Rechter Winkel
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Ein rechter Winkel, kurz auch Rechter, ist ein Winkel von 90° und damit der vierte Teil eines Vollwinkels zu 360°. Zwei Geraden oder Strecken, die sich in einem rechten Winkel schneiden oder berühren, werden als rechtwinklig, senkrecht oder orthogonal bezeichnet. Rechte Winkel treten in vielen geometrischen Figuren und Konstruktionen auf und werden in Zeichnungen durch einen kleinen Viertelkreis mit Punkt oder durch ein kleines Quadrat gekennzeichnet. Der rechte Winkel war neben dem Vollwinkel zeitweise eine gesetzliche Einheit in Deutschland und in der Schweiz.
Definition
Sowohl Euklid in seinem Werk Die Elemente (ca. 300 v. Chr), als auch David Hilbert in seinem Axiomensystem der euklidischen Geometrie (1899) definieren einen rechten Winkel als einen Winkel, der kongruent zu seinem Nebenwinkel ist:
„Wenn eine gerade Linie, auf eine gerade Linie gestellt, einander gleiche Nebenwinkel bildet, dann ist jeder der gleichen Nebenwinkel ein Rechter“
Das Adjektiv „recht“ meint hierbei nicht rechts, sondern recht im Sinne von aufrecht (lat. rectus). Alternativ dazu wird spätestens seit dem 16. Jahrhundert ein rechter Winkel auch als ein Winkel, zu dem ein Viertelkreis gehört, definiert. Beide Definitionen sind zueinander äquivalent, denn zwei Nebenwinkel ergeben zusammen einen gestreckten Winkel, dem ein Halbkreis entspricht.
Beispiele
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In der Ebene bilden beispielsweise einen rechten Winkel:
- die Koordinatenachsen eines kartesischen Koordinatensystems
- zwei benachbarte Seiten eines Rechtecks
- die beiden Katheten eines rechtwinkligen Dreiecks
- die beiden Halbachsen einer Ellipse
- die Verbindungslinien eines Punkts auf einem Halbkreis mit den Endpunkten des Durchmessers (Satz des Thales)
Im Raum bilden beispielsweise einen rechten Winkel:
- je zwei der Koordinatenachsen eines dreidimensionalen kartesischen Koordinatensystems
- zwei benachbarte Kanten eines Quaders
- je zwei der drei Raumdiagonalen eines Oktaeders
- zwei zueinander orthogonale Vektoren
- das Lot auf eine Ebene mit jeder Gerade der Ebene durch den Lotfußpunkt
In einem orthogonalen Polygon oder einem orthogonalen Polyeder bilden alle benachbarten Kanten rechte Winkel.
Bestimmung rechter Winkel
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Zwischen Strecken
Zwei Strecken
und
bilden nach dem Satz
des Pythagoras genau dann einen rechten Winkel, wenn für die Längen der
Strecken
gilt. Die ganzzahligen Lösungen dieser Gleichung
heißen pythagoreische Tripel. So bilden zwei Strecken, die sich in einem Punkt treffen und deren
Längen
bzw.
Einheiten betragen, genau dann miteinander einen rechten Winkel, wenn die
Verbindungsstrecke der beiden Endpunkte
Einheiten lang ist, denn
.
Zwischen Funktionsgraphen
Die Graphen
zweier linearer Funktionen
und
schneiden sich genau dann in einem rechten Winkel, wenn für das Produkt
der Steigungen
gilt. Beispielsweise schneiden sich die Graphen der beiden linearen
Funktionen
und
rechtwinklig, denn
.
Allgemeiner schneiden sich die Graphen zweier differenzierbarer
Funktionen
und
genau dann in einem rechten Winkel, wenn am Schnittpunkt
das Produkt der Ableitungen
(der Tangentensteigungen)
ergibt. So schneiden sich beispielsweise die Graphen der Funktionen
und
an der Stelle
rechtwinklig, denn
und
.
Zwischen Kurven
Zwei sich schneidende Geraden bilden in einem kartesischen Koordinatensystem
genau dann einen rechten Winkel, wenn für das Skalarprodukt
der Richtungsvektoren
und
der beiden Geraden
gilt. So stehen beispielsweise zwei Geraden mit den Richtungsvektoren
und
aufeinander senkrecht, da
ist. Allgemeiner bilden zwei sich schneidende differenzierbare Kurven miteinander einen rechten Winkel, wenn das Skalarprodukt ihrer Tangentialvektoren am Schnittpunkt verschwindet.
Trigonometrie
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Für die trigonometrischen
Funktionen Sinus
und Kosinus, Tangens
und Kotangens sowie Sekans
und Kosekans eines rechten Winkels
gilt:
und
sind nicht definiert
Einheiten
Ein rechter Winkel entspricht in den verschiedenen Winkelmaßen:
- 1 Rechter = 90° = 90 Grad
- 1 Rechter =
/2 rad im Bogenmaß (SI-Einheit)
- 1 Rechter = 100g = 100 gon = 100 Neugrad
- 1 Rechter = 8" = 8 nautische Strich
- 1 Rechter = 1600¯ = 1600 mil = 1600 artilleristische Strich
- 1 Rechter = 6h = 360m = 21600s im Stundenmaß
Vom 5. Juli 1970 bis zum 29. November 1973 war neben dem Vollwinkel (360 Grad) auch der rechte Winkel mit dem Einheitenzeichen ∟ in Deutschland eine gesetzliche Einheit. Bis zum 31. Dezember 1996 war der rechte Winkel in der Schweiz gesetzliche Einheit.
Konstruktion
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Hilfsmittel zum Zeichnen von rechtwinkligen Linien sind beispielsweise in der Schule ein mathematisches Papier oder ein Geodreieck. Zur Konstruktion mit Zirkel und Lineal siehe Lot (Mathematik). Beim technischen Zeichnen am Reißbrett wird ein Zeichenkopf mit Zeichenschienen eingesetzt. Im metall- und holzverarbeitenden Handwerk wird zur Abmessung rechter Winkel ein Winkelmaß oder eine Lehre verwendet.
Zur Konstruktion rechter Winkel über längere Distanzen hinweg wurden im Laufe der Zeit verschiedene mechanische Hilfsmittel entwickelt. In der Baukunst des alten Ägyptens und des Mittelalters wurden hierfür Rechenseile, beispielsweise eine Zwölfknotenschnur, eingesetzt. In der römischen Bautechnik wurde bei der Limitation von Siedlungen eine Groma zur Absteckung rechter Winkel verwendet, in neuerer Zeit kam hierfür eine Kreuzscheibe zum Einsatz. In der Geodäsie kommt bei Katastervermessungen mit dem Orthogonalverfahren ein Winkelprisma oder ein Theodolit zum Einsatz. Heute sind diese Geräte weitgehend durch elektro-optische Entfernungsmesser, wie beispielsweise Tachymeter, abgelöst worden.
In der Praxis erhält man so natürlich immer nur Näherungen an das geometrische Konzept des rechten Winkels.
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Zeichnen rechter Winkel mit dem Geodreieck
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Zwei Haarwinkel
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Ingenieur am Reißbrett
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Ein Anschlagwinkel
Kennzeichnung und Kodierung
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Kennzeichnung eines rechten Winkels im deutsch-
und im englischsprachigen Raum |
Zur Kennzeichnung rechter Winkel in Zeichnungen wird im deutschsprachigen Raum sowie einer Reihe weiterer europäischer Länder ein beide Schenkel des Winkels verbindender Viertelkreis mit einem Punkt darin verwendet. Gelegentlich wird der Punkt auch weggelassen. Im englischsprachigen Raum wird zur Kennzeichnung ein beide Schenkel des Winkels verbindender und mit ihnen ein kleines Quadrat (bzw. bei schräger Darstellung Parallelogramm) bildender zweiter rechter Winkel eingezeichnet.
Das Zeichen ∟ für den rechten Winkel wurde erstmals von dem griechischen Mathematiker Pappos im 4. Jhdt. n. Chr. verwendet.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 02.06. 2021