Distickstofftetroxid

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP),[2] ggf. erweitert[1]
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Gefahr
H- und P-Sätze H:
  • Enthält Gas unter Druck; kann bei Erwärmung explodieren.
  • ​Kann Brand verursachen oder verstärken; Oxidationsmittel.
  • Lebensgefahr bei Einatmen.
  • Verursacht schwere Verätzungen der Haut und schwere Augenschäden.
EUH: Wirkt ätzend auf die Atemwege.
P:
  • Staub / Rauch / Gas / Nebel / Dampf / Aerosol nicht einatmen.
  • Schutzhandschuhe/ Schutzkleidung/ Augenschutz/ Gesichtsschutz/ Gehörschutz/ … tragen.
  • Druckminderer frei von Fett und Öl halten.
  • Von Kleidung und anderen brennbaren Materialien fernhalten.
  • Bei Einatmen: Die Person an die frische Luft bringen und für ungehinderte Atmung sorgen.
  • Sofort ärztlichen Rat einholen / ärztliche Hilfe hinzuziehen.
  • Bei Kontakt mit den Augen: Einige Minuten lang behutsam mit Wasser spülen. Eventuell vorhandene Kontaktlinsen nach Möglichkeit entfernen. Weiter spülen.
  • Sofort ärztlichen Rat einholen / ärztliche Hilfe hinzuziehen.
  • Bei Berührung mit der Haut [oder dem Haar]: Alle kontaminierten Kleidungsstücke sofort ausziehen. Haut mit Wasser abwaschen [oder duschen].
  • ​Sofort ärztlichen Rat einholen / ärztliche Hilfe hinzuziehen.
  • Bei Brand: Undichtigkeit beseitigen, wenn gefahrlos möglich.
  • An einem gut belüfteten Ort aufbewahren.
  • Unter Verschluss aufbewahren.
[1]
Distickstofftetroxid in Ampullen bei verschiedenen Temperaturen: −196 °C, 0 °C, 23 °C, 35 °C, 50 °C (von links nach rechts)

Distickstofftetroxid, N2O4, ist bei 25 °C ein farbloses Gas. Es ist das Dimer des Stickstoffdioxids, NO2, und steht mit diesem in einem druck- und temperaturabhängigen Gleichgewicht.

Distickstofftetroxid wird unter seinem Trivialnamen Stickstofftetroxid, beziehungsweise meist unter der Abkürzung NTO (von englisch nitrogen tetroxide), in der Raumfahrt und Raketentechnik als ohne Kühlung lagerfähiges und hypergol mit Hydrazin und seinen Derivaten reagierendes Oxidationsmittel (Oxidator) verwendet.

Eigenschaften

Distickstofftetroxid ist bei einer Temperatur oberhalb von 21 °C ein ätzendes und stark oxidierend wirkendes Gas. Das farblose, diamagnetische Distickstofftetroxid steht im Gleichgewicht mit dem rotbraunen, paramagnetischen Stickstoffdioxid. Ein Molekül N2O4 zerfällt hierbei in zwei Moleküle NO2.

{\displaystyle \mathrm {N_{2}O_{4}\ \rightleftharpoons \ 2NO_{2}\quad \Delta H=+57~{\rm {kJ/mol}}} .}[4]

Strukturformel
Struktur von Distickstofftetroxid
Allgemeines
Name Distickstofftetroxid
Andere Namen
  • Stickstofftetraoxid
  • Stickstofftetroxid
  • NTO
Summenformel N2O4
Kurzbeschreibung farbloses Gas mit stechendem Geruch, bei Erwärmung rotbraune Verfärbung durch Bildung von Stickstoffdioxid[1]
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer Extern 10544-72-6
EG-Nummer 234-126-4
ECHA-InfoCard Extern 100.031.012
PubChem Extern 25352
Eigenschaften
Molare Masse 92,01 g/mol−1
Aggregatzustand

gasförmig (bei 25 °C)

Dichte 1,45 g/cm3[1]
Schmelzpunkt −11 °C[1]
Siedepunkt 21 °C[1]
Dampfdruck 0,1 MPa (20 °C)[1]
Löslichkeit hydrolysiert in Wasser[1]
Thermodynamische Eigenschaften
ΔHf0 11,1 kJ/mol[3]

Je nach Druck und Temperatur liegen unterschiedliche Anteile an beiden Gasen bzw. Flüssigkeiten vor. Da Stickstoffdioxid eine rotbraune Farbe besitzt, ist das Gemisch je nach Temperatur orange bis rotbraun gefärbt. Mit zunehmender Temperatur verschiebt sich das obige Gleichgewicht nach rechts und die braune Färbung vertieft sich. Bei 800 °C ist der Zerfall nahezu vollständig. Die Dissoziationskonstante kann hier über die konzentrationsproportionalen Partialdrücke wiedergegeben werden:[5]

{\displaystyle K_{d}={p_{\mathrm {(NO_{2})} }^{2} \over p_{\mathrm {(N_{2}O_{4})} }}}

Der Wert der Dissoziationskonstante hängt signifikant von der Temperatur ab.

T in °C 0 8,7 25 35 45 50 86,5 101,5 130,8
Kd[5] in atm 0,0177 0,0374 0,147 0,302 0,628 0,863 7,499 16,18 59,43

Beim Abkühlen kondensiert Distickstofftetroxid und die Flüssigkeit klart auf. In der Nähe des Siedepunktes zeigt die Substanz wegen noch gelöstem Stickstoffdioxid eine braune Färbung. N2O4 bildet farblose Kristalle und kristallisiert im kubischen System (a = 7,77 Å) mit sechs N2O4-Gruppen pro Einheitszelle.[6] Auch die Variation des Druckes beeinflusst das Gleichgewicht. Eine Erhöhung des Druckes verschiebt es auf die linke, eine Absenkung auf die rechte Seite (Prinzip vom kleinsten Zwang). Der kritische Punkt von N2O4 liegt bei 157,85 °C und 10 MPa.

N2O4 als auch NO2 bilden das gemischte Anhydrid der Salpetersäure und der Salpetrigen Säure. Mit Alkalihydroxidlösungen entstehen Nitrate und Nitrite, z. B:

{\displaystyle \mathrm {2\,NO_{2}+2\,NaOH\ \rightarrow \ NaNO_{2}+NaNO_{3}+H_{2}O} .}

Herstellung

Distickstofftetroxid ist das Dimer des Stickstoffdioxids, das als Zwischenprodukt bei der großtechnischen Salpetersäuresynthese durch Luftoxidation von Stickstoffmonoxid NO entsteht. Durch Abkühlen dimerisiert Stickstoffdioxid zu Distickstofftetroxid und kann so als Nebenprodukt in einer Salpetersäurefabrik produziert werden.

Im Labor kann es dargestellt werden

{\displaystyle {\ce {4 HNO3 + P4O10 -> 4 HPO3 + 2 N2O5}}}
{\displaystyle {\ce {2 N2O5 ->[T][]2 N2O4 + O2}}}

Verwendung

Distickstofftetroxid wird unter dem Trivialnamen Stickstofftetroxid (engl. nitrogen tetroxide; NTO) seit den 1950er Jahren in vielen Raketen als ohne Kühlung lagerfähiges Oxidationsmittel (Oxidator) verwendet. Zusammen mit Hydrazinderivaten als Reduktionsmittel bildet es die einzigen bei Träger- und Interkontinentalraketen verwendeten hypergolischen Treibstoffmischungen. So wurde es z. B. zusammen mit Hydrazin und UDMH als Treibstoffgemisch (Aerozin 50) der Mondlandefähren und dem Apollo-Raumschiff im amerikanischen Apollo-Programm für Haupt- und Steuertriebwerke verwendet.

Zuerst wurde Distickstofftetroxid als lagerfähiger Oxidator bei den Interkontinentalraketen der zweiten Generation wie der Titan II verwendet, die dadurch immer vollgetankt und einsatzbereit auf ihren sofortigen Start warten konnten. Danach kam Distickstofftetroxid bei den aus diesen Interkontinentalraketen abgeleiteten Trägerraketen und zahlreichen neu entwickelten Trägerraketen bis heute zum Einsatz. Außerdem ist Distickstofftetroxid neben MON der Standardoxidator von Satelliten und Raumsonden.

Unfälle

Aufgrund seiner Reaktionsfreudigkeit kommt es, besonders im Kontext der Raketentechnik immer wieder zu Unfällen.

Risikobewertung

Distickstofftetroxid wurde 2015 von der EU gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH) im Rahmen der Stoffbewertung in den fortlaufenden Aktionsplan der Gemeinschaft (CoRAP) aufgenommen. Hierbei werden die Auswirkungen des Stoffs auf die menschliche Gesundheit bzw. die Umwelt neu bewertet und ggf. Folgemaßnahmen eingeleitet. Ursächlich für die Aufnahme von Distickstofftetroxid waren die Besorgnisse bezüglich Exposition von Arbeitnehmern und hohes Risikoverhältnis (Risk Characterisation Ratio, RCR) sowie der möglichen Gefahren durch mutagene und reproduktionstoxische Eigenschaften. Die Neubewertung sollte von Lettland durchgeführt werden, jedoch wurde die Neubewertung der Substanz 2019 zurückgezogen, weil die Gefahren als gering eingeschätzt wurden.[9]

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

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  1. Hochspringen nach: a b c d e f g h Eintrag zu Distickstofftetraoxid in der GESTIS-Stoffdatenbank des Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. (JavaScript erforderlich)
  2. Eintrag zu Dinitrogen tetraoxide im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA). Hersteller bzw. Inverkehrbringer können die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung Extern erweitern.
  3. David R. Lide (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 90. Auflage. (Internet-Version: 2010), CRC Press / Taylor and Francis, Boca Raton FL, Standard Thermodynamic Properties of Chemical Substances, S. 5-16.
  4. Hans-Dieter Jakubke, Ruth Karcher (Hrsg.): Lexikon der Chemie. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 2001.
  5. Hochspringen nach: a b J. Chao, R.C. Wilhoit, B.J. Zwolinski: Gas phase chemical equilibrium in dinitrogen trioxide and dinitrogen tetroxide. In: Thermochim. Acta, 10, 1974, S. 359–371, doi:10.1016/0040-6031(74)87005-X.
  6. Hochspringen nach: a b A. Pedler and F. H. Pollard: Nitrogen(IV) oxide (Dinitrogen Tetroxide). In: Therald Moeller (Hrsg.): Inorganic Syntheses. Band 5. McGraw-Hill, Inc., 1957, S. 87–91 (englisch).
  7. Extern Explosion einer Titan-II-Rakete (1980)
  8. Extern Hochgiftiges Raketenteil hat Dorf in Südwestchina nur knapp verfehlt
  9. Community Rolling Action Plan (CoRAP) der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA): Extern dinitrogen tetraoxide.
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Basierend auf einem Artikel in: Extern Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 10.12. 2024