Interpolation (Mathematik)
In der numerischen Mathematik bezeichnet der Begriff Interpolation (aus lateinisch inter = dazwischen und polire = glätten, schleifen) eine Klasse von Problemen und Verfahren. Zu gegebenen diskreten Daten (z.B. Messwerten) soll eine stetige Funktion (die sogenannte Interpolante oder Interpolierende) gefunden werden, die diese Daten abbildet. Man sagt dann, die Funktion interpoliert die Daten.
Einführung
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Manchmal sind von einer Funktion nur einzelne Punkte bekannt, aber keine analytische Beschreibung der Funktion, durch die sie an beliebigen Stellen ausgewertet werden könnte. Ein Beispiel sind Punkte als Resultat einer physikalischen Messung. Könnte man die Punkte durch eine (eventuell glatte) Kurve verbinden, so wäre es möglich, die unbekannte Funktion an den dazwischenliegenden Stellen zu schätzen. In anderen Fällen soll eine schwierig handhabbare Funktion näherungsweise durch eine einfachere dargestellt werden. Eine Interpolationsfunktion kann diese Anforderung der Einfachheit erfüllen. Diese Aufgabe bezeichnet man als Interpolationsproblem. Es gibt für das Problem mehrere Lösungen, der Anwender muss zunächst geeignete Ansatzfunktionen wählen. Je nach Ansatzfunktionen erhalten wir eine andere Interpolante.
Die Interpolation ist eine Art der Approximation:
Die betrachtete Funktion wird durch die Interpolationsfunktion in den
Stützstellen exakt wiedergegeben und in den restlichen Punkten immerhin
näherungsweise. Die Approximationsgüte hängt vom Ansatz ab. Um sie zu schätzen,
werden Zusatzinformationen über die Funktion
benötigt. Diese ergeben sich auch bei Unkenntnis von
meist in natürlicher Weise: Beschränktheit, Stetigkeit oder Differenzierbarkeit
lassen sich häufig voraussetzen.
Bei anderen Approximationsverfahren wie der Ausgleichungsrechnung wird nicht gefordert, dass die Messdaten exakt wiedergegeben werden. Dadurch unterscheiden sich diese Verfahren von der Interpolation. Bei dem verwandten Problem der Extrapolation werden Werte geschätzt, die über den Definitionsbereich der Daten hinausgehen.
Interpolationsprobleme
Das allgemeine Interpolationsproblem
Gegeben seien
Paare von reellen
oder komplexen Zahlen
.
Hierbei bezeichnet man analog zum Rechnen mit Funktionen die
als Stützstellen, die
als Stützwerte und die
Paare als Stützpunkte. Man wählt nun eine Ansatzfunktion
,
die sowohl von
als auch von
weiteren Parametern
abhängt. Als Interpolationsproblem bezeichnet man die Aufgabe, die
so zu wählen, dass
ist.
Das lineare Interpolationsproblem
Man spricht von einem linearen Interpolationsproblem, wenn
nur linear
von den
abhängt, d.h.
.
Insbesondere die Polynominterpolation ist ein solches lineares Interpolationsproblem. Für die Polynominterpolation gilt
.
Spezialfälle für ,
und
nennt man lineare, quadratische und kubische Interpolation.
In zwei Dimensionen spricht man entsprechend von bilinear,
biquadratisch und bikubisch.
Des Weiteren ist die trigonometrische Interpolation eine lineare Interpolation:
Nichtlineare Interpolationsprobleme
Zu den wichtigsten nichtlinearen Interpolationsproblemen zählt
- das rationale:
Interpolationsverfahren
Lineare Interpolation
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Die von Isaac
Newton begründete lineare Interpolation ist am einfachsten und wird
wohl in der Praxis am häufigsten benutzt. Hier werden zwei gegebene Datenpunkte
()
und (
)
durch eine Strecke verbunden. Es gilt:
Dies entspricht einer Konvexkombination
der Endpunkte
und
.
Detaillierte Erläuterungen siehe Allgemeine lineare Interpolation.
Höhergradige Polynome
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Zu
paarweise
verschiedenen Datenpunkten gibt es genau ein Interpolationspolynom
-ten
Grades, das an den vorgegebenen Stützstellen mit den vorgegebenen Stützwerten
übereinstimmt. Die Bestimmung der Koeffizienten erfordert die Lösung eines linearen
Gleichungssystems. Die Existenz eines solchen Interpolationspolynoms sieht
man z.B. mit Hilfe der Formel von Lagrange
.
Die Eindeutigkeit folgt aus der bekannten Tatsache, dass ein Polynom
-ten
Grades höchstens
Nullstellen besitzt.
Weitere Verfahren zur Polynominterpolation siehe dort.
Stückweise Interpolation
Da Polynome mit zunehmendem Grad immer instabiler werden, d.h. stark zwischen den Interpolationspunkten schwingen, werden in der Praxis Polynome mit einem Grad größer als 5 kaum eingesetzt. Stattdessen interpoliert man einen großen Datensatz stückweise. Im Fall der linearen Interpolation wäre das ein Polygonzug, bei Polynomen vom Grad 2 oder 3 spricht man üblicherweise von Spline-Interpolation. Bei abschnittsweise definierten Interpolanten ist die Frage der Stetigkeit und Differenzierbarkeit an den Stützstellen von großer Bedeutung.
Hermiteinterpolation
Sind zusätzlich zu den Stützstellen
auch noch die
-Ableitungen
zu interpolieren, so spricht man von einem Hermite-Interpolationsproblem.
Die Lösung dieses Problems lässt sich analog zum Lagrange-Verfahren ebenfalls in
geschlossener Form angeben.
Trigonometrische Interpolation
Wählt man als Ansatzfunktion ein trigonometrisches Polynom, so erhält man eine trigonometrische Interpolation. Die Interpolationsformel
entspricht einer Fourier-Entwicklung
der unbekannten Interpolanten. Die Fourier-Koeffizienten
und
berechnen sich zu
und
.
Dabei wird angenommen, dass die Stützstellen
im Intervall
äquidistant
verteilt sowie außerhalb dieses Intervalls periodisch sind. Die Koeffizienten
können effizient mit Hilfe der schnellen
Fourier-Transformation berechnet werden.
Logarithmische Interpolation
Vermutet bzw. weiß man, dass den Daten eine logarithmische Funktion zugrunde liegt, so empfiehlt sich dieses Verfahren.
Bei der logarithmischen Interpolation werden zwei bekannte Datenpunkte
und
durch eine logarithmische Kurve verbunden. Es gilt:
Oder anders formuliert:
Beispiel: χ²-Test
Allgemeine lineare Interpolation
Es sei
eine reelle oder komplexe stetig differenzierbare Funktion mit Nullstellenmenge
,
wobei alle Nullstellen einfach sein müssen. Dabei kann die Indexmenge
eine endliche Menge, wie z.B.
,
oder eine abzählbare Menge, wie
oder
,
sein. Damit sind die Interpolationskerne
gegeben als
bei
und stetig mit dem Wert 1 an der Stelle
fortgesetzt. Die Hilfsfunktion
ist außerhalb der Diagonalen
definiert als
und stetig fortgesetzt zu
.
Auf den Nullstellen gilt ,
wobei das Kronecker-Delta
verwendet wurde.
Sind jetzt Werte
für jedes
vorgegeben, so ist eine Interpolationsfunktion definiert durch
.
Im Falle einer abzählbaren Nullstellenmenge muss die Konvergenzbedingung
erfüllt sein.
Beispiele
- Mit vorgegebenen Stützstellen
und einer reellen Funktion
mit
,
kann die Funktion
gebildet werden. Dann erhält man
-
.
- Das aus
resultierende Interpolationsverfahren ist die Lagrange-Interpolation. Andere Beispiele sind
für nach Unendlich gegen Null fallende Interpolationsfunktionen oder
für eine beschränkte Interpolationsfunktion mit übersichtlicher Berechnungsformel.
- Mit dem Kreisteilungspolynom
, d.h. den
-ten Einheitswurzeln
,
, als Stützstellen, ergibt sich die Diskrete Fourier-Transformation als Verfahren zur Berechnung der Koeffizienten des Interpolationspolynoms. Es gilt
und allgemein
, so dass
-
ist.
- Mit
und den Nullstellen
,
, ergibt sich als Interpolationsfunktion die Kardinalreihe
.
Diese spielt eine zentrale Rolle im Nyquist-Shannon-Abtasttheorem. Die Konvergenzbedingung lautet
.
Stützstellendarstellung von Polynomen
Sei
ein Polynom. Dieses Polynom lässt sich in der sogenannten
Koeffizientendarstellung durch die Angabe des Vektors
darstellen. Eine alternative Darstellung, die ohne die Koeffizienten
auskommt, besteht in der Stützstellendarstellung. Dabei wird das Polynom
für
Werte
mit
und
ausgewertet, d.h. es werden die Funktionswerte
berechnet. Das Paar von Vektoren
bezeichnet man als die Stützstellendarstellung des Polynoms
.
Ein wesentlicher Vorteil dieser Darstellung besteht darin, dass zwei Polynome in
Stützstellendarstellung in
(s. Landau-Symbole)
Schritten multipliziert werden können. In Koeffizientendarstellung werden
hingegen
Schritte benötigt. Die Transformation von der Koeffizienten- in die
Stützstellendarstellung ist daher von spezieller Bedeutung und wird als Fourier-Transformation
bezeichnet. Die Rücktransformation wird durch Interpolation erreicht.
Anwendungen
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In vielen Anwendungen von Interpolationsverfahren wird behauptet, dass durch Interpolation neue Information aus bestehenden Daten hinzugewonnen werden. Dies ist aber falsch. Durch Interpolation kann nur der Verlauf einer kontinuierlichen Funktion zwischen bekannten Abtastpunkten abgeschätzt werden. Diese Abschätzung basiert meist auf der Annahme, dass der Verlauf einigermaßen „glatt“ ist, was in den meisten Fällen zu plausiblen Resultaten führt. Die Annahme muss aber nicht notwendigerweise zutreffen. Höhere Frequenzanteile, die bei der Digitalisierung eines Signals aufgrund des Abtasttheorems verloren gegangen sind, können auch durch anschließende Interpolation nicht wieder rekonstruiert werden.
Eine bekannte Anwendung der Interpolation ist die digitale Signalverarbeitung. Bei der Umwandlung eines Signals von einer niedrigen Abtastrate in eine hohe (Abtastratenkonvertierung) werden die Abtastwerte des Ausgabesignals aus denen des Eingabesignals interpoliert. Ein Spezialfall ist die Skalierung von Bildern in der Computergrafik.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 02.11. 2021