Quantil (Wahrscheinlichkeitstheorie)

Zwei Beispiele: Einmal die Standardnormalverteilung und einmal eine Chi-Quadrat-Verteilung mit drei Freiheitsgraden (schiefe Verteilung). Den jeweiligen Wahrscheinlichkeiten werden ihre Quantile zugeordnet; die Fläche unter der abgebildeten Dichte von minus unendlich bis zum Quantil ist der jeweilige Wert.

Ein Quantil ist ein Lagemaß in der Statistik. Anschaulich ist ein Quantil ein Schwellenwert: ein bestimmter Anteil der Werte ist kleiner als das Quantil, der Rest ist größer. Das 25-%-Quantil beispielsweise ist der Wert, für den gilt, dass 25 % aller Werte kleiner sind als dieser Wert. Quantile formalisieren praktische Aussagen wie „25 % aller Frauen sind kleiner als 1,62 m“ – wobei 1,62 m hier das 25-%-Quantil ist.

Genauer ist das p-Quantil, wobei p eine reelle Zahl zwischen 0 und 1 ist, ein Wert einer Variablen oder Zufallsvariablen, der die Menge aller Merkmalswerte (salopp „die Verteilung“) in zwei Abschnitte unterteilt: Links vom p-Quantil liegt der Anteil p\ (=100p\,\%) aller Beobachtungswerte oder der Gesamtzahl der Zufallswerte oder der Fläche unter der Verteilungskurve; rechts davon liegt der jeweilige restliche Anteil 1-p\ (=100(1-p)\,\%). Die Zahl p heißt auch der Unterschreitungsanteil.

Spezielle Quantile sind der Median, die Quartile, die Quintile, die Dezile und die Perzentile.

Als Quantil der Ordnung p oder p-Quantil Q(p) (veraltet auch „Fraktil“) wird in der Statistik ein Merkmalswert bezeichnet, unterhalb dessen ein vorgegebener Anteil p aller Fälle der Verteilung liegt. Jeder Wert unterhalb von Q(p) unterschreitet diesen vorgegebenen Anteil. Dabei kann der Unterschreitungsanteil p auch als eine reelle Zahl zwischen 0 (gar kein Fall der Verteilung) und 1 (alle Fälle bzw. 100 % der Verteilung) angegeben werden.

Definition

Für Wahrscheinlichkeitsverteilungen

Gegeben sei eine Wahrscheinlichkeitsverteilung P auf (\mathbb{R} ,{\mathcal  B}(\mathbb{R} )), also den reellen Zahlen, versehen mit der Borelschen σ-Algebra.

Dann heißt eine reelle Zahl {\displaystyle x_{p}} ein p-Quantil (von P), wenn gilt:

{\displaystyle P((-\infty ,x_{p}])\geq p\quad } und {\displaystyle \quad P([x_{p},+\infty ))\geq 1-p}.

Insbesondere kann mehr als ein p-Quantil existieren.

Für Zufallsvariablen

Gegeben sei eine reelle Zufallsvariable X.

Dann heißt eine reelle Zahl {\displaystyle x_{p}} ein p-Quantil (von X), wenn gilt:

{\displaystyle P(X\leq x_{p})\geq p\quad } und {\displaystyle \quad P(x_{p}\leq X)\geq 1-p}.

Damit ist das p-Quantil der Zufallsvariable X genau das p-Quantil ihrer Verteilung P_{X}.

Definition über Verteilungsfunktionen

Ebenso lassen sich Quantile auch über Verteilungsfunktionen definieren. Ist  F die Verteilungsfunktion von P oder von X, so heißt {\displaystyle x_{p}} ein p-Quantil, wenn

{\displaystyle F(x_{p})\geq p\quad } und {\displaystyle \quad \lim _{t\uparrow x_{p}}F(t)\leq p}.

Hierbei bezeichnet {\displaystyle \lim _{t\uparrow x_{p}}F(t)} den linksseitigen Grenzwert.

Bestimmung und Beispiele

Bei stetigen Verteilungsfunktionen

Ist die Verteilungsfunktion  F der Zufallsvariable oder der Wahrscheinlichkeitsverteilung stetig, die Verteilung also eine stetige Wahrscheinlichkeitsverteilung, so vereinfacht sich die Definition. Das p-Quantil {\displaystyle x_{p}} ist dann eine Lösung der Gleichung

{\displaystyle F(x_{p})=p}

Dies folgt aus der Definition des p-Quantils über die Verteilungsfunktion, da die linksseitige Stetigkeit im zweiten Kriterium aufgrund der Stetigkeit dann mit dem Funktionswert an der Stelle {\displaystyle x_{p}} übereinstimmt.

Beispiel

Betrachtet man die Exponential-Verteilung mit Parametern {\displaystyle \lambda >0}, so besitzt sie die Verteilungsfunktion

{\displaystyle F(x)={\begin{cases}1-\mathrm {e} ^{-\lambda x}&x\geq 0,\\0&x<0.\end{cases}}}

Auflösen der Gleichung

{\displaystyle 1-\mathrm {e} ^{-\lambda x}=p}

für ein {\displaystyle p\in (0,1)} nach x liefert das p-Quantil. Hier ist

{\displaystyle x_{p}=-{\frac {\ln(1-p)}{\lambda }}}.

Ist die Verteilungsfunktion auf einem Intervall konstant, so existieren mehrdeutige p-Quantile. Betrachtet man die Verteilungsfunktion

{\displaystyle F(x)={\begin{cases}0&{\text{ für }}\quad x\leq -1\\x+1&{\text{ für }}\quad -1<x\leq -{\tfrac {1}{2}}\\{\tfrac {1}{2}}&{\text{ für }}\quad -{\tfrac {1}{2}}<x\leq {\tfrac {1}{2}}\\x&{\text{ für }}\quad {\tfrac {1}{2}}<x\leq 1\\1&{\text{ für }}\quad 1\leq x\end{cases}}},

so besitzt die Gleichung

{\displaystyle F(x)={\tfrac {1}{2}}}

unendlich viele Lösungen. Jedes x aus dem Intervall {\displaystyle (-{\tfrac {1}{2}},{\tfrac {1}{2}}]} ist dann ein {\displaystyle {\tfrac {1}{2}}}-Quantil (also ein Median).

Bei Existenz einer Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion

Besitzt die Zufallsvariable beziehungsweise die Wahrscheinlichkeitsverteilung eine Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion f, (sie ist demnach eine Absolutstetige Verteilung), so ist das p-Quantil {\displaystyle x_{p}} Lösung der Gleichung

{\displaystyle \int _{-\infty }^{x_{p}}f(x)\mathrm {d} x=p}.

Dies folgt direkt aus der Tatsache, dass absolutstetige Verteilungen immer eine stetige Verteilungsfunktion besitzen, diese sich über das Integral bestimmen lässt und der Aussage im obigen Abschnitt.

Beispiel

Bei Verteilungen mit Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen treten mehrdeutige Quantile dann auf, wenn die Dichtefunktion auf einem Intervall konstant null ist. So besitzt die oben über die Verteilungsfunktion definierte Verteilung die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion

{\displaystyle f(x)={\begin{cases}0&{\text{ falls }}\quad x\leq -1{\text{ oder }}x>1\\{\tfrac {1}{2}}&{\text{ falls }}\quad x\in (-1,-{\tfrac {1}{2}}]{\text{ oder }}x\in ({\tfrac {1}{2}},1]\\0&{\text{ falls }}\quad x\in (-{\tfrac {1}{2}},{\tfrac {1}{2}}]\\\end{cases}}}

Der oben hergeleitete mehrdeutige Median wird hier durch das Intervall {\displaystyle (-{\tfrac {1}{2}},{\tfrac {1}{2}}]} verursacht, auf dem die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion konstant gleich null ist.

Nicht-Eindeutigkeit und eindeutige Definition

Quantile q_{i} zu den Wahrscheinlichkeiten p_{i}
Die Quantilfunktion F_{X}^{-1}(p)

Ist F_{X} invertierbar, beispielsweise bei stetigen Verteilungen mit streng monotoner Verteilungsfunktion, fallen obere und untere Grenze zusammen, wodurch die obengenannte Menge einelementig bzw. das p-Quantil eindeutig wird.

Die Funktion {\displaystyle F_{X}^{-1}\colon (0,1)\to \mathbb {R} } heißt Quantilsfunktion oder verallgemeinerte inverse Verteilungsfunktion, der Wert F_{X}^{-1}(p), zuweilen auch Q_{X}(p) geschrieben, dementsprechend p-Quantil von F_{X} oder von X (ist klar, welche Zufallsvariable gemeint ist, wird diese oft auch weggelassen.).

In den Grafiken rechts ist q_{2} das eindeutige p_{2}-Quantil, ferner ist q_{3} das eindeutige p_{3}-Quantil, p_{3}^{+}-Quantil sowie p_{3}^{-}-Quantil.

Hat F_{X} eine Sprungstelle bei q, ist also P(X=q)>0, so gilt F_{X}(F_{X}^{-1}(p))>p für fast alle p mit F_{X}^{-1}(p)=q.

In der Grafik rechts oben ist P(X=q_{3})=P(X\leq q_{3})-P(X<q_{3})=p_{3}^{+}-p_{3}^{-}\ >\ 0

und daher F(F^{-1}(p_{3}^{+}))=F(F^{-1}(p_{3}^{-}))=F(q_{3})=p_{3}^{+}\ >\ p_{3}^{-}.

Ist F_{X} für ein p nicht invertierbar, also ein Stück weit konstant, besitzt die Quantilfunktion F_{X}^{-1} für dieses p eine Sprungstelle, bei der sie als Funktionswert das kleinstmögliche p-Quantil angibt. In der Grafik ist

Beim oft verwendeten 50%-Quantil sind zur besseren Unterscheidung sogar eigene Begrifflichkeiten üblich: Der Untermedian F_{X}^{-1}(0{,}5) ist das kleinstmögliche 50%-Quantil, der Median das mittlere 50%-Quantil und der Obermedian das größtmögliche 50%-Quantil, wobei alle drei deutlich auseinanderfallen können.

Beispiel

Das Quantil Q_{{0{,}3}} (also das 0,3-Quantil) ist der Wert des Punktes einer Verteilung, unterhalb dessen sich 30 % aller Fälle der Verteilung befinden.

Ein p-Quantil mit Unterschreitungsanteil

Besondere Quantile

Für einige bestimmte p haben die p-Quantile zusätzliche Bezeichnungen.

Median

Hauptartikel: Median

Der Median oder Zentralwert entspricht dem Quantil Q_{{0{,}5}} (0,5-Quantil). Es erfolgt also eine Einteilung aller Fälle der Verteilung in zwei umfangsgleiche Teile. Bei jeder Einteilung in eine ungerade Anzahl von p-Quantilen mit äquidistant-verteilten p (was eine gerade Anzahl umfangsgleicher Teile impliziert) entspricht der Median jeweils dem mittleren Quantil (beispielsweise dem 2. Quartil Q2 oder dem 50. Perzentil P50).

Terzil

Durch Terzile wird die größengeordnete Menge der Werte in drei Abschnitte gleichen Umfangs geteilt: unteres, mittleres und oberes Drittel.

Quartil

Darstellung des Interquartilabstands einer Normalverteilung.

Quartile (lateinisch „Viertelwerte“) sind die Quantile Q_{{0{,}25}} (0,25-Quantil), Q_{{0{,}5}} (0,5-Quantil = Median) und Q_{{0{,}75}} (0,75-Quantil), die auch als Q1 („unteres Quartil“), Q2 („mittleres Quartil“) und Q3 („oberes Quartil“) bezeichnet werden. Sie sind die in der Statistik mit am häufigsten verwendete Form der Quantile.

Der (Inter-)Quartilabstand oder auch (Inter-)Quartilsabstand (englisch interquartile range) bezeichnet die Differenz zwischen dem oberen und dem unteren Quartil, also Q_{{0{,}75}}-Q_{{0{,}25}} und umfasst daher 50 % der Verteilung. Der Quartilabstand wird als Streuungsmaß verwendet.

Siehe auch: Streuung (Statistik)

Quintil

Durch Quintile (lateinisch „Fünftelwerte“) wird die Menge der Werte der Verteilung in 5 umfangsgleiche Teile zerlegt. Unterhalb des ersten Quintils, d.h. des Quantils Q_{{0{,}2}}, liegen 20 % der Werte der Verteilung, unterhalb des zweiten Quintils (Quantil Q_{{0{,}4}}) 40 % usw.

Dezil

Durch Dezile (lateinisch „Zehntelwerte“) wird die Menge der verteilten Werte in 10 umfangsgleiche Teile zerlegt. Entsprechend liegen dann z.B. unterhalb des dritten Dezils (Quantil Q_{{0{,}3}}) 30 % der Werte. Dezile teilen ein der Größe nach geordnetes Datenbündel in 10 umfangsgleiche Teile. Das 10-%-Dezil (oder 1. Dezil) gibt an, welcher Wert die unteren 10 % von den oberen 90 % der Datenwerte trennt, das 2. Dezil, welcher Wert die unteren 20 % von den oberen 80 % der Werte trennt, usw. Der Abstand zwischen dem 10-%-Dezil und dem 90-%-Dezil heißt Interdezilbereich.

Perzentil

Durch Perzentile (lateinisch „Hundertstelwerte“), auch Prozentränge genannt, wird die Verteilung in 100 umfangsgleiche Teile zerlegt. Perzentile teilen die Verteilung also in 1-%-Segmente auf. Daher können Perzentile als Quantile betrachtet werden, bei denen 100\cdot p eine ganze Zahl ist. So entspricht das Quantil {\displaystyle Q_{0{,}97}} dem Perzentil P97: unterhalb dieses Punktes liegen 97 % aller Fälle der Verteilung.

a-Fraktil

Für a aus (0,1) wird das (1-a)-Quantil auch als a-Fraktil bezeichnet. Diese Unterteilung wird z.B. in der als „Paretoprinzip“ bezeichneten Vermutung verwendet.

Siehe auch

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Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung:  Jena, den: 30.06. 2021