Charaktertafel
Eine Charaktertafel enthält Informationen über die irreduziblen Darstellungen einer endlichen Gruppe. In der Chemie kann man mit ihrer Hilfe Aussagen über Eigenschaften von Molekülen basierend auf der zugehörigen Punktgruppe machen.
Die eigentliche Charaktertafel einer Gruppe
ist eine quadratische Tabelle mit komplexen
Zahlen als Einträgen. Die Zeilen entsprechen den irreduziblen Darstellungen
von
,
die Spalten den Konjugationsklassen
in
.
Der Tabelleneintrag zur Darstellung
und Konjugationsklasse
ist der Wert des zu
gehörenden Charakters,
ausgewertet auf einem beliebigen Element von
.
Definitionen
Jede irreduzible
Darstellung
einer endlichen Gruppe
in die Gruppe der invertierbaren
n×n-Matrizen definiert den zugehörigen irreduziblen Charakter
,
wobei
die Spurabbildung
ist. Dabei sind zwei irreduzible Darstellungen genau dann äquivalent, wenn die
zugehörigen irreduziblen Charaktere gleich sind. Sind
konjugiert,
so ist
für ein
und daher folgt nach den Eigenschaften der Spur für einen Charakter
,
das heißt, Charaktere sind auf Konjugationsklassen
konstant. Daher ist ein Charakter bereits dadurch bestimmt, dass der Wert auf
allen Konjugationsklassen angegeben wird. Weiter kann man zeigen, dass es
genauso viele irreduzible Charaktere gibt wie Konjugationsklassen. Daher kann
man alle Charaktere durch ein quadratisches Schema beschreiben. Die Spalten
dieses Schemas sind die Konjugationsklassen ,
die Zeilen die Charaktere
.
In der i-ten Zeile und j-ten Spalte steht der Wert von
auf der Konjugationsklasse
,
das ist
,
wobei mit
ein Vertreterelement der Konjugationsklasse gewählt sei.
Unter den Charakteren gibt es ein ausgezeichnetes Element, nämlich den
Charakter zur trivialen Darstellung, der auf allen Konjugationsklassen den Wert
1 annimmt, den man auch den trivialen Charakter nennt. Ferner gibt es eine
triviale Konjugationsklasse, die aus dem neutralen
Element 1 besteht. Der Wert eines jeden Charakters auf der trivialen
Konjugationsklasse ist die Spur der Einheitsmatrix
und damit gleich der Dimension
der i-ten irreduziblen Darstellung.
Man ordnet nun die Charaktere so an, dass
der triviale Charakter und
die triviale Konjugationsklasse ist. Für die weiteren Daten liegt keine
Anordnung fest, viele Autoren wählen die erste Spalte aufsteigend sortiert. Die
Spaltenbeschriftung besteht aus der Konjugationsklasse oder einem
Vertreterelement, oft gibt man auch noch die Mächtigkeit der Konjugationsklasse
an. Das führt zu folgender Übersicht, die man Charaktertafel nennt:
Diese Charaktertafel enthält wichtige Gruppendaten. Zwar kann man daraus nicht die Gruppe rekonstruieren, doch enthält sie genügend Informationen, wichtige Eigenschaften der Gruppe zu entscheiden. Oft gelingt es, Daten der Charaktertafel zu ermitteln, ohne die Gruppe genau zu kennen. Dazu dienen verschiedene Sätze, wie zum Beispiel die Tatsache, dass
und vor allem die schurschen Orthogonalitätsrelationen.
Beispiele
Zyklische Gruppen
Es sei
die zyklische
Gruppe mit
Elementen. Die Elemente werden seien mit
bezeichnet. Sei
.
Dann erhält man folgende Charaktertafel:
Es ist .
Kleinsche Vierergruppe
Es sei
die kleinsche
Vierergruppe. Da
und da man zeigen kann, dass die Charaktere eines direkten Produktes von
Gruppen die Produkte der Charaktere der Faktoren dieses Produktes sind, kann man
die Charaktertafel aus derjenigen von
gewinnen. Man erhält:
Symmetrische Gruppe S3
Die symmetrische Gruppe
S3 muss neben dem trivialen Homomorphismus und der Signumfunktion
mindestens einen weiteren irreduziblen Charakter
haben und mindestens einen mit Dimension größer als 1, da die Gruppe sonst
abelsch wäre. Da die Summe der Quadrate der Dimensionen gleich der
Gruppenordnung ist, bleibt nur
und mittels der Orthogonalitätsrelationen sind auch die beiden anderen Werte von
festgelegt. Man erhält:
Nichtabelsche 8-elementige Gruppe
Allein aus der Kenntnis, dass eine Gruppe
8 Elemente hat und nicht abelsch ist, lässt sich die Charaktertafel
konstruieren. Da
eine 2-Gruppe ist, kann das Zentrum
nicht trivial sein und
hat 2 oder 4 Elemente und kann nicht zyklisch sein, da sonst
abelsch wäre. Also muss
sein. Da es wegen
höchstens irreduzible Charaktere der Dimension 2 geben kann, da es mit dem
trivialen Charakter immer einen der Dimension 1 gibt und da die Summe der
Quadrate der Dimensionen 8 ergeben muss, bleibt nur die Möglichkeit von 5
irreduziblen Charakteren der Dimensionen 1,1,1,1,2. Also muss es auch 5
Konjugationsklassen geben, deren Vertreter wir mit
bezeichnen. Mittels
,
und Orthogonalitätsrelationen
kann man zeigen, dass notwendig folgende Charaktertafel vorliegen muss:
Da es mit der Diedergruppe D4 und der Quaternionengruppe zwei nicht-isomorphe nichtablesche Gruppen der Ordnung 8 gibt, zeigt dieses Beispiel, dass sich die Gruppe nicht aus der Charaktertafel rekonstruieren lässt.
Alternierende Gruppe A4
Die alternierende Gruppe A4 ist nichtabelsch und hat 4 Konjugationsklassen. Für die Dimensionen der Darstellungsräume bleibt dann nur noch die Folge 1,1,1,3 und es ergibt sich
Alternierende Gruppe A5
Die Überlegungen für die Charaktertafel der alternierenden Gruppe A5 fallen schon etwas komplizierter aus. Daher soll hier nur das Ergebnis angegeben werden:
Symmetrische Gruppe S5
Schließlich soll mit der Charaktertafel der symmetrischen Gruppe
noch ein etwas größeres Beispiel angegeben werden:
Eigenschaften der Charaktertafel
Wie das Beispiel der nichtabelschen Gruppen der Ordnung 8 zeigt, kann man die Gruppe im Allgemeinen nicht aus der Charaktertafel rekonstruieren. Dennoch lassen sich gewisse Gruppeneigenschaften ablesen.
Eine Gruppe ist genau dann abelsch (kommutativ), wenn alle irreduziblen Darstellungen eindimensional sind, das heißt, wenn die erste Spalte der Gruppentafel nur Einsen enthält.
Man kann zeigen, dass für jeden irreduziblen Charakter
ein Normalteiler ist und jeder
andere Normalteiler Durchschnitt solcher
ist.
Insbesondere ist eine Gruppe genau dann einfach, wenn in jeder ab der zweiten
Zeile der Wert der ersten Spalte dieser Zeile, das ist die Dimension des
zugehörigen Darstellungsraums, kein zweites Mal vorkommt. Man liest daher leicht
ab, dass
einfach ist. Die zweite Zeile der Charaktertafel der
zeigt, dass diese Gruppe nicht einfach ist.
Da man mit den
die Normalteiler und deren Teilmengenbeziehungen
kennt, kann man auch Verfahren angeben, mit denen man Auflösbarkeit
und mit etwas mehr Aufwand auch Nilpotenz
ablesen kann.
Anwendung in der Chemie
Schließt man nun aus den Symmetrieelementen oder unter Zuhilfenahme des Schoenflies-Schemas auf die Punktgruppe eines Moleküls, kann man mit Hilfe der Charaktertafel auf bestimmte Eigenschaften des Stoffes schließen.
Beispiel
Die Charaktertafel der -Punktgruppe
(kleinsche Vierergruppe, hier in der Schoenflies-Symbolik
bezeichnet) wird wie folgt mit chemisch relevanten Informationen erweitert
Die erste Bezeichnung ist die Punktgruppe, in der ersten Zeile stehen die
Symmetrieelemente R, die in ihr enthalten sind. Kommt ein Symmetrieelement n-mal
vor, dann schreibt man
oder stellt wie oben eine weitere Zeile mit den Anzahlen voran. In diesem Fall
sind alle Anzahlen gleich 1. Die
Symmetrieelemente bilden eine Klasse mit der Ordnung
.
Die Gesamtzahl der Symmetrieelemente ist die Ordnung der Gruppe. Im
Beispiel der Punktgruppe
ist die Ordnung vier. In der ersten Spalte stehen die irreduziblen Darstellungen
.
Im obenstehenden Beispiel sind diese in lateinischen Buchstaben mit Indices, den
sogenannten Mulliken-Symbolen
wiedergegeben. In den folgenden Spalten stehen die Werte der Charaktere
(hier: −1 und +1). In den letzten beiden Spalten stehen die Basen der
irreduziblen Darstellungen, bzw. Orbitale,
die sich wie eine irreduzible Darstellung transformieren. Man sagt
z.B. die Drehung um die z-Achse
transformiert wie
.
Die letzten beiden Spalten erlauben Rückschlüsse darauf, ob eine
Molekülbewegung, in ihrer Symmetrie charakterisiert durch ihre irreduzible
Darstellung
,
in der Infrarotspektroskopie
sichtbar sein können (transformieren wie
also Translation zeigen – wobei es zu einer Dipolmomentänderung kommt). Oder ob
die Molekülbewegung mittels Raman-Streuung
nachweisbar ist (transformieren wie
sowie
,
also entsprechend dem Polarisierbarkeitstensor transformieren).
Rotationen und Schwingungen
- Die Angaben
,
und
beziehen sich auf Molekülrotationen in x-, y- und z-Richtung, die wie die irreduziblen Darstellungen transformieren. z.B. transformiert bei einem Molekül der Punktgruppe
die Rotation um die z-Achse
wie
.
Die Eigenschwingungen des Moleküls transformieren ebenfalls wie eine der irreduziblen Darstellungen der Punktgruppe des Moleküls.
Orbitale
Die Symmetrien der Basis-Orbitale eines Moleküls lassen sich ebenfalls einer irreduziblen Darstellung der Punktgruppe zuordnen. Hat ein Charakter bei einer bestimmten Darstellung und einem bestimmten Symmetrieelement z.B. den Charakter „+1“, dann ändert sich das Vorzeichen der Wellenfunktion bei Anwendung dieses Symmetrieelements nicht. Ist er „-1“ dann ändert es sich.
Beispiel (Fortsetzung)
Ein Molekül gehöre zur Punktgruppe
(siehe Charaktertafel oben). Zu seinem Basissatz gehöre das
-Orbital,
das auf der
-Achse
liegt und wie
transformiert. Spiegelung an der
-Spiegelebene
bewirkt keine Änderung des Orbitals, es wird auf sich selbst abgebildet, der
Charakter ist „+1“. Spiegelt man das
-Orbital
dagegen an der
-Ebene,
ändert sich das Vorzeichen der Wellenfunktion, der Charakter ist also „-1“, wie
aus der Charaktertafel erkennbar.
Reduzible und irreduzible Darstellungen, ausreduzieren
Eine irreduzible Darstellung
besitzt nur
und
als invariante
Unterräume. Alle anderen Unterräume mixen. Eine reduzible Darstellung
zerfällt in verschiedene Unterräume.
Wenn eine Darstellung
vollständig reduzibel ist, kann sie als direkte
Summe von irreduziblen Darstellungen betrachtet werden. Nicht jede
reduzible Darstellung ist vollständig reduzibel.
Bei vollständig reduziblen Darstellungen können die Anteile
der irreduziblen Darstellungen in einer reduziblen Darstellung
durch Raten oder folgende Formel ermittelt werden:
ist die Ordnung der Gruppe,
die Ordnung der Klasse,
der Charakter der jeweiligen irreduziblen Darstellung
und
der Charakter der reduziblen Darstellung
.
Siehe auch
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 27.06. 2024