Netz (Topologie)
Ein Netz oder eine Moore-Smith-Folge stellt in der Topologie (einem Teilgebiet der Mathematik) eine Verallgemeinerung einer Folge dar. Der Begriff geht auf Eliakim H. Moore und Herman L. Smith zurück, die ihn 1922 einführten. Mit sogenannten Cauchynetzen lässt sich der Begriff der Vollständigkeit metrischer Räume auf uniforme Räume verallgemeinern. Darüber hinaus kann man sie in der Integralrechnung zur Beschreibung der Riemann-Integrierbarkeit verwenden.
Motivation
Es soll vorab kurz erläutert werden, warum eine Verallgemeinerung von Folgen
nötig ist. In einem metrischen Raum
lässt sich die Topologie vollständig mittels Folgenkonvergenz
charakterisieren: Eine Teilmenge
ist genau dann abgeschlossen,
wenn für jede Folge
in
mit
gilt:
.
Auch Eigenschaften wie Stetigkeit
von Funktionen und Kompaktheit
lassen sich über Folgen definieren (z.B. sind in metrischen Räumen Überdeckungskompaktheit
und Folgenkompaktheit
äquivalent).
In topologischen Räumen ist eine Teilmenge
hingegen nicht mehr notwendigerweise abgeschlossen, wenn jede Folge einen
Grenzwert in
besitzt (z.B. ist
nicht abgeschlossen in
mit der Ordnungstopologie,
obwohl für jede konvergente Folge in
auch der Grenzwert in
liegt.).
Hier stellen Netze eine sinnvollere Verallgemeinerung dar: Eine Teilmenge
eines topologischen Raumes
ist genau dann abgeschlossen, wenn jedes Netz in
,
das in
konvergiert, einen Grenzwert in
besitzt. Auch Stetigkeit kann wie in metrischen Räumen definiert werden, wenn
man „Folge“ durch „Netz“ ersetzt (siehe weiter unten; man beachte, dass es für
Stetigkeit in topologischen Räumen keine äquivalente Definition mittels Folgen
gibt).
Auch ist eine Menge kompakt genau dann, wenn jedes Netz ein konvergentes Teilnetz besitzt.
Definitionen
Für eine gerichtete
Menge
und eine Menge
ist ein Netz eine Abbildung
.
Meist schreibt man analog zu Folgen
.
Da die natürlichen
Zahlen mit der gewöhnlichen Anordnung eine gerichtete Menge bilden, sind
Folgen spezielle Netze.
Teilnetz
und
seien gerichtete Mengen,
ein Netz in
und
eine Abbildung, die der folgenden Bedingung genügt:
(Eine solche Abbildung
heißt konfinal).
Dann nennt man das Netz
ein Teilnetz des Netzes
.
Konvergentes Netz
Ist
ein topologischer
Raum, so definiert man wie bei Folgen: Ein Netz
heißt konvergent gegen
,
wenn gilt:
,
wobei
den Umgebungsfilter
von
bezeichne. Man schreibt dann
oder
oder
Die formale Definition lässt sich so umschreiben: Für jede Umgebung von
gibt es einen Anfangsindex
in der gerichteten Menge
,
so dass Glieder des Netzes mit Index
nach
in der vorgelegten Umgebung enthalten sind.
Der Konvergenzbegriff lässt sich auf die Konvergenz eines Filters zurückführen: Hierzu definiert man den Abschnittsfilter als den von der Filterbasis
erzeugten Filter. Das Netz konvergiert genau dann gegen einen Punkt ,
wenn der zugehörige Abschnittsfilter gegen
konvergiert, d.h. den Umgebungsfilter von
enthält.
Häufungspunkt
Ein Punkt
heißt genau dann Häufungspunkt eines Netzes
wenn gilt:
,
d.h. jede Umgebung von
wird an beliebig großen Positionen im Filter erreicht. Wiederum ist eine
Charakterisierung über den Abschnittsfilter möglich:
ist genau dann Häufungspunkt eines Netzes, wenn es Berührpunkt des
Abschnittsfilters ist, d.h. wenn der Schnitt jeder Umgebung mit jedem
Element des Filters nicht leer ist.
Eine weitere Charakterisierung ist über Teilnetze möglich:
ist genau dann Häufungspunkt eines Netzes, wenn ein Teilnetz existiert, das
gegen
konvergiert.
Cauchynetz
Ist
ein uniformer
Raum, so definiert man: Ein Netz
auf
heißt Cauchynetz, wenn zu jeder Nachbarschaft
ein Index
existiert, so dass alle Paare von Gliedern des Netzes mit späteren Indizes
von der Ordnung
benachbart sind, d.h., dass
gilt. In Formeln:
Zwei Cauchynetze
und
werden als äquivalent angesehen, in Zeichen
,
wenn
Die Vervollständigung
von
ist
mit
als der Menge aller Cauchy-Netze. In einem vollständigen Raum konvergieren alle
Cauchynetze und äquivalente Cauchynetze haben denselben Grenzwert.
Vollständigkeit
Ein uniformer Raum
ist genau dann vollständig,
wenn jedes Cauchynetz auf
konvergent ist.
Beispiel eines vollständigen uniformen Raumes sind die
proendlichen Zahlen
eine Vervollständigung des uniformen Raumes der ganzen Zahlen
Anwendungen
- Definition der abgeschlossenen Hülle
Ist
eine Teilmenge des topologischen Raumes
,
dann ist
genau dann ein Berührpunkt von
(d. h. in der abgeschlossenen
Hülle von
enthalten), wenn es ein Netz
mit Gliedern
gibt, das gegen
konvergiert.
- Lokale Definition der Stetigkeit
- Seien
und
topologische Räume. Eine Abbildung
ist stetig im Punkt
genau dann, wenn für jedes Netz
in
gilt: Aus
folgt
.
- Riemann-Integral
Die Menge
der Zerlegungen
des reellen Intervalls
,
,
wird durch die Inklusion zu einer gerichteten Menge:
:
enthält alle Punkte von
.
Für eine reellwertige beschränkte Funktion auf
werden durch die Obersumme
und die Untersumme
zwei Netze definiert. Die Funktion
ist genau dann Riemann-integrierbar
auf
,
wenn beide Netze gegen die gleiche reelle Zahl
konvergieren. In dem Fall ist
.
Statt der Ober- und Untersummen lassen sich auch Riemann-Summen verwenden, um
die Riemann-Integrierbarkeit zu charakterisieren. Hierfür wird eine
kompliziertere gerichtete Menge
benötigt. Ein Element dieser Menge besteht also immer aus einer Zerlegung wie
oben und einem zu der Zerlegung gehörenden Zwischenvektor
von Zwischenstellen. Die Ordnung auf
wird nun so definiert, dass ein Element
echt kleiner als
ist, wenn
eine echte Teilmenge von
ist.
Eine Funktion
ist genau dann Riemann-integrierbar, wenn das Netz
konvergiert. Der Grenzwert ist dann das Riemann-Integral.
Dieser Zugang ist zwar komplizierter als der mit Ober- und Untersummen, dafür funktioniert er auch bei vektorwertigen Funktionen.
Literatur
- Boto von Querenburg: Mengentheoretische Topologie (= Springer-Lehrbuch). 3., neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Springer, Berlin u. a. 2001, ISBN 3-540-67790-9.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 18.03. 2023