Quadratklasse
In der Algebra sind Quadratklassen die Äquivalenzklassen einer bestimmten Äquivalenzrelation, der quadratischen Äquivalenz in einer kommutativen Gruppe. Sie sind dann die Nebenklassen der Untergruppe der Quadrate in dieser Gruppe. Das Konzept der Quadratklassen und der quadratischen Äquivalenz wird unter anderem angewendet
- in der linearen Algebra bei der affinen Klassifikation von Quadriken in einem affinen Raum über einem beliebigen Körper,
- in der projektiven Geometrie bei der projektiven Klassifikation von projektiven Quadriken in einem projektiven Raum über einem beliebigen Körper,
- in der synthetischen Geometrie
-
- bei der Untersuchung von Orthogonalitätsrelationen, siehe Präeuklidische Ebene,
- bei der Untersuchung von möglichen Anordnungen von Körpern (→ siehe pythagoreischer Körper und als Spezialfall euklidischer Körper),
- in der Zahlentheorie bei der Untersuchung quadratischer diophantischer Gleichungen.
Quadratklassen werden in der Literatur auch allgemeiner definiert, wobei sich die Folgerungen des gängigen, gruppentheoretischen Begriffs meist als der wesentliche Kern des allgemeineren Konzepts herauskristallisieren.
Definitionen
Die allgemeine Definition einer „quadratischen Relation“ hat den Vorzug, dass sie sich immer dann sinnvoll anwenden lässt, wenn diese Definition zu einer Äquivalenzrelation führt. Die gruppentheoretische Definition zeigt, dass die quadratische Relation jedenfalls für kommutative Gruppen eine Äquivalenzrelation ist, und die Quadratklassen damit tatsächlich eine Einteilung der Gruppe in Nebenklassen einer Untergruppe sind. Damit können in diesem Spezialfall alle Sätze und Eigenschaften für Nebenklassen der Normalteiler einer beliebigen und der Untergruppen einer abelschen Gruppe auf Quadratklassen angewendet werden.
Allgemeine Definition
Sei
eine Menge mit der zweistelligen Verknüpfung
und
eine bezüglich dieser Verknüpfung abgeschlossene, nichtleere Teilmenge. Dann
wird auf
eine zweistellige Relation
eingeführt durch die Definition
, falls es Elemente
gibt, so dass
ist.
Nun gilt:
- Die Relation ist durch ihre Definition stets reflexiv und symmetrisch.
- Sie ist sicher dann transitiv,
wenn die Verknüpfung assoziativ
auf
und kommutativ auf
ist.
-
- Hinreichend für die Transitivität sind bereits die folgenden,
schwächeren Bedingungen: Für
existieren stets Elemente
so dass
-
(Abschwächung der Assoziativität) und
(Abschwächung der Kommutativität) gilt.
- Hinreichend für die Transitivität sind bereits die folgenden,
schwächeren Bedingungen: Für
In allen Fällen, in denen die Relation transitiv, also eine
Äquivalenzrelation ist, nennt man zwei Elemente von ,
die die Relation erfüllen, quadratisch äquivalent (im weiteren Sinn) bezüglich
der Teilmenge
.
Jede Äquivalenzklasse dieser Relation, die ein Element von
enthält, heißt Quadratklasse (im engeren Sinn) von
bezüglich
.
Gruppentheoretische Definition
Sei
eine kommutative Gruppe. Dann ist die Quadratabbildung
ein Gruppenhomomorphismus.
Dessen Bild, also die Menge
der „Quadrate“ ist eine Untergruppe von
und die Nebenklassen dieser Untergruppe heißen Quadratklassen von
.
Das ist der Spezialfall der allgemeinen Definition, wenn dort
gesetzt wird.
Wenn die Quadratabbildung surjektiv ist, gibt es nur eine Quadratklasse, die dann die ganze Gruppe umfasst. Dieser Fall tritt für endliche Gruppen genau dann ein, wenn die Abbildung injektiv ist und also nach dem Satz von Lagrange und den Sylow-Sätzen genau dann, wenn die Ordnung der Gruppe ungerade ist und daher kein Element eine gerade Ordnung hat.
Allgemeiner ist die Anzahl
der Quadratklassen der Index
der Quadrate in
.
Quadratklassen in kommutativen Ringen
Körper
In einem Körper
wird meist die quadratische Äquivalenz bezüglich der multiplikativen Gruppe
als die quadratische Äquivalenz bezeichnet. Die Äquivalenzklasse (im
weiteren Sinn) von 0 besteht nur aus dem Nullelement, alle anderen sind
Quadratklassen von
im Sinne der allgemeinen Definition und von
im engeren Sinne und im Sinn der gruppentheoretischen Definition.
Integritätsbereich
In einem Integritätsbereich
(mit Einselement) wird in der Regel – wie in einem Körper – quadratische
Äquivalenz bezüglich des kürzbaren, kommutativen Monoids
als die quadratische Äquivalenz bezeichnet. Auch hier sind alle
Äquivalenzklassen außer
Teilmengen von
und damit Quadratklassen von
(im engeren Sinn).
Zudem ist hier die quadratische Äquivalenz mit der Einbettung des
Integritätsbereiches in seinen Quotientenkörper
verträglich: Zwei Elemente des Integritätsbereiches sind genau dann quadratisch
äquivalent im Ring, wenn sie (genauer: die Bilder dieser Elemente unter der
Einbettung) auch im Quotientenkörper (dort auch im Sinne der
gruppentheoretischen Definition) quadratisch äquivalent sind. Darüber hinaus
enthält jede Quadratklasse des Quotientenkörpers „ganze“ Elemente, also
eingebettete Bilder von Elementen des Integritätsbereichs
.
Beispiele
- Der Körper der reellen Zahlen enthält genau zwei Quadratklassen, nämlich die Menge der positiven und die der negativen reellen Zahlen. Dies gilt allgemeiner für jeden euklidischen Körper.
- Der Körper der komplexen
Zahlen enthält nur eine Quadratklasse, nämlich
. Das gilt entsprechend für jeden algebraisch abgeschlossenen Körper.
- Der Integritätsbereich der ganzen
Zahlen
enthält unendlich viele Quadratklassen. Zwei ganze Zahlen (außer 0) sind genau dann quadratisch äquivalent, wenn ihr Produkt eine Quadratzahl, also quadratisch äquivalent zu 1 ist. Ein Repräsentantensystem bilden die quadratfreien Zahlen.
- Der Restklassenkörper
enthält nur eine Quadratklasse, falls
ist, und genau zwei Quadratklassen, falls
eine ungerade Primzahl ist. Für die Geometrie ist weiterhin folgende Unterscheidung wichtig: Ist die ungerade Primzahl
von der Form
, dann sind −1 und 1 quadratisch äquivalent, für
liegen sie in unterschiedlichen Quadratklassen. (→Siehe dazu Quadratischer Rest, Quadratisches Reziprozitätsgesetz und – für eine geometrische Anwendung – präeuklidische Ebene).
- Alle endlichen
Körper
mit der Charakteristik 2 besitzen genau eine Quadratklasse. Daher ist jede reinquadratische Gleichung
in diesen Körpern lösbar und hat durch den Frobeniushomomorphismus genau eine doppelt zählende Lösung.
- Ein nichtkommutatives Beispiel ergibt sich für die Quaternionengruppe
. Obwohl diese Gruppe nicht kommutativ ist, sind die 4 Nebenklassen des Zentrums
Quadratklassen der Gruppe (bezüglich der Gruppe
selbst) im Sinne der allgemeinen Definition. Da diese Gruppe auch multiplikative Gruppe eines Quasikörpers ist (→ der in Ternärkörper#Beispiele der Ordnung 9 beschriebene Quasikörper
) sind diese Quadratklassen in der Synthetischen Geometrie von Interesse. Für den Quasikörper
ist
zugleich der Kern.
Literatur
- Helmut Hasse: Über die Darstellbarkeit von Zahlen durch quadratische Formen im Körper der rationalen Zahlen. In: Journal für die reine und angewandte Mathematik. 1923
- Armin Leutbecher: Zahlentheorie: Eine Einführung in die Algebra. Springer, Berlin/Heidelberg/New York 1996, ISBN 3-540-58791-8.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 19.06. 2021