Rakete

Start einer Saturn V mit Apollo 8 an der Spitze
Pershing II
Raketengeschütz, 1865 (HGM Wien)
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Aufstieg des Space Shuttles Atlantis (SST-27)
Sojus-FG startet das bemannte Raumschiff Sojus TMA-5
Ariane 42P
Modellrakete
Feuerwerksrakete im Flug
Spielzeugrakete (Sowjetunion, 1969)

Eine Rakete (italienisch rocchetta ‚Spindel‘, woraus durch Conrad Haas der Begriff Rackette entstand) ist ein Flugkörper mit Rückstoßantrieb (Raketenantrieb). Der Antrieb kann auch während des Betriebs unabhängig von externer Stoffzufuhr (beispielsweise Oxidator) arbeiten und daher die Rakete auch im luftleeren Raum beschleunigen. Im Gegensatz zu Geschossen haben Raketen (vergleichsweise) lange Beschleunigungsphasen. Die dadurch deutlich geringere Belastung ermöglicht eine entsprechend leichtere Struktur. Raketen gibt es in Größen von handlichen Feuerwerksraketen bis hin zu den riesigen Raketen in der Raumfahrt wie der Energija oder der Saturn V, die im Apollo-Programm, dem bemannten Flug zum Mond, eingesetzt wurde.

Raketen werden insbesondere als militärische Waffe, in der Raumfahrt, als Signalrakete oder als Feuerwerkskörper eingesetzt. Hat eine Rakete eine sehr umfassende Eigensteuerung und kann zum Beispiel beweglichen Zielen folgen, dann gehört sie zu den Lenkflugkörpern.

Geschichte

Der erste überlieferte Raketenstart fand im Jahr 1232 im Kaiserreich China statt. Im Krieg gegen die Mongolen setzten die Chinesen in der Schlacht von Kaifeng eine Art Rakete ein: Dabei feuerten sie eine Vielzahl simpler, von Schwarzpulver angetriebener Flugkörper auf die Angreifer ab. Die Raketen sollten weniger den Gegner verletzen, als die feindlichen Pferde erschrecken.

In Europa fand der erste dokumentierte Start einer Rakete 1555 im siebenbürgischen Hermannstadt statt. Der Flugkörper verfügte bereits über ein Drei-Stufen-Antriebssystem.

Im 17. Jahrhundert soll Lâgari Hasan Çelebi gemäß dem Bericht von Evliya Çelebi an der Küste des Bosporus unterhalb des Topkapı-Palastes (heute: Istanbul) ca. 20 Sekunden mit einer selbstgemachten Rakete geflogen sein, um dann mit Flügeln im Wasser zu landen. Genaue Daten oder unabhängige Drittberichte, die diesen Flug bezeugen, sind allerdings nicht bekannt.

In Indien wurden in früher Zeit sogenannte mysorische Raketen[1] in den Mysore-Kriegen (1766–1799) gegen die englischen Truppen eingesetzt.[2] Ihr Erfolg überrumpelte die Briten, vor allem in der Schlacht von Pollilur/Perambani (1780), bei der Raketen einen Pulverwagen zur Explosion brachten und die Schlacht wendeten.

Von diesen Modellen angeregt stellte der Engländer William Congreve 1804 mit der von ihm entwickelten und später nach ihm benannten Congreve’schen Rakete – einer Art Brandrakete – erste größere Versuche an; die Waffe wurde 1806 bei Boulogne, 1807 beim Beschuss von Kopenhagen, 1809 beim Angriff auf die französische Flotte bei Île-d’Aix und bei der Beschießung von Vlissingen und 1813/1814 vor Glückstadt eingesetzt. Während der Befreiungskriege schickten die Engländer ihren Verbündeten Raketenbatterien, die 1813 bei den Belagerungen von Wittenberg und Danzig sowie in der Völkerschlacht bei Leipzig zum Einsatz kamen. Congreves Raketen wurden ferner im Krieg von 1812 gegen die Amerikaner eingesetzt.

Nach genauem Studium der englischen Raketenwaffen führte in der Folge der österreichische Freiherr Vincenz von Augustin diese neue Waffe in der österreichischen Armee ein. Augustin war ab 1814 Chef der Kriegsraketenanstalt und hatte als Kommandant bis 1838 das in der österreichischen Artillerie neuerrichtete Raketenkorps (Feuerwerkskorps) in Wiener Neustadt unter sich. Aus dem Jahr 1865 stammt ein österreichisches Raketengeschütz für achtpfündige Rotationsraketen, das sich im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien befindet. In der Weiterentwicklung des Briten William Hale (1797–1870), der Hale'schen Rakete, wurde die Stabilisierung nicht mehr durch einen Stab, sondern durch das Treibmittel selbst erreicht. Die Pulvergase traten nach der Zündung nicht nur durch die hintere Antriebsöffnung, sondern auch durch seitlich angelegte Bohrungen aus und versetzten die Rakete damit in Rotation. In Russland entwickelte Konstantin Iwanowitsch Konstantinow in den Jahren 1847–1871 Raketen mit 5 km Reichweite; ab 1894 führte Nikolai Iwanowitsch Tichomirow Untersuchungen zur Feststoffraketentriebwerken durch, welche zur Entwicklung des Raketenwerfers Katjuscha führten.

1903 veröffentlichte Konstantin Ziolkowski die Raketengrundgleichung und stellte damit das Prinzip der Mehrstufenrakete auf eine wissenschaftliche Basis.

Der Physiker Hermann Oberth führte Anfang des 20. Jahrhunderts eine Reihe von grundlegenden Raketenversuchen durch. 1923 publizierte er Die Rakete zu den Planetenräumen, eine Version seiner Dissertation, die von der Universität Heidelberg abgelehnt worden war.

1926 testete Robert Goddard in den USA erfolgreich seine selbst entwickelte Rakete mit Flüssigtreibstoff.

Bei Opel begann 1927 die Raketenforschung mit einem eigens konstruierten Prüfstand zur Messung der Schubkraft der Raketen. Auch Max Valier und Friedrich Wilhelm Sander nahmen daran teil. Am 11. April 1928 steuerte Kurt C. Volkhart das erste Ergebnis von Opels Forschung auf der Werksrennbahn: das Raketenauto RAK1. Fritz von Opel absolvierte im September 1929 auf dem Frankfurt-Rebstock den vermutlich ersten bemannten Raketenflug der Welt. Er erreichte mit dem Opel-Sander-Flugzeug RAK-1 eine Geschwindigkeit von 150 km/h.

1931 gelang Johannes Winkler, Gründer des VfR (Verein für Raumschiffahrt), der erste Start einer Flüssigkeitsrakete in Europa. In der Sowjetunion wurden 1935 die Raketen GIRD-09 und GIRD-X gestartet. Beide Raketen wurden von der GIRD (Gruppe zum Studium der rückstoßgetriebenen Bewegung), einer Unterorganisation der OSSOAWIACHIM, entwickelt. 1942 hob in Peenemünde die vom deutschen Raketenpionier Wernher von Braun entwickelte Aggregat 4 als erste gesteuerte und flugstabilisierte Großrakete ab und leitete damit die Entwicklung ein, die zur Nutzung von Raketen als Transportmittel für Massenvernichtungswaffen führte. Den ersten bemannten Senkrechtstart eines Raketenflugzeugs führte 1945 Lothar Sieber in einer Ba 349 Natter aus. Der Flug endete mit einem tödlichen Absturz. 1957 verließ eine modifizierte sowjetische Interkontinentalrakete vom Typ R-7 die Erdatmosphäre und brachte den Satelliten Sputnik 1 in eine Umlaufbahn um die Erde.

Aufbau

Jede Rakete besteht aus den folgenden Baugruppen:

Die Baugruppen werden durch die Hülle zusammengehalten. Dabei können einzelne Baugruppen auch mehrfach vorkommen (Mehrstufenrakete).

Triebwerk

Für eigenstartfähige Flugkörper werden in der Regel chemische Raketentriebwerke verwendet, wobei man zwischen Flüssigkeits- und Feststoff-Triebwerken unterscheidet.

Der Begriff Rakete ist allerdings nicht auf Funktionsprinzipien beschränkt, die auf der Verbrennung von Treibstoffen beruhen. Im Bereich sehr kleiner Raketen kann die Stützmasse auch aus einfachem Wasser bestehen, das mit Hilfe komprimierter Luft nach hinten ausgestoßen wird. Man spricht dann von einer Wasserrakete.

Bereits erprobte Nukleartriebwerke wurden bisher aus Sicherheits- und Umweltschutzgründen nicht eingesetzt. Elektrische Raketentriebwerke werden nur für bereits gestartete Raumsonden und Satelliten verwendet, da ihre geringen Schubkräfte zur Überwindung der irdischen Schwerkraft unzureichend und nur im Weltraum effektiv sind (Ionenantrieb).

Steuer- und Lenkeinrichtungen

Wie alle Flugkörper braucht die Rakete Steuerelemente, welche die Rakete auf Kurs bringen und halten. Auch müssen diese Einheiten die Fluglage stabil halten. Für den Flug in der Erdatmosphäre besitzen Raketen sogenannte „Finnen“ oder „Flossen“. Sie nutzen den auftretenden Luftstrom während des Fluges, vergleichbar mit der Funktion eines Leitwerks bei einem Flugzeug, und halten die Rakete gerade zur Flugrichtung, um ein Abdriften zu verhindern. Die Rakete kann auch mit den Finnen gesteuert werden; diese Art der Steuerung ist nur innerhalb der Erdatmosphäre möglich.

Der größte Teil aller Raketen wird durch direktes Schwenken des Triebwerks oder eingebaute Strahlruder gesteuert. Hierbei wird der Gasstrom des Triebwerkes so gelenkt, dass sich die Rakete in die gewünschte Richtung schiebt; dieses Steuersystem arbeitet unabhängig von der Umgebung.

Für eine präzise Steuerung im Weltraum sind Steuerdüsen (Reaction Control System, RCS) nötig. Diese sind oft sehr klein und erzeugen nur geringe Schübe. Mit ihnen kann die Rakete in jede Richtung gesteuert werden.

Ungelenkte Raketen

Ungelenkte Raketen werden durch den Startwinkel ausgerichtet und während des Fluges lediglich aerodynamisch oder durch Eigenrotation stabilisiert. Beispiele hierfür sind Feuerwerksraketen, Modellraketen, Schiffsrettungsraketen, kleinere Höhenforschungsraketen (beispielsweise MMR06-M), zahlreiche militärische Raketen kürzerer Reichweite (zum Beispiel Katjuscha), einfache Boden-Boden-/Boden-Luft-Raketen oder Geschosse von Raketenpistolen und Raketengeschützen.

Die Stabilisierung kann erfolgen durch:

Gelenkte Raketen

Gelenkte Raketen unterliegen während des Fluges einer Kursüberwachung und haben die Möglichkeit, den Kurs zu korrigieren. Dabei kann die Kurskorrektur autonom oder durch eine Leitstation erfolgen.

Die Kurskorrektur wird meist durch ein die Raumlage überwachendes Kreiselsystem eingeleitet, auch inertiales Navigationssystem genannt. Es wird heute zum Beispiel durch GPS-Steuerung ergänzt. Dies kann durch folgende Steuerglieder erfolgen:

Im militärischen Bereich werden gelenkte Raketen als Flugkörper bezeichnet.

Beispiele hierfür sind militärische Raketen größerer Reichweite (die erste in Serie gebaute ballistische und gesteuerte Rakete war die A4 von 1944), außerdem Flugabwehrraketen und Panzerabwehrraketen, größere Höhenforschungsraketen und Trägerraketen für Satellitenstarts.

Hülle

Die Hülle von Raketen muss zugunsten des Treibstoffes und der Nutzlast möglichst leicht sein. Um nach dem Abbrand einer gewissen Treibstoffmenge möglichst wenig Totlast mitzuführen, werden größere Raketen mehrstufig ausgelegt – nach dem Brennschluss einer Stufe wird diese abgetrennt und die nächste Stufe gezündet. Die Trennung erfolgt meist durch Absprengen (Pyrobolzen), kann aber auch durch die Zündung der nachfolgenden Stufe erfolgen. Dadurch wird die nutzbare Energie optimiert und die spezifische Leistung und Nutzlastkapazität erhöht. Es gibt in der Raumfahrt bis zu fünfstufige Raketensysteme.

Für Flüge in der Atmosphäre muss die Hülle aerodynamisch geeignet ausgelegt sein, weiterhin kann es zu erheblichen thermischen Belastungen durch Luftreibung kommen. Bei manchen Raketen, wie der US-amerikanischen Atlas-Rakete, wird die Hülle durch einen erhöhten Innendruck gehalten. Die Masse der Hülle beträgt im Vergleich zur Gesamtmasse einer Rakete (Masse der Hülle, der Nutzlast und des Treibstoffes) sehr oft nur einen Bruchteil derer. Bei manchen Trägerraketen macht das Gewicht der Hülle sogar nur 5 % der Gesamtmasse aus. Die Hülle und Strukturen einer Rakete werden meistens aus Aluminium gefertigt, da dieses Metall relativ leicht und stabil ist. Bauteile, die unter hoher Beanspruchung stehen, werden aus Stahl oder Titan gefertigt.

Physikalische Grundlagen

Obgleich es sehr unterschiedliche technische Realisierungen von Raketen gibt, beruhen alle auf der Übertragung von Impuls von entgegen der gewünschten Richtung der Beschleunigung der Rakete ausgeworfener Masse.

Den Zusammenhang zwischen der Masse der Rakete und der des Antriebsstoffs beschreibt die Raketengrundgleichung. Sie folgt aus der Newtonschen Mechanik und wurde 1903 von dem russischen Physiker Konstantin Ziolkowski erstmals aufgestellt.

Siehe auch

Literatur

Anmerkungen

  1. „Man setzt auch große Raketen ein, die acht bis zehn Zoll lang sind und an der Spitze eine scharfe, sichelförmige Klinge tragen. Sie werden horizontal abgefeuert und sollen Unordnung in die Kavallerieeinheiten bringen. Sie sind weniger effektiv als unsere Handgranaten, reichen aber viel weiter. Den indischen Autoren zufolge wurden diese vana genannten Raketen schon in sehr früher Zeit benutzt. Das Rāmāyana spricht von dem vana Rāmas als einer seiner wichtigsten Waffen. Muss man daher nicht davon ausgehen, dass das Schießpulver in Indien schon sehr früh bekannt war?“; Jean Antoin Dubois, Leben und Riten der Inder, Teil III, Kap. 9, S. 542
  2. "Die Inder benutzen im Krieg eine Art Feuerpfeile, die man foguetes [port. „Feuerwerks-Raketen“] nennt. Das sind eiserne Stangen, 8-10 Fuß [2 ½ – 3 m] lang und ca. 3 Zoll [7,5 cm] dick; an dem einen Ende ist ein schwerer, eiserner Köcher mit Pulver gefüllt, der durch ein kleines Loch in der Büchse angezündet wird, worauf die Stange unter ständiger Rotation mit erstaunlicher Geschwindigkeit fortfliegt und manchmal fünf bis sechs Menschen töten oder schwer verletzen kann. Es sind besondere Leute, die mit diesen Feuerpfeilen umgehen, und es gehört einiges an Kraft und Kunstfertigkeit dazu, um sie richtig zu steuern und ihnen eine horizontale Richtung zu geben"; Jakob Haafner, Reise in einem Palankin, S. 60 Fußnote 1.
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Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 17.02. 2023