Lineares zeitinvariantes System
Als ein lineares zeitinvariantes System, auch als LZI-System und LTI-System (englisch linear time-invariant system) wird ein System bezeichnet, wenn sein Verhalten sowohl die Eigenschaft der Linearität aufweist als auch unabhängig von zeitlichen Verschiebungen ist. Diese Unabhängigkeit von zeitlichen Verschiebungen wird als Zeitinvarianz bezeichnet.
Die Bedeutung dieser Systeme liegt darin, dass sie besonders einfache Transformationsgleichungen aufweisen und der Systemanalyse damit leicht zugänglich sind. Viele technische Systeme wie in der Nachrichten- oder Regelungstechnik weisen, zumindest in guter Näherung, diese Eigenschaften auf. Ein System kann in diesem Zusammenhang beispielsweise ein Übertragungssystem sein. Einige LZI-Systeme lassen sich durch lineare gewöhnliche Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten beschreiben.
Eigenschaften
Linearität
 
Ein System heißt dann linear, wenn jede Summe von beliebig vielen 
Eingangssignalen  
zu einer dazu proportionalen Summe von Ausgangssignalen 
 
führt. Es muss damit das Superpositionsprinzip, 
auch als Überlagerungsprinzip bezeichnet, gelten. Mathematisch wird dies durch 
eine Transformation 
, 
welche die Übertragungsfunktion 
des Systems darstellt, zwischen den Eingangs- und Ausgangssignalen 
beschrieben:
Die konstanten Koeffizienten  
stellen die einzelnen Proportionalitätsfaktoren dar.
Anschaulich wird dabei am Eingang des Systems ein Signal angelegt und die Reaktion beobachtet. Danach wird davon unabhängig die Reaktion auf ein zweites Signal untersucht. Beim Anlegen eines Eingangssignals, das die Summe aus den beiden zuvor begutachteten Signalen bildet, lässt sich feststellen, dass die Reaktion am Ausgang der Addition der beiden einzelnen Antworten entspricht, wenn das System linear ist.
Zeitinvarianz
 
Ein System heißt dann zeitinvariant, wenn für jede beliebige Zeitverschiebung um t0 gilt:
Für die Zeitinvarianz muss das Ausgangssignal den Zeitbezug zum Eingangssignal beibehalten und identisch reagieren. Dieses Prinzip wird auch als Verschiebungsprinzip bezeichnet.
Zusammenhang mit Faltungsintegral
Das beliebig verlaufende Eingangssignal  
kann durch Anwendung des Superpositionssatzes und der Zeitinvarianz durch eine 
zeitliche Abfolge von einzelnen Rechteckimpulsen 
angenähert werden. Im Grenzübergang für einen Rechteckimpuls, dessen Dauer gegen 
0 geht, nähert sich das Ausgangssignal einer Form an, welche nur noch von der 
Übertragungsfunktion des Systems abhängt, aber nicht mehr von dem Verlauf des 
Eingangssignals.
Mathematisch werden diese gegen die zeitliche Dauer von null strebenden 
Rechteckimpulse durch Dirac-Impulse 
 
beschrieben und die Summen in der Transformationsgleichung gehen in Integrale über. Das 
Eingangssignal 
 
lässt sich gleichwertig als Faltungsintegral bzw. 
mit dem Symbol 
 
für die Faltungsoperation 
ausdrücken als:
Das Ausgangssignal  
ist über das Faltungsintegral
mit dem Eingangssignal  
verknüpft, wobei 
 
die Übertragungsfunktion des Systems darstellt. Ist das Eingangssignal ein 
Dirac-Impuls, so wird 
 
auch als Impulsantwort 
bezeichnet.
Lösung von linearen zeitinvarianten Differentialgleichungen
Gegeben ist ein explizites lineares System von Differentialgleichungen in der Form
mit dem Zustandsvektor , 
der Systemmatrix 
,dem 
Eingang 
, 
dem Eingangsvektor 
 
und der Angangsbedingung 
. 
Die Lösung besteht aus einem homogenen und einem partikulären Anteil.
Homogene Lösung
Man erhält die homogene Differentialgleichung, indem man den Eingang gleich null setzt.
Diese Lösung kann nun durch eine Taylorreihendarstellung beschrieben werden:
wobei  
die Einheitsmatrix ist. Setzt man diese Lösung obere Gleichung ein, erhält 
man:
Nun können durch einen Koeffizientenvergleich die unbekannten Matrizen  
bestimmt werden:
Folgende Schreibweise ist für die Fundamentalmatrix  
weit verbreitet:
Partikuläre Lösung
Ausgehend von  
und 
 
folgt:
Die partikuläre Lösung sucht man in der Form:
wobei  
ein unbekannter Funktionsvektor mit 
 
ist. Aus den beiden oberen Gleichungen, folgt:
Damit kann  
bestimmt werden:
Man erhält durch Integration unter Zuhilfenahme der Eigenschaften der Fundamentalmatrix:
Die Lösung einer linearen zeitinvarianten Differenzialgleichung lautet:
LZI-Systeme in verschiedenen Formen der Darstellung
Der folgende Teil beschränkt sich auf Systeme mit endlich vielen inneren Freiheitsgraden.
Zeitbereich
Die gebräuchlichste Systemdarstellung im Zeitbereich, die Zustandsraumdarstellung, hat die allgemeine Form
Hierin sind die Vektoren  
Eingangsvektor, 
 
Zustandsvektor und 
 
Ausgangsvektor. Sind die Matrizen 
 
Systemmatrix, 
 
Eingangsmatrix, 
 
Ausgangsmatrix und 
 
Durchgriffsmatrix konstant, so ist das System linear und zeitinvariant. Zur 
Addition und Multiplikation von Vektoren und Matrizen siehe Matrix 
(Mathematik).
Bildbereich
Für einfachere Systeme, insbesondere SISO-Systeme (Single Input, Single Output Systeme) mit nur je einer Ein- und Ausgangsgröße, wird auch oft noch die Beschreibung durch eine Übertragungsfunktion ("Bildbereich" oder "Frequenzbereich") gewählt
Hierin ist  
das Zählerpolynom in 
, 
und 
 
das Nennerpolynom in 
. 
Sind alle Koeffizienten 
beider Polynome konstant, ist das System zeitinvariant.
Die Übertragungsfunktion bietet sich zur graphischen Darstellung als Ortskurve oder Bodediagramm an.
Beispiele
- Elektrotechnik: Filter-Schaltungen oder Verstärker
 - Mechanik: Getriebe
 - Thermodynamik: Zentralheizung, Motorkühlung
 - Wandler zwischen den zuvor genannten Systemarten: Elektromotor (Strom-Kraft), Temperatursensor (Temperatur-Strom)
 - Mathematisch (Digitale Simulation): Regler aller Art z.B. PID-Regler
 
Beispiel aus der Mechanik
Der freie Fall ohne Reibung wird beschrieben durch die Differentialgleichung
mit dem Weg , 
der Beschleunigung an der Erdoberfläche 
 
und der Masse des fallenden Gegenstandes 
. 
Übertragen in die Zustandsraumdarstellung und unter herauskürzen von 
 
erhält man die Zustandsdifferentialgleichung
wobei  
als (in der Regel konstanter) äußerer Einfluss betrachtet wird, und damit ein 
(das einzige) Glied des Eingangsvektors bildet. Interessiert man sich 
naheliegender Weise für die momentane Position 
 
und Geschwindigkeit 
, 
lautet die Ausgangsgleichung
mit einer 1-Matrix als Ausgangsmatrix und einer Nullmatrix als Durchgriffsmatrix, da die Ausgänge identisch mit den Zuständen sind. In dieser Betrachtung handelt es sich um ein LZI System, da alle Matrizen des linearen Differentialgleichungssystems konstant, also zeitinvariant, sind.
Berücksichtigt man aber, dass die Erdbeschleunigung g abhängig ist vom Abstand der Massenschwerpunkte
mit der Erdmasse  
und dem Erdradius 
, 
so ist das System nichtlinear abhängig vom Zustand z, also kein LZI System.
Wird die Erdbeschleunigung  
aufgrund einer meist sehr viel kleineren Höhe 
 
gegenüber dem Erdradius 
 
weiterhin als konstant betrachtet
aber die Reibung zwischen betrachteter 
Masse und Luft als sehr viel einflussreicher in linearer Abhängigkeit von  
linear berücksichtigt (siehe auch Fall 
mit Luftwiderstand#Fall mit Stokes-Reibung), erhält man die 
Zustandsdifferentialgleichung
mit dem Reibkoeffizienten . 
Wird 
 
als Formkonstante des fallenden Gegenstandes betrachtet, handelt es sich nach 
wie vor um ein LZI System.


© biancahoegel.de
Datum der letzten Änderung: Jena, den: 04.03. 2020