Ferrocen

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung
02 – Leicht-/Hochentzündlich 07 – Achtung 09 – Umweltgefährlich
Gefahr
H- und P-Sätze H:
  • Entzündbarer Feststoff.
  • Gesundheitsschädlich bei Verschlucken.
  • Giftig für Wasserorganismen, mit langfristiger Wirkung.
P:
  • Von Hitze, heißen Oberflächen, Funken, offenen Flammen und anderen Zündquellen fernhalten. Nicht rauchen.
  • Staub / Rauch / Gas / Nebel / Dampf / Aerosol nicht einatmen.
  • Freisetzung in die Umwelt vermeiden.
Toxikologische Daten 1320 mg/kg (LD50Ratteoral)

Ferrocen (Benennung nach IUPAC: Bis(η5-cyclopentadienyl)eisen), mit der Halbstrukturformel [Fe(Cp)2] oder auch [Fe(C5H5)2], ist ein Metallocen, das heißt, eine metallorganische Verbindung mit aromatischen Ringsystemen, in deren Zentrum sich ein Eisenatom (lateinisch ferrum) befindet. Als erste chemische Verbindung wurde Ferrocen Sandwichverbindung genannt, weil sich zeigte, dass die beiden Cyclopentadienylringe auf gegenüberliegenden Seiten des Eisenatoms liegen.

Geschichte

Ferrocen wurde 1951 von Thomas J. Kealy und Peter L. Pauson an der Duquesne University, bei dem Versuch Fulvalen durch die Reaktion von Cyclopentadienylmagnesiumbromid mit Eisen(III)-chlorid herzustellen, zufällig entdeckt. Sie erhielten bei der Umsetzung unter anderem orangefarbene Kristalle, die überraschenderweise luftstabil waren und leicht sublimiert werden konnten.

{\displaystyle \mathrm {3\ C_{5}H_{5}MgBr+FeCl_{3}\longrightarrow [Fe(C_{5}H_{5})_{2}]+3\ MgBrCl+1/2\ H_{5}C_{5}-C_{5}H_{5}} }

Unabhängig davon und ebenfalls 1951 hatte eine Arbeitsgruppe um Samuel A. Miller (mit John A. Tebboth sowie John F. Tremaine) bei der British Oxgen Company die gleiche Substanz durch die Reaktion von Cyclopentadien-Dampf mit frisch reduziertem Eisen bei 300 °C hergestellt und beschrieben.

{\displaystyle \mathrm {2\ C_{5}H_{6}+Fe\longrightarrow [Fe(C_{5}H_{5})_{2}]+H_{2}} }

Die ersten auf Infrarotspektroskopie beruhenden Strukturvorschläge von Geoffrey Wilkinson und Robert B. Woodward, damals beide an der Harvard University, konnten 1952 durch Röntgen-Kristallstrukturanalyse von Ernst Otto Fischer und Wolfgang Pfab (beide damals TU München) bestätigt werden. Da Woodward postulierte, dass die Cyclopentadienylringe im Fe(C5H5)2 einer elektrophilen Substitution zugänglich sein sollten, führten Whitning und Rosenblum die erste Friedel-Crafts-Acylierung am Cyclopentadienylring im Ferrocen durch. Aufgrund dieses Verhaltens schlugen sie den Namen Ferrocene vor, mit der Endung -ene (analog zu benzene, englisch für Benzol), die die Aromatizität der Verbindung unterstreicht.

Ernst Otto Fischer und Geoffrey Wilkinson erhielten 1973 den Nobelpreis für Chemie für ihre Arbeiten über metallorganische Verbindungen, die auch die Bindungsverhältnisse im Ferrocen erklärten.

Gewinnung und Darstellung

Strukturformel
Struktur von Ferrocen
Ekliptische Konformation
Allgemeines
Name Ferrocen
Andere Namen
  • Bis(η5-cyclopentadienyl)eisen
  • Bis(η5-cyclopentadienyl)eisen(II)
  • Di(cyclopentadienyl)eisen
  • [Fe(η5-C5H5)2]
  • [Fe(Cp)2]
Summenformel C10H10Fe
Kurzbeschreibung orangefarbene Nadeln mit campferartigem Geruch
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 102-54-5
EG-Nummer 203-039-3
ECHA-InfoCard 100.002.764
PubChem 7611
ChemSpider 7329
Eigenschaften
Molare Masse 186,04 g/mol−1
Aggregatzustand fest
Dichte 1,49 g/cm3 (20 °C)
Schmelzpunkt 173–174 °C
Siedepunkt 249 °C
Löslichkeit
  • nahezu unlöslich in Wasser
  • löslich in vielen organischen Lösungsmitteln

Neben den geschichtlichen Synthesevarianten ist Ferrocen im Labor leicht zugänglich über die Umsetzung von Cyclopentadien mit Eisen(II)-chlorid in einem inerten Lösemittel und einem Überschuss von Kaliumhydroxid, welches sowohl als Deprotonierungsreagenz für das Cyclopentadien, als auch als Dehydratisierungsmittel dient:

{\displaystyle {\ce {8 KOH + 2 C5H6 + FeCl2 * 4 H2O ->[N_2][] Fe(C5H5)2 + 2 KCl + 6 KOH * H2O}}}

Eigenschaften

Ferrocen (vakuumsublimiert)

Physikalische Eigenschaften

Ferrocen bildet orangefarbene Kristallnadeln mit einem Schmelzpunkt von 173 °C und einem Siedepunkt von 249 °C, ab 100 °C tritt jedoch bereits eine merkliche Sublimation ein. In Wasser ist Ferrocen nicht löslich, in unpolaren Lösungsmitteln wie n-Hexan oder Toluol hingegen gut. Es besitzt große thermische und chemische Stabilität. Ferrocen lässt sich durch Vakuumsublimation gut reinigen, da es für einen Feststoff einen relativ hohen Dampfdruck hat.

Bindungsverhältnisse

Ferrocen setzt sich formal aus einem Eisen(II)-Kation und zwei Cyclopentadienylanionen (C5H5) zusammen. Insgesamt ergibt sich also ein ungeladener Komplex.

Die Bindungsverhältnisse lassen sich vereinfacht dadurch erklären, dass die Cyclopentadienylanionen als Aromaten über ein delokalisiertes π-Elektronensystem verfügen. Jeder der beiden Liganden kann dem Eisen(II)-Kation sechs π-Elektronen zur Verfügung stellen. Da das Eisen(II)-Kation sechs Elektronen besitzt und zwölf Elektronen von den Liganden erhält, besitzt es im Komplex 18 Elektronen. Damit erreicht es, der 18-Elektronen-Regel folgend, die energetisch günstige Edelgaskonfiguration von Krypton.

Der Abstand der Cyclopentadienylringe beträgt 332 pm, was dem Van-der-Waals-Kontakt zweier π-Systeme entspricht, z.B. dem Abstand der Schichten im Graphit von 330 pm oder auch im Bis(benzol)chrom mit 322 pm.

Der Fe-C-Abstand beträgt 204,5 ± 1 pm, der C-C-Abstand 140,3 ± 2 pm. Es kristallisiert bei Raumtemperatur im monoklinen Kristallsystem in der Raumgruppe P21/a (Raumgruppen-Nr. 14, Stellung 3) mit den Gitterparametern a = 1056,1 pm, b = 759,7 pm c = 595,2 pm und β = 121,02° mit zwei Formeleinheiten pro Elementarzelle.

Ferrocen: Gestaffelte Konformation (links) und ekliptische Konformation (rechts)

Die ekliptische Konformation („auf Deckung“) ist gegenüber der gestaffelten Konformation der Ringe bevorzugt. Ferrocen kristallisiert bei Raumtemperatur in monokliner, bei T < 164 K in trikliner und bei T < 110 K in orthorhombischer Modifikation. In der monoklinen Form wird durch Fehlordnung eine gestaffelte Konformation (D5d) individueller Sandwichmoleküle vorgetäuscht. Die trikline Form weicht um 9° von der ekliptischen Anordnung (D5) ab, die orthorhombische Form (D5h) ist exakt ekliptisch gebaut.

Ekliptisch ist Ferrocen auch in der Gasphase, die Rotationsbarriere ist jedoch sehr klein. Das an allen Positionen der Fünfringe methylsubstituierte Decamethylferrocen [Cp(CH3)5]2Fe realisiert hingegen im Kristall und in der Gasphase die gestaffelte Konformation. In Cobaltocen Cp2Co und Nickelocen Cp2Ni stehen die Cp-Fünfringe auf Lücke (gestaffelt).

 

Verwendung

Ferrocen kann Heizöl (einzelnen Premiumheizölqualitäten) und theoretisch auch Diesel beigemischt werden, um eine bessere Sauerstoffbindung und somit eine effektivere und sauberere Verbrennung zu erreichen. Die Verbrennungstemperatur des Öls wird durch das Additiv nicht erhöht. Substituierte Ferrocene dienen als Monomere für die Herstellung von Polyferrocenen.

In der Cyclovoltammetrie wird Ferrocen wegen seiner reversiblen Oxidation zum Ferrocenium-Ion oft als Referenzsubstanz (E0 = 0,400 V gegen eine Wasserstoffelektrode) in nicht wässrigen Lösungen verwendet. Diese Verwendung geht auf eine um 1960 aufgestellte Hypothese von Stehlow zurück, die besagt, dass Ferrocen gut für den Vergleich von Redoxpotentialen in verschiedenen organischen Lösungsmitteln geeignet ist, weil der elektrostatische Anteil der Solvatationsenthalpie des Ferricenium-Ions sehr klein ist und deshalb die freie Solvatationsenthalpie des Ferrocen-Moleküls der des Ferrocenium-Ions sehr ähnlich ist. Gleiches gilt für das Cobaltocen/Cobaltocenium-System, so dass das Redoxpotential des Cobaltocens in vielen verschiedenen Lösungsmitteln einen Wert von −1,32 V vs. Fc annimmt. Aus diesem Grund wurde Ferrocen neben Bis(benzol)chrom 1984 als IUPAC-Potentialstandard für die Angabe von Potentialen in organischen Lösungsmitteln festgelegt. Problematisch ist allerdings die Umrechnung von Redoxpotentialen, die mit Ferrocen kalibriert wurden, auf die Potentialskala der SHE in wässriger Phase, da für das Redoxpotential (Fc vs. SHE) viele sehr verschiedene Werte in der Literatur existieren. Der Grund für diese stark schwankenden Angaben ist die Unlöslichkeit von Ferrocen in wässriger Phase, die Realisierung der SHE in organischer Phase und die intrinsische Unmöglichkeit der genauen potentiostatischen Messung von Redoxpotentialen zwischen Halbzellen, die mit unterschiedlichen Elektrolytsystemen befüllt sind, da die anionischen und kationischen Verteilungskoeffizienten nicht unabhängig voneinander bestimmbar sind und deshalb der Spannungsabfall, der an der Grenzfläche auftritt, unbekannt ist.

Neuere Arbeiten verweisen auf vorteilhafte Eigenschaften des Decamethylferrocens als Referenzsystem in organischer Phase, da dieses ähnlich wie Bisbiphenylchrom eine größere Abschirmung gegen das Lösungsmittel besitzt. Die Abhängigkeit des Redoxpotentials vom Lösungsmittel ist noch geringer einzuschätzen als beim Ferrocen/Ferricenium-System, da aber Decamethylferrocen ebenso unlöslich in Wasser ist wie Ferrocen, liefert auch dieser Ansatz keine zufriedenstellende Lösung der Probleme beim Vergleich von Redoxpotentialen in wässriger und organischer Phase.

Seit den 1990er-Jahren werden Ferrocen-Derivate als Medikamente untersucht, vor allem als Zytostatika und Antimalariamittel.

Im Gegensatz zu Decamethylferrocen bildet Ferrocen kein stabiles, isolierbares Dikation.

Trenner
Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de
Seitenende
Seite zurück
© biancahoegel.de
Datum der letzten Änderung: Jena, den: 28.05. 2023