Selen

Sicherheitshinweise
Gefahrstoffkennzeichnung aus RL 67/548/EWG, Anh. I 
giftig
Giftig
(T)
R- und S-Sätze R:
  • Giftig beim Einatmen und Verschlucken.
  • Gefahr kumulativer Wirkungen.
  • Kann in Gewässern längerfristig schädliche Wirkungen haben.
S:
  • Unter Verschluss und für Kinder unzugänglich aufbewahren. (Text nur erforderlich bei Abgabe an nichtgewerbliche Endverbraucher)
  • Bei der Arbeit nicht essen, trinken oder rauchen.
  • Bei Berührung mit der Haut sofort abwaschen mit viel ... (vom Hersteller anzugeben)
  • Bei Unfall oder Unwohlsein sofort Arzt hinzuziehen (wenn möglich, dieses Etikett vorzeigen)
  • Freisetzung in die Umwelt vermeiden. Besondere Anweisungen einholen/Sicherheitsdatenblatt zu Rate ziehen.

Selen ist ein chemisches Element im Periodensystem der Elemente mit dem Symbol Se und der Ordnungszahl 34. Es kommt in mehreren Modifikationen vor, die stabilste ist die graue metallähnliche Form.

Geschichte

Selen (griech. σελήνη Selen "Mond") wurde 1817 von Jöns Jakob Berzelius im Bleikammerschlamm einer Schwefelsäurefabrik entdeckt, der neben Selen auch Tellur (von lat. tellus "Erde") enthielt.

Eigenschaften
Allgemein
Name, Symbol, Ordnungszahl Selen, Se, 34
Serie Halbmetalle
Gruppe, Periode, Block 16, 4, p
Aussehen grau, glänzend
CAS-Nummer 7782-49-2
Massenanteil an der Erdhülle 0,8 ppm
Physikalisch
Aggregatzustand fest
Kristallstruktur hexagonal
Dichte 4,79 g/cm3 bei 300 K
Mohshärte 2
Schmelzpunkt 494 K (22 °C)
Siedepunkt 957,8 K (684,6 °C)
Molares Volumen 16,42 · 10-6 m3/mol
Verdampfungswärme 26,3 kJ/mol
Schmelzwärme 6,694 kJ/mol
Dampfdruck 0,695 Pa bei 494 K
Schallgeschwindigkeit 3350 m/s bei 293,15 K
Spezifische Wärmekapazität 320 J/(kg · K)
Elektrische Leitfähigkeit 1,0 · 10-10 A/(V · m)
Wärmeleitfähigkeit 2,04 W/(m · K)
Chemisch
Oxidationszustände ±2, 4, 6
Oxide (Basizität) SeO2 (stark sauer)
Normalpotential -0,924 V (Se + 2e → Se2−)
Elektronegativität 2,48 (Pauling-Skala)

Vorkommen

In kleinen Mengen kommt gediegenes Selen natürlich vor. Selenmineralien wie Clausthalit und Naumannit sind selten.

Selen ist, meist in Form von Metallseleniden, Begleiter schwefelhaltiger Erze der Metalle Kupfer, Blei, Zink, Gold und Eisen. Beim Abrösten dieser Erze sammelt sich das feste Selendioxid in der Flugasche oder in der nachgeschalteten Schwefelsäureherstellung als selenige Säure.

Selen kann in Tragant-Arten oder im Knoblauch als Se-Methylselenocystein angereichert werden.

Als essentielles Spurenelement ist Selen Bestandteil der 21. biogenen Aminosäure, Selenocystein, sowie in Bakterien, Archaea und Eukaryoten enthalten.

Gewinnung und Darstellung

Industriell gewinnt man Selen als Nebenprodukt bei der elektrolytischen Kupfer- und Nickelherstellung aus dem Anodenschlamm durch Abrösten.

Die Reduktion zum elementaren Selen erfolgt durch Schwefeldioxid.

Organisches Selen

In der Lebensmittelergänzung und Tierernährung (in der Tierernährung in der EU seit Mai 2005 zugelassen) wird seit einigen Jahren eine organische Selenquelle eingesetzt, die durch die Zucht bestimmter Brauhefen des Typs Saccharomyces cerevisiae (Sel-Plex, Lalmin(TM)) auf selenreichem Nährmedium (Melasse + Na-Selenit) erzeugt wird. Hefen synthetisieren hohe Anteile an Selenomethionin als Aminosäure und binden so bis zu 2000 ppm Selen auf organische Weise. Die größte Anlage zur Erzeugung solcher natürlicher Selenhefen wurde 2004 in São Pedro im brasilianischen Bundesstaat Paraná errichtet.

Eigenschaften

Selen kommt wie Schwefel in mehreren Modifikationen vor:

Die Bandlücke des Selens beträgt etwa 1,74 eV (an der Grenze vom sichtbaren Licht zum Infrarot).

Durch Belichtung ändert es seine elektrische Leitfähigkeit. Zusätzlich zeigt es einen photovoltaischen Effekt. Die Leitfähigkeit wird nicht durch Elektronen in einem Leitungsband verursacht, sondern durch Leitung von Löchern, also positiv geladenen Elektronenfehlstellen, wodurch unter anderem das Vorzeichen des Hall-Effekts negativ wird. Als Mechanismus für diese Löcherleitung wird eine so genannte "Hopping-Leitfähigkeit" (der Löcher von einer Kristallfehlstelle zur nächsten) vorgeschlagen.

Beim Erhitzen in Luft verbrennt Selen mit blauer Flamme zum Selendioxid, SeO2. Oberhalb von 400 °C setzt es sich mit Wasserstoff zum Selenwasserstoff, H2Se, um. Mit Metallen bildet es in der Regel Selenide, zum Beispiel Natriumselenid, Na2Se.

Das chemische Verhalten ist dem Schwefel ähnlich, allerdings ist Selen schwerer oxidierbar. Die Reaktion mit Salpetersäure bildet "nur" selenige Säure, eine Selen(IV)-Verbindung.

Isotope

Das Selen weist eine Vielzahl von Isotopen auf. Von den sechs natürlich vorkommenden Isotopen sind fünf stabil. Dabei sind die Anteile folgendermaßen verteilt: 74Se (0,9 %), 76Se (9,0 %), 77Se (7,6 %), 78Se (23,6 %), 80Se (49,7 %) und 82Se (9,2 %).

82Se als einziges natürlich vorkommendes radioaktives Isotop besitzt mit ca. 1020 Jahren eine der längsten derzeitig bekannten Halbwertszeiten überhaupt. Daneben kennt man weitere 22 radioaktive Isotope, unter denen 75Se mit einer Halbwertszeit von 120 Tagen und 79Se mit einer Halbwertszeit von 65.000 Jahren besondere Bedeutung haben. 75Se findet zur Konstruktion spezieller Gammastrahlenenquellen zur zerstörungsfreien Prüfung von z.B. Schweißnähten Anwendung.75Se dient in der Nuklearmedizin in Verbindung mit Methionin als Tracer zur Beurteilung der Pankreasfunktion und mit Homotauroacholsäure (SaHCAT) zur Beurteilung der Resorption von Gallensäuren. 79Se ist Bestandteil von abgebranntem Kernbrennmaterial, wo es bei der Spaltung von Uran mit einer Häufigkeit von 0,04 % entsteht.

Das seltenste der stabilen Isotope 74Se hat eine gewisse Bedeutung als Spekulationsobjekt erlangt. Es wird immer wieder zu sehr hohen Preisen auf dem Markt angeboten. Außer einigen sehr spezialisierten Anwendungen in der Forschung, wo es zur Markierungszwecken dient, ist für dieses Material jedoch keine besondere technische Verwendung bekannt.

Verwendung

Selen ist für alle Lebensformen essentiell. Selenverbindungen werden daher als Nahrungsergänzung angeboten und zu Futter- und Düngemittelzusätzen verarbeitet. In der Glasindustrie verwendet man es zum Entfärben grüner Gläser sowie zur Herstellung rotgefärbter Gläser. Weitere Anwendungen:

Biologische Bedeutung

Selen ist ein essentielles Spurenelement. In der Milchviehfütterung wird Selen zugesetzt, denn der natürliche Selengehalt unserer Futtermittel reicht zur Versorgung der Nutztiere oft nicht aus. Das deutsche Futtermittelrecht erwähnt zur Ergänzung der Selenversorgung nur die beiden anorganischen Selenquellen Natriumselenit und -selenat als Futterzusatzstoffe. Diese beiden Verbindungen sind ökonomisch sehr günstig, stehen aber aufgrund der geringen Bioverfügbarkeit für den Organismus aktuell im Kreuzfeuer der Kritik.

Selen wirkt in höheren Konzentrationen jedoch stark toxisch, wobei die Spanne zwischen Konzentrationen, die Mangelerscheinungen hervorrufen und toxischen Konzentrationen sehr gering ist. Des Weiteren ist die Toxizität von Selen abhängig von der chemischen Bindungsform.

Es ist in Selenocystein, die Aminosäure im aktiven Zentrum des Enzyms Glutathionperoxidase, wodurch Selen eine wichtige Rolle beim Schutz der Zellmembranen vor oxidativer Zerstörung spielen kann (Radikalfänger). Knoblauch ist eine wichtige Selenquelle. Selen ist ebenfalls Bestandteil anderer Enzyme, deren Bedeutung zum Teil noch nicht geklärt ist.

Diskussion um Selen

Bevor eine Arbeitsgruppe um Klaus Schwarz am National Institute of Health (USA) Selen als essentiellen Nahrungsbestandteil der Tiere entdeckte, galt Selen als toxische Substanz. In den 1930er-Jahren machten Veterinäre in den "Great Plains" die hohe Aufnahme selenhaltiger Pflanzen für die Alkali-Krankheit und die Blind-Ataxie der Rinder verantwortlich, andererseits berichtete eine Forschergruppe um Schwarz in den 1950er-Jahren, dass Selen einer nekrotischen Leberdegeneration vorbeugt. Etwa gleichzeitig stellte eine Gruppe von Forschern der Oregon State University, der auch O. H. Muth und J. E. Oldfield angehörten, ein Selendefizit bei schwachen Kälbern fest. Später wies Hogue nach, dass Selen der Muskeldystrophie der Lämmer vorbeugt. Diesen Berichten folgend haben Forscher verschiedener Einrichtungen Studien zum Nutzen der Selensupplementierung auf Leistung und Gesundheit des Milchviehs begonnen. Es wurde beschrieben, dass die vorrangige Rolle des Selens die eines Cofaktors im Glutathionperoxidase-System (GSH-Px) ist. Das GSH-Px zerstört die während des normalen Fettstoffwechsels gebildeten Peroxide (radikale Sauerstoffverbindungen). Wenn Peroxide ungehindert in der Zelle verbleiben, greifen sie die Zellwände an und destabilisieren sie. Hemken erklärte, dass Selen auch an der Entgiftung gefährlicher Medikamente oder Toxine beteiligt ist. Selen spielt noch in mindestens zwei weiteren Systemen eine Rolle: bei der Iodthyronin-Deiodase, einem Enzym, welches das Schilddrüsenhormon T4 aktiviert, und bei der Thioredoxin-Reduktase, einem Enzym, welches die reduzierenden Reaktionen reguliert. Bestimmte Plasma-, Herz-, Muskel- und Nierenproteine enthalten Selen. Jedoch ist die Funktion des Selens in diesen Proteinen noch in weiten Bereichen unklar.

Es gibt viele verschiedene Selenoproteine. In den Selenoproteinen ist Selenocystein enthalten, das auch als 21. Aminosäure bekannt ist. Selenoproteine kommen in dieser Funktion nur in tierischen Organismen vor. Pflanzen bauen Selen je nach Bodengehalt anstelle des Schwefels in ihre Aminosäuren ein, besonders in Methionin (Se-Methionin) und in geringem Umfang auch Cystein (Se-Cystein). Nur die sogenannten "Selensammlerpflanzen" (Selenakkumulator-Pflanzen, z.B. Paradiesnuss), die in Selen-reichen, ariden Gebieten vorkommen, speichern Selen auch als organisch gebundenes, wasserlösliches Selen oder Selensalze.

Bis dato wurden mindestens 25 Selenoproteine im menschlichen Genom entdeckt:

Selenmangelkrankheiten

Erkrankungen aufgrund einer Mangelversorgung mit Selen kommen nur in Ländern mit extremer Selenunterversorgung wie Nordkorea und Nordostchina sowie einzelnen anderen Ländern vor. In unseren Breiten können in der Regel nur Frühgeborene, parenteral ernährte Patienten und Alkoholkranke einen Selenmangel entwickeln.

Bekannte Selenmangelkrankheiten sind:

Selenmangel begünstigt eine Mutation des harmlosen Coxsackievirus B3 (CVB3/0), das dadurch virulent wird
Vorkommen: Tibet, Mongolei, Sibirien
Vorkommen: Sibirien, Mongolei, Nordkorea, China; betroffen sind ca. 3 Millionen Menschen
Vorkommen: Kuba
Selenmangel verursacht eine Mutation des Influenza-A/Bangkok/1/79-Virus, das dadurch virulent wird
Vorkommen: in allen Selenmangelgebieten der Erde
Tierarten: Jungtiere von v.a. Wiederkäuern: Kälber, Lämmer, Zicklein, Dromedar- und Lamafohlen
Vorkommen: in allen Selenmangelgebieten der Erde
Tierarten: v.a. Rinder ab acht Monaten

Organisch gebundenes Selen als Nahrungsergänzungsmittel

In einer kritischen Bewertung der Pharmainformation vom Juni 2005 wird festgestellt, dass die bislang verfügbaren Studien keine Hinweise für einen Nutzen einer zusätzlichen Gabe von Selen in irgendeinem Zusammenhang erbringen konnten. Zwar scheint eine positive Beeinflussung verschiedener Krebsarten möglich, andererseits die Begünstigung anderer Karzinome nicht unwahrscheinlich. Die "SELECT"-Studie ("Selenium and Vitamin E Cancer Prevention Trial") sollte diesbezüglich Auskunft geben und 2013 abgeschlossen werden. Allerdings wurde diese im Oktober 2008 abgebrochen, da während der Studie eine erhöhte Prostatakrebshäufigkeit unter der Gabe von Vitamin E und eine erhöhte Diabetesentstehung unter der Selengabe auftrat.

Im Rahmen der neuerlichen Auswertung von Daten einer Studie kam Saverio Stranges von der Universität in Buffalo zu dem Ergebnis, dass von den 600 Patienten, die Selen einnahmen (tägl. 200 μg) nach fast acht Jahren etwa zehn Prozent an Typ 2 Diabetes erkrankt waren. Bei der Placebo-Kontrollgruppe waren es lediglich sechs Prozent. Bis dato wurde noch keine potentielle Ursache für das erhöhte Diabetes-Risiko gefunden. Hohe Selenkonzentrationen im Blut korrelieren mit dem Risiko, an Diabetes zu erkranken.

Natriumselenit und Schilddrüsenhormone

Selen spielt eine wichtige Rolle bei der Produktion der Schilddrüsenhormone, genauer bei der "Aktivierung" von Thyroxin (T4) zu Triiodthyronin (T3).

Selen ist Bestandteil eines Enzyms, der Thyroxin-5'-Deiodase, die für die Entfernung eines Iodatoms aus T4 verantwortlich ist. Durch diese Deiodierung entsteht T3. Ein Selenmangel führt zu einem Mangel an Thyroxin-5'-Deiodase, wodurch nur noch ein Teil des verfügbaren T4 deiodiert werden kann. Da T3 im Stoffwechsel wesentlich wirksamer ist, resultiert aus einem T3-Mangel eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose). Eine zusätzliche Einnahme von Selenpräparaten (Natriumselenit) in hohen Dosen von 200-300 μg täglich ist nach ärztlicher Abklärung z.B. bei Hashimoto-Thyreoiditis angezeigt, dies kann auch die Entzündungsaktivität reduzieren.

Nachweise

Die quantitative Bestimmung von Spuren (0,003 %) an Selenat kann elektrochemisch mittels Polarografie erfolgen. In 0,1-molarer Ammoniumchloridlösung zeigt sich eine Stufe bei -1,50 V (gegen SCE). Im Ultraspurenbereich bietet sich die Atomspektrometrie an, wobei mittels Flammen-AAS 100 μg/l (ppb), per Graphitrohr-AAS 0,5 und per Hydridtechnik 0,01 μg/l Selen nachgewiesen werden können.

Sicherheitshinweise

Selen und Selenverbindungen sind giftig. Direkter Kontakt schädigt die Haut (Blasenbildung) und Schleimhäute. Eingeatmetes Selen kann zu langwierigen Lungenproblemen führen.

Eine Vergiftung durch übermäßige Aufnahme von Selen wird als Selenose bezeichnet. Eine Selen-Aufnahme von mehr als 3000 μg/Tag kann zu Leberzirrhose, Haarausfall und Herzinsuffizienz führen. Beschäftigte in der Elektronik-, Glas- und Farbenindustrie gelten als gefährdet. Nach anderen Quellen treten schon ab 400 μg pro Tag Vergiftungserscheinungen auf wie Übelkeit und Erbrechen, Haarverlust, Nagelveränderungen, periphere Neurop durch übermäßige Aufnahme von Selen wird als Selenose bezeichnet. Eine Selen-Aufnahme von mehr als 3000 μg/Tag kann zu Leberzirrhose, Haarausfall und Herzinsuffizienz führen. Beschäftigte in der Elektronik-, Glas- und Farbenindustrie gelten als gefährdet. Nach anderen Quellen treten schon ab 400 μg pro Tag Vergiftungserscheinungen auf wie Übelkeit und Erbrechen, Haarverlust, Nagelveränderungen, periphere Neuropathie und Erschöpfung.

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Basierend auf einem Artikel in Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 17.05. 2022
 


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