Lebesguesche Überdeckungsdimension
Die Lebesgue’sche Überdeckungsdimension (nach Henri Léon Lebesgue) ist eine geometrisch sehr anschauliche, topologische Charakterisierung der Dimension.
Definition
Ein topologischer
Raum
hat die Dimension
,
wenn
die kleinste natürliche Zahl ist, derart dass es zu jeder offenen
Überdeckung
eine feinere offene Überdeckung
gibt, so dass jeder Punkt aus
in höchstens
der Mengen
liegt. Gibt es kein solches
,
so heißt
von unendlicher Dimension.
Die Dimension von
wird mit
bezeichnet. Da es eine ganze Reihe weiterer Dimensionsbegriffe gibt, spricht man
genauer von der Lebesgue’schen Überdeckungsdimension.
Erläuterung
Dabei ist
eine offene Überdeckung von
,
wenn jedes
offen und
die Vereinigung der
ist. Die Überdeckung
heißt feiner als
,
wenn jedes
in irgendeinem
enthalten ist.
Anschaulich stellt die Überdeckung
in obiger Definition eine Größenbeschränkung für Überdeckungsmengen dar. In
diesem Sinne gibt es also zu beliebiger Größenbeschränkung stets Überdeckungen,
bei denen sich höchstens jeweils
Mengen überschneiden. In der Tat lässt sich die Überdeckungsdimension bei kompakten metrischen Räumen wie
folgt umformulieren. Ein kompakter metrischer Raum hat die Dimension
,
wenn
die kleinste natürliche Zahl ist, derart dass es zu jedem
eine offene Überdeckung
gibt, so dass
für alle
und jeder Punkt aus
in höchstens
der Mengen
liegt. Dabei bezeichnet
den Durchmesser
von
.
Obige Definition ist rein topologisch, das heißt, es ist nur von offenen Mengen die Rede. Daher ist die Lebesgue’sche Überdeckungsdimension eine topologische Invariante, homöomorphe Räume haben also dieselbe Dimension.
Beispiele
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Einfache Beispiele
- Jeder endliche Hausdorff-Raum
ist 0-dimensional, denn jeder Punkt
liegt in einer minimalen offenen Menge. Sind
die minimalen offenen Mengen, so ist
feiner als jede Überdeckung und jeder Punkt liegt in genau einem
.
- Jeder diskrete
Raum (z.B. die Menge der ganzen
Zahlen) ist 0-dimensional, denn jeder Punkt
liegt in einer minimalen offenen Menge.
- Das Cantor’sche Diskontinuum ist ein 0-dimensionaler kompakter Hausdorffraum mit überabzählbar vielen Punkten.
- Eine Strecke, etwa das Einheitsintervall
, ist eindimensional. Wie der obere Teil nebenstehender Zeichnung plausibel macht, kann man stets beliebig feine offene Überdeckungen finden, bei denen sich höchstens je zwei Mengen schneiden. Daher ist die Dimension
. Diese Überschneidungen sind unvermeidbar; leicht überlegt man sich, dass
sonst nicht zusammenhängend sein könnte. Daher ist die Dimension sogar
.
- Die nebenstehende Zeichnung zeigt auch, dass es zu ebenen Figuren wie
Kreisflächen oder Rechtecken usw. stets beliebig feine Überdeckungen gibt, bei
denen jeder Punkt in höchstens 3 Mengen enthalten ist. Die Dimension ist also
. Leicht verallgemeinert man das auf höhere Dimensionen, so hat etwa eine Kugel im
die Dimension
. Dass hier in der Tat Gleichheit vorliegt, ist ein schwierigerer Satz, zu dessen Beweis kombinatorische Argumente herangezogen werden.
- Der Hilbertwürfel ist ein Beispiel für einen unendlichdimensionalen, kompakten, metrischen Raum.
Satz (Kugeln, Quader, Simplizes)
- Kugeln,
nicht-entartete Quader oder nicht-entartete Simplizes
im
haben die Lebesgue’sche Überdeckungsdimension
.
Dieser Satz ist historisch bedeutsam: Es war lange nicht klar, ob man die
Einheitswürfel im
und
,
die jeweils mit der Produkttopologie
versehen sind, für
topologisch unterscheiden kann, also ob man sie als nicht-homöomorph
nachweisen kann. Es hatte die Mathematiker überrascht, als Georg Cantor bijektive Abbildungen
zwischen unterschiedlichdimensionalen Räumen angegeben hatte, die allerdings
unstetig waren. Giuseppe
Peano hatte stetige und surjektive
Abbildungen von
nach
konstruiert, diese waren nicht bijektiv, siehe Peano-Kurve.
Es war also nicht auszuschließen, dass eine geschickte Kombination dieser
Konstruktionen zu einem Homöomorphismus zwischen Würfeln unterschiedlicher
Dimension führen könnte. Dass dies tatsächlich nicht möglich ist, zeigt obiger
Satz, der erstmals von Luitzen
Egbertus Jan Brouwer bewiesen wurde.
Einbettungssatz von Menger-Nöbeling
Es stellt sich die Frage, ob sich endlichdimensionale topologische Räume
homöomorph in einen
einbetten lassen, d.h. ob sie homöomorph zu einer Teilmenge des
sind. Wie die Kreislinie zeigt, kann zur Einbettung eines eindimensionalen
Raumes die Ebene
erforderlich sein. Die Frage nach einer oberen Grenze für diese Dimension
beantwortet folgender Satz von Menger-Nöbeling.
- Ein
-dimensionaler kompakter metrischer Raum gestattet homöomorphe Einbettungen in den
.
Vererbung der Dimension
Ist
ein kompakter, metrischer Raum und
ein Unterraum, so ist
.
Bei Quotientenräumen, d.h. bei surjektiven stetigen Abbildungen, ergibt sich ein überraschendes Verhalten: Jeder kompakte metrische Raum ist stetiges Bild des 0-dimensionalen Cantor’schen Diskontinuums.
Sind
und
metrisierbar, so gilt
.
Gleichheit gilt im Allgemeinen nicht, ein Gegenbeispiel ist
.
Es gilt die folgende als Hurewicz-Formel bekannte Abschätzung: Ist
normal,
metrisierbar und
eine stetige,
abgeschlossene
und surjektive Abbildung, so gilt
.
Beachte, dass daraus leicht obige Abschätzung für die Dimension des kartesischen Produktes metrischer Räume folgt.
Vergleich mit anderen Dimensionsbegriffen
Ist
ein normaler Raum, so ist die
Lebesgue’sche Dimension stets kleiner oder gleich der großen induktiven
Dimension. Für metrisierbare Räume gilt Gleichheit.
Siehe auch
Literatur
- Wolfgang Franz: Topologie. Band 1: Allgemeine Topologie (Sammlung Göschen. 1181, ZDB-ID 842269-2). de Gruyter, Berlin 1960.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 07.11. 2021