, seine Leser zu überzeugen, dass, abgesehen von
einigen älteren Werken (wie dem 1951 erschienenen Buch von Edward C.
Titchmarsh),
die Hardy-Littlewoodsche Definition fast nie benutzt wird. Er schreibt, dass er
bei Landau keine Anwendung
finden konnte und dass George
Pólya, der bei Landau studierte, die Einschätzung bestätigte, dass Landau
das
-Symbol
wohl nicht verwendet hat (tatsächlich findet sich eine Nutzung in einer
Abhandlung von 1924).
Knuth schreibt: „For all the applications I have seen so far in computer
science, a stronger requirement […] is much more appropriate.“ Er verwendet das
Symbol
,
um diese stärkere Anforderung zu beschreiben: „Unfortunately, Hardy and
Littlewood didn’t define
as I wanted to.“
Unter der Gefahr von Missverständnissen und Verwirrung definiert er auch
.
Definition
In der folgenden Tabelle bezeichnen
und
entweder
- Folgen
reeller Zahlen, dann ist
und der Grenzwert
, oder
- reellwertige Funktionen der reellen Zahlen, dann ist
und der Grenzwert aus den erweiterten reellen Zahlen:
, oder
- reellwertige Funktionen beliebiger topologischer
Räume
, dann ist
und auch der Grenzwert
. Wichtigster Spezialfall ist dabei
.
Formal lassen sich die Landau-Symbole dann mittels Limes superior und Limes inferior folgendermaßen definieren:
Notation | Definition | Mathematische Definition |
---|---|---|
asymptotisch gegenüber |
||
asymptotische obere Schranke | ||
(Zahlentheorie) asymptotische untere Schranke, |
||
(Komplexitätstheorie) asymptotische untere Schranke, |
||
asymptotisch scharfe Schranke, sowohl |
||
asymptotisch dominant, |
In der Praxis existieren meist die Grenzwerte ,
sodass die Abschätzung des limes superior oft durch die (einfachere) Berechnung
eines Grenzwerts ersetzt werden kann.
Äquivalent zur Definition mit Limessymbolen können für einen metrischen Raum ,
insbesondere also für die Fälle
und
,
folgende Definitionen mit Quantoren
verwendet werden:
Notation | |
---|---|
(Zahlentheorie) | |
(Komplexitätstheorie) | |
Notation | |
---|---|
(Zahlentheorie) | |
(Komplexitätstheorie) | |
Analoge Definitionen lassen sich auch für den Fall
sowie für einseitige
Grenzwerte geben.
Folgerung
Für jede Funktion
werden durch
jeweils Mengen von Funktionen beschrieben. Es gelten folgende Beziehungen zwischen diesen:
Beispiele und Notation
Bei der Verwendung der Landau-Symbole wird die darin verwendete Funktion
häufig verkürzt angegeben. Statt zum Beispiel
schreibt man häufig verkürzend
Dies wird auch in den folgenden Beispielen so gehandhabt.
Die Beispiele in der Tabelle enthalten allesamt monoton wachsende
Vergleichsfunktionen ,
bei denen es auf ihr Verhalten bei
ankommt. (Als Name des Arguments wird gerne
genommen – oft ohne eine Erläuterung, weil es sich sehr häufig um eine Anzahl
handelt.) Sie sind in dieser Hinsicht aufsteigend geordnet, d.h. die
Komplexitätsklassen sind enthalten in denen, die in Zeilen darunter stehen.
Notation | Bedeutung | Anschauliche Erklärung | Beispiele für Laufzeiten |
---|---|---|---|
Feststellen, ob eine Binärzahl gerade ist Nachschlagen des | |||
Bei Basis 2 erhöht sich |
Interpolationssuche
im sortierten Feld mit | ||
Die Basis des Logarithmus ist dabei egal. |
Binäre
Suche im sortierten Feld mit | ||
Anzahl der Divisionen des naiven Primzahltests
(Teilen durch jede ganze Zahl | |||
Suche im unsortierten Feld mit | |||
Vergleichbasierte Algorithmen zum Sortieren von Mergesort, Heapsort | |||
Einfache Algorithmen zum Sortieren von Selectionsort | |||
„Einfache“ Algorithmen | |||
Erfüllbarkeitsproblem der Aussagenlogik (SAT) mittels erschöpfender Suche | |||
Problem des Handlungsreisenden (mit erschöpfender Suche) | |||
Problem ist berechenbar, aber nicht notwendig primitiv-rekursiv |
Die Landau-Notation wird verwendet, um das asymptotische Verhalten bei
Annäherung an einen endlichen oder unendlichen Grenzwert zu beschreiben. Das
große
wird verwendet, um eine maximale Größenordnung anzugeben. So gilt beispielsweise
nach der Stirlingformel
für das asymptotische Verhalten der Fakultät
für
und
für
.
Der Faktor
ist dabei nur eine Konstante und kann für die Abschätzung der Größenordnung
vernachlässigt werden.
Die Landau-Notation kann auch benutzt werden, um den Fehlerterm einer Approximation zu beschreiben. Beispielsweise besagt
für
,
dass der Absolutbetrag des Approximationsfehlers kleiner als eine Konstante
mal
für
hinreichend nahe bei Null ist.
Das kleine
wird verwendet, um zu sagen, dass ein Ausdruck vernachlässigbar klein gegenüber
dem angegebenen Ausdruck ist. Für differenzierbare
Funktionen gilt beispielsweise
für
,
der Fehler bei Approximation durch die Tangente geht also schneller als
linear gegen .
Notationsfallen
Symbolisches Gleichheitszeichen
Oft wird in der Mathematik bei der Landau-Notation das Gleichheitszeichen
verwendet. Es handelt sich dabei aber um eine rein symbolische Schreibweise und
nicht um eine Gleichheitsaussage, auf die beispielsweise die Gesetze der Transitivität
oder der Symmetrie
anwendbar sind: Eine Aussage wie
ist keine Gleichung und keine Seite ist durch die andere bestimmt. Aus
und
folgt nicht, dass
und
gleich sind. Genauso wenig kann man aus
und
schließen, dass
und
dieselbe Klasse sind oder die eine in der anderen enthalten ist.
Tatsächlich handelt es sich bei
um eine Menge, welche alle diejenigen Funktionen enthält, welche höchstens so
schnell wachsen wie
.
Die Schreibweise
ist also formal korrekt.
Die Notation mit dem Gleichheitszeichen wie in
wird trotzdem in der Praxis ausgiebig genutzt. Beispielsweise soll der Ausdruck
besagen, dass es Konstanten
und
gibt, sodass
für hinreichend große
gilt.
Vergessener Grenzwert
Eine weitere Falle besteht darin, dass oft nicht angegeben wird, auf welchen
Grenzwert sich das Landausymbol bezieht. Der Grenzwert ist aber wesentlich; so
ist beispielsweise
für
,
nicht aber für den einseitigen Grenzwert
.
Normalerweise wird der betrachtete Grenzwert aber aus dem Zusammenhang klar,
sodass hier Mehrdeutigkeiten nur selten auftreten.
Anwendung in der Komplexitätstheorie
In der Komplexitätstheorie werden die Landau-Symbole vor allem verwendet, um den (minimalen, mittleren oder maximalen) Zeit- oder Speicherplatzbedarf eines Algorithmus zu beschreiben. Man spricht dann von Zeitkomplexität bzw. Platzkomplexität. Die Komplexität kann vom verwendeten Maschinenmodell abhängen. In der Regel nimmt man jedoch ein „normales“ Modell an, zum Beispiel ein der Turingmaschine äquivalentes.
Siehe auch
- Grenzwert (Limes)
- Konvergenzgeschwindigkeit
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 01.04. 2021