Wiener-Chintschin-Theorem
Das Wiener-Chintschin-Theorem (auch Wiener-Chintchin-Kriterium oder Chintschin-Kolmogorow-Theorem, nach Alexander Chintschin, Norbert Wiener und Andrei Nikolajewitsch Kolmogorow) ist ein Satz in der Stochastik und Signalverarbeitung. Er besagt, dass die spektrale Leistungsdichte eines stationären[1] Zufallsprozesses die Fourier-Transformierte der korrespondierenden Autokorrelationsfunktion ist.
Der Satz gilt auch trivialerweise, d.h. durch Einsetzen der Fourier-Transformierten, die in diesem Fall anders als bei Zufallsprozess-Signalen existieren, für die stetigen Funktionen periodischer Signale, und kann somit auf ein durch Rauschen gestörtes periodisches Signal angewandt werden.
Formulierung in der Signalverarbeitung
Für zeitkontinuierliche Signale hat das Theorem die Gestalt ( steht für die imaginäre Einheit, für die Frequenz):
mit der Autokorrelationsfunktion:
Dabei ist der Erwartungswert des Produktes .
Die spektrale Leistungsdichte der Funktion ist außerdem bei Existenz der Fourier-Transformierten des Signals definiert als:
Für „Rauschsignale“ existiert die Fourier-Transformierte allerdings im Allgemeinen nicht. Der Name spektrale Leistungsdichte (PSD, Power Spectral Density) kommt daher, dass das Signal häufig eine Spannung ist und die Autokorrelationsfunktion dann eine Energie liefert. „Spektrale Dichte“ besagt, dass die Leistung als Funktion der Frequenz pro Frequenzintervall angegeben wird. Die PSD erlaubt Aussagen über das Vorliegen von Periodizitäten in verrauschten Signalen. Nach dem Wiener-Chintchin-Theorem kann die PSD aus der Autokorrelationsfunktion gewonnen werden. Für die Detektion periodischer Signale im Rauschhintergrund wurde die Autokorrelationsfunktion allerdings schon früher angewandt, z.B. von George Udny Yule in den 1920er Jahren.
Umgekehrt ergibt sich auch die Autokorrelationsfunktion als Fourier-Rücktransformierte der spektralen Leistungsdichte:
Bemerkung: bei Formulierung mit der Kreisfrequenz lauten die entsprechenden Formeln:
Das ist die eigentlich übliche Form der Fourier-Transformation, hier wird wie in der Signaltheorie eine Formulierung ohne Kreisfrequenz gewählt (siehe Fourier-Transformation).
Berechnungen im Frequenzraum sind über dieses Theorem gegen solche im Zeitraum austauschbar, ähnlich wie bei dem Lp-Ergodensatz und dem individuellen Ergodensatz bzw. der Ergodenhypothese, die bei typischen Systemen der statistischen Mechanik die Vertauschbarkeit von Zeit- und Ensemblemittel aussagt.
Im Falle zeitdiskreter Signale (einer Zeitreihe mit N Termen) hat das Wiener-Chintschin-Theorem eine ähnliche Form:
Die Summe wird dabei in Anwendungen auf endlich viele () Terme begrenzt.
Weiterhin ist die Autokorrelationsfunktion und das Leistungsdichtespektrum von .
Mathematische Formulierung
ist die charakteristische Funktion einer Wahrscheinlichkeitsverteilung mit Dichtefunktion genau dann, falls es eine Funktion gibt mit
- ,
so dass
Die Wahrscheinlichkeitsverteilung ist dann gegeben durch
mit der charakteristischen Funktion von ; letztere entspricht bis auf Vorfaktoren der Fourier-Transformation von .
Das Theorem ist ein Spezialfall der Plancherel-Formel (auch Satz von Plancherel genannt).
Oder in der ursprünglichen Formulierung von Chintchin:
ist dann und nur dann die Korrelationsfunktion eines reellen stationären Zufallsprozesses , falls
mit einer Verteilungsfunktion .
Anwendung in der Systemanalyse
Das Theorem erlaubt es, lineare zeitinvariante Systeme (LTI-Systeme), wie elektrische Schaltkreise mit linearen Bauelementen, zu untersuchen, wenn deren Ein- und Ausgangssignale nicht quadratintegrabel sind und somit keine Fourier-Transformierten existieren, wie im Fall zufälliger Signale (Rauschen).
Nach der Theorie der LTI-Systeme ist die Fourier-Transformierte der Autokorrelationsfunktion des Ausgangssignals nämlich gleich derjenigen des Eingangssignals multipliziert mit dem Betragsquadrat des Frequenzganges, also der Fourier-Transformierten der Impulsantwort des Systems.
Nach dem Wiener-Chintchin-Theorem ist die Fourier-Transformierte der Autokorrelationsfunktion gleich der spektralen Leistungsdichte, und somit die Leistungsdichte des Ausgangssignals gleich der Leistungsdichte des Eingangssignals, multipliziert mit der Leistungs-Übertragungsfunktion, analog zum Fall periodischer Signale bei LTIs.
Siehe auch
Anmerkungen
- ↑ Eine Zufallsprozess (eine Zufallsfunktion) heißt stationär, wenn die Kovarianz für alle Zeitpunkte gleich ist. Genauer handelt es sich um stationäre Zufallsprozesse im weiteren Sinn"(Wide Sense Stationary Random Processes).
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 13.01. 2023