Indexnotation von Tensoren
Die Indexnotation ist eine Form, Tensoren schriftlich darzustellen, die vor allem in der Physik und gelegentlich auch im mathematischen Teilgebiet der Differentialgeometrie Anwendung findet.
In ihrer verbreiteteren Form gibt die Notation Tensorkomponenten in bestimmten Koordinaten an. Mit der abstrakten Indexnotation werden dagegen Tensoren koordinatenunabhängig bezeichnet, wobei die Notation den Typ des Tensors angibt und Kontraktionen und kovariante Differentiationen koordinatenfrei darstellen kann. Die abstrakte Indexnotation wurde von Roger Penrose eingeführt.
Am üblichsten ist diese Notation im Kontext der allgemeinen Relativitätstheorie, deren Formulierung in Form von Tensoren erfolgt. Auch einige moderne Texte über spezielle Relativitätstheorie verwenden diese Notation, und im Kontext von Eichtheorien ist sie auch in der Quantenfeldtheorie anzutreffen. Diese Notation eignet sich besonders für Rechnungen in lokalen Koordinaten, weshalb sie in der Physik deutlich verbreiteter ist als in der Mathematik.
Es gibt zwei Grundformen dieser Notation. In der einen stellen die Tensoren mit Indizes Elemente der Tensoren in lokalen Koordinaten dar. Bei dieser Variante wird die Einsteinsche Summenkonvention verwendet, um Kontraktionen oder Spurbildungen auszuführen. Die zweite Möglichkeit ist die abstrakte Tensornotation. Bei dieser zeigen die Indizes nicht mehr die Komponenten in Koordinaten an, sondern sind nur noch Symbole, die die Stufe des Tensors angeben.
Tensoren
In der Differentialgeometrie wird die Geometrie gekrümmter Räume untersucht,
die durch sogenannte differenzierbare Mannigfaltigkeiten
beschrieben werden. Diese Mannigfaltigkeiten erlauben an jedem Punkt
die Definition eines
-dimensionalen
reellen Vektorraums, der als Tangentialraum
in diesem Punkt bezeichnet wird. Wenn die Mannigfaltigkeit in einen
höherdimensionalen Raum eingebettet wird, entspricht der Tangentialraum genau
der
-dimensionalen
Hyperfläche, die die Mannigfaltigkeit im Punkt
berührt und dort zu ihr tangential ist. Der Dualraum
des Tangentialraums wird als Kotangentialraum
bezeichnet.
Die Elemente eines Tensorproduktes aus
Kopien des Kotangentialraums und
Kopien des Tangentialraums werden als
-Tensoren
bezeichnet. Sie sind also multilineare Abbildungen, die
Elemente des Tangentialraums und
Elemente des Kotangentialraums auf eine reelle Zahl abbilden. Ein
-Tensorfeld ist eine
Abbildung, die jeden Punkt der Mannigfaltigkeit auf einen
-Tensor
abbildet.
Die Koordinatendarstellungen von Tensorfeldern müssen ein bestimmtes Transformationsverhalten unter Kartenwechselabbildungen, also lokalen Diffeomorphismen, erfüllen.
Indexnotation
Die Indexnotation schreibt die Argumente, in denen der Tensor linear ist,
nicht mittels einer Argumentklammer, sondern mittels Indizes. Diese Indizes
werden hoch- oder tiefgestellt, je nachdem ob das Argument aus dem
Tangentialraum oder dem Kotangentialraum ist. Ein -Tensor
mit Argumenten
aus dem Tangentialraum und
aus dem Kotangentialraum wird also notiert als:
Die Indexnotation beruht darauf, dass Tensoren multilineare Abbildungen sind
und daher in den Argumenten, in denen sie linear sind, ein Distributivgesetz
erfüllen und mit der Multiplikation mit Skalaren kommutieren. Das bedeutet, dass
sich z.B.
mit
und
reellen Zahlen und
und
aus dem Tangentialraum statt
einsetzen lässt und damit wie mit Zahlen weitergerechnet werden kann.
Wenn man die obige Formel als Koordinatenschreibweise versteht, ist sie mit der Summenkonvention einfach zu verstehen. Diese Notation lässt sich jedoch auch koordinatenfrei auffassen, wobei die Position der Indizes nur beschreibt, welche Art Tensor vorliegt, wobei also obenstehende Indizes Kopien des Tangentialraums und untenstehende Indizes Kopien des Kotangentialraums bezeichnen. Das Zeichen für das Tensorprodukt wird in dieser Notation ausgelassen, das heißt hintereinandergeschriebene Tensoren werden als Tensorprodukt aufgefasst. Bei einem einmal oben- und einmal untenstehenden Index wird eine Kontraktion analog zur kanonischen Paarung verstanden, was prinzipiell nicht basisabhängig ist.
Tensoren in der Physik
Ein Tensor ist, im Sprachgebrauch der Physik, eine Äquivalenzklasse von
Tripeln ,
bestehend aus
- einer Basis
eines fixierten
-dimensionalen Vektorraums
, z.B. des Minkowski-Raumes,
- einer Signatur
, die ein Tupel einer Länge
mit Einträgen
,
, ist,
- und einem „Hypertupel“
, d.h. einer Abbildung
, wobei
.
- Die Länge
der Signatur, die auch die Anzahl der Argumente der Abbildung
angibt, heißt Stufe des Tensors.
- Für die Abbildung
wird nicht die übliche Funktionsschreibweise verwendet, sondern ähnlich wie bei Folgen die alternative (und historisch ältere) Indexschreibweise, wobei Indizes oben und unten hinter dem Funktionssymbol
angeordnet werden können. Welche Indizes oben und welche unten geschrieben werden, gibt die Signatur an. Dabei steht ein Eintrag
oder
in der Signatur für Hoch- und Tiefstellen des entsprechenden Index.
- Zwei Tripel
und
bezeichnen denselben Tensor, wenn die Signatur übereinstimmt, d.h.
, und die Komponenten von
und
über die Koordinatenwechselmatrix
verbunden sind. Das heißt
, wenn die Basis als Zeilenvektor der Basisvektoren aufgefasst wird und
eine
-Matrix ist. Das Transformationsverhalten hat dann folgende Gestalt
- wobei
die Transformationsmatrix und
die Transponierte der inversen Matrix ist, d.h.
. Der Allgemeinheit willen wurde auf das Hoch- und Tiefstellen verzichtet und die Funktionsschreibweise statt der Indizes gewählt, konkrete Beispiele für die Indexschreibweise finden sich weiter unten.
Beziehung zum geometrischen Tensorprodukt
Eine Klasse äquivalenter Darstellungstripel
bezeichnet die Koordinatendarstellung eines Elements aus dem Tensorproduktraum
,
wobei
der Vektorraum und
der duale Vektorraum der Linearformen ist. Das Element selbst ist dann die Summe
,
mit
ein Basisvektor und
ein Element der dualen Basis.
Beispiele der Koordinatennotation
Beispiele der Stufe 1
Beispiel einer kontravarianten Größe ist der Spaltenvektor der Koordinaten
eines Ortsvektors ,
als Tripel also
.
Kontravariante Größen haben vereinbarungsgemäß immer hochgestellte Indizes. Der
Variationsbereich der Indizes entspricht gemäß ihrer Herkunft immer der Basis,
hat also eine Anzahl, die der Dimension des Raums entspricht.
Unter einem Basis-/Koordinatenwechsel
transformiert sich der Vektor als
, d.h.
.
Das invariante geometrische Objekt ist der Vektor
.
In der relativistischen Raum-Zeit werden die Koordinaten als Spaltenvektor
angegeben.
Beispiel einer kovarianten Größe ist der Zeilenvektor der Koordinaten einer
1-Form, d.h. eines linearen Funktionals, ,
oder als Tripel
.
Kovariante Größen haben vereinbarungsgemäß immer tiefgestellte Indizes. Sie
transformieren sich definitionsgemäß nach
Das invariante geometrische Objekt ist der Kovektor
.
In der relativistischen Raum-Zeit werden die Koordinaten als
angegeben.
Analog zur Multiplikation eines Zeilen- mit einem Spaltenvektor in
definiert man die Anwendung eines linearen Funktionals auf einen Vektor:
Die letzte Schreibweise verwendet die Einsteinsche Summationskonvention, die besagt, dass über gleich benannte Indizes summiert wird, wenn der eine unten und der andere oben steht. Man spricht auch, etwas ungenau, vom Skalarprodukt eines ko- und eines kontravarianten Vektors.
Man rechnet leicht nach, dass es sich dabei auch tatsächlich um einen Skalar, d.h. einen transformationsinvarianten Tensor 0. Stufe handelt:
Das zweite Newtonsche Gesetz in Indexnotation:
Beispiele der Stufe 2
Es findet sehr oft eine Umschreibung kontravarianter Koordinaten in kovariante statt, d.h. eine Umwandlung eines Vektors in eine 1-Form und umgekehrt. Man bezeichnet dies als Hochstellen oder Herunterstellen von Indizes.
Dies wird durch einen metrischen
Tensor
ermöglicht, ein Tensor der Stufe
mit zweifach kovarianten Koordinaten
.
D.h. ihm entspricht das Tupel
und die Transformationsvorschrift
und das geometrische invariante Objekt
.
Im Allgemeinen verlangt man, dass der metrische Tensor symmetrisch –
bzw.
– und nicht ausgeartet ist, d.h. es muss einen inversen
symmetrischen Tensor
der Stufe (2,0) geben, welcher kontravariante Koordinaten
hat, so dass gilt:
.
Die Inverse zum metrischen Tensor wird auch als seine kontravariante Form bezeichnet.
Die adjungierte 1-Form des Ortsvektors
hat dann die „gesenkten“ Koordinaten
, umgekehrt ist
.
Die Anwendung der adjungierten 1-Form
auf den Ortsvektor
ist eine quadratische Abbildung, die den Ortsvektor auf eine reelle Zahl abbildet.
Der Vektor
wurde bereits durch die Kartesischen
Koordinaten
und die Zeitkoordinate
ausgedrückt.
In der speziellen Relativitätstheorie bzw. im Minkowski-Raum
ist die Koordinatenmatrix des metrischen Tensors diagonal mit Einträgen
auf der Diagonalen, es werden als Koordinaten-/Basistransformationen nur sog. Lorentz-Transformationen
zugelassen, welche diese Normalform des metrischen Tensors unverändert lassen.
Der entsprechende adjungierte kovariante Vektor lautet in diesen Koordinaten:
Hieraus folgt: .
Man beachte, dass die scheinbare Einfachheit dieser Formel eine komplexe
Konstruktion verbirgt: Der Vektor
wird in zwei verschiedenen Koordinatendarstellungen ausgedrückt, wobei in eine
der Metrik-Tensor schon eingegangen ist. Die übliche Koordinatendarstellung
eines Skalarproduktes hat zwar dieselbe Komplexität, aber verbirgt diese nicht.
Durch die kontravariante und kovariante Schreibweise werden Darstellungen in
der Form
mit der imaginären
Einheit
vermieden, wie sie früher gebräuchlich waren und auch heute noch in manchen
Lehrbüchern verwendet werden.
Darüber hinaus ermöglicht ihre Verwendung in der speziellen Relativitätstheorie den direkten Übergang auf den allgemeinen Fall.
Abstrakte Index-Notation
Die abstrakte Index-Notation benutzt die Formalismen von Einsteins Summenkonvention um die Schwierigkeiten der Beschreibung von Kontraktionen und kovarianten Differentiationen der modernen abstrakten Tensor-Notation zu umgehen und die explizite Kovarianz des Ausdruckes zu erhalten.
Es sei
ein (endlich-dimensionaler) Vektorraum
und
sein Dualraum. Man betrachte
beispielsweise den metrischen
Tensor
,
welcher eine Funktion mit zwei Argumenten aus
ist:
Die Platzhalter ""
für die Argumente werden durch tiefgestellte lateinische Indizes ersetzt, die es
erlauben den Typ des Tensors abzulesen (tiefgestellt steht für kovariant),
jedoch keine numerische Bedeutung haben:
Die Argumente von
erhalten hochgestellte Indizes, die deutlich machen, für welchen Platzhalter sie
einzusetzen sind:
.
Dabei kommt es nicht auf die Reihenfolge der Argumente an, was den
Rechenregeln bei der Einsteinschen Summenkonvention entspricht. Ob der abstrakte
Index einen Platzhalter für ein Argument oder ein Argument selbst bezeichnet,
hängt von der Interpretation der Ausdrücke ab, in denen gewisse natürliche
Vektorraumisomorphismen manifest sind. Beispielsweise steht
für
,
wenn man
mit seinem zugehörigen Element aus dem Bidualraum
identifiziert. Diese Notation benötigt also keine Bezeichnung für den
natürlichen Isomorphismus
.
Die Identifikation
bezüglich des metrischen Tensors ist durch
gegeben. In dieser Beziehung steht
für den Isomorphismus
,
für welchen ebenfalls keine zusätzliche Bezeichnung eingeführt werden muss. Der
Zweideutigkeit des Symbols
liegt hierbei der Isomorphismus
zugrunde.
Ein weiteres Beispiel ist die Spur
eines Tensors
über die letzten beiden Argumente
.
Dies soll in der abstrakten Index-Notation eine Kontraktion darstellen. Durch
die Wiederholung des Index erinnert die abstrakte Index-Notation an Einsteins
Summenkonvention, obwohl sie keine Summation beinhaltet.
Abstrakte Indizes und Tensorräume
Ein allgemeiner homogener Tensor ist ein Element eines beliebig oft
wiederholten Tensorprodukts der Vektorräume
und
,
wie zum Beispiel:
Nun erhält jeder Faktor in diesem Tensorprodukt eine Bezeichnung mithilfe
eines lateinischen Buchstabens in hochgestellter Position, wenn es sich um einen
kontravarianten Faktor (also )
handelt oder in einer tiefgestellten Position, wenn es sich um einen kovarianten
Faktor (der Dualraum
)
handelt. So ist das Produkt als
beziehungsweise
darstellbar.
Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass diese Ausdrücke dasselbe Objekt darstellen. Somit werden Tensoren dieses Typs durch folgende gleichwertige Ausdrücke dargestellt:
Kontraktion
Immer wenn im Tensorprodukt von Vektorräumen
und
ein kovarianter und ein kontravarianter Faktor auftritt, existiert eine damit
verbundene Spur. Beispielsweise ist
die Spur der ersten beiden Vektorräume. Und
die Spur des ersten und des fünften Vektorraums. Diese Spuroperationen lassen sich in der Abstrakten Index-Notation wie folgt darstellen:
Zopfabbildungen (Braiding Map)
Zu jedem Tensorprodukt existieren sogenannte Zopfabbildungen. Zum Beispiel vertauscht die Zopfabbildung
die beiden Tensorfaktoren (also ).
Zopfabbildungen stehen in einer eindeutigen Beziehung zur Symmetrischen
Gruppe, indem sie die Tensorfaktoren vertauschen. Mit
wird die Zopfabbildung bezeichnet, die die Permutation
auf die Tensorfaktoren anwendet.
Zopfabbildungen sind wichtig in der Differentialgeometrie.
Beispielsweise lässt sich die Bianchi-Identität
dadurch ausdrücken. Hier sei
der Riemannsche
Krümmungstensor, der als Tensor in
betrachtet wird. Die erste Bianchi-Identität lautet:
In der Abstrakten Index-Notation ist die Anordnung der Indizes fix (normalerweise lexikographisch geordnet). Somit kann eine Zopfabbildung durch Vertauschen der Indizes repräsentiert werden. Beispielsweise ist der Riemannsche Krümmungstensor in der Abstrakten Index-Notation:
Die Bianchi-Identität wird so zu

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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 01.09. 2022