Torsion (Algebra)
Torsion ist das Phänomen der kommutativen Algebra, also der Theorie der Moduln über kommutativen Ringen, das sie fundamental von der (einfacheren) Theorie der Vektorräume unterscheidet. Torsion ist verwandt mit dem Begriff des Nullteilers.
Globale Torsion
Definitionen
In der einfachsten Form ist ein Torsionselement ein Element endlicher
Ordnung
in einer Gruppe
oder einem Monoid, also ein Element ,
für das es eine natürliche Zahl
gibt, so dass
(bzw.
in additiver Schreibweise) gilt.
Für den Torsionsbegriff der kommutativen
Algebra sei
ein (kommutativer) Ring
(mit Einselement) und
ein
-Modul.
- Die Torsion oder der Torsionsuntermodul von
ist der Untermodul derjenigen Elemente
, für die der Kern der Abbildung
,
, nicht nur Nullteiler enthält. In diesem Fall heißt
Torsionselement.
- Äquivalent dazu kann man den Torsionsuntermodul auch als den Kern des Homomorphismus
-
- definieren, wenn
den Totalquotientenring von
bezeichnet.
heißt torsionsfrei, wenn der Torsionsuntermodul Null ist.
ist ein Torsionsmodul, wenn der Torsionsuntermodul gleich
ist. Man sagt dann auch manchmal kurz:
„ist Torsion“.
Ist
eine abelsche
Gruppe (also
-Modul),
so stimmen die beiden Definitionen von Torsionselementen überein. Man spricht
dann analog von Torsions(unter)gruppen.
Einfache Eigenschaften
- Ist
der Torsionsuntermodul von
, so ist
torsionsfrei. Es gibt also einen kanonischen Torsionsuntermodul und einen kanonischen torsionsfreien Quotienten, jedoch nicht umgekehrt.
- Das Bilden des Torsionsuntermoduls ist ein Funktor,
d.h. ist
ein Modulhomomorphismus, so bildet
den Torsionsuntermodul von
in den Torsionsuntermodul von
ab. Auch im Fall von Gruppen bildet ein Homomorphismus Torsionselemente stets auf Torsionselemente ab.
- Aus der alternativen Beschreibung des Torsionsuntermoduls als Kern einer Lokalisierung folgt unmittelbar, dass das Bilden des Torsionsuntermoduls ein linksexakter Funktor ist.
Beispiele
- Torsionselemente der Gruppe
sind unter anderem
und
, ihr Produkt
hat dagegen unendliche Ordnung. In nicht abelschen Gruppen bilden die Torsionselemente also nicht notwendigerweise eine Untergruppe.
- Ein anderes Beispiel für diese Tatsache ist die unendliche Diedergruppe
-
,
- in der die Erzeuger
Torsionselemente sind, aber beispielsweise
nicht.
selbst, oder allgemeiner ein freier
-Modul, ist torsionsfrei. Ist insbesondere
ein Körper, so sind alle
-Moduln torsionsfrei.
ist ein Torsionsmodul (über
) für jede natürliche Zahl
. Allgemein ist für einen Ring
und ein Ideal
von
, das nicht nur aus Nullteilern besteht, der Modul
ein Torsionsmodul.
- Ist
ein Körper, so ist der Torsionsuntermodul von
, aufgefasst als abelsche Gruppe bzw.
-Modul, gleich der Gruppe der Einheitswurzeln in
.
Abelsche Torsionsgruppen
- Eine abelsche Torsionsgruppe ist genau dann endlich erzeugt, wenn sie endlich ist.
- Eine abelsche Torsionsgruppe ist die direkte
Summe ihrer
-primären Untergruppen für jede Primzahl
, d.h. der Untergruppen der Elemente, deren Ordnung eine Potenz von
ist. Die
-primäre Untergruppe ist eine
-Gruppe.
- Wie das Beispiel der Faktorgruppe
zeigt, sind die Ordnungen der Elemente im Allgemeinen nicht beschränkt; auch die
-primäre Untergruppe
hat bereits diese Eigenschaft.
- Ist die Ordnung der Elemente beschränkt, so bedeutet das nicht, dass die Gruppe endlich erzeugt (und damit endlich) ist: In einem unendlichen direkten Produkt zyklischer Gruppen der Ordnung 2 hat jedes Element (außer dem neutralen Element) Ordnung 2.
Torsionsfreie abelsche Gruppen
- Eine abelsche Gruppe ist genau dann torsionsfrei, wenn eine totale Ordnung existiert, die kompatibel mit der Gruppenstruktur ist.
Torsionsfreie Moduln
- Ist ein endlich erzeugter Modul über einem Hauptidealring torsionsfrei, so ist er frei. Dies gilt insbesondere für abelsche Gruppen.
- Ist ein endlich erzeugter Modul über einem Dedekindring torsionsfrei, so ist er projektiv.
- Flache Moduln sind torsionsfrei. Über Dedekindringen (insbesondere also über Hauptidealringen) stimmen die Begriffe „flach“ und „torsionsfrei“ sogar überein.
Das folgende Diagramm fasst diese Implikationen für einen Modul
über einem kommutativen Integritätsring
zusammen:
Torsion bezüglich eines Ringelementes
Definition der a-Torsion
Es seien
ein kommutativer Ring mit Einselement und
ein
-Modul.
Im einfachsten Fall ist
;
ist dann lediglich eine abelsche Gruppe.
Für ein Ringelement
ist
ein Untermodul, der als die -Torsion
von
bezeichnet wird. (Die Verwechslungsgefahr mit der Notation
für Lokalisierungen
ist gering.) Auch die Notation
ist üblich.
Der Modul
wird als -Torsion
bezeichnet.
Eigenschaften
ist auf natürliche Weise ein
-Modul.
- Der Funktor
ist linksexakt (als darstellbarer Funktor vertauscht sogar mit beliebigen Limites); genauer gilt: ist
-
- eine exakte
Folge von
-Moduln, so ist
- exakt, wie unmittelbar aus dem Schlangenlemma folgt.
- Der Torsionsuntermodul von
ist die Vereinigung der
für alle Nichtnullteiler
.
- Für Ringelemente
ist
.
- Für eine abelsche Gruppe
und eine Primzahl
ist
der
-primäre Anteil der Torsion von
.
Tate-Modul
Ist
eine abelsche Gruppe und
eine Primzahl, so ist der projektive
Limes
(die Übergangsabbildungen sind durch die Multiplikation mit
gegeben) ein
-Modul
(ganze
-adische Zahlen), der als
(nach John T. Tate) bezeichnet
wird. Durch den Übergang zu
erhält man einen Vektorraum über einem Körper der Charakteristik 0; dies ist insbesondere für darstellungstheoretische Betrachtungen vorteilhaft.
Das wichtigste Beispiel für diese Konstruktion ist der Tate-Modul zu einer
elliptischen Kurve
über einem nicht algebraisch
abgeschlossenen Körper, dessen Charakteristik nicht
ist. Der Tate-Modul
ist als
-Modul
isomorph zu
und trägt eine natürliche Operation der Galoisgruppe.
Im Fall der multiplikativen
Gruppe
ist der zugehörige Tate-Modul vom Rang 1. Er wird mit
bezeichnet, die Operation der Galoisgruppe erfolgt durch den zyklotomischen
Charakter.
Verallgemeinerungen
Für -Moduln
ist der Torsionsuntermodul eines Moduls
gleich
.
Die Funktoren Tor
können also als Verallgemeinerung des Begriffes des Torsionsuntermoduls
angesehen werden.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 19.10. 2021