Verallgemeinerte lineare Modelle
Verallgemeinerte lineare Modelle (VLM), auch generalisierte lineare Modelle (GLM oder GLiM) sind in der Statistik eine von John Nelder und Robert Wedderburn (1972) eingeführte wichtige Klasse von nichtlinearen Modellen, die eine Verallgemeinerung des klassischen linearen Regressionsmodells in der Regressionsanalyse darstellt. Während man in klassischen linearen Modellen annimmt, dass die Störgröße (die unbeobachtbare Zufallskomponente) normalverteilt ist, kann sie in GLMs eine Verteilung aus der Klasse der Exponentialfamilie besitzen. Diese Verteilungsklasse beinhaltet neben der Normalverteilung auch die Binomial-, Poisson-, Gamma- und inverse Gaußverteilung. Damit bietet die Verwendung der Exponentialfamilie in verallgemeinerten linearen Modellen ein einheitliches Rahmenwerk für diese Verteilungen. Die große Klasse von vektorverallgemeinerten linearen Modellen (englisch vector generalized linear models, kurz VGLMs) beinhaltet die Klasse der verallgemeinerten linearen Modelle als Spezialfall. Ebenso in dieser großen Modellklasse enthalten sind loglineare Modelle für kategoriale Daten und das Modell der Poisson-Regression für Zähldaten. Um die Einschränkungen der verallgemeinerten linearen Modelle und verallgemeinerten additiven Modelle zu überwinden wurden sogenannte Verallgemeinerte additive Modelle für Lage-, Skalen- und Formparameter entwickelt.
Begriffsklärung
Verallgemeinerte lineare Modelle sind nicht mit dem linearen Modell zu verwechseln, dessen natürliche englische Abkürzung ebenfalls GLM ist, aber im Gegensatz zu verallgemeinerten linearen Modellen von der Voraussetzung einer normalverteilten Antwortvariablen ausgeht. In vielen statistischen Pogrammpaketen werden – da die Abkürzung GLM schon für das allgemeine linearen Modell belegt ist – zur besseren Unterscheidung andere Abkürzungen wie VLM bzw. GLZ für englisch GeneraLiZed linear models (in STATISTICA) oder GzLM für englisch GeneraLiZed Linear Models (in SPSS) verwendet. Manche Autoren verwenden zu besseren Unterscheidung statt der Abkürzung GLM die Abkürzung GLiM.
Ebenso sind verallgemeinerte lineare Modelle nicht mit dem verallgemeinerten linearen Regressionsmodell der verallgemeinerten Kleinste-Quadrate-Schätzung (VKQ-Schätzung) zu verwechseln, bei der jedoch eine verallgemeinerte Struktur bzgl. der Störgrößen vorliegt.
Modellkomponenten
Die verallgemeinerten linearen Modelle bestehen aus drei Komponenten:
- Zufallskomponente: Wie bei den klassischen linearen Modellen nimmt man unabhängige Zufallsvariablen mit Erwartungswert an, die eine Dichtefunktion aus der Exponentialfamilie (z. B. eine Binomial-, Poisson-, oder Gamma-Verteilung) besitzen.
- Systematische Komponente: Gegeben ist der Kovariablenvektor (siehe Das klassische Modell der linearen Mehrfachregression), der die Verteilung der nur durch eine lineare Funktion beeinflusst. Diese lineare Funktion heißt linearer Prädiktor und ist in der multiplen linearen Regression in folgender Form gegeben:
- . Hier erkennt man, dass der lineare Prädiktor den Vektor der Regressionskoeffizienten in das Modell miteinführt.
- Kopplungsfunktion: Für ein verallgemeinertes lineares Modell ist eine (oft nichtlineare) Kopplungsfunktion vorhanden, die den Erwartungswert von () mit dem linearen Prädiktor in der Form verbindet. Ebenso lässt dich der Erwartungswert durch eine Antwortfunktion in der Form verknüpfen. Geeignete Antwortfunktionen sind alle Verteilungsfunktionen stetiger Zufallsvariablen, z. B. die der Standardnormalverteilung oder die der logistischen Verteilung.
Exponentialfamilie
Die Verteilung einer Antwortvariablen gehört zur eindimensionalen Exponentialfamilie, wenn sich die Dichtefunktion bzw. Wahrscheinlichkeitsfunktion in folgender Form schreiben lässt:
- ,
wobei:
- der sogenannte kanonische (natürliche) Parameter ist
- eine vorspezifizierte Funktion ist
- ein vom Erwartungswert unabhängiger Skalenparameter (auch Streuungsparameter genannt) ist, der für die Varianz relevant ist
- spezifizierte Gewichte sind
- und eine Normalisierungskonstante darstellt.
Für die Funktion ist notwendig, dass normalisiert werden kann und die erste und zweite Ableitung existiert. Die zweite Ableitung > bestimmt neben dem Skalenparameter die Varianz der Verteilung und wird daher als Varianzfunktion bezeichnet. Für alle Verteilungen der Exponentialfamilie gilt:
Beispiele für Verteilungen, die zur Exponentialfamilie gehören:
Verteilung |
Kanonischer Parameter |
Skalenparameter |
vorspezifizierte Funktion |
vorspezifizierte Funktion |
Normalisierungskonstante |
Wahrscheinlichkeitsfunktion |
---|---|---|---|---|---|---|
Normalverteilung | ||||||
Bernoulli-Verteilung | mit | |||||
Binomialverteilung | mit | |||||
Poisson-Verteilung | mit |
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 18.12. 2022