Satz des Thales
Der Satz des Thales ist ein Satz der Geometrie und ein Spezialfall des Kreiswinkelsatzes. Vereinfacht lautet er: Alle Winkel am Halbkreisbogen sind rechte Winkel.
Der erste Beweis wird dem antiken griechischen Mathematiker und Philosophen Thales von Milet zugeschrieben. Die Aussage des Satzes war bereits vorher in Ägypten und Babylonien bekannt.
Formulierung des Satzes und seiner Umkehrung
Exakte Formulierung: Konstruiert man ein Dreieck aus den beiden Endpunkten des Durchmessers eines Halbkreises (Thaleskreis) und einem weiteren Punkt dieses Halbkreises, so erhält man immer ein rechtwinkliges Dreieck.
Oder: Liegt der Punkt C eines Dreiecks ABC auf einem Halbkreis über der Strecke AB, dann hat das Dreieck bei C immer einen rechten Winkel.
Auch die Umkehrung des Satzes ist korrekt: Der Mittelpunkt des Umkreises eines rechtwinkligen Dreiecks liegt immer in der Mitte der Hypotenuse, also der längsten Seite des Dreiecks, die dem rechten Winkel gegenüberliegt.
Oder: Hat das Dreieck ABC bei C einen rechten Winkel, so liegt C auf einem Kreis mit der Hypotenuse AB als Durchmesser.
Beweise
Euklid leitet den Satz des Thales im dritten Band seiner Elemente mit Hilfe folgender Sätze, die ebenfalls Thales zugeschrieben werden und im ersten Band enthalten sind, her:
- In jedem gleichschenkligen Dreieck sind die Winkel an der Basis gleich.
- Die Innenwinkelsumme im Dreieck ist 180°.
ABC sei ein Dreieck innerhalb eines Kreises mit [AB] als Kreisdurchmesser und dem Radius r. Dann ist der Mittelpunkt M der Strecke [AB] auch der Kreismittelpunkt. Die Streckenlängen [AM], [BM] und [CM] sind also gleich dem Radius r.
Die Strecke [CM] teilt das Dreieck ABC in zwei Dreiecke AMC und BCM auf, die gleichschenklig sind. Die Basiswinkel dieser Dreiecke, also die Winkel an der Grundseite [AC] bzw. [BC], sind daher jeweils gleich ( beziehungsweise in der Abbildung).
Die Winkelsumme im Dreieck ABC beträgt 180°:
Dividiert man diese Gleichung auf beiden Seiten durch 2, so ergibt sich
- .
Damit ist gezeigt, dass der Winkel mit Scheitel C ein rechter Winkel ist.
Die Umkehrung des Satzes von Thales lässt sich auf die Aussage zurückführen, dass die Diagonalen eines Rechtecks gleich lang sind und sich gegenseitig halbieren.
Anwendungen
Konstruktion einer Kreistangente
Eine wichtige Anwendung des Satzes von Thales ist u. a. die Konstruktion der beiden Tangenten an einen Kreis k durch einen außerhalb dieses Kreises gelegenen Punkt P.
Gegeben sei der Radius r vom Kreis k mit seinem Mittelpunkt O sowie der Abstand des Punktes P von O. Vom Punkt T wissen wir nur, dass er auf der Kreislinie, irgendwo im ersten Viertel vom Kreis k, liegen muss. Würde man nur diese Bedingung berücksichtigen, könnte man unendlich viele Dreiecke OPT einzeichnen.
Da die obere durch P verlaufende Tangente t den Kreis k genau im Punkt T berührt, muss das Dreieck OPT einen rechten Winkel am Punkt T haben (Grundeigenschaft der Kreistangente), oder anders formuliert: Die Strecke [OT] muss senkrecht auf der Tangente t stehen.
Um ein Dreieck OPT zu finden, das auch rechtwinklig ist, ermitteln wir von der Strecke [OP] den Mittelpunkt H mithilfe der Mittelsenkrechten, zeichnen einen Kreis mit dem Radius [HO] um den Mittelpunkt H und machen uns das Prinzip des Thaleskreises zunutze: Alle Dreiecke mit der Grundseite [OP], deren dritter Eckpunkt auf dem Thaleskreis liegt, sind rechtwinklig. Dies gilt natürlich auch für das Dreieck OPT.
Der Berührpunkt T kann deshalb nur der Schnittpunkt des Kreises k mit dem hellgrauen Kreis sein. Durch Verbinden von P mit T erhält man nun die gesuchte Tangente t (in der Zeichnung rot).
Es existiert eine zweite, symmetrische Lösung in der unteren Hälfte des Kreises. Die Tangente t' (ebenfalls rot gezeichnet) berührt den Kreis ebenfalls, und zwar im Punkt T'.
Konstruktion reeller Quadratwurzeln
Mithilfe des Satzes des Thales lassen sich die folgenden Quadratwurzeln konstruieren:
- aus und aus (siehe Zahl größer als 1).
- aus aus und aus (siehe Zahl kleiner als 1).
Zahl größer als 1
Soll die Quadratwurzel einer Zahl die größer als ist gefunden werden, ohne vorherige Aufteilung der Zahl in - und -Anteile, eignet sich dafür die Methode die das nebenstehende Bild zeigt. Im Prinzip sind damit auch Quadratwurzeln von Zahlen die kleiner als sind vorstellbar.
Es beginnt mit dem Einzeichnen der Strecke mit Länge auf einer hier nicht näher bezeichneten Geraden. Ist die gegebene Zahl eine ganze Zahl, wird das Produkt ab dem Punkt auf die Gerade abgetragen; d. h. ist z. B. die Zahl , wird die Strecke achtmal abgetragen. Der dadurch entstehende Schnittpunkt bringt die Hypotenuse des entstehenden Dreiecks
Ist eine Dezimalzahl (z. B. ) besteht u. a. auch die Möglichkeit mithilfe des dritten Strahlensatzes zu konstruieren.
Es folgen die Senkrechte auf im Punkt und die Halbierung der Seite in Abschließend wird der Thaleskreis um gezogen.
- Nach dem Höhensatz des Euklid gilt daraus folgt
- somit ist die Höhe des rechtwinkligen Dreiecks gleich der Quadratwurzel aus
- Nach dem Kathetensatz des Euklid gilt daraus folgt
- somit ist die Seitenlänge des rechtwinkligen Dreiecks gleich der Quadratwurzel aus .
Zahl kleiner als 1
Ist die Quadratwurzel einer Zahl die kleiner als ist gesucht, eignet sich dafür die Methode die das nebenstehende Bild zeigt.
Es beginnt ab dem Punkt (Wert ) mit einer Halbgeraden. Darauf wird die Strecke mit Länge und die Strecke mit Länge bestimmt. Dabei ergibt sich die Hypotenuse des entstehenden Dreiecks Hat die gegebene Dezimalzahl nur eine Nachkommastelle, wird das Produkt ab dem Punkt abgetragen; d. h. ist z. B. wird die Strecke achtmal abgetragen. Der dadurch entstehende Schnittpunkt bringt
Wenn die gegebene Dezimalzahl mehr als eine Nachkommastelle hat (z. B. ), besteht u. a. die Möglichkeit, wie bereits oben in Zahl größer als 1 darauf hingewiesen, mithilfe des dritten Strahlensatzes zu konstruieren.
Es folgen die Senkrechte auf die Strecke im Punkt und die Halbierung der Seite in Abschließend wird der Thaleskreis (Radius ) um gezogen.
- Nach dem Höhensatz des Euklid gilt
- somit ist die Höhe des rechtwinkligen Dreiecks gleich der Quadratwurzel aus
- Wegen gilt auch:
- Im rechtwinkligen Dreieck ist die Länge das geometrische Mittel der Längen und
- Nach dem Satz des Pythagoras gilt
- für die Seitenlänge
- darin ist , damit ergibt sich
- somit ist die Seitenlänge des rechtwinkligen Dreiecks gleich der Quadratwurzel aus
- Für die Seitenlänge
- Mit den entsprechenden Werten für die Seitenlänge ergibt sich analog zur Seitenlänge
- somit ist die Seitenlänge des rechtwinkligen Dreiecks gleich der Quadratwurzel aus
Literatur
- Max Koecher, Aloys Krieg: Ebene Geometrie. 3., neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Springer, Berlin u.a. 2007, ISBN 978-3-540-49327-3.
- Hans Schupp: Elementargeometrie (= Uni-Taschenbücher 669). Schöningh, Paderborn 1977, ISBN 3-506-99189-2.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 22.06. 2021