Euklidische Norm
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Die euklidische Norm, Standardnorm oder 2-Norm ist eine in der Mathematik häufig verwendete Vektornorm. Im zwei- und dreidimensionalen euklidischen Raum entspricht die euklidische Norm der anschaulichen Länge oder dem Betrag eines Vektors und kann mit dem Satz des Pythagoras berechnet werden. Allgemeiner wird die euklidische Norm auch für reelle und komplexe Vektorräume beliebiger endlicher Dimension definiert und ist dann die vom Standardskalarprodukt abgeleitete Norm.
Sie besitzt als eine von einem Skalarprodukt induzierte Norm neben den drei Normaxiomen eine Reihe weiterer Eigenschaften, wie die Gültigkeit der Cauchy-Schwarz-Ungleichung und der Parallelogrammgleichung, sowie eine Invarianz unter unitären Transformationen. Für orthogonale Vektoren erfüllt die euklidische Norm selbst eine allgemeinere Form des Satzes des Pythagoras.
Von der euklidischen Norm werden Begriffe wie der euklidische Abstand und die euklidische Topologie abgeleitet. Sie kann auf unendlichdimensionale Vektorräume verallgemeinert werden, beispielsweise auf Folgenräume durch die ℓ2-Norm und auf Funktionenräume durch die L2-Norm.
Definitionen
Reelle Vektoren in zwei und drei Raumdimensionen
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Ein Vektor
in der euklidischen
Ebene lässt sich über seine Komponenten
und
im kartesischen
Koordinatensystem durch
darstellen. Die Länge oder der Betrag des Vektors wird durch Betragsstriche
um den Vektor gekennzeichnet und kann mit Hilfe des Satzes des
Pythagoras durch
berechnet werden. Im dreidimensionalen euklidischen Raum wird die Länge eines
Vektors
analog zum zweidimensionalen Fall über
ermittelt. In der Physik
wird der Betrag eines Vektors manchmal dadurch gekennzeichnet, dass man die
Betragsstriche und den Vektorpfeil weglässt: .
Werden Vektoren im Text fettgeschrieben, wird manchmal auch nur der Fettdruck
weggelassen:
.
Die natürliche Länge eines Vektors wird auch euklidische Norm oder 2-Norm des
Vektors genannt und, um sie von anderen Vektornormen zu
unterscheiden, mit
oder
bezeichnet.
Reelle Vektoren endlicher Dimension
Ist
der Vektorraum der reellen
-dimensionalen
Vektoren
,
dann ist die euklidische Norm eines Vektors als die Wurzel aus der Summe der
Quadrate der Vektorkomponenten definiert:
.
Für einen eindimensionalen Vektor ergibt sich als Spezialfall der Betrag
einer reellen Zahl und für einen zwei- oder dreidimensionalen Vektor erhält
man dessen Länge in der Ebene oder im Raum wie im vorangegangenen Abschnitt. Die
euklidische Norm ist dabei vom Standardskalarprodukt
zweier reeller Vektoren
abgeleitet, denn es gilt
.
Komplexe Vektoren endlicher Dimension
Ist nun
der Vektorraum der komplexen
-dimensionalen
Vektoren
,
dann ist die euklidische Norm eines Vektors als die Wurzel aus der Summe der Betragsquadrate der
Vektorkomponenten definiert:
.
Dabei dürfen die Betragsstriche in der Definition nicht weggelassen werden.
Für einen eindimensionalen Vektor ergibt sich als Spezialfall der Betrag
einer komplexen Zahl entsprechend der Länge ihres Vektors in der Gaußschen
Zahlenebene. Die euklidische Norm ist vom Standardskalarprodukt zweier
komplexer Vektoren
induziert, wobei
die Konjugierte
der komplexen Zahl
ist. Es gilt wiederum
.
Beispiele
Die euklidische Norm des reellen Vektors
ist
.
Die euklidische Norm des komplexen Vektors
ist
.
Eigenschaften
Im Weiteren wird vom Allgemeinfall reeller oder komplexer Vektoren endlicher
Dimension
mit
oder
ausgegangen. Die nun folgenden Eigenschaften sind dabei lediglich Spezialfälle
der entsprechenden Eigenschaften allgemeiner von einem Skalarprodukt induzierten Normen.
Normaxiome
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Die euklidische Norm erfüllt die drei Normaxiome. Die Definitheit
bedeutet, dass, wenn die Länge eines Vektors
Null ist, er der
Nullvektor sein muss. Die absolute Homogenität
besagt, dass, wenn die Komponenten eines Vektors mit einer Zahl
multipliziert werden, sich die Länge des Vektors mit dem Betrag dieser Zahl
ändert. Die Dreiecksungleichung
(Subadditivität)
sagt schließlich aus, dass die Länge der Summe zweier Vektoren
höchstens so groß wie die Summe der beiden Längen ist. Gleichheit gilt dabei
genau dann, wenn die beiden Vektoren in die gleiche Richtung zeigen. Der Beweis
der Dreiecksungleichung basiert dabei auf der Cauchy-Schwarz-Ungleichung
.
Einheitssphäre und Einheitskugel
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Die euklidische Norm ist eine spezielle p-Norm
für die Wahl von
und heißt deswegen auch 2-Norm. Die Einheitssphäre
der euklidischen Norm, also die Menge
der Vektoren mit Norm Eins hat in zwei reellen Dimensionen die Form eines Kreises, in drei reellen Dimensionen die Form einer Kugeloberfläche und in allgemeinen Dimensionen die Form einer Sphäre. Analog dazu nennt man die Menge
bzw.
die abgeschlossene bzw. die offene Einheitskugel der euklidischen Norm. Sie hat in zwei reellen Dimensionen die Form einer Kreisscheibe und in drei und höheren Dimensionen die Form einer Kugel. Die euklidische Norm kann auch über ihre Einheitskugel als Minkowski-Funktional definiert werden.
Parallelogrammgleichung
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Die euklidische Norm genügt für alle Vektoren
der Parallelogrammgleichung
und ist die einzige p-Norm mit dieser Eigenschaft, siehe dazu auch den Satz von Jordan-von Neumann.
Unitäre Invarianz
Die euklidische Norm ist – ebenfalls als einzige p-Norm – invariant unter
unitären
Transformationen. Ist demnach
eine unitäre
Matrix (im komplexen Fall) oder orthogonale
Matrix (im reellen Fall), dann gilt
,
was aus der Verschiebungseigenschaft des Standardskalarprodukts über
folgt. Die euklidische Norm ändert sich also unter unitären Transformationen nicht. Für reelle Vektoren sind solche Transformationen beispielsweise Drehungen des Vektors um den Nullpunkt. Diese Eigenschaft wird zum Beispiel bei der numerischen Lösung linearer Ausgleichsprobleme über die Methode der kleinsten Quadrate mittels QR-Zerlegungen genutzt.
Abgeleitete Begriffe
Winkel
Über das Standardskalarprodukt und die euklidische Norm kann der Winkel
zwischen zwei reellen Vektoren
durch
definiert werden. Mit dieser Winkeldefinition erhält man die folgende Verallgemeinerung des Kosinussatzes:
.
Für Winkel zwischen komplexen Vektoren gibt es eine Reihe unterschiedlicher
Definitionen.
Allgemein werden zwei Vektoren
orthogonal
genannt, wenn ihr Skalarprodukt
ist. Für orthogonale Vektoren gilt dann eine allgemeinere Form des Satzes
des Pythagoras
.
Euklidischer Abstand
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Weiterhin kann mittels der euklidischen Norm durch Differenzbildung zweier
Vektoren
eine Metrik
,
die euklidische Metrik, definiert werden. Eine Metrik erlaubt es, den Abstand zweier Vektoren zu messen. Da die euklidische Metrik von einer Norm herrührt ist sie translationsinvariant.
Euklidische Topologie
Zudem lässt sich über die euklidische Norm bzw. Metrik auf dem Vektorraum
eine Topologie,
die euklidische Topologie, definieren. Sie ist die Normtopologie, die
erzeugt wird von dem Mengensystem der offenen
Kugeln
,
die alle Vektoren mit einem Abstand kleiner als
von einem gegebenen Vektor
enthalten. Über diese ε-Kugeln
lassen sich dann Begriffe wie Stetigkeit
und Grenzwert
definieren: Beispielsweise strebt eine Folge
von Vektoren
genau dann gegen einen Grenzwert
,
wenn
für
gilt. Tatsächlich sind auf dem Vektorraum
alle Normen
äquivalent zur euklidischen Norm und erzeugen deshalb dieselbe Topologie.
Verallgemeinerungen
Sieht man eine Matrix mit reellen oder komplexen Einträgen als entsprechend langen Vektor an, so kann die euklidische Norm auch für Matrizen definiert werden und heißt dann Frobeniusnorm. Die euklidische Norm kann auch auf unendlichdimensionale Vektorräume über den reellen oder komplexen Zahlen verallgemeinert werden und hat dann zum Teil eigene Namen. Die wichtigsten Verallgemeinerungen sind dabei wie folgt.
ℓ2-Norm
Die ℓ2-Norm
ist die Verallgemeinerung der euklidischen Norm auf den Folgenraum
der quadratisch summierbaren Folgen
.
Hierbei wird lediglich die endliche Summe durch eine unendliche ersetzt und die
ℓ2-Norm ist dann gegeben als
.
Der Raum
ist ein Hilbertraum mit dem
Skalarprodukt zweier Folgen
.
L2-Norm
Weiter kann die euklidische Norm auf den Funktionenraum
der auf einer Menge
quadratisch integrierbaren Funktionen
verallgemeinert werden, was in zwei Schritten geschieht. Zunächst wird die
-Norm
einer quadratisch Lebesgue-integrierbaren
Funktion
als
,
definiert, wobei im Vergleich zur ℓ2-Norm lediglich die
Summe durch ein Integral ersetzt wurde. Dies ist zunächst nur eine Halbnorm, da nicht nur die Nullfunktion, sondern auch
alle Funktionen, die sich nur an einer Menge mit Lebesgue-Maß Null von der
Nullfunktion unterscheiden, zu Null integriert werden. Daher betrachtet man die
Menge der Äquivalenzklassen
von Funktionen ,
die fast überall gleich sind, und erhält auf diesem L2-Raum
die L2-Norm
durch
.
Der Raum
ist ein Hilbertraum mit dem Skalarprodukt zweier Funktionen
.
Er lässt sich von dem Lebesgue-Maß auch auf allgemeine Maße verallgemeinern.
Allgemeine Vektorräume
Noch allgemeiner kann die euklidische Norm in beliebigen
unendlichdimensionalen Vektorräumen
über eine zugehörige Hamelbasis
definiert werden. Ist
eine solche Hamelbasis von
,
wobei
eine Indexmenge
ist, dann lässt sich jeder Vektor
als Linearkombination
mit Koeffizienten
darstellen (hierbei sind nur endlich viele der Koeffizienten
von 0 verschieden). Die euklidische Norm eines Vektors ist dann definiert
als
und dabei von dem Skalarprodukt
für Vektoren
induziert.
Gelegentlich wird auch eine von einem beliebigen Skalarprodukt auf einem reellen Skalarproduktraum induzierte Norm als euklidische Norm bezeichnet.
Literatur
- Herbert Amann, Joachim Escher: Analysis I. Birkhäuser, Basel 2006, ISBN 3-7643-7755-0.
- Albrecht Beutelspacher: Lineare Algebra. 6. Auflage. Vieweg, 2003, ISBN 3-528-56508-X.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 07.07. 2021