Simplizialkomplex
Ein Simplizialkomplex ist ein Begriff der algebraischen Topologie. Bei einem Simplizialkomplex handelt es sich um ein rein kombinatorisch beschreibbares Objekt, mit dessen Hilfe die entscheidenden Eigenschaften von bestimmten, als triangulierbar bezeichneten topologischen Räumen algebraisch charakterisiert werden können. Insbesondere werden Simplizialkomplexe dazu verwendet, für den zugrundeliegenden topologischen Raum Invarianten zu definieren.
Die Idee des Simplizialkomplexes besteht darin, einen topologischen Raum dadurch zu untersuchen, dass – sofern möglich – durch Zusammenfügen von Simplizes eine Menge im d-dimensionalen euklidischen Raum konstruiert wird, die homöomorph ist zum gegebenen topologischen Raum. Die „Anleitung zum Zusammenbau“ der Simplizes, das heißt die Angaben darüber, wie die Simplizes zusammengefügt sind, wird dann in Form einer Sequenz von Gruppenhomomorphismen rein algebraisch charakterisiert.
Definitionen
Abstrakter Simplizialkomplex
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Ein abstraktes Simplex
ist eine endliche nichtleere Menge. Ein Element eines abstrakten Simplexes nennt
man Ecke von
,
eine nichtleere Teilmenge von
ist wieder ein abstraktes Simplex und wird Facette (oder Seite)
von
genannt.
Ein abstrakter oder auch kombinatorischer Simplizialkomplex
ist eine Menge von Simplizes mit der Eigenschaft, dass jede Facette
eines Simplexes
wieder zu
gehört, also
.
Die Vereinigungsmenge aller Ecken von Simplizes des Simplizialkomplexes
wird Eckenmenge oder Eckpunktbereich genannt und mit
bezeichnet.
Die Dimension eines abstrakten Simplex, das
Ecken enthält, ist definiert als
und die Dimension des Simplizialkomplexes
ist definiert als das Maximum der Dimension von allen Simplizes. Falls die
Dimension der Simplizes nicht beschränkt ist, dann heißt
unendlichdimensional.
Der Simplizialkomplex
heißt endlich, falls er eine endliche Menge ist, und lokal endlich, falls jede
Ecke nur zu endlich vielen Simplizes gehört.
Das -Skelett
eines Simplizialkomplexes
ist die Menge aller seiner Simplizes der Dimension
.
Geometrischer Simplizialkomplex
Ein geometrischer Simplizialkomplex
ist eine Menge von Simplizes
in einem euklidischen Raum
mit der Eigenschaft, dass jede Facette
eines Simplexes
wieder zu
gehört und dass für alle Simplizes
der Durchschnitt
entweder leer oder eine gemeinsame
Facette von
und
ist. Mit
wird die Vereinigung aller Simplizes des geometrischen Komplexes bezeichnet.
Geometrische Realisierung
Ein geometrischer Simplizialkomplex ,
dessen Ecken einem gegebenen abstrakten Simplizialkomplex
entsprechen, heißt geometrische Realisierung des Simplizialkomplexes
.
Sie wird mit
bezeichnet. Alle geometrischen Realisierungen eines abstrakten
Simplizialkomplexes sind zueinander homöomorph.
Zu einem Punkt
gibt es einen eindeutigen Simplex aus
,
in dessen Innerem
liegt. Dieser Simplex wird als Trägersimplex von
bezeichnet.
Triangulierung
Ein topologischer Raum heißt triangulierbar, wenn er homöomorph zu einem geometrischen Simplizialkomplex ist.
Simpliziale Abbildungen
Eine simpliziale Abbildung
ist eine Abbildung zwischen den Eckenmengen
,
bei der für jedes Simplex aus
dessen Ecken unter der Abbildung
auf die Ecken eines Simplex in
abgebildet werden.
Eine simpliziale Abbildung
induziert eine stetige Abbildung
.
Dazu wird im Inneren jedes geometrischen Simplex eine affin lineare
Fortsetzung konstruiert.
Umgekehrt lässt sich eine stetige Abbildung
nach endlich vielen baryzentrische
Unterteilungen durch eine simpliziale Abbildung
approximieren, siehe simplizialer
Approximationssatz. Hierbei steht
für die baryzentrische Unterteilung.
Eine simpliziale Abbildung die bijektiv ist, das heisst die Umkehrabbildung ist auch eine simpliziale Abbildung, nennt man einen simplizialen Isomorphismus.
Der Simplizialkomplex als Kettenkomplex
Sei
ein endlicher Simplizialkomplex. Die
-te
simpliziale Gruppe von
ist die freie
abelsche Gruppe, die von der Menge der Simplizes mit Dimension
erzeugt wird, sie wird mit
notiert. Die Elemente der Gruppe heißen simpliziale
-Ketten.
Wählt man eine totale
Ordnung für alle Ecken, die in irgendeinem Simplex von
liegen, so erhält man durch Einschränkung auch eine Ordnung für jedes einzelne
p-Simplex. Ein Randoperator
wird dann definiert durch
wobei
das aus den Ecken erzeugte Gruppenelement meint. Für den Randoperator gilt
für alle simplizialen
-Ketten
.
Daher ist
ein Kettenkomplex und man
kann auf gewohnte Weise auf diesem eine Homologie
erklären. Diese Homologie wird simpliziale
Homologie genannt.
Geschichte
Triangulierungen und ein in Matrixschreibweise formuliertes Äquivalent zu dem daraus gebildeten Kettenkomplex wurden von Henri Poincaré gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts untersucht. Simplizale Abbildungen wurde erstmals 1912 von Luitzen Egbertus Jan Brouwer verwendet. In den 1920er-Jahren entstand dann die Sichtweise, die zum Begriff des Kettenkomplexes führte.
Siehe auch
- Simpliziale Homologie
- CW-Komplex – ein allgemeinerer Begriff, der Simplizialkomplexe als Spezialfall umfasst.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 16.07. 2021